So geht der neue Klassenkampf: Kein Impfstoff für Privatärzte

Offenbar haben Privatärzte Schwierigkeiten, Corona-Impfstoff zu bekommen. Deren Patienten haben das Nachsehen. Das erinnert an Methoden der früheren DDR.

IMAGO / Beautiful Sports

„Jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland hat unabhängig von der Art seiner Krankenversicherung bei der Auswahl des behandelnden Arztes die freie Wahl“. Diese gesetzliche Vorgabe zählte bislang zur DNA unserer freiheitlichen Gesellschaft. Komplementär zur ihr steht beispielsweise auch die freie Wahl des Berufes und des Wohnortes. Niemand ist berechtigt, in diesen Kernbereich der privaten Persönlichkeitsentfaltung einzugreifen.

Das Gegenteil davon erleben zur Zeit etwa 8,8 Millionen Bürger hierzulande. Eine ganze Reihe meiner Bekannten wunderte sich, dass von ihrer Krankenkasse keine Benachrichtigung über die Modalitäten der für das weitere Leben, einschließlich der Wahrnehmung einer ganzen Reihe von Grundrechten, zentral wichtigen Impfung gegen den Coronavirus kam. Ganz klar, es folgte der Anruf beim Hausarzt. Die ansonsten immer so freundliche Assistentin erklärt mit Bedauern in der Stimme, dass eine Verabreichung der Impfung durch den Arzt leider nicht möglich sei. Grund: Er sei ausschließlich als Privatarzt tätig, so wie ja auch der Anrufer schon seit Jahrzehnten privatversichert sei. Und an private Praxen werde schlicht kein Impfstoff ausgeliefert. Impfstoff wird nur an Ärzte geliefert, die auch eine Kassenzulassung haben. Pech gehabt für freie Ärzte.

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Meinem Bekannten verschlug es, wohl zum ersten Mal in seinem Leben, die Sprache. Kleinlaut und hilfesuchend flüsterte er, was soll ich denn da machen? Auch er bekam die übliche Standardantwort. „Sie müssen einfach zu einem x-beliebigen Arzt gehen, oder in ein Impfzentrum, dort zeigen Sie Ihren Ausweis vor und, sollten Sie zu der gerade angesagten Prioritätenstufe gehören, wird man Ihnen mitteilen, wann und zu welchem Zeitpunkt Sie wo sein müssen.“ Dem Betroffenen schießt der Gedanke durch den Kopf: „Und wenn ich den Termin knapp verpasse, ist es wohl für immer mit der Impfung aus!“ Mit anderen Worten, das Ganze ist „alternativlos“.

Was denn nun der eigentliche Grund dafür sei, fragte der höchst Verunsicherte nun einen guten Bekannten, der, so meinte er, als Bundestagsabgeordneter, und damit auch Beihilfeberechtigter in Sachen Gesundheitskosten, und damit vom Staat privatversichert, müsste doch Bescheid wissen. Und tatsächlich die Erklärung kam sofort: „Es gebe da technische Probleme bei der Praxiszuordnung und Impfmeldung. Zu den gesetzlichen Kassen habe der Staat enge Kommunikationslinien. Bei den Privaten sei das nicht der Fall. Komisch, dachte mein Freund. Was habe ich als Privaterversicherter, der seine durch Beiträge garantierten Leistungen nachfragt, eigentlich mit diesen Problemen zu tun? Und außerdem, warum werde ich bei einer vom Staat unausgesprochen verordneten Handlung gezwungen, einen mir unbekannten Mediziner aufzusuchen, der – bar jeder Vorkenntnis über meine Leiden – eine möglicherweise tragische Entscheidung treffen soll. Der Mann verzichtete übrigens auf die Impfung, deswegen nenne ich auch seinen Namen nicht – man weiß ja nie.

Doch wenn es keine wirklich technischen Gründe gibt, was sind dann die Motive? Bleibt eigentlich einzig die ideologisch verwurzelte Ablehnung des auf unternehmerischer Basis arbeitenden Mediziners. Und tatsächlich entspricht ein solches Streben der Vorstellung einer vollständig egalitären Gesellschaft. Dabei sind die linken Entscheidungseliten in der Vermutung eines stillschweigenden Einverständnisses mit der Mehrheit der Bevölkerung. Wer privatversichert ist, muss reich sein, in seinem Selbstverständnis irgendetwas Besseres, was sich dann auch einen besseren Arzt leisten kann. Neunzig Prozent der Deutschen sind gesetzlich versichert und nur etwa 10 Prozent privat. Dabei sind das nicht etwa alles Millionäre. Schon bei einem Bruttoeinkommen knapp über 5000 Euro kann man dabei sein. Im Alter sind viele Privatversicherte nicht zu beneiden, denn die hohen Beiträge bleiben auch dann, wenn das Einkommen wesentlich geringer geworden ist. Nur – ein Zurück in die gesetzliche Kasse gibt es nicht. Die Privilegien einer privaten Versicherung bestehen für den Privatarzt in höheren Arzthonoraren und für den Versicherten im Zwei- oder Einbettzimmer im Krankenhaus plus Chefarztbehandlung. Ganz davon abgesehen, dass immer mehr Krankenhäuser generell mit Zweibettzimmern ausgestattet sind, kann man in Deutschland getrost davon ausgehen, dass für jeden Patienten unabhängig seiner Versicherung das medizinisch Notwendige getan wird.

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Der eigentliche Unterschied findet sich in der ambulanten Behandlung – ein Termin beim Arzt ist in der Regel unmittelbar möglich, weil eine Privatpraxis ganz einfach nicht so überlaufen ist. Denn, wie schon beschrieben, auf neun gesetzlich Versicherte kommt ein Privatversicherter. Und natürlich hat der private Arzt auch mehr Zeit für ein ausführliches Patientengespräch. Ebenso klappt die erforderliche Facharztbehandlung schnell und unproblematisch, denn dieser Spezialist ist in der Regel ja auch privat praktizierend. Die monatlichen Beiträge zwischen GKV und PKV sind auch nicht so gravierend, wie viele meinen. Nur die Privaten kennen ein fein austariertes Tarifgerüst zusätzlicher Eigenleistungen. Das Wesentliche aber ist, dass viele Vertrags-Ärzte der gesetzlichen Versicherung ohne mindestens eine Handvoll Privatpatienten ihre Kassenpraxis schließen müssten. In Wahrheit finanzieren die Privatversicherten mit ihren Beiträgen die Behandlungen der Kassenpatienten mit und dienen so dem Gemeinwohl! 

Linke Ideologen kümmert das alles aber nicht. Privates Unternehmertum in jeder Form ist etwas Schlechtes und muss auf dem Weg zum Sozialismus abgewickelt werden.

Abschließend noch ein Blick zurück in die Zeiten der DDR. Anfang der 70er Jahre wurde für den Export in der DDR ein 2-Komponenten-Lack unter der Artikelbezeichnung „Pur-Lack“ hergestellt. Gestrichen werden sollten damit Türen und Fenster. Bei nur kleinsten Mängeln kam das Produkt aus dem Westen zurück und landete in den Warenlagern des VEB Chemiehandel. Die Auslieferung an die wenigen noch privaten Drogerien war strikt untersagt. Lediglich Geschäfte der HO oder des Konsum durften versorgt werden. Das Motiv war das gleiche wie bei den Privatärzten heute – im wiedervereinigten Deutschland.

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Kommentare ( 47 )

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Montgelas
2 Jahre her

Ich bin Ü 70 und bisher hat mich noch keine S… angeschrieben, ob ich mich impfen lassen wolle. Ich trage dies mit Fassung, denn ich habe keine Lust, mich jedes Jahr spritzen zu lassen, weil der Virus dem Anschein nach pro Jahr ein paarmal mutiert. Angesichts der Impfrisiken bei nur einer Impfung kann sich jeder ausrechnen, sofern er mit mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung vertraut ist, wie sich das Risiko mathematisch mit jeder Folgeimpfung potenziert.

JamesBond
2 Jahre her

Für diejenigen hier, die es nicht glauben, auch gerichtlich konnte eine Belieferung mit Impfstoffen von einem Privatarzt nicht erstritten werden:
„ Verwaltungsgericht Berlin
Urteil: Privatärzte dürfen vorerst nicht gegen Corona impfen

Eine Berliner Privatpraxis fühlte sich durch die Nicht-Berücksichtigung bei der Impfkampagne benachteiligt. Der Arzt ging vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Klage jetzt ab.

Veröffentlicht: 30.04.2021, 12:22 Uhr“

horrex
2 Jahre her

Immer wieder dasselbe: Fast jeder macht immer wieder die Erfahrung, dass in der Regel das was der „Staat“ macht, zumindest „nicht wirklich gut“ funktioniert. Mindestens höchst langsam und umständlich ist. Und TROTZDEM wird immer weiter und von einer großen Mehrheit nach „mehr Staat“ regelrecht geschrieen. – Und (fast) keinem der Schreihälse fällt dieser Widerspruch auf.

Fulbert
2 Jahre her

Beim normalen Kassen-Hausarzt würde es mich, „Altersfreigabe“ der Impfung vorausgesetzt, nicht wundern, wenn begrenzte Impfdosen zuerst den Privatpatienten verabreicht würden. Die Bevorzugung bei Terminen und anderen Dingen ist mir als Privatpatient aus eigener Erfahrung nur zu bekannt, warum sollte es hier anders sein. Jeder Kassenarzt versucht, seine Privatpatienten zu halten.

Oneiroi
2 Jahre her

Wenn das schon Klassenkampf ist, darf man gespannt sein, wie das dann mit den Rechten für Geimpfte bzw. Ungeimpfte wird:D
„My Body my choice“ war gestern. Wer Grund und Menschenrechte haben will, muss einen der top öffentlich und privat vermarkteten serienmäßig hergestellten Prototypen spritzen lassen.
Würde mich tatsächlich mal interessieren, ob man beim Impfzwang die Regierung verklagen kann, wenn das Kind, der Vater oder sonst wer aus der Familie eine etwas „schlimmere Trombose“ entwickelt und verstirbt.
Ich befürchte die Regierung würde sowas als zu akzeptierende Kollateralschäden einstufen und weitermachen wie bisher.

Mikmi
2 Jahre her

Sollte nicht jeder den Impfstoff bekommen, den er haben will?
Die Polizei konnte sich den aussuchen, die Beamten auch, mir wird beim Hausarzt erzählt, sie hätten nur Astrazeneca, eine Privatpatientin bekommt aber beim gleichen Hausarzt Biontech?
Ich empfinde es als eine Nötigung, das jetzt die sich mit Astrazenica impfen lassen wollen, sofort dran kommen.

Deutscher
2 Jahre her

Die Privilegien der Privatärzte und Privatpatienten sind ausreichend.

EinBuerger
2 Jahre her

Naja. Ich denke, alle Ärzte haben wenig Impfstoff. Mein Arzt hat mich auch an das Impfzentrum verwiesen, weil er nur wenig hat. Und ich bin Kassenpatientin.

kiki667
2 Jahre her

Ehrlich gesagt kann ich die Anklage dieses Artikels nicht nachvollziehen. Jeder Privatpatient hat die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Wenn er einen Privatarzt hat, überweist dieser ihn eben zu einem Kollegen mit Kassenzulassung. Wo ist das Problem? Der Umstand, dass man vielleicht einen weiteren Weg hat oder Angst hat vor Wartezeit? Keine Sorge, auch Ärzte mit Kassenzulassung bevorzugen Privatpatienten und werden eine sofortige Bedienung garantieren. Ich höre von Privatversicherten nie Jammern darüber, dass die gesetzlich Versicherten mit ihren hohen Beiträgen alle Welt mitfinanzieren müssen oder dass ihnen die Kosten dieses Coronawahnsinns aufgebürdet werden – ihnen ganz allein. Selbst die großzügige… Mehr

Alfonso
2 Jahre her
Antworten an  kiki667

Angst hat vor Wartezeit?

Es ist wohl eine große Arroganz von vielen Ärzten, die entweder nicht fähig oder nicht willens sind (oder bei denen beides davon zutrifft), die Termine ihrer Kunden so zu planen, das nur kurze Wartezeiten entstehen.

Man muss sich mal vorstellen welcher Schaden dadurch entsteht, wenn Arbeitnehmer oder auch Selbstständige stundenlang in Wartezimmern von Arztpraxen verbringen müssen, nur weil Ärzte kein Interesse daran haben, ihre Praxen zu organisieren.

Viele Ärzte scheint das völlig egal zu sein, sie selber haben ja keine finanzielle Nachteile davon. Ansonsten würden sie diese Sache schnell abstellen.

Last edited 2 Jahre her by Alfonso
StefanB
2 Jahre her

Wer mitbekommen hat, dass wir schon mitten in der DDR 2.0 sind, wundert sich auch nicht über die reaktivierten Methoden aus der DDR 1.0. Das gilt generell. Vom offenkundigen Impfstoffmangel sind allerdings nicht nur Privatärzte und deren Patienten betroffen. Die sozialistische Mangelwirtschaft trifft insoweit eben ausnahmsweise alle.