Es geht nicht um Aufrüstung

Will Deutschland ein großmäuliger aber unzuverlässiger sicherheitspolitischer Zwerg bleiben?

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Im November 2018 konnten die Soldaten der Bundeswehr einen schwachen Hoffnungsschimmer haben, dass die verantwortlichen Politiker in Regierung und Parlament zur sicherheitspolitischen Vernunft gefunden haben, sowie ihrer Verantwortung für die Parlamentsarmee gerecht werden wollen und die Streitkräfte nun endlich mit der Wiederherstellung ihrer stark beeinträchtigten Einsatzfähigkeit beginnen können. Dabei geht es nicht um „Aufrüstung“ (Gabriel und andere links/rot/grüne Politiker), sondern um dringend benötigte Ausrüstung für unsere Soldaten.

Nun droht erneut erhebliches Ungemach, denn das Kabinett will am 20. März 2019 über die Finanzplanung der nächsten vier Jahre beraten und der vertrauliche Eckwertevorschlag, den Finanzminister Scholz (SPD) dafür vorgelegt hat, entspricht in keiner Weise dem errechneten Bedarf und den Erwartungen der Bundeswehr.

Gemessen am 52. Finanzplan und am bisherigen Eckwertebeschluss (2019-2022) der Bundesregierung verlangt Verteidigungsministerin von der Leyen für die kommenden vier Jahre (2020-2023) insgesamt 28 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr. Im Eckwertevorschlag von Scholz ist allerdings lediglich ein Mehrbetrag von 3 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn Scholz damit durchkommt, fehlen der Bundeswehr in den kommenden vier Jahren 25 Milliarden Euro.

Mit einer solchen Finanzplanung ist der gewaltige Modernisierungsbedarf der durch jahrelange Unterfinanzierung zum „Sanierungsfall“ kaputtgesparten deutschen Streitkräfte nicht zu decken. Die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wird sich über unvertretbar lange Zeiträume hinziehen und Deutschland wird über Jahre seine Verpflichtungen gegenüber der NATO und der EU nur höchst unzureichend erfüllen können.

Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr werden das Vertrauen in die politische Leitung aber auch in unsere parlamentarische Demokratie noch nachhaltiger verlieren, denn die Parlamentarier haben die jahrelange Unterfinanzierung der Parlamentsarmee Bundeswehr ja jahrelang mitgetragen und letztendlich haushaltshoheitlich entschieden.

Und Deutschland wird seine Versprechen erneut brechen. Mit der NATO wurde mehrfach vereinbart, dass alle NATO-Mitglieder die Verteidigungsinvestitionen bis 2024 in Richtung zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) allmählich steigern. 2018 hat Deutschland lediglich blamable 1,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Verteidigung investiert.

Beim NATO-Gipfel im Juli 2018 in Brüssel hat Kanzlerin Merkel deswegen sehr unangenehme Fragen beantworten müssen. Um die Wogen etwas zu glätten, hat die Bundesregierung der NATO dann offiziell mitgeteilt, dass Deutschland im Jahr 2024 Verteidigungsinvestitionen in Höhe von 1,5 Prozent BIP leisten will. Deutschland steht also ganz offiziell nicht zu den einvernehmlich getroffenen NATO-Vereinbarungen und wird seine erbärmliche „Trittbrettfahrerei“ fortsetzen. Und nach dem Scholz-Entwurf würde Deutschland 2023 nur 1,23 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben und würde noch nicht einmal das selbst vorgeschlagene „Kompromissziel“ erreichen. Deutschland präsentiert sich der NATO und der EU als unzuverlässiger und nicht vertrauenswürdiger – und damit unwürdiger – Partner.

Der deutsche Wehretat wird leider aller Voraussicht nach unzureichend und die Bundeswehr ein „Sanierungsfall“ bleiben.

Von Merkel ist nicht zu erwarten, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz positiv Gebrauch machen wird. Und wenn der Bundestag bei dieser erkennbar schädlichen Politik für Deutschland erneut seiner parlamentarischen Kontrollpflicht nicht genügt, offenbart sich auch erneut das Desinteresse großer Teile der deutschen Bevölkerung und ihrer gewählten Volksvertreter an einer verantwortungsbewussten Sicherheitsvorsorge für Deutschland, die NATO und die EU!

Will Deutschland ein großmäuliger aber unzuverlässiger sicherheitspolitischer Zwerg bleiben?


Hans-Heinrich Dieter, Generalleutnant a.D., war Befehlshaber und Kommandeur des 1. Deutschen Einsatzkontingents United Nations Peace Force (GECONUNPF) in Trogir/Kroatien, ab 1998 Kommandeur des Elite-Einheit der Bundeswehr „Kommando Spezialkräfte“ KSK in Calw und ab 2004 Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis.
Generalleutnant a.D. Hans-Heinrich Dieter ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und diverser Einsatz- und Verdienstmedaillen.

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Kommentare ( 45 )

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Rivarol
4 Jahre her

Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern in Freilassing ! Daher sollten sinnlose Auslandseinsätze beendet werden und die Bundeswehr sollte zur ihrer Kernaufgabe, den Schutz des Landes an den Außengrenzen übernehmen.
Aber der linke, permanent Recht brechende, Eunuchenstaat wird noch weiter degenerieren. Das Recht erodiert permanent, die Verteidigungsbereitschaft schwindet und die Weiberrepublik wird das Land weiter in den Abgrund führen. Es gibt keine Männer mehr in der Politik !

Bummi
5 Jahre her

Die Rüstungsausgaben aller 29 NATO-Staaten beliefen sich 2017 (schon vor der Aufrüstungskampagne) auf rund 900 Milliarden Dollar
Die Rüstungsausgaben Russlands lagen 2017 bei 66,3 Milliarden Dollar. China so um 250. Gegen wen wollen wir hier rüsten? Das ist totes, sinnlos zum Fenster rausgeworfenes Geld. Wichtiger wäre ein Ende dieser sinnlosen Auslandseinsätze, die Berufung eines kompetenten Ministers, Rauswurf der inkompetenten Berater und auch endlich Einsatz im Innland für vernünftige Zwecke, Katastrophenschutz, Grenzsicherung. Ansonsten keinen Cent mehr für Rüstung.

benali
5 Jahre her
Antworten an  Bummi

@ Bummi

Die öffentlichen Angaben über Rüstungsausgaben von China und Russland sind reine Phantasie angaben. Mit etwas Überlegung, aber auch der Lektüre von zuverlässigen Quellen, könnten Sie die wirklichen Zahlen erfahren. China hat mindestens das 2.5-fache ausgegeben und Russland wohl mehr als das 5-fache. Die meisten Angaben in den Medien kommen von Russland und China da selbst, und sind reine Propaganda…

wayfour84
5 Jahre her

Wir können uns doch bald „Schutz“ kaufen bei den Familien-Clans a la Schwarze Axt der nigerianischen Mafia. Braucht man da den Staat noch? Im Ernst. Ich bin kein militärischer Laie, habe gedient (nur Wehrdienst, aber nicht von der Fahne gelaufen, weil ich dem Staat damals sehr vertraut habe), bin für eine starke Armee, habe für diesen „Verein“ danach auch mehrfach gearbeitet (ist schon fünf Jahre her…) und sehe mit ENTSETZEN, was seit zwei Jahren mit der Gorch Fock passiert,welche „Ausrüstung“ für die Luftverladung zur Verfügung steht, dass ein Tornado im Museum steht UND im Einsatz ist (Hilfe, rette sich wer… Mehr

Perseus
5 Jahre her

Wer wickelt die BRD ab? Die Verfassung ist eine Loseblattsamlung und jedes Jahr steht mehr Scharia drin. Die Eckwerte (Vaterland, Familie …) sind geschliffen. Wohlstand ist der einzige gemeinsame Nenner! Die USA verteidigen uns auch gegen unseren Willen. Schlimmstenfalls überlassen sie uns als Wüste. Wir waren von Moskau wie Washington, von London und Paris ab 1948 ausersehen als Schlachtfeld in einem Ost-Westkonflikt. Die Gefahr steigt wieder. So lange Russland sich nicht der Finanzoligarchie der USA beugt wird geschürt (immer neue Sanktionen, mehr Nato an der Grenze zu Russland). Werden wir wie die Juden die Überlebenden zählen müssen? Gegen wen sind… Mehr

theaterdonner
5 Jahre her

Ein Kommentator hat ironisch gefragt, ob sicher sei, dass wir überhaupt eine Armee brauchen, da ja ein Schutz des deutschen Volkes und seines Vermögens von schwarzrotgrün nicht vorgesehen sei. Drücken wir’s mal so aus: Eine Armee brauchten wir, vielleicht so dringend, wie schon lange nicht mehr. Unsere aktuelle „Bundeswehr NG“, die ihren – von den gerade angesagten ideologischen Vorlieben von schwarzrotgrüngelbblauorangerosaoderwasauchimmer völlig unabhängigen! – Kernauftrag, das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, erkennbar nicht wahrnimmt, brauchen wir in der Tat nicht. Ich wage mal eine steile These: Wenn die Regierung eines Landes die Armee dieses Landes… Mehr

Gustl
4 Jahre her
Antworten an  theaterdonner

Was macht ein Land aus: Seine Grenzen, seine Währung und seine Armee . GRENZEN SIND WEG, WÄHRUNG IST WEG, ARMEE dauert noch einen kleinen Moment. Merkt der Michel denn nicht, was hier läuft!

Kraichgau
5 Jahre her

Ich bin ein militärischer Laie,aber wenn Resourcen verschwendet werden am Horn von Afrika,in Mali als Hilfstruppe der Franzosen,im !Balkan! bis heute oder in Afghanistan,scheint mir der eigentliche Auftrag der BW,eine territoriale Verteidigungsaree zu sein,nicht nur im Parlament oder Regierung,sondern auch bei den Soldaten vergessen worden zu sein….
wir haben weit mehr Risikofaktoren seit 2015 aufgenommen INNERHALB unserer Grenzen,als BW und Polizei zusammen an aktiven Gegnern gemeinsam stellen könnten!
DARÜBER sollten sich Generäle mal Gedanken machen…

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her
Antworten an  Kraichgau

Haben Sie bitte keine Angst, die gehören doch jetzt zu uns. Die tun uns nix, glauben Sie mir. Sollte es Morgen anders sein, habe ich mich halt geirrt, ist menschlich, oder?

BK
5 Jahre her

Uschis Truppe ist weder einsatzbereit, noch bündnisfähig. Im Grunde muss der Laden komplett abgewickelt, und neu aufgebaut werden. Man fragt sich, was die vielen Verwaltungssoldaten und Zivilkräfte, inklusive Wachschutz den ganzen Tag so machen. Wer klaut schon einen Panzer der nicht fährt?

walter werner
5 Jahre her

Putin erschreckt jedesmal aufs neue und bekommt richtig Angst, wenn von der Bundeswehr die Rede ist!

Hadrian17
5 Jahre her

Die Diskussion scheint müssig.

Verteidigung ist demnächst wohl überflüssig, denn Was muss denn bitte verteidigt werden? Wesentliche Industriezweige sind dabei, geschleift zu werden, was noch attraktiv ist, wird von Mächten aufgekauft, mit denen sich keiner anlegen möchte. Bleiben Gendertoiletten, eine anspruchsvolle teils infantil quengelnde 80 Millionen-Bevölkerung, zudem mit vorlauten Planetenrettungsfantasien zugedröhnt und mit im internationalen Vergleich höchst dürftigen Bildungsstandards, hinfällige Verkehrsinfrastruktur, ansonsten Windmühlen, Kartoffeln und Biomöhren.

Wer täte sich das an?

(Der Beitrag kann Spuren von Satire enthalten)

Harald Kampffmeyer
5 Jahre her

„Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr werden das Vertrauen in die politische Leitung aber auch in unsere parlamentarische Demokratie noch nachhaltiger verlieren…“ Sind die so verblendet oder indoktriniert, dass die das bis jetzt noch haben? Ich bin für die Wehrhaftigkeit (Verteidigungsfähigkeit) Deutschlands. Jedoch halte ich die Kommandogewalt über funktionsfähige Streitkräfte in Händen des rechtsbrecherischen Merkelregimes für so gefährlich, dass mir zur Zeit eine kaputte Armee als wünschenswert erscheint. Auch fordere ich die Volksbewaffnung. Jeder ordentliche Bürger sollte zur Verteidigung seiner selbst, der Familie, der Nachbarn und Freunde ausreichend bewaffnet sein (Fähigkeit zur Milizbildung nach Vorbild Schweiz). M.E. laufen wie… Mehr

benali
5 Jahre her
Antworten an  Harald Kampffmeyer

@ Harald Kampfmeyer

Die Väter des Grundgesetz haben den Bürgern misstraut, die „Framer“ der US Verfassung haben der Regierung misstraut und deshalb den Bürgern ihre Bewaffnung genauso garantiert wie die Meinungsfreiheit…