Wagenknechts Friedenskurs führt zu weiterem Exodus junger Linke-Parteimitglieder

Immer mehr junge Mitglieder der Partei Die Linke verabschieden sich aus der Partei. Als Grund wird dabei vor allem die Haltung der Partei gegen Waffenlieferungen in die Ukraine angeführt. Dass diese jungen Sozialisten sich dabei argumentativ sprachlicher Versatzstücke aus dem Mainstream bedienen, merken sie allerdings selber nicht.

IMAGO / IPON

Nachdem erst kürzlich der baden-württembergische Sprecher der Landesarbeitsgruppe Bildung, Jan Werner, seinen Austritt aus der Partei Die Linke in einem polternden Brief verkündete, folgt ihm nun sein Brandenburger Genosse und stellvertretende Landesvorsitzende Justin König in die Parteilosigkeit. Ebenso wie Werner dürfte auch König einen guten Draht zum Spiegel haben, dem er seine Entscheidung begründete. Ausschlaggebend für seinen Austritt pünktlich zu seinem anstehenden 25. Geburtstag waren demnach seine „Eindrücke des Aufstands für den Frieden“. Allerdings wird auch der Mitgliederschwund an der Basis als Grund für sein Ausscheiden angeführt.

Verbaler Rundumschlag inbegriffen
Wütendes Mitglied der Linken tritt aus Partei aus
König veröffentlichte seine Austrittserklärung auf Twitter. Im Gegensatz zu Jan Werner hielt er sich mit markigen Sprüchen jedoch etwas mehr im Zaum, bekrittelte aber aufs Schärfste die Position der Partei hinsichtlich der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine. König bezeichnete in seinem Schreiben den Krieg in der Ukraine als den „größten Zivilisationsbruch seit dem Zweiten Weltkrieg“ und er „markiere endgültig das Ende der Nachkriegsordnung in Europa“.

Warum einem Sozialisten an dieser Nachkriegsordnung so viel gelegen sein sollte, wird daraus aber nicht ersichtlich. Der 24-Jährige warf der Partei vor, mit ihrer Haltung dazu beizutragen, „den Diskurs nach rechts zu verschieben“. Das ginge letztlich an seine „antifaschistische Substanz“. Stattdessen plädiert König für „Haltung“.

Zwar räumte König ein, dass auch „der Westen, der in dieser Verallgemeinerung überhaupt nicht existiert“, viele Fehler gemacht habe, doch das gelte auch für den Osten. Dann aber wurde es analytisch, als er feststellte, „die kommunistische Herrschaft in Ost- und Mitteleuropa” sei „doch nicht ohne Grund gescheitert“. Angesichts seiner „antifaschistischen Substanz“ und bisherigen Mitgliedschaft in der Linken dürfte das Scheitern aber dann wohl eher einer Eigenheit der Osteuropäer, denn der intrinsischen Destruktivität sozialistischer Gesellschaftsmodelle anzukreiden sein. Mit anderen Worten: Für König ist der Kommunismus in Osteuropa daran gescheitert, dass Slawen dazu nicht fähig sind. Das hätten wohl deutsche Sozialisten machen sollen. Das fand Lenin nebenbei auch.

Theoretische Quellenkenntnis der eigenen Ideologie? Fehlanzeige

Weiter schreibt König in seinem Abschiedsbrief „Gewalt darf niemals Mittel der Politik sein“ und trifft dabei eine Unterscheidung in offensive und defensive Gewalt (Letztere befürwortet er ja), die politischen Theoretikern des sozialistischen Spektrums seit jeher fremd war und man fragt sich, was nur aus dem politisch-theoretischen Anspruch der Linken geworden ist? Wo einst der „historische Materialismus“ an allen Ecken und Enden vermeintliche Lehren aus der Geschichte zu ziehen vorgab, tummelt sich nur noch veganes Hafer-Lattecino-tum, kuschelige Starbucks-Atmosphäre, in der alle nur einfach einsehen müssen, dass Gewalt schlecht ist, sonst setzt es Gewalt.

Clausewitz, der den Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln bezeichnete? Pah, ein alter weißer Mann, außerdem war der ja kein Sozialist. Das war auch Heraklit nicht, der den Krieg den „Vater aller Dinge“ nannte. Doch auch Lenin schrieb, dass der Krieg „die innere Fäulnis offenbare“ sowie „die schwachen Seiten der Regierung“, womit er ihm zumindest eine enthüllende Komponente zuschrieb. Und Karl Marx? Der bezeichnete im Kapital die Gewalt als „Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht“. Nur eine Frage der Zeit, bis auch Marx und Lenin die „alter, weißer Mann“-Behandlung blüht.

Zum Abschluss seines Schreibens räumte König allerdings seine Jugend ein, er hatte das „Glück, in der demokratischen Gegenwart aufgewachsen zu sein“. Die Frage, wie sein Hohelied auf die Freiheit und Demokratie mit der Mitgliedschaft in einer sozialistischen Partei vereinbar ist, stellt er sich aber nicht.

„Generation Tagesschau“: Nichts hat Konsequenzen, Hauptsache es klingt gut

Unabhängig davon, wie man zu den Waffenlieferungen in die Ukraine steht, entblößt sich König mit seinem Schreiben als Teil der „Generation Tagesschau“, die wohlklingende Phrasen wie „Haltung“, „Gewalt darf niemals Mittel der Politik sein“ und die Verurteilung des „Endes der Nachkriegsordnung in Europa“ mit dem Anspruch an eine vermeintliche „antifaschistische Substanz“ und dem Traum von einem „demokratischen Sozialismus“ (aber diesmal machen wir es richtig!) verbindet.

Regierungserklärung im Bundestag
Die Linke steht als nächste Partei zur Ausgrenzung an
Gegensätze und Widersprüche werden dabei gnadenlos ausgeblendet, ein auch nur ansatzweises theoretisches Grundverständnis der Forderungen sozialistischer Vordenker ist nicht mehr existent, nichts hat mehr mit irgendwas zu tun, aber zu jeder Sache hat man eine Meinung mit „Haltung“, die allerdings nichts anderes tangiert.

Nach den Beschreibungen von Jan Werner kann wenig Zweifel über den in der Linken vorherrschenden Parteienfilz bestehen, doch „Politiker“ wie König zeigen ein womöglich viel gravierenderes Problem einer politischen Jugend auf, die zu tatsächlich politischem Denken nicht im Stande ist. Diese „Generation Tagesschau“ sieht sich lediglich als parlamentarischer Arm einer medial diktierten Stimmung in der Gesellschaft, bei der selbst ein entsetzliches Drama wie der Krieg in der Ukraine lediglich dazu dient, mit medial vorgekautem, hypermoralischem Vokabular Haltung zu zeigen, anstatt die komplexe geopolitische Situation auch nur ansatzweise analytisch zu erfassen.

Nur so ist es möglich, dass König die Angst der Menschen vor einem Atomkrieg als Offenbarung des „wahren opportunistischen Denkens“ bezeichnen kann. Es mag richtig sein, dass heutzutage niemand mehr eine Linke voller Altstalinisten braucht, doch eine junge Generation von Salonsozialisten, die sprachliche Bausteine aus den Medien widerspruchsfrei nachplappert, brauchen wir genauso wenig.

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Kommentare ( 21 )

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Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Aber es bleiben Extremisten, die dann unentdeckt schweren Schaden aus dem Untergrund verursachen. Ganz langsam rückwärts an die Arbeit heranführen, bei der man sich anstrengen muss, dann sind diese Maulhelden handzahm.

Siggi
1 Jahr her

Und da gibt es jetzt linke Spinner, die behaupten, Wagenknecht könnte mit einer eigenen Partei die AfD halbieren. Sie wird der Linken einen derben Schlag versetzen, sodass die keine Chance mehr hat, in irgend einem Parlament zu sitzen; was ich begrüße. Alles andere dürfte Wunschdenken derjenigen sein, die wissen, dass es die Linke so oder so zerreißen wird.

Sonny
1 Jahr her

Eine Fortführung der SED hielt ich von Anfang an für absolut nutzlos. Im Gegenteil: Gefühlt hat die straflose Fortführung einer Partei des Unrechtsregimes DDR dafür gesorgt, staatliche Gewalt und Übergriffigkeit salonfähig zu machen.
Der Schaden, der damit angerichtet wurde, ist kaum zu ermessen, denn die Gewalt- und Diktaturphantasien der Altparteien der Bundesrepublik haben sich an der DDR ein Beispiel genommen.
Und wohin das alles führt, kann man ja heute, dreißig Jahre später, bestens betrachten, Corona-Politik ist ein Paradebeispiel. Ein Niedergang ohne gleichen.

Last edited 1 Jahr her by Sonny
89-erlebt
1 Jahr her
Antworten an  Sonny

Bärbel Bohley hat all das schon 2001 kurz vor ihrem Tod vorhergesagt. Das Überleben der SED war maßgeblich durch das politische Establishment der Bonner Republik beabsichtigt und ermöglicht worden. Nur so konnte sich maßlos am Rest der werthaltigen DDR bedient werden. Stasi & Co erleben Auferstehung unter Grü, Hadenwang, Scholz und Fäser.

Siggi
1 Jahr her
Antworten an  89-erlebt

Dies wurde ganz geschickt mit dem angeblichen Milliardenvermögen der SED, auf die natürlich alle scharf waren, erst ermöglicht.

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Diesen Salonsozialisten wünsche ich nur eines, und das ganz ohne Häme, genug Arbeit im Sinne von körperlicher Anstrengung. Nur so ist diesen Unbelehrbaren beizubringen, was das Wort “ Sozial“ eigentlich in Reinübersetzung heißt, nämlich schlicht und einfach “ miteinander“. Erst wenn man Solidarität verstanden hat, darf man über “ sozial“ schwadronieren. Diese ungebildeten brachial beladenen Auswüchse einer Gesellschaft, die den Kompaß verloren hat, gehören arbeitsverpflichtet, und zwar im Sinne von Gemeinnutz, denn sie haben den Staat und mich schon viel Geld gekostet, und bisher dafür nichts geleistet für die Gesellschaft. Schwitzen nach und während der Arbeit verhindert Dickleibigkeit und dumme… Mehr

Haeretiker
1 Jahr her

Wer Angst vor einer realen Gefahr (Nuklearwaffen) hat, ist ein Opportunist.
Wer Angst vor einer erfundenen Gefahr (CO2) hat, ist ein Vollidiot.

DM
1 Jahr her

Viel Platz für einen Ex-Linken! Aber es zeigt das verschwurbelte Denken dieser Person auf.
„Für König ist der Kommunismus in Osteuropa daran gescheitert, dass Slawen dazu nicht fähig sind“. Da kann ich nur sage: einerseits muß man den Slawen ein Kompliment aussprechen, anderseits ist das von dem Ex-Linken eine zumindest an Rassismus grenzende Aussage.

Iso
1 Jahr her

Die Parteien bringen nur Leid über das Volk. Man solle sich von den wenigen richtigen Sätzen nicht beeindrucken lassen, die heute gesagt und morgen längst vergessen sind. Es wird sich kein Messias in irgendeine Partei verirren.

Irdifu
1 Jahr her

Weiter so , wer braucht schon eine
mehrfach umbenannte SED in Deutschland . War schon ein Fehler ab 1989 die Parteihörigen der DDR hier in die Politik zu übernehmen .
2021 wahrscheinlich nur durch Betrug in den Bundestag eingezogen , wird hoffentlich bei den anstehenden Landtagswahlen alles unter 5 , besser noch unter 4 bleiben .

Luke
1 Jahr her

Das sind nur vorgeschobene Gründe. Sie wissen, dass Die Linke am Ende ist und sie in dieser Partei in Zukunft nicht mehr an die Fleischtöpfe kommen, um sich lebenslang vom Steuerzahler durchfüttern zu lassen.

Man wird sie bald bei den Grünen oder der SPD wiedersehen. Da gibt’s noch genug abzugreifen.

Christian H.
1 Jahr her

Die antifaschistische Haltung zeigen, indem gegen Friedensaktivisten demonstriert oder gehetzt wird. Da muss man schon wirklich frei von jeder selbstreflektion sein. Egal wie man politisch zur Situation steht.