Seehofer hat ungewollt ungewöhnliche Bekenntnisse zu Freiheit und Sicherheit ausgelöst

Wer die Freiheit der Taz gegen den Bundesinnenminister verteidigt, auch üble Texte zu veröffentlichen, der muss sich fragen lassen, wieso das offensichtlich für andere Bereiche nicht gelten soll.

imago images / Karina Hessland

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat dem Land unabsichtlich einen großen Dienst erwiesen. Der CSU-Politiker kündigte wohl etwas naiv und juristisch fragwürdig an, Strafanzeige gegen die Taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah wegen „Enthemmung der Worte“ stellen zu wollen, weil damit eine „Enthemmung der Taten“ drohe. Seehofer reagierte auf eine satirisch gedeutete Kolumne, in der mit unsäglicher Verachtung und Entmenschlichung kurzerhand 260.000 deutschen Polizisten zu entsorgendem Müll erklärt wurden. 

Seehofer löste damit eine erregte Debatte über die Meinungs- und Pressefreiheit aus und lenkte zudem den Blick auf das Verhältnis der Gesellschaft zur Polizei. Beide Themen werden von Politik und Medien in Deutschland meistens nur dann aufgegriffen, wenn es um den „Kampf gegen Rechts“ und gegen „Rassismus“ geht. Der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken gelang es jüngst sogar, beides zusammenzuführen und vom „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte“ zu sprechen.

Seehofers Reaktion auf die Taz-Kolumne löste fast quer durch alle Lager Empörung aus, obwohl viele Medien und Politiker den Artikel scharf kritisiert hatten. Fast alle Kommentare aber werteten die Absicht des Innenministers als einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Die überwältigende Mehrheit der Kommentare verteidigte die Meinungs- und Pressefreiheit. Das muss jeden Demokraten freuen, ist dieses Grundrecht doch von überragender Bedeutung für eine freie, demokratische Gesellschaft. Das „unbequeme Grundrecht“, wie Verfassungsrechtler es nennen, schützt natürlich auch Extremisten und Idioten, Ideologen und Spinner, erlaubt wüste Beleidigungen und widerwärtige Texte.  Wie erfreulich, dass dies angesichts der Seehofer-Initiative auch Medien wie der Spiegel, die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung erkannten – wenngleich der Anlass eine Attacke auf die links-grüne Taz war. 

Wer allerdings die Freiheit der Taz verteidigt, auch üble Texte und schrille Sichtweisen zu veröffentlichen, der muss sich fragen lassen, wieso das offensichtlich für andere Bereiche nicht gelten soll. Schließlich wird in Universitäten und Institutionen, vor allem aber in Medien und auf sozialen Plattformen ein erbitterter, unduldsamer Kampf gegen sprachlichen „Rassismus“ und „Diskriminierung“ sowie angebliche „fake news“ geführt. 

Die massiven Reglementierungen, angefangen vom Gendern der Sprache, der Verbannung von Begriffen wie Flüchtlinge, Asylanten oder Rasse, bis hin zu der Durchsetzung von „Political Correctness“ in allen Bereichen, den massiven Angriffen auf unliebsame Wissenschaftler und Intellektuelle und letztendlich die folgenschwere und oft lächerlich begründete Diffamierung von Personen, Gruppen und Medien als „rechts“, „islamophob“ oder „fremdenfeindlich“ belegt eine radikale Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen. 

Wurzel des Hasses
Auch die Süddeutsche Zeitung verunglimpft die Polizei
Lautstark werden ständig neue Maßnahmen gegen „hetzerische“ und „rassistische“ Texte sowie „Hass“ und „Fake News“ in den sozialen Medien gefordert. Bereits jetzt sind Heerscharen von Kontrolleuren und Zensoren damit beschäftigt, auf Facebook, Youtube und anderen Plattformen verdächtige Inhalte aufzuspüren und zu verbannen. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden dabei auf Facebook sogar User gesperrt, die nichts anderes als eine offizielle Statistik, eine Satire oder eine Karikatur gepostet haben, die beispielsweise Migranten oder den Islam aufs Korn nehmen. Der Staat finanziert mit vielen Millionen Euro alle möglichen Organisationen – wie „Correctiv“ oder die Amadeu Antonio Stiftung – deren vornehmste Aufgabe das Aufspüren und Beseitigen politisch anstößiger Texte und die Angriffe auf missliebige Medien ist.

Seehofer hat aber auch ein zweites wichtiges Thema in die Schlagzeilen gerückt, über das die Medien seit Jahren mit nicht zu übersehender Tendenz und Einseitigkeit berichten. Der oberste Dienstherr der inneren Sicherheit stellte sich demonstrativ vor die Polizisten, deren Situation von Jahr zu Jahr prekärer wird. Zum einen stehen sie für viele Medien und Politiker bei Ausschreitungen und Tumulten oft als erste in der Kritik, wird schnell von einem „unverhältnismäßigem Einsatz“ gesprochen – obwohl die Beamten angesichts der von der Politik durchgesetzten „De-Eskalations-Strategien“ ohnehin auf äußerste Zurückhaltung getrimmt sind und sich oft genug von aggressiven Vermummten verspotten lassen müssen. 

Die tiefe, emotionale Ablehnung der Polizei in Deutschland, die keineswegs nur in linken und grünen Kreisen verbreitet ist, führt dazu, dass im Spiegel – ohne jeden Anlass  in unserem Land – die Polizei insgesamt unter Generalverdacht gestellt wird: „Gewalt und Rassismus in der Polizei ist keine Angelegenheit einzelner ‚schwarzer Schafe‘, sondern ein Problem, das systemisch zur hochmoralischen Organisation Polizei gehört“, schriebt jüngst im Spiegel der Polizeiexperte Rafael Behr. 

Das Erbe von 68
Falsche Romantik und echte Randale: Was wirklich unter dem Pflaster liegt
Während die Gewaltbereitschaft und Krawalllust von Linksextremen, Autonomen und der großen Zahl nicht integrierter, aggressiver junger Migranten von Deutschlands Medien gerne relativiert, heruntergespielt und verharmlost werden – wie jüngst in Stuttgart –, sind die brennenden Probleme der Polizei kaum ein Thema. Die rasant gestiegene Zahl von gewalttätigen Angriffen auf Polizisten, aber auch auf Feuerwehrleute, Ärzte und Rettungskräfte belegen eine grundlegend veränderte Stimmung in vielen Orten Deutschlands. Es drohen auch bei uns mancherorts Zustände wie in manchen Vierteln von Paris, Brüssel oder Malmö, wo sich Polizisten nur noch in Mannschaftstärke hintrauen. 

Seehofer darf es sich als Verdienst anrechnen, dass seine unerwartete Reaktion auf den Taz-Artikel zwei heikle, wichtige Themen in den Vordergrund gerückt hat. Die „Satire” in der Taz ist im Vergleich dazu kaum der Rede wert. Ausgerechnet der Welt-Autor Deniz Yücel, der selbst schon mit befremdlichen Formulierungen über das Aussterben der Deutschen und üblen  Beleidigungen von Thilo Sarrazin in seinen Kolumnen auffiel, ordnete den Taz-Beitrag treffend ein. Yücel kritisiert „antirassistische und queerfeministische“ Autoren, die die „Überhöhung der rassistischen Ressentiments“ zur trickreichen Geschäftsgrundlage gemacht hätten. „Mit einer superradikalen Malcolm-X-Attitude auftreten, wo man sich auf die Anerkennung des linksliberalen Kulturestablishments verlassen kann. Ein Kolumnenplatz, ein Buchvertrag, ein paar Fördergelder, irgendwas wird dabei schon rausspringen.“ 

Anzeige

Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 67 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

67 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Wolfram
3 Jahre her

Nach dem Rückzieher werden die Polizisten ihren obersten Dienstherrn Innenminister Seehofer zu „schätzen“ wissen.

spindoctor
3 Jahre her

Dieser Dampfplauderer hat noch nicht die Rolle der (N)GOs als Kettenhunde des Establishments begriffen – ist wohl auch das Alter vor.

NGO = GO(under Cover).

Albert Pflueger
3 Jahre her

Mich hat bei alledem verwundert, daß für eine solche Hetze die Pressefreiheit gelten soll, und daß die Autorin als Journalistin eingeordnet wird. Man sah eherne Rechte in Gefahr, wenn Seehofer Strafanzeige stellen würde. Ganz abgesehen davon, daß eine Strafanzeige noch kein Gerichtsurteil ist, muß man sich fragen, was demjenigen drohte, der Arbeitslager für die Antifa fordern würde, wie Riexinger für die „Reichen“, in Abmilderung des zuvor vorgeschlagenen Erschießens. Man hat das Gefühl, daß die „Grenzen des Sagbaren“ von links immer mehr in Richtung der Billigung von nackter Gewalt verschoben werden. Plünderer werden zu Protestierern veredelt, ein bis zum Stehkragen mit… Mehr

moorwald
3 Jahre her

Seehofers Plan einer Strafanzeige war ja Blödsinn. Ein Minister stellt keine Strafanzeige, außer, er sei selbst Ziel einer vermutlich strafbaren Handlung.
Das ist einfach nicht die Ebene von Regierungshandeln.

Was ich schon immer mal fragen wollte: Hat eigentlich der Berufsverband der Ziegen damals Strafanzeige gegen Böhmermann gestellt – z.B. wegen Rassismus?

imapact
3 Jahre her

Jetzt ist es offiziell, daß Seehofer doch keine Strafanzeige stellen wird. Die Linken jubeln und Seehofer hat einmal mehr sein Image als bloßer Ankündigungsminister bestätigt.
Und, wenn auch nicht verlautet, was da zwischen ihm und Merkel besprochen wurde, kann man einmal mehr sehen, worauf die GröKaZ ihre wahren Prioritäten legt. Ob es nun um die Aufhebung einer demokratischen Ministerpräsidentenwahl geht oder darum , die Polizei vor linker Hetze zu schützen.

Korner
3 Jahre her

Merkel und Seehofer machen einen gewaltigen Fehler. Sie sollten nicht vergessen, dass sie gerade diejenigen verraten und den gewalttätigen Moslems ausliefern, die sie nach ihrer verheerenden Dienstzeit beschützen sollen. Das Interesse an einem gründlichen Schutz dürfte wohl bald gegen 0 gehen. Vielleicht denken die ja, ein paar ehemalige IS-Kämpfer würden reichen.

Pippi L
3 Jahre her

Wieweit es bei uns mit der Meinungs- und Pressefreiheit her ist, beweist ein Artikel in der Welt über den AfD Abgeordneten Fiechtner, der von der Polizeil aus dem Landtag getragen wurde, weil er einen ausländerfeindlichen Satz gesagt haben soll.
Meine Frage in einem Kommentar war, was er denn gesagt habe, denn ich möchte informiert werden und nicht rätseln müssen, wurde sofort entfernt.
Soweit ist es schon, wir dürfen die Wahrheit nicht sagen und danach fragen schon mal gar nicht.
Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sieht ganz anders aus.

imapact
3 Jahre her

Abgesehen davon, daß noch immer nicht klar ist, ob Seehofer seine Strafanzeige stellen wird oder von der GröKaZ zurückgepfiffen wurde („unverzeihlich“?), abgesehen auch davon, daß bereits die Polizei selbst Anzeige erstellt hatte: es wird wenig bringen, da sich in Deutschland längst ein Zwei-Klassen-„Rechts“-System eingenistet hat bzw. de facto installiert wurde. Ja, man wundert sich, daß im Lande der Zensoren, Moderatoren, des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, der offiziell bestallten und freiwillig tätigen Denunziatioren und Blockwarte, die überall hate-speech und fake-news ausmachen und löschen und unterdrücken, was das Zeug hält, daß in einem solchen Land dann ein Hetzartikel wie der vom TAZ-Dingsbums (satirisch gesprochen!) in… Mehr

diracdelta
3 Jahre her

Diese Potts*u sollte nach Möglichkeit nicht namentlich erwähnt werden um ihr billiges Geschrei nach Aufmerksamkeit nicht unnötig zu bedienen.

imapact
3 Jahre her
Antworten an  diracdelta

Wie der Artikel schon andeutet, besteht zumindest die -zugegebenermaßen schwache- Chance, daß es im Zuge dieser Geschichte dann nicht mehr so leicht fällt, alle unliebsamen Äußerungen als H&H zu unterdrücken. Man muß es halt nur als Satire verkaufen, wenn man beispielsweise über Merkels Gäste das sagt, was zu sagen ist.

Agrophysiker
3 Jahre her
Antworten an  imapact

Nein, als Satire geht etwas nur noch durch wenn es auf Regierungslinie liegt, oder zumindest den Sozialismus dient. **

Strato
3 Jahre her

Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, gelten für Linke nur solange sie ihnen nützen oder ihre eigene Meinung wiedergeben.