Reichsbürgerprozess: Der Gegner ist das Publikum

Seit einem Jahr wird gegen Prinz Reuß und Mitangeklagte verhandelt – ohne voranzukommen. Umgeben von Stacheldraht, Videokameras und Gittern wird dem Publikum klargemacht, was man von ihm erwartet. Der Bürger soll den Mund halten und kuschen. Macht er das nicht, ergeht es ihm wie den Angeklagten.

Imago/ Eigner

In wenigen Tagen, Anfang Mai, kann der Frankfurter Reichsbürgerprozess ein Jubiläum feiern. Ein ganzes Jahr lang wird dann gegen Prinz Heinrich XIII. Reuß und acht seiner Mitangeklagten wegen staatsgefährdender Umtriebe verhandelt worden sein, ohne dass viel erreicht, bestätigt oder gar bewiesen worden wäre. Der größte Terrorprozess der Nachkriegszeit, wie er von ein paar vorwitzigen Journalisten genannt worden war, dümpelt vor sich hin und droht im Nebel der Alltäglichkeit zu versinken.

Das wäre schade, denn langweilig wird diesen Prozess nur nennen, wer immer noch nicht begriffen hat, gegen wen er sich richtet. Die Angeklagten, die, flankiert vom Tross ihrer Anwälte, drei Reihen tief gestaffelt links unter dem Richtertisch sitzen, sind in diesem Krieg ja nur die Vorhut, der Kugelfang, wie man beim Militär wohl sagen würde. Der wahre Gegner sitzt gar nicht im Verhandlungsraum, sondern, getrennt durch eine dicke Wand aus Panzerglas, den Richtern gegenüber. Der wahre Gegner ist das Publikum.

In Frankfurt hält der Rechtsstaat, verkörpert durch den achten Senat des Oberlandesgerichts, dem Bürger, verkörpert durch die paar Besucher, die sich, wenn auch in spärlicher Zahl, an den Verhandlungstagen immer wieder einfinden, die Faust unter die Nase. Umgeben von Stacheldraht, Videokameras und mannshohen Gittern, braucht er dann nicht mehr viel zu sagen, um dem Publikum klarzumachen, was er von ihm erwartet. Der Bürger soll den Mund halten und kuschen. Spurt er nicht, hat er damit zu rechnen, dass es ihm ebenso ergeht wie den neun Angeklagten.

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Ebenso, das heißt: Macht euch darauf gefasst, von schwer bewaffneten Polizisten früh morgens aus dem Bett geholt zu werden. Wenn ihr nicht wisst, warum, dann fragt die Journalisten, die längst schon vor der Haustür stehen, um mitzuschreiben und mitzufilmen. Die wissen ja Bescheid. Sie haben etwas von einem Abgrund gehört, der sich in Frankfurt aufgetan haben soll, und lechzen danach, alles das nachzuerzählen, was ihnen Frau Faeser vorerzählt hat. Wo viel Nebel ist, sagen sie sich, da muss ja auch viel Feuer sein.

Ebenso, das heißt dann weiter: Richtet euch darauf ein, endlos in Untersuchungshaft zu sitzen, ohne dass Anklage erhoben wird. Nur zweimal im Monat dürft ihr dann Besuch empfangen, auch den nur getrennt durch eine Glaswand und im Beisein eines Polizisten, der mithört und mitschreibt. Vor und nach jeder Verhandlung müsst ihr euch nackt ausziehen und dem Gefängnispersonal erlauben, euch abzutasten. Gewiss, die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es ja im Grundgesetz; von unabtastbar steht da aber nichts. Alles verfassungskonform also.

Ebenso, das heißt am Ende auch: Ihr werdet es mit einer Anklageschrift zu tun bekommen, in der es von Konjunktiven nur so wimmelt. Staatsanwälte folgen ihrer eigenen Logik. Sie sind geübt in der Kunst, von möglich auf wirklich, vom Überlegen aufs Handeln, von dem Gedanken auf die Tat zu schließen. Wem das nicht einleuchtet, spanisch oder läppisch vorkommt, sollte gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn der Rechtsstaat versteht keinen Spaß.

Was in Frankfurt abläuft, lässt sich als Schauprozess begreifen, besser gesagt: als Show-Prozess. Die Öffentlichkeit soll kapieren, was es mit der wehrhaften Demokratie, dem modernen Rechtsstaat und so weiter auf sich hat. Dieser Staat kann auf ein ordentliches Verfahren, letztlich sogar auf ein Urteil verzichten, denn indem er die Angeklagten systematisch bloßstellt, erniedrigt und zermürbt, erreicht er sein Ziel ja ohnehin. Und dieses Ziel heißt eben nicht Gerechtigkeit, sondern Abschreckung.

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Abschreckung für die einen, Belohnung für die anderen. Wer sich fügt, darf auf Nachsicht, wer mitmacht, auf Entgegenkommen rechnen. In Frankfurt glänzt in dieser Rolle ein notorischer Lügner, der mehrfach vorbestrafte Herr R.. Belogen und betrogen hat er alle Welt, seine Freundin, seine Kunden, seine Mithäftlinge, zum Schluss dann auch noch das Gericht. Doch die Behörden brauchen ihn als Zeugen, und deshalb gelten seine Aussagen als werthaltig und glaubhaft.

Nach kurzem Geplänkel verliest ein Anwalt das eindrucksvolle Vorstrafenregister dieses Mannes. Eindruck macht er damit aber nicht, jedenfalls nicht auf die Richter, die zu erkennen geben, dass sie auch weiterhin versuchen werden, die Wahrheit aus dem Munde eines Lügners zu erfahren. Unwidersprochen nennt der Anwalt Herrn R. einen professionellen Denunzianten – Denunzianten, weil er seine Mithäftlinge verpfeift, und professionell, weil er dafür, ähnlich wie Anetta Kahane, die Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung, von diesem Staat auch noch belohnt wird.

Der Zeuge spricht von seinem Wunsch, auf der richtigen Seite des Rechtsstaats zu landen. Seit wann denn, geht ein Anwalt dazwischen, seit der zweiten, der dritten oder der zehnten Lüge? Mit solchen Fragen weiß das Gericht aber nicht viel anzufangen, die Verhandlung geht weiter, und der Zeuge, der sich selbst als Lügner decouvriert hatte, wird vernommen, als wäre nichts gewesen. Der Verdacht, dass sie selbst auf der falschen Seite des Rechtsstaats landen könnten, kommt diesen Richtern offenbar nie. Man schätzt den Verrat, doch nicht den Verräter, hieß es früher. Das ist vorbei, der moderne Rechtsstaat schätzt beide.

Und das hat Folgen. Nachdem ich die in Frankfurt vorgeschriebenen Sicherheitskontrollen hinter mich gebracht, mein Portemonnaie, meinen Regenschirm und andere gefährliche Gegenstände im Schließfach deponiert hatte, wartete ich auf die Leibesvisitation. Ein freundlicher Beamter trat auf mich zu und machte Miene, mich abzutasten, aber ich protestierte: Ich sähe zwar aus wie ein Mann, fühle mich aber als Frau und verlange, von einer Frau visitiert zu werden. Der Beamte stutzte kurz, dann fing er an zu lachen. Und das gesamte Publikum, Besucher und Polizisten, lachten mit.

Das ist die Lage. Das zuständige Ministerium beansprucht neuerdings, nicht nur für die Justiz, sondern auch „für den Rechtsstaat“ verantwortlich zu sein. Kleider machen Leute, mag sich der einfallsreiche Minister gedacht haben, Wörter auch. Aber da hätte er sich geirrt. Dem Rechtsstaat geht es schlecht in Deutschland, sein Ansehen leidet. Er ist nicht nur ins Gerede gekommen, nicht nur in Verdacht geraten, er ist drauf und dran, sich lächerlich zu machen. Und das wäre schlimmer als alles andere.

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Kommentare ( 87 )

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Chrisamar
19 Tage her

Der Schatz:“Reichsbürger-Großrazzia: 50 Kilo Gold und Edelmetalle sowie sechsstellige Geldsumme beschlagnahmtInsgesamt mehr als 420.000 Euro soll die Bundesanwaltschaft bei der Razzia im Dezember laut Spiegel-Informationen beschlagnahmt haben. Des Weiteren sollen die Fahnder etwa 50 Kilogramm Gold und Edelmetalle gefunden haben, berichtete der Spiegel und beruft sich auf Angaben aus Sicherheitskreisen. Wozu das Geld dienen sollte, ist noch ungeklärt.“ https://www.merkur.de/deutschland/reichsbuerger-razzia-kiloweise-gold-edelmetalle-geld-prinz-reuss-waffen-fund-polizei-zr-92054967.html Übersicht mit KI: „Das berühmte Zitat aus „Herr der Ringe“ lautet: „Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ein Ring, sie alle zu bringen und sie in der Dunkelheit zu binden; im Land Mordor, wo die Schatten liegen.“.  Erklärung: Diese Zeilen sind die… Mehr

Nibelung
19 Tage her

Das ist ja unglaublich was sich in diesem Schauprozeß abspielt und die Betroffenen bereits seit zweieinhalb Jahren eingesperrt sind und nichts handfestes nachzuweisen ist, außer der Tatsache daß man weiter sucht um alles in die Länge zu ziehen, was ein Unding ist, denn wenn Verhaftungen ausgeprochen werden, müßten üblicherweise schon Erkenntnisse vorliegen, die ausreichen um den Gewahrsam zu begründen, von der Tatsache abgesehen, daß bei dieser Gruppierung eine Lücke des Anspruchs besteht, die legal ausgenützt wird um sie dann umtrieblerischer Umstürze zu bezichtigen, was man den Blauen auch unterstellen würde, wenn man könnte und sie es einfach nicht lassen können,… Mehr

K-Jettie
20 Tage her

Die linken Spezls sollten genau hinschauen, denn irgendwann haben die anderen die Mehrheit, dann geht’s Euch so …

HansKarl70
20 Tage her

Wow, sind jetzt sogar „Spezialtaucher“ im Einsatz um diesen „gefährlichen“ Mitmenschen unter Kontrolle zu behalten?

luxlimbus
20 Tage her

Falsche Überschrift. Einem „Gegner“ zollt man ein Mindestmaß an Respekt.

Dellson
20 Tage her

Welches Deutschland spricht denn hier Recht? Welches Deutschland soll denn verteidigt werden? Welches Deutschland steht hinter der Mehrheit seiner Bürger und erkennt ihre Interessen? Nun, was wir erleben ist ein System das sich Deutschland nennt, aber sich der Aussage “ dem Deutschen Volk“ verweigert! Also liebe Bürger ist das dann wirklich noch eure Regierung, eure Justiz, euer Land oder werden wir alle nicht kolossal betrogen, manipuliert, hintergangen und für die Zukunft sogar enteignet?

Danny Sofer
20 Tage her
Antworten an  Dellson

Das ist nicht mehr Deutschland wie wir es kannten, das ist jetzt „unsere Demokratie“.

Siggi
20 Tage her

Ich frage mich allerdings schon seit geraumer Zeit, welche Rolle die Anwälte spielen. Warum tackern die das Gericht nicht mit Anträgen zu? Es hat den Anschein, als lassen die sich alles gefallen.

HansKarl70
20 Tage her
Antworten an  Siggi

Aus meiner Sicht wollen Anwälte hauptsächlich zwei Dinge. Welche? Nun wer schlau ist wird sich diese Frage sicher selbst beantworten.

Mathias Rudek
20 Tage her

Das Photo des weiten Saales, der in keinem Verhältnis zu den Sachverhalten steht, hat schon etwas orwellsches Beängstigendes. Eine einzige erschreckende Farce mit willfährigen Juristen, die nicht einmal den lächerlichsten Zeitgeisterscheinungen widerstehen können.

Norbert Gerth
20 Tage her

Die Bundesrepublik Deutschland als dritter Unrechtsstaat auf deutschen Boden seit 1933 eben….. so ungewöhnlich also nicht.

Donostia
20 Tage her

Ich vermute für einen Staatsstreich wird es wenig belastbares Material geben, denn wenn da was substanzielles wäre, dann würden die MS-Medien heiß laufen. Kann sich noch jemand an die RAF erinnern? Da wurden über Monate Munitionslager beobachtet um Terroristen dingfest zu machen. Polizei oder Militär war omnipräsent und Autokontrollen mit Maschinengewehren im Anschlag sehr oft zu sehen. Wäre hier ein Staatsstreich zu befürchten, dann wäre sehr viel mehr Staatsmacht präsent in unserem Alltag. Folglich geht der Staat davon aus, dass es keine Gefahr gibt. Wie soll auch ein Staatsstreich von 9 Gefangenen ausgehen, die alle eher an Pension oder Rente… Mehr

MalerKoeln2
19 Tage her
Antworten an  Donostia

Es wurde ja viel behauptet; militärische Organisation usw.

Da könnten jetzt mal die Beweise gerichtlich behandelt werden.

Vermutlich ist es aber nicht viel mehr als ein Telegramm-Kanal mit Phantasien.