Selbst mieseste Umfrageergebnisse wecken CDU und CSU nicht auf

Der Unions-Dampfer läuft auf Grund, und keiner reißt das Ruder herum. Den Weißen Elefanten im Kanzleramt will man nicht erkennen oder gar hinauskomplimentieren.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

Mit Polit-Logik oder wenigstens mit Psycho-Logik hat das Agieren von CDU/CSU seit Monaten, ja eigentlich schon seit Jahren nichts mehr zu tun. Gelegentlich gibt es ein kurzes Erwachen, ein leises Grummeln im zweiten Glied, wenn die Wahlergebnisse und die Umfragewerte mal wieder in den Keller gegangen sind. Mindestens seit 2015 und seit fast zwanzig Wahlen geht das so dahin. Dass niemand den sprichwörtlichen Weißen Elefanten im Kanzleramt erkennen oder gar hinauskomplimentieren will, mag verstehen, wer kann.

Nun gibt es wieder ein Grummeln. Denn am 6. Juni schickt sich die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt an, stärkste Partei zu werden. Und in Sachsen drohte ähnliches, wenn dort jetzt Landtagswahlen wären. Das Seltsame ist nur, dass sich mit Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Kretschmer (Sachsen) jetzt zwei CDU-Granden zu Wort melden, die die Merkel’sche Politik bis hinein in den Bundesrat brav mitgemacht haben. Zuletzt den Bundeslockdown vom April 2021 und die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes auch durch den Bundesrat.

Jetzt steht aktuell der CDU Sachsen-Anhalts das Wasser bis zum Hals. Da wird auch die zweitägige Wahlkampftour von CDU-Chef Laschet wenig herumgerissen haben. Immerhin ein wenig Einsehen erkennt man – aber wohl zu spät – bei Haseloff. Er macht die Bundesnotbremse mit der teilweisen Aushebelung des Föderalismus verantwortlich für die Aufholjagd der AfD in seinem Land. Das entsprechende Infektionsschutzgesetz, so Haseloff, habe „sicher ungewollt den rechten Extremisten in die Hände gespielt.“ Nun ja, eine richtige Erkenntnis, aber eine dünne Einsicht. Denn Gesetze sind nicht dazu da, bestimmte Parteien zu stärken oder zu schwächen. Zugleich kritisiert Haseloff, nicht zu Unrecht, dass es linken Kräften gelungen sei, mit hochideologisierten Themen wie der „Gendersprache“ Aufmerksamkeit zu erregen. Haseloff vergaß zu sagen: Und die Union hat auch dem nichts entgegengesetzt.

Wenige Tage zuvor hatte auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer Kritik an der noch geltenden Bundes-Notbremse geübt. Diese habe viel Aufregung ausgelöst und konnte die Bevölkerung nicht von ihrer Notwendigkeit überzeugen. Man habe dabei nicht berücksichtigt, dass regionale Bestimmungen besser funktionierten als bundeseinheitliche Eingriffe. Ebenso forderte er mehr Freiheiten für Reisende.

Übrigens hat auch ein Beinahe-Kanzlerkandidat Söder (CSU) keinen Grund, sich einen schlanken Fuß zu machen, seine Partei dümpelt in Bayern bei knapp über 30 Prozent dahin. Maskenbewehrte Soloauftritte des CSU-Chefs in einem Straßencafé oder auf einem Gletscher haben wenig daran geändert. Es war viel eher so, dass die Ministerpräsidenten der beiden größten Bundesländer (Laschet in NRW und Söder in Bayern) alles schön mitgemacht haben, Söder gar noch toppen wollte.

Alles scheint nur noch auf die Kommandos im Kanzleramt zu hören. Einschließlich „Karlsruhe“. Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge zur Bundesnotbremse abgewiesen. Das Gericht räumt zwar ein: „Ob die nächtliche Ausgangsbeschränkung geeignet ist, um ihr Ziel zu erreichen, ist fachwissenschaftlich umstritten.“ Die Verfassungskonformität bleibt im Hauptsacheverfahren aber offen. Fachleute vermuten, dass das Verfassungsgericht seine Entscheidung solange verzögern will, bis der Bundeslockdown ohnehin vorüber ist; man will abwarten, wie sich die öffentliche Stimmung in den nächsten Wochen bewegt.

Auch wissenschaftliche Erkenntnisse und signifikante Statistiken werden im Kanzleramt und in der GroKo nicht geschätzt, wenn diese Erkenntnisse nicht von einem Drosten oder Lauterbach stammen. Dabei zeigt eine statistische Untersuchung eindeutig, dass die Lockdowns in Deutschland nie ursächlich für den Verlauf des Infektionsgeschehens waren und dass die Gefahr durch das Virus nie so groß war, wie behauptet. Die Professoren Göran Kauermann und Helmut Küchenhoff vom Statistikinstitut der Ludwig-Maximilians-Universität München sagten etwa jüngst klipp und klar: „Die Fallzahlen aus Ausbrüchen in Schulen sind weiterhin unbedeutend gering.“ Und: „auch nach der schrittweisen Öffnung der Schulen für den
Präsenzunterricht seit Mitte Februar (KW 8) ist die Anzahl der Fälle, die aus
Infektionen an der Schule resultieren, sehr gering geblieben.“ Die beiden halten mit Blick auf das Geschehen auf den Intensivstationen zugleich fest: „Die allgemeine Trendwende weg von einem Anstieg der täglichen Neuaufnahmen ist dabei über die Bundesländer hinweg ungefähr Mitte April eingetreten“, was ebenfalls vor dem Inkrafttreten des Bundeslockdowns ist.

Zugleich schwadronieren Merkel, Spahn und Co. von einer Impfung für Schüler ab 12 Jahren, wiewohl noch nicht einmal ein Fünftel der Erwachsenen komplett geimpft ist.

Wie notorische Lügner, die meinen, mit immer neuen Lügen die alten Lügen vergessen zu machen, denkt man in Berlin bereits über eine Verlängerung des Corona-Ausnahmezustands nach.

Immer neue Corona-Mutanten sollen als Grund dafür herhalten. Diesmal ist es die „indische Variante.“ Dabei sinkt die Inzidenz seit Wochen kontinuierlich – zuletzt bundesweit unter 40. Spahn, kaum aus Südafrika zurück, denkt über eine neue 20er-Inzidenz nach – also über neue Fesseln?

Was dabei alles den Bach runtergeht, interessiert in der Berliner Blase niemanden: Insolvenzen über Insolvenzen; erneut Hunderte von Unterrichtsstunden, die den Kindern fehlen; eine Verdoppelung psychiatrisch behandlungsbedürftiger Auffälligkeiten bei Kindern; ein um sich greifendes Betrugswesen bei Corona-Tests; eine Verschiebung von lebenswichtigen Operationen …

Es bewahrheitet sich, was einer der wenigen Nicht-Stromlinienförmigen aus der CDU/CSU-Fraktion, MdB Hans-Jürgen Irmer, gegen das neue Infektionsschutzgesetz am 13. April zu Papier brachte. Irmer fürchtete damals schon, dass mit diesem Gesetz eine Art „Dauerlockdown“ eingeführt werde. „Gezielte Horrormeldungen tragen zu einer Hysterisierung, aber nicht zur Problemlösung bei. Diese Gesetzesverschärfung fördert die Spaltung der Gesellschaft, missachtet das föderale System und die Gewaltenteilung, entmachtet die Parlamente, delegiert die Verantwortung an die Exekutive und ist ein Angriff auf die Justiz … Ich werde deshalb mit nein stimmen“. Wie Recht der Mann doch hat. Dafür bedurfte es nicht einmal prophetischer Gaben.

Und der deutsche Michel? Er hat sich eingerichtet in diesem Chaos und ist zufrieden mit Krümeln von „Freiheit“, mit denen man ihn lockt: Da ein Latte Macchiato in einem Straßencafé, dort ein Einkauf, vielleicht, vielleicht, vielleicht mal ein Besuch in einem Schwimmbad. Wenn man sich vorher hat registrieren und testen lassen oder wenn man einen Impfausweis hat. Ach, wie schön, dass man uns unsere Freiheiten wieder brav erdienen lässt!

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Kommentare ( 92 )

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Wolfgang M
2 Jahre her

Das Problem der CDU ist nicht Corona, sondern Laschet. Die Bürger wollten Söder, die CDU/CSU wollte Söder und das CDU-Präsidium setzte Laschet durch.
Nachdem Merkel den rechten Flügel der CDU wegamputiert hat, gibt es dort jetzt die AfD, die der CDU Konkurrenz macht. Mit nur noch einem Flügel ist die CDU keine Volkspartei mehr. Das zeigt sich eben in den Stimmen.
Wenn sich die CDU wieder konservativen Zielen bemächtigt, schreien die links-grünen Medien sofort „Rechtsruck“. Die CDU braucht einen Vorsitzenden, der das aushält.

Entenhuegel
2 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Die CDU-Basis wollte Merz, und hätte man „die Bürger“ auch nach ihm befragt, hätten sie wohl ähnlich entschieden. Merz‘ herausragende Qualifikation war nämlich, dass Merkel ihn nicht wollte. .

kiki667
2 Jahre her

Die „pandemische Notlage“ wird nie beendet werden, auch nicht bei einer Inzidenz von 0. Ich denke, das ist allen klar. Daran hängt zuviel Macht. Außerdem auch die Impfstrategie und sämtliche Maßnahmen, die jetzt jederzeit verhängt werden können, egal aus welchem konstruierten Grund. Ohne Notlage kein Impfdruck. Ohne Notlage könnte vielleicht auch die Notzulassung der Impfstoffe wegfallen.

Entenhuegel
2 Jahre her

Leider thematisiert Herr Kraus Haselofs Verweis auf „die rechten Extremisten“ als Profiteure der Bundesnotbremse nicht, sondern bestätigt diesen eher noch. Die wahren Extremisten sitzen aber in den Reihen der Altparteien und betreiben als Berufsprostituierte die systematische Schwächung und Abschaffung des modernen Deutschlands, im Corona-Fall durch systematische Desinformation, Panikmache und willkürliche Abschaffung von Grund- und Bürgerrechte. Es zeugt nur von besonderer Hybris, dass Marionetten wie Haselof diejenigen diffamieren, die genau darauf hinweisen. Davon abgesehen empfinde ich die Kritik an den Corona-Maßnahmen im Text als eher lau. So wird die Inzidenz als Kriterium nicht hinterfragt, und es gibt mehr als deutliche Hinweise… Mehr

Oliver Koenig
2 Jahre her

Der „weiße Elephant“ hat noch bis September die Macht, die Karriere jedes CDU-Politikers zu zertrampeln, der es wagt aufzumucken.
Und vielleicht auch noch länger. Möglicherweise wissen die etwas, das wir noch nicht wissen.

Alt-Badener
2 Jahre her

Auch heute in unserer nordhessischen Zeitung ein großer Bericht über die „große Freiheit“, in der Außengastronomie etwas essen oder trinken zu dürfen. Natürlich mit Bild von diesen so glücklichen Menschen. Aber klar, man muss sich ausweisen mit Impfausweis oder einem brandneuen Test. Kunden ohne Test werden weggeschickt, kommen dann aber mit gültigem Test wieder . . . Sorry, wie blöde muss man sein, um diesen Schwachsinn mitzumachen? Ich muss mich also kontrollieren lassen und mich entsprechend ausweisen, wenn ich im Außenbereich eines Restaurants etwas essen oder trinken möchte? Unfassbar, was in diesem Lande abläuft. Und die Bürger sind schon so… Mehr

Deutscher
2 Jahre her

Was für ein lächerliches Foto. Haseloff in einer äußerst gestellten „zeigt auf etwas“-Pose. Und dann noch mit Weitwinkelobjektiv aus der Froschperspektive aufgenommen, um es besonders bedeutend wirken zu lassen. Lächerlich – und genau deshalb perfekt angemessen.

Rob Roy
2 Jahre her

Kanzler-Kandidat Laschet schließt jede Kommunikation mit der AfD notorisch aus, spricht von einer Brandmauer, die man gegen die AfD errichtet habe.
Gibt es so eine Brandmauer auch gegen die Linken?
Und wie sieht die Brandmauer gegen die Grünen aus? Diese ist docjh nur noch ein kniehoher Jägerzaun.
Die nächsten Landtagswahlen werden zeigen, wie sehr sich die CDU verbiegen wird, um mit Linken und/oder den Grünen zu koalieren.

Entenhuegel
2 Jahre her
Antworten an  Rob Roy

Wo ist die Brandmauer gegen die Laschets, die… scham- und gnadenlosen Opportunisten, welche keine Scheu haben, offen mit den bekennenden Deutschland-Hassern und – Verächtern zu kungeln?!?

Klaus D
2 Jahre her

Selbst mieseste Umfrageergebnisse wecken CDU und CSU nicht auf…..das gleiche ist doch auch der SPD passiert….

Dissident
2 Jahre her

Die Unionsparteien gehen wie auch fast alle anderen ehemals großen Christdemokratische Parteien verdient unter. Wer sich in die Beliebigkeit begibt, kommt in der Beliebigkeit um.

josefine
2 Jahre her

Deutschlands derzeitige Politiker würden sicherlich mit fliegenden Fahnen 2022 zu den „Vereinigten Staaten in Europas“ überlaufen; die stolzen Franzosen und die ebenso stolzen Spanier würden aber bestimmt nicht mitmachen. Sie würden ihre Souveränität nie aufgeben, es sei denn, sie würden mit grossen finanziellen Eintrittsgeschenken überhäuft. Die beiden Völker sind stolz auf ihre Geschichte und auf das, was sie im Laufe der Jahrhunderte geleistet und geschaffen haben.
Das sieht bei den Deutschen (das müssen wir leider feststellen) ganz anders aus. Die jetzigen Politiker wollen mit Macht erreichen, dass wir unsere Vergangenheit nicht nur vergessen, sondern sie ausradieren.