Steinmeier unerwünscht: Selenskyj muss die Gründe nennen!

Steinmeier hat früher argumentiert, aufgrund seiner Vergangenheit habe Deutschland eine Verantwortung für Russland. Doch gerade wegen der deutschen Vergangenheit sollte der Bundespräsident seine Haltung überdenken. Zugleich wirft das zögerliche Verhalten im Beistand für die in ihrer Existenz bedrohte Ukraine Fragen auf.

IMAGO / Christian Spicker

Das Staatsoberhaupt eines anderen Landes zur „unerwünschten Person” zu erklären, ist im internationalen Umgang miteinander wohl die denkbar größte Brüskierung. Die Regierung der Ukraine hat dies jetzt getan! Das höchste der Gefühle war bislang der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Automatisch ist das die Begleiterscheinung einer Kriegserklärung oder eines ähnlich dramatischen Vorgangs. Auch die Ausweisung von Botschaftern oder die Reduzierung des diplomatischen Personals auf ein Minimum hat es schon gegeben. In der Regel übernimmt dann ein Drittland zumindestens die konsularischen Aufgaben des offiziell nicht mehr vertretenen Staates. Ein Beispiel ist die Schweiz, die seit 1979 die Interessen der USA im Iran vertritt.

Die Zurückweisung des höchsten Repräsentanten eines anderen Staates hat es bisher jedenfalls noch nicht gegeben. Selbst in Fällen schwerer Spionage liefen nach deren Aufdeckung, die die Titelseiten weltweit beherrschten, die Kontakte auf höchster Ebene wie gewohnt weiter. Nicht selten wurde daraufhin besonders auf die Wahrung der diplomatischen Usancen Wert gelegt. So verliefen beispielsweise nach der Enttarnung des DDR- Top Spions Günter Guillaume 1974 – immerhin war es Markus Wolf, dem Chef der Stasi- Auslandsspionage, gelungen, einen seiner Männer als persönlichen Referenten des Bundeskanzlers Willy Brandt zu platzieren – ungeachtet der skandalösen Dimension des Geschehens, die offiziellen und die geheimen Geschäfte zwischen den beiden Staaten in Deutschland weiter wie zuvor.

An all dem gemessen kann das Verhalten Kiews in der Causa Steinmeier nicht auf eine bloße Verstimmung zurückzuführen sein. Dazu reicht das enge und verständnisvolle Verhalten Steinmeiers gegenüber Russland in der Vergangenheit nicht aus. Da muss es mehr geben! Die ukrainische Seite muss jetzt liefern, will sie sich nicht am Ende dem Vorwurf der Unreife auf der internationalen Bühne aussetzen.

Jedermann erinnert sich daran, wie Steinmeier als Außenminister immer wieder um Nachsicht für selbst völkerrechtswidriges Verhalten Putins, wie der Annektion der Krim 2014, zu werben. Auch Bestrebungen besonders der USA, dem Wunsch der Ukraine nach Aufnahme in die Nato nachzukommen, widersetzte sich der SPD Politiker Steinmeier öffentlich und hinter den Kulissen vehement. Das Gleiche gilt für die tatkräftige Unterstützung der Bemühungen seines jahrelangen Förderers und engen Freundes Gerhard Schröder, der nach Ende seiner Kanzlerschaft nahezu übergangslos an die Spitze eines staatlichen russischen Energiekonzerns wechselte, um fortan dessen Interessen gegenüber seinem Heimatland durchzusetzen.

Mit welchem Erfolg ihm dies gelungen ist, zeigt heute die Abhängigkeit Deutschlands von Russland. Ohne tatkräftige Unterstützung „alter Genossen” in den Spitzen der deutschen Politik, Wirtschaft und Medien wäre dies mit Sicherheit nicht gelungen. Hat es vielleicht doch ein von Steinmeier „gewobenes Spinnennetz”, im Interesse Moskaus gegeben, wie es der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk behauptet? Fest steht, dass in Berlin nicht wenige Beobachter erstaunt über die engen und häufigen Kontakte Steinmeiers zum russischen Botschafter Wladimir Kotenev, den man auch den Party-Zaren von Berlin nannte, waren.

Bis noch wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar, hielt der Bundespräsident an dem „rein wirtschaftlichen Charakter” der zweiten Pipeline Nord Stream 2 fest. Dabei war es Wladimir Putin selbst, der die russischen Energielieferungen als „politische Waffe” beschrieb. Sah sich der Bundespräsident allzu kritischen Fragen bezüglich seiner Russland-Politik ausgesetzt, verwies er stets auf das große Leid, das Nazi-Deutschland während des 2. Weltkrieges Russland zugefügt habe. Daraus ergäben sich bis heute besondere Verpflichtungen Deutschlands.

So richtig diese Feststellung ist, so falsch ist Steinmeiers Schlußfolgerung daraus. Gerade weil Deutschland in seiner Geschichte so schwere Schuld auf sich geladen hat, ist es heute seine Pflicht, aus Lehre daraus, ganz besonders für die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz der Menschenrechte einzutreten. Dies muss auch dann gelten, wenn einstige Opfer deutscher Verbrechen, heute selbst ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Es muss nachdenklich stimmen, dass das deutsche Staatsoberhaupt nicht so denkt und empfindet.

Für einen Moment unmittelbar nach dem Einmarsch russischer Truppen und Söldner in die Ukraine schien in Berlin eine Form von Besinnung einzutreten. Das „Spinnennetz” war damit aber nicht verschwunden. Das zögerliche Verhalten im Beistand für die in ihrer Existenz bedrohte Ukraine spricht Bände und wirft weitere Fragen auf. Auch deshalb muss Kiew jetzt liefern!

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Kommentare ( 22 )

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22 Comments
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Jack
2 Jahre her

Ich bin mit Sicherheit kein Freund von Herrn Steinmeier. Den Konflikt in der Ukraine kann ich nur aus der Ferne über die Berichterstattung wahrnehmen. Was mir jedoch aufgefallen ist ist, die negative Haltung und die negativen Äußerungen der Ukraine gegenüber Deutschland. Nimmt man es nicht wahr, das Deutschland Flüchtlingen Schutz gewährt? Das große Sach- und Geldspenden von Deutschland in die Ukraine laufen. Das man sogar im Parlament sprechen darf. Das ist alles nichts wert? Sind diese Dinge selbstverständlich? Das Russland zur Lösung des Konflikts die falschen Mittel gewählt hat, darf und soll nicht bestritten werden! Hier gibt es überhaupt keine… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Jack
Moses
2 Jahre her
Antworten an  Jack

Alles das hat einen sehr hohen Wert. Allerdings ist dieser Wert nicht genug hoch, um den Verrat im 2014 zu vergessen. Was sollte man über Steinmeier denken, als alle vergangenen Jahren hat man versucht, D zu erklären, dass jede neue Pipeline aus Russland der Vorbereitung des Krieges dient.
Es ist nicht besonders klug, sich beleidigt zu fühlen, wenn man darauf hinweist, dass du ziemlich dumm alle verlaufende Jahre gewesen war.

Harald Kampffmeyer
2 Jahre her

So ein Vorschlag von mir: Der Selenskyj könnte doch seinen Affront damit erklären, dass der Steinmeier ein Verbrecher gleichen Kalibers wie Putin sei.
Schließlich was Steinmeier 1999 Kanzelamtsminister beim Gerd und ist Hauptverantwortlicher des verbrecherischen Überfalls auf Restjugoslawien, auch ein slawisches Land. Was Putin heute tut, tat Steinmeier damals.

Schwermetaller
2 Jahre her

„Da muss es mehr geben! Die ukrainische Seite muss jetzt liefern,…“
Hat sie doch längst getan. Die wollen Steini nicht, weil der keine Entscheidungen über Millionen- oder Millardenhilfen treffen kann. Absolut nachvollziehbar. Sowas wie Steinmeier würde ich in meinem Haus auch nur dulden, wenn er mit Koffern voll Geld erscheinen würde. Und mal ehrlich: Für was als willfährigen Zahlmaxe soll man denn einen geistig limitierten Chef-Schlandländler sonst noch gebrauchen können?

Brigittchen
2 Jahre her

Steinmeier ist KEIN Repräsentant dieses Volkes. Sondern ein Repräsentant einer korrupten und abgehobenen Politikerkaste. Trotzdem beleidigt dieser Ukrainische Staatschef und sein Botschafter damit unser GANZES Land.
Wir sollten ihm unsere Hilfe verweigern. Denn Dankbarkeit auf seine Forderungen und Beleidigungen werden wir nicht erwarten können.
Putin hatte wohl Gründe, diesen Krieg zu beginnen. Leider werden wir diese Gründe wohl niemals von unserer Politik und Presse erfahren.
Aber die Ukraine liefert uns hier selbst wunderbare Einblicke.

a.bayer
2 Jahre her

Es scheint mir inkonsequent zu sein, wen Selenskyj zwar mit Steinmeier nicht spricht, wohl aber mit hochrangigen Vertretern derjenigen Mischpoke, die ihn vor ein paar Wochen gewählt hat!

eschenbach
2 Jahre her

Ich kann Steinmeier, ehrlich gesagt, nicht ausstehen. Aber er repräsentiert ein Land, dass der Ukraine wohlwollend gegenüber steht. Und wenn die Hütte brennt, in der man sitzt, sollte man nicht die Diva geben!

Reinhard Schroeter
2 Jahre her

Steinmeier erntet gerade die Früchte seines eigenen Handelns. Keiner hat wie er, Menschen mit anderen Sichtweisen und Meinungen ausgegrenzt, verächtlich gemacht, deren Ruf beschädigt oder in die innere Immigrantion vertrieben. Seit etwa 10 Jahren gibt es wieder eine Staatsmeinung, der sich jeder anzuschließen habe, will er nicht als Aussätziger gelten. Das ganze gut orchestriert durch eine gleichgeschaltete Presse, den verfluchten Staatsfunk, durch gleichgeschaltete Kirchen, Gewerkschaften,jja hin bis zum ADAC.Alle mussten gegen Pegida oder die AFD sein, alle hatten einen Trump für den Gott-sei-bei uns zu halten, einen Viktor Orbán für einen Despoten. Niemand durfte den Klimawandel als völlig normalen Vorgang… Mehr

w.k.
2 Jahre her

Solche „Preise“ wie Steinmeier in der Ukraine, bekommt man für Gesamt- Lebenswerk. Das hat er sich redlich verdient. Angesichts des Krieges wird auf Heuchelei verzichtet.

Kassandra
2 Jahre her

Tja. Andere Länder, andere Sitten: „Der ungarische Außenminister hat gestern die Botschafterin der Ukraine einbestellt, um dagegen zu protestieren, dass #Ungarn von der ukrainischen Führung beleidigt wird, obwohl sein Land Hunderttausende von ukrainischen Flüchtlingen aufgenommen habe.“: https://twitter.com/PapkeGerhard/status/1511993945663889411?cxt=HHwWhoCznfKe1_spAAAA
Andererseits soll Steinmeier sich wohl gar nicht angekündigt haben – was hieße, sie wollten uns politisch-medial nur an der Nase führen?
„Die #Ukraine bestreitet, Bundespräsident #Steinmeier ausgeladen zu haben. Es habe gar keine Anfrage gegeben, sagt Präsident #Selenskyj.“ https://twitter.com/realTomBohn/status/1514331913556828184

Nun ja
2 Jahre her

Die Waffen führen in jeder Beziehung zu nichts Gutem. Die Ukrainer werden gerade in einem Proxykrieg USA versus Russland verheizt. Man muss imperiales Denken und Großmachtgehabe nicht mögen, ganz gewiss nicht, aber man muss sehr wohl die Realitäten zur Kenntnis nehmen und sich dementsprechend verhalten und einrichten. Und die Realität war spätestens seit 2014, dass es keinen Staat namens Ukraine mit dem Donbas und der Krim mehr geben kann und wird. Warum diese Trennung wieder wie in Jugoslawien nur mit Gewalt zu vollziehen war, ist ohne den Einfluss externer Parteien nicht vollständig zu erklären. Der entscheidende Fehler war, dass die… Mehr