Parteien im Grundgesetz streichen

Eine Demokratie-Hierarchie braucht es, bei der radikal dezentral so viel "unten" ohne Vorgaben von "oben" entschieden und getan wird, und die "oben" so viel Vorgaben kriegen, dass von Demokratie, Recht und Freiheit wieder gesprochen werden kann.

In diesen Zeiten lebt der größte Teil der Politik

Das Antrittsstatement des neuen Bundeskanzlers von Österreich, Christian Kern, klingt wie die moderne Version von Andreas Hofers berühmten Aufruf zum Freiheitskampf gegen Napoleon, „Mander s’isch Zeit“.

„Wenn wir so weitermachen – und ich habe dabei besonders die Bundesregierung im Auge – wenn wir dieses Schauspiel weiter liefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall. Wenige Monate, bis das Vertrauen und die Zustimmung in der Bevölkerung restlos verbraucht sind.“

Kern meint aber nicht nur die Große Koalition, die er nun führt, sondern das ganze Politsystem, das auf andere Weise, sonst aber vergleichbar, die Freiheit der Bürger wie in Deutschland beschneidet, in alle Teile der Gesellschaft ausgreift, in alles eingreift, und diese – erdrückend – staatlich veranstaltet. Die Befreiung der Bürgergesellschaft, gerne in üblich falscher Übersetzung aus dem Englischen Civil Society in Zivilgesellschaft übertragen, steht an: nicht weniger. Das geht über einen Personenwechsel weit hinaus, dafür reicht auch ein Koalitionswechsel nicht.

Auf Bundesebene, sagt Kern, sei die FPÖ „derzeit“ kein Partner, angesichts der derzeitigen Einstellungen dieser Partei „ist es ein langer Weg, bis wir uns denkmöglicherweise zusammenfinden können“. Kern schließt also morgen nicht aus, was er heute nicht will. Aber weder ein unfreiwilliger Koalitionswechsel, der mit den Grünen auffüllt, wenn Rot und Schwarz keine Mehrheit zustande bringen (in Wien wie in Berlin), noch eine Koalition von SPÖ und FPÖ (oder später von Union und AfD) kann das Politsystem ändern. Neos-Vormann Matthias Strolz hat recht, wenn er sagt: Es nützt nichts, den Reiter auszuwechseln, wenn das Pferd tot ist.

Wo ist der deutsche aktive Spitzenpolitiker, der den Grad an Selbstkritik wie Christian Kern aufbringt? Und wo ist in Wien, Berlin und den anderen Haupstädten Europas jene Kraft, die eine Erneuerung der Demokratie an Haupt und Gliedern verlangt? In Deutschland warte ich auf jemanden, der das mit einer ganz plakativen Forderung in Bewegung setzt: STREICHT DEN PARTEIENARTIKEL 21 IM GRUNDGESETZ.

Das allein bringt gar nichts, aber das Signal versteht jeder. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, steht in Artikel 21. In der Wirklichkeit haben die Parteien vom Staat und großen Teilen der Bürgergesellschaft Besitz ergriffen und kümmern sich um alles, nur nicht um die Willensbildung des Volkes. Als Václav Havel nach dem Ende des Kommunismus eine Politik ohne Parteien wollte, dachte ich mit vielen anderen, Demokratie ohne Parteien ginge nicht. Inzwischen kann ich nicht mehr übersehen: Demokratie mit Parteien geht offensichtlich nicht – jedenfalls nicht mit ihnen alleine oder hauptsächlich.

Wer vorurteilsfrei zu denken bereit ist, muss sich mit Gleichgesinnten zusammen setzen und eine Demokratie-Hierarchie entwerfen, bei der radikal dezentral so viel „unten“ ohne Vorgaben von „oben“ selbst entschieden und gemacht wird, und denen „oben“ so viel Vorgaben auferlegt werden, dass von Demokratie, Recht und Freiheit wieder gesprochen werden kann. Das ist strukturell eine Revolution. Noch ist Zeit, sie evolutionär zu verwirklichen.

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Kommentare ( 1 )

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Werner Brunner
6 Jahre her

Wozu herumreden …..
Es gibt doch tatsächlich Menschen , die behaupten ,
nur eine Revolution würde eine Änderung der bestehenden
Verhältnisse herbeiführen .
Soweit ich weiß , sind Revolutionen in der BRD strengstens
verboten !
Was folgert daraus ?