Klimapolitik – ein Jahrmarkt der Desinformation

Nirgends finden sich so viele Falschbehauptungen wie bei dem öffentlichen Thema Nummer eins. Auch Minister leisten sich massive Irreführungen.

Screenprint: DR TV

Robert Habeck gehört zu den Politikern, die außerordentlich häufig im deutschen Fernsehen erscheinen. Harte oder sogar bohrende Nachfragen muss er dort praktisch nie befürchten. Bei seinem Ausflug zu dem dänischen Sender DR TV am 28. März 2023 erlebte der Bundeswirtschaftsminister ausnahmsweise eine hartnäckige Journalistin, die sich mit dem Sinn seiner Klimapolitik befasste.

Die besteht bekanntlich darin, CO2-arme Kernkraftwerke abzuschalten, und dafür reihenweise alte Kohlemeiler wieder ans Netz zu bringen. Der Titel der DR TV-Sendung lautete deshalb: „Tysklands grønne går i sort?“, also: „Werden Deutschlands Grüne schwarz?“. Trotz der distanzierten Interviewführung schaffte es Habeck allerdings, eine massive Falschinformation ans Publikum zu bringen, ohne dass die DR TV-Mitarbeiterin nachhakte. Warum, fragte sie, schaltet Deutschland seine Kernkraftwerke ab, und setzt stattdessen massiv auf Kohle? Habeck müht sich, den Atomausstieg zu verteidigen.

— Casper J. Nuclear advocate ?? (@casperj33081634) March 29, 2023

Kernkraft habe einen „very damaging effect“, eine sehr zerstörerische Wirkung, das hätte man in Fukushima und Tschernobyl sehen können. Schon damit verzerrt er die Realität gründlich: Durch den Nuklearunfall in Japan gab es genau ein Todesopfer durch Strahlung. Und die Katastrophe von Tschernobyl 1986 geschah nicht im Normalbetrieb des Reaktors, sondern durch ein hochriskantes Experiment, das außer Kontrolle geraten war. Die Zahl der Strahlentoten lag hier vor allem deshalb höher, weil hunderte Helfer ohne oder nur mit völlig unzureichender Schutzausrüstung zum Löschen des brennenden Kraftwerks geschickt wurden.

Dann folgt die eigentliche Falschbehauptung des Vizekanzlers, warum nicht wenigstens die drei verbliebenen Atomkraftwerke weiter betrieben werden könnten: „Where do they get their uranium from?“ fragt Habeck rhetorisch. Und antwortet: „Oops, from Russia.“ (Wo bekommen die Kernkraftwerke ihr Uran her? Oops, aus Russland). Das Ziel der deutschen Energiepolitik sei aber die Unabhängigkeit von Russland.

Dabei handelt es sich um Unsinn, was dem Minister auch klar sein dürfte. Erstens laufen Kernkraftwerke nicht mit Uran, sondern mit Brennstäben. Aber weder in der Förderung des Rohstoffs noch bei der Herstellung der technischen Ausrüstung spielt Russland global eine Spitzenrolle. Wollte die Bundesrepublik ihre Kernkraftwerke weiter betreiben, wäre sie überhaupt nicht auf das Reich im Osten angewiesen. Laut World Nuclear Association lagern die mit Abstand größten Uranvorräte in Kasachstan, das über so viel verfügt, dass es den Weltbedarf über längere Zeit allein decken könnte. In der Rangliste der größten Uran-Förderländer folgen Namibia, Kanada, Australien, Usbekistan und erst auf Platz sechs Russland. Australien und Kanada gehören zu den befreundeten Ländern, Kasachstan und Usbekistan besuchte die deutsche Außenministerin vor kurzem. Und auch zu Namibia unterhält die Bundesrepublik gute Kontakte. Aber wie erwähnt – die entscheidende Rolle spielt die Herstellung von Brennstäben. Für Leichtwasser-Reaktoren liegt Brasilien hier nach produzierter Menge an der Spitze der Hersteller, es folgen China, Frankreich – und auf Patz vier Deutschland mit der ANF Lingen, einer Tochtergesellschaft des französischen Unternehmens Framatome. Die größten Firmen für die Brennelemente-Herstellung von Druckwasserreaktoren befinden sich in Argentinien, Kanada, China und Indien. Für den Weiterbetrieb der Kernkraftanlagen in Deutschland hatte im vergangenen Jahr das US-Unternehmen Westinghouse die Lieferung von Brennstäben konkret angeboten.

Bei Habecks Behauptung, ein Festhalten an der Kernkraft mache Deutschland von Russland abhängig, handelt es sich also zu hundert Prozent um eine Falschaussage.

Neben dem kontrafaktischen Narrativ von der Russlandabhängigkeit bei Uran lieferte Habeck vor kurzem noch eine andere irreführende Darstellung auf dem Gebiet der Energiepolitik. Und auch hier ging es wieder – unter anderem – um Kernkraft. Am 23. März sprach er – dieses Mal ungestört von Journalistenfragen – direkt in einem vom Wirtschaftsministerium produzierten Video zum Publikum, um von der Einweihung des Offshore-Windparks Kaskasi II in der Nordsee zu berichten.

Zurzeit, referiert der Politiker, sei auf See insgesamt eine Kapazität von acht Gigawatt installiert. „Ein Gigawatt, kann man grob sagen“, so Habeck, „entspricht ungefähr der Kapazität eines Atomkraftwerks.“ Die deutschen Windkraftanlagen auf See, suggeriert er damit, würden also acht Kernkraftwerke ersetzen. Das stimmt nicht. Noch nicht einmal grob. Wie auch viele Journalisten verwechselt er zwei sehr unterschiedliche Dinge: Kapazität und Erzeugung.

Zum einen liegt beziehungsweise lag schon die installierte Leistung der meisten Atomkraftwerke über einem Gigawatt; der Reaktor in Grohnde beispielsweise, am 31. Dezember 2021 stillgelegt, verfügte über eine Kapazität von 1,43 Gigawatt, Gundremmingen, schon 2017 abgeschaltet, über 2,988 und der noch bis 15. April aktive Meiler Isar 2 über 1,485 Gigawatt. Bei Energieerzeugungsanlagen zählt allerdings vor allem die Verfügbarkeit – also die Frage, wie kontinuierlich sie Strom liefern können. Kernkraftwerke gehören weltweit zu den Stromerzeugern mit der höchsten Verfügbarkeit. In der gesamten Betriebszeit von Grohnde lag dieser Wert beispielsweise bei 92 Prozent. Bis 2021 erzeugte das 1985 eingeweihte Kraftwerk insgesamt 400 Milliarden Kilowattstunden. Damit gehörte es zu den produktivsten Atomkraftwerken weltweit.

Windkraftanlagen auf See erreichen selbst an den besten Standorten nur Spitzenwerte von 4.500 Vollaststunden. Das heißt, da das Jahr 8.760 Stunden zählt: Rechnerisch liefern sie nur in etwas mehr als der Hälfte des Jahres ihre volle Leistung. An küstennahen Standorten erreichen sie gerade um die 3.200 Vollaststunden. Kommt dazu, wie in Habecks Planungen vorgesehen, die Speicherung des Windstroms mit Elektrolyseuren, also Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, um windstarke und windstille Zeiten auszugleichen, sinkt die reale Stromerzeugung insgesamt noch einmal deutlich. Denn beim Ein- und Ausspeichern gehen gut 60 Prozent der ursprünglichen Energiemenge verloren. Kern- und generell grundlastfähige Kraftwerke, die kontinuierlich erzeugen und sich regeln lassen, brauchen diese Zwischenspeicherung nicht.

Auch hier verzerrt Habeck also die Realität. Er führt die Öffentlichkeit in die Irre.

Neben dem Wirtschaftsministerium und dessen Haus verbreitet auch das Ministerium von Landwirtschafts-Ressortchef Cem Özdemir falsche Fakten, hier beim Thema Klimapolitik und Lebensmittel. Ein in sozialen Medien verbreitetes Schaubild der Behörde, die sich „Lebensministerium“ nennt, behauptet: „In jedem Kilogramm Lebensmittel steckt viel Wasser“.

Für ein Kilogramm Rindfleisch nennt die ministerielle Falschinformation 15.420 nötige Liter. Natürlich steckt diese Wassermenge nicht in dem Kilogramm Fleisch – das ginge ja schlecht. Sie fällt aber auch nicht wirklich bei dessen Erzeugung an. Noch nicht einmal annähernd. Bei dem so genannten Wasser-Fußabdruck für Lebensmittel unterscheiden zumindest seriöse Fachleute zwischen grünem Wasser, das als Regen fällt und fast vollständig durch Verdunstung wieder in den natürlichen Kreislauf gelangt, graues Wasser, also Schmutzwasser, das gereinigt werden kann, und blaues Wasser – Trinkwasser, das wieder aufbereitet werden muss. Über 90 Prozent des Wassers bei der Rindfleischproduktion entfällt auf die Erzeugung des pflanzlichen Futters. Und hier handelt es sich um Regenwasser, das erstens, wie erwähnt, im natürlichen Kreislauf bleibt. Und das vor allem sowieso fällt, egal, ob auf Weiden, Felder oder Städte. Bei 2,9 Prozent des zur Rindfleischherstellung nötigen Wassers handelt es sich um graues, bei 3,6 Prozent um blaues, also Trinkwasser. Ohne das Regennass liegt der Wasserverbrauch für die Erzeugung von 1.000 Gramm Rindfleisch also im Schnitt gerade bei 50 Litern.

Fazit: Das Ministerium von Özdemir bemüht eine falsche und schon oft widerlegte Zahl, um Verbrauchern ein schlechtes Gewissen zu machen.

Eine andere Klima-Irreführung entstand kürzlich in Zusammenarbeit wiederum des Bundeswirtschaftsministeriums von Habeck, des Bundesumweltministeriums und des ZDF. Am 8. März berichtete der Sender von einer Untersuchung über angebliche Kosten des Klimawandels, erstellt im Auftrag der Bundesregierung.

Unter der Überschrift „Was hat der Klimawandel in den vergangenen Jahren gekostet?“ heißt es auf der ZDF-Seite:
„Für die Zeit zwischen 2000 und 2021 haben die Forscher für Deutschland Kosten von mindestens 145 Milliarden Euro ermittelt, davon 80 Milliarden seit 2018. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit über 40 Milliarden Euro im Juli 2021 macht dabei einen wichtigen Anteil aus.“

Im Heute-Journal vom 21. März hieß es dann noch einmal: „Schon heute kosten die Folgen des Klimawandels viel Geld. So betrug der Versicherungsschaden allein für die Katastrophe im Ahrtal 8 Milliarden Euro.” Die Kosten für die verheerende Flut im Sommer 2021, die über 160 Menschen das Leben kostete, schlagen Studienersteller und Sender also kurzerhand dem „Klimawandel“ zu. Sie müssten eigentlich wissen: Zu großen Sommerfluten im Ahrtal kam es schon am 21. Juli 1804 – damals mit 63 Toten – und auch am 13. Juni 1910. Die Flut 1804 fiel sogar noch in den Spätausläufer der Kleinen Eiszeit.

Sommerfluten dieser Art ereignen sich durch bestimmte Starkregen-Wetterlagen, wobei die Enge des Ahrtals einen sehr schnellen Wasseranstieg begünstigt. Mit dem Klimawandel haben sie nichts zu tun. Messungen seit 1900 zeigen außerdem, dass die Niederschlagsmenge in Deutschland seitdem nur moderat um etwa 10 Prozent stieg – allerdings nur im Winter. Für den Sommer findet sich kein Trend.

Im speziellen Fall der Ahrtalflut 2021 kommt noch etwas hinzu: das massive Versagen der Behörden. Hätte die Hochwasserwarnung funktioniert, wären weder derart viele Menschen gestorben, noch hätte es Schäden in einem solchen Ausmaß gegeben. Bekanntlich blieb die Prognose des Europäischen Hochwasserzentrums vor einer Überflutung irgendwo auf dem Behördenweg hängen. Die damalige Landesumweltministerin Anne Spiegel (Grüne) erklärte in einer Pressemitteilung am Tag der Katastrophe sogar, es sei nicht mit einer Flutkatastrophe zu rechnen.
Fazit: Wenn das ZDF die Schäden der Sommerflut 2021 unter „Klimawandelkosten“ verbucht, betreibt es Desinformation.

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