Neues Investitionsabkommen: Brüssel drückt für Peking beide Augen zu

Ursula von der Leyen und Angela Merkel feiern. Doch alle mit dem Abkommen einhergehenden Zugeständnisse Chinas sind meist dergestalt, dass man sich verpflichtet, darauf hinzuarbeiten, möglicherweise etwas zu unternehmen.

imago Images

In den letzten Tagen des vergangenen Jahres hat die EU China zu einem diplomatischen Sieg verholfen. Beide vereinbarten ein neues Investitionsabkommen.

Wie die EU-Kommission erklärte, würde das Abkommen europäischen Unternehmen in China einen einfacheren Marktzugang ermöglichen und zu faireren Wettbewerbsbedingungen führen. Allerdings enthält das Abkommen wohl große Ausnahmen davon zum Schutz bestimmter Schlüsselsektoren der chinesischen Wirtschaft wie Luftfahrt, Telekommunikation und Autoindustrie, wie die South China Morning Post berichtet, der ein Entwurf des Textes vorliegt.

Im Rahmen des Abkommens hat sich China verpflichtet, auf die Ratifizierung der Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gegen Zwangsarbeit “hinzuarbeiten”, allerdings ohne konkrete Verpflichtung. China selbst ist Gründungsmitglied der IAO, hat die entsprechenden Konventionen aber bis heute nicht ratifiziert, obwohl sie seit Jahrzehnten existieren. Zudem bleibt unklar, inwiefern zwischen den Aktivitäten chinesischer Unternehmen und denen des chinesischen Staates unterschieden werden kann – oder ob es dort überhaupt noch einen nennenswerten Unterschied gibt. Bisher hat China ausländische Investoren massiv benachteiligt und staatlich forcierte Industriespionage betrieben – ob der immer autoritärer werdende Rote Drachen etwas daran ändern wird, ist doch zweifelhaft.

Heft 01-2021
Tichys Einblick 01-2021: Wer schützt unsere Demokratie vor Corona?
Das Abkommen geht wohl maßgeblich auf den Druck der Bundeskanzlerin zurück, die dieses Abkommen unbedingt wollte, sie sprach von einem „großen strategischen Interesse“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter begeistert: “Die EU hat den größten offenen Markt der Welt. Aber wir legen Wert auf Gegenseitigkeit & fairen Wettbewerb. Heute haben wir die Gespräche mit China im Grundsatz abgeschlossen. Für wertebasierten Handel und bessere Chancen für EU-Unternehmen.” In einem anderen Tweet war die Rede von “Zusammenarbeit und Vertrauen” mit dem neuen Abkommen.

Der Verweis auf “wertebasierten Handel” und “Vertrauen” ist bemerkenswert, hat die chinesische Staatsführung doch gerade in den letzten Jahren nichts unternommen, um das Vertrauen des Westens zu gewinnen: Seit Jahren wird in der zentralchinesischen Provinz Xinjiang die ethnische Minderheit der Uiguren systematisch verfolgt, überwacht, in Lager gesperrt und zu Zwangsarbeit herangezogen. Zwangsarbeit, die im Verdacht steht, auch zur Herstellung von Exporten in die EU verwendet zu werden. Die Rede ist auch von demographischem Genozid.

Der EU fehlt der Blick in den Spiegel 

In den vergangenen zwei Jahren hat Peking außerdem in bisher beispielloser Weise die in internationalen Verträgen garantierte Autonomie Hongkongs und die Bürgerrechte der Bürger mithilfe des neuen sogenannten Sicherheitsgesetzes attackiert und die Gleichschaltung der Hongkonger Sicherheitsbehörden mit dem Festland vorangetrieben.

Und schließlich wäre da noch die Corona-Pandemie, befördert durch Chinas Vertuschung in den ersten Monaten. Berichte über die Krankheit wurden zensiert, Ärzte die darüber berichteten, zum Schweigen gebracht. Damals ließen die Behörden trotz des bekanntem Ausbruchs Parteiveranstaltungen mit zehntausenden Teilnehmern durchführen – alles dem Schein der Kommunistischen Partei Chinas zum Wohle. Die Welt wurde belogen, was den Verlauf der Krankheit anging.

Und was ist die Reaktion der EU nun? “Die Welt nach der Pandemie braucht eine starke Beziehung zwischen der EU und China”, heißt es bei von der Leyen. Für die bekannten Menschenrechtsverletzungen gab es einen internationalen Aufschrei, aber echte, spürbare Konsequenzen? Fehlanzeige. Die EU, die sich gerne als Moralapostel aufspielt, macht business as usual. Die KP Chinas hat von der EU nichts zu befürchten, das ist das Signal, das nach Fernost gesendet wird.

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Das Abkommen ist ein geopolitischer Durchbruch für die politische Führung in Peking, da es die transatlantischen Beziehungen zwischen der EU und den USA verschlechtern dürfte. Der Zeitpunkt der Vereinbarung zeigt auch, dass die Distanz der EU zu den USA wohl nicht auf die polternde Art von Präsident Trump geschoben werden kann. Schließlich ist allen in der EU klar, dass in weniger als einem Monat eine neue Administration das Weiße Haus führt, eine, die der EU mehr zugeneigt ist und von vielen in Brüssel begrüßt wird.

Das stellte auch der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses Matt Pottinger fest, er war fassungslos darüber, dass die EU “am Vorabend einer neuen US-Regierung” auf so ein Abkommen zusteuert. Er erklärte weiter in einem Statement: “Einige europäische Beamte und Kommentatoren behaupteten gern, die Trump-Administration sei ein Hindernis für eine noch tiefere transatlantische Zusammenarbeit. Jetzt ist allen klar, dass es nicht um Präsident Trump geht. Es geht um wichtige europäische Beamte. Schaut in den Spiegel.”

Pottinger verwies auch auf die Lage in Xinjiang: “Bürokraten in Brüssel oder Europa können sich nicht davor verstecken. Wir können uns nicht länger vormachen, dass Peking kurz davor steht, die Arbeitsrechte zu respektieren, während es weiterhin Millionen Quadratmeter Fabriken für Zwangsarbeit in Xinjiang baut.”

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Kommentare ( 32 )

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thinkSelf
3 Jahre her

Sie sind da nicht auf dem Laufenden. China muss inzwischen gar nichts mehr schützen. Auf vielen Technologiefeldern sind die nämlich inzwischen führend. Tendenz stark steigend. Und die Gendertussies und Gretas können das Zeug nicht mal mehr klauen, da das ihren Horizont übersteigt.
China würde ja gerne seine Exportüberschüsse dazu nutzen den brauchbaren Rest auch noch hier rauszukaufen. Dummerweise finden die da nicht mehr viel. Aber eventuell können sie einige Ecken Europas touristisch entwickeln. So als eine Art archäologischer Park für untergegangene Kulturen.

StefanB
3 Jahre her

„Der Verweis auf “wertebasierten Handel” und “Vertrauen” ist bemerkenswert…“

Ja, weil nun jeder – so er es denn will – offen sehen kann, in Richtung welcher „Werte“ sich die EU ganz offensichtlich mit großen Schritten entwickelt. China ist das „große Vorbild“.

Paul Brusselmans
3 Jahre her

Huawei (wörtlich China kann es) ist unsere einzige Hoffnung, den Bürger hisichtlich 15km Aktionsradius und klimaschädigendem Verhalten sowie Beteiligung an anderen als Soldaritätsdemos für die Regierung zu kontrollieren. Dazu die jetzt beschlossene Übermittlung des tatsächlichen Verbrauchs neuer Kraftfahrzeuge an die EU, die Registrierung von Onlinebestellungen, da ergeben sich interessante Möglichkeiten…..

rainer erich
3 Jahre her

Ueberraschung! Uebrigens : Merkel und den EU – Techno -und Bürokraten fehlt nichts, von einer demokratischen, antitotalitaeren Gesinnung abgesehen. Offenbar sind die Transformationsplaene immer noch ueberall angekommen, geschweige denn verstanden worden. China ist eine Art Systemblaupause fuer die EU, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Aktuell geht es darum, China als eine Art Sponsor fuer die failed states der EU und damit die EU selbst zu binden. Dass China seine Aktivitäten nicht aus Altruismus unternimmt, duerfte selbst den Damen mit ihren Handicaps bekannt sein. Diese Deals, von Merkel sehr geschaetzt, haben einen Preis, wirtschaftlich und politisch. Natuerlich steht der „Gewinner“… Mehr

thinkSelf
3 Jahre her
Antworten an  rainer erich

Nein, China ist keine Systemblaupause. Vielleicht was das autoritäre Gehabe angeht, aber das war es auch schon. Die Chinesen ticken schon als Volk ganz anders. So sind sie fest davon überzeugt die hochstehendes Kultur zu verkörpern (wobei ich ihnen da jeden Tag weniger widersprechen kann), sind sehr auf eine homogene Gesellschaft fokussiert (und da kennen die kein Pardon), sind erzkapitalistisch (und zwar der Durchschnittschinese, die Regierung aktuell eher weniger), zukunfts- und wohlstandsorientiert, diszipliniert und fleißig. Ach ja und eine gehörige Portion Nationalismus kommt auch gerade ganz gut. Also alles was den europäischen Eliten zutiefst zu wieder ist.

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  thinkSelf

Europäische Eliten? Wo sehen Sie in der gegenwärtigen Politik europäische Eliten? Ich sehe maximal Durchschnitt, dem man eingeredet hat, sie wären so etwas wie Elite. Diese Leute haben überhaupt keine Ahnung, was unter einer Elite zu verstehen ist. Die Damenriege in Brüssel und Berlin und ihr Fanclub mag eine gewisse Bauernschläue haben, mehr ist da nicht. Weltweit ist das viel zu wenig.
Aber wie schrieb schon Grimmelshausen bereits 1668 „Dem Simpel ist alles simpel“. Die Älteren unter uns, werden den Namen noch aus der Schulzeit kennen….

the NSA
3 Jahre her
Antworten an  rainer erich

Falsch, falsch : Offensichtlich kennen Sie weder China noch Sout East Asia.
China hat eine ganz andere Geschichte als D, und eine andere Zukunft, aber auch zT. aehnliche Probleme (demographische).
Welches Land denn hat in den letzen 5,000 Jahren ‚altruistisch‘ gehandelt ???
Get real.

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  the NSA

Mein Reden. Deutsche Politiker und nicht nur die, kennen die Welt nicht. Sie haben keine Ahnung. Sie könnten sich informieren, aber nein, nicht mal diese Notwendigkeit wird erkannt. In Deutschland lebt man frei nach dem Motto: ich denk mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Helene Walther
3 Jahre her

„Die Rede ist auch von demographischem Genozid.“ – Aha, Was ist los in Deutschland? Wo sind die Menschenrechte? Hier nimmt man es auch nicht so genau. Da kann man schon mal mehrere Augen zudrücken! Passt doch.

alex01130
3 Jahre her

Ich sehe die kommunistische Partei Chinas als die größte Bedrohung für den Westen. China geht strategisch sehr geschckt vor, um den Westen unter seine kontrolle zu bringen und sein authoritäres System zu verbreiten. Wichtig wäre ein Schulterschluß aller westlichen Demokratien und insbesondere mit den USA gegen China. Merkel und Von der Leyen haben Europa für ein Linsengericht verkauft! Es glaube doch keiner, daß die inkompetenten Tanten Merkel und Von der Leyen Xi Jinping in irgend einer Weise gewachsen sind. Er muß Tränen gelacht haben über den angeblichen Vertrag auf Augenhöhe!

thinkSelf
3 Jahre her
Antworten an  alex01130

Der Westen in seinem heutigen Zustand ist nichts (mehr) was ich für Wert halte verteidigt zu werden. Demokratie ist erstens sowieso abgeschafft und zweitens überbewertet. Daher schreckt mich auch eine Übernahme durch China nicht. Für Chinesen (die übrigens noch immer eine rührende Bewunderung für das „alte“ Deutschland hegen) ist Europa inzwischen eine totale Lachnummer. Übrigens nicht nur für die Regierung sondern auch für den einigermaßen gebildeten Durchschnittsbürger. Das gilt zunehmend auch für die USA, die man allerdings noch militärisch ernst nimmt. Nicht umsonst kehren inzwischen fast alle chinesischen Auslandsstudenten aus den USA wieder in ihr Heimatland zurück. Vor 20 Jahren… Mehr

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  thinkSelf

„Daher schreckt mich auch eine Übernahme durch China nicht.“ Entschuldigen Sie, aber das ist ein ganz dummer Spruch. Auch Sie scheinen Asien nicht zu verstehen. Wer immer bemüht ist, rechtzeitig auf die Seite der vermeintlichen Sieger zu springen, ist schon oft im Aus gelandet.

Paul Brusselmans
3 Jahre her

Was ein Vertrag mit China wert ist, kann Australien bezeugen. Mitglied der Freihandelszone mit China, wurde Australien mit Strafzöllen und Boykotten bestraft, weil es eine öffentliche Untersuchung zum Chinavirus forderte..

Paul Brusselmans
3 Jahre her

Danke für diesen Artikel. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_2541 ist als framing und fake news wirklich lesenswert. Nur China geht Verpflichtungen ein, denkt wohlwollend bzgl. Klima und Zwangsarbeit nach. Die weitere Öffnung sensibler Märkte der EU für China wird verschwiegen. Wie man Polen und Ungarn, auch Russland, wegen angeblicher Werteverstösse angreifen kann und gleichzeitig ein Abkommen mit einem Staat beschliesst, in dem Zwangsarbeit herrscht, Uighuren in KZs landen und deren Frauen zwangssterilisiert werden, ist mir schleierhaft. Doch, es gibt einen Grund: ein wenig Luft der deutschen Automobilindustrie in China zu verschaffen, die hier erdrosselt wird. Zur Erinnerung: China hat im Sommer massivsten Druck auf… Mehr

Hoffnungslos
3 Jahre her

Tja, wir haben Mädelsabend.

ThomasWoerner
3 Jahre her

War selbst um die Jahrtausendwende beruflich zwei Jahre in China. Damals sind sie mit rund 15 Versprechen zu wirtschaftlichen Reformen und freiem Marktzugang in die WTO aufgenommen worden. Davon wurde bis heute kein Einziges erfüllt!
Und während Polen und Ungarn innerhalb der EU immer als rechtsfaschistische Unrechtsregimes dargestellt werden, haben unsere linken Regierungsweiber kein Problem mit China.
Was lernen wir daraus?

thinkSelf
3 Jahre her
Antworten an  ThomasWoerner

Was wir daraus lernen? Chinesen sind ein intelligentes Volk auf dem Weg zur Sonne. Der sogenannte Westen dagegen ist ein dekadentes und verlottertes Abbruchgebiet das seiner finalen Abwrackung entgegensieht.
P.S. Wenn es geht, fahren sie mal wieder hin. Sie werden ihren Augen nicht trauen.