Wie weit kann sich die FDP noch verbiegen, um Scholz die Kanzlerschaft zu retten?

Scholz brüskiert seinen Koalitionspartner im Verteidigungsausschuss – als einige Abgeordnete protestieren, lässt Lindner seine Leute hängen. Für die Ampel ist die FDP opferbereit. Doch mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen könnte die Gummi-Partei an die Grenze der Verbiegbarkeit stoßen.

IMAGO / Future Image

Wenn die Ampel-Koalition zerbricht, kann man der FDP eines sicher nicht vorwerfen: dass es ihr am Willen gefehlt hätte, alles zu tun, um Scholz im Amt zu retten. Exemplarisch zeigte sich das am vergangenen Freitag, als Bundeskanzler Olaf Scholz im Verteidigungsausschuss des Bundestages auftrat (TE berichtete). Mit extrem ausweichenden Antworten brüskierte er nicht nur das Parlament, sondern auch seinen Koalitionspartner, der ihn eingeladen hatte. Einige FDP-Abgeordnete hatten dann schließlich genug: Scholz redete an den konkreten Fragen über Waffenlieferungen in die Ukraine so demonstrativ vorbei, dass die FDP-Gruppe um den verteidigungspolitischen Sprecher Marcus Faber die Sitzung vor ihrem Ende verließ – eine deutliche Protestaktion.

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Der Skandal ist perfekt – die Ampel öffentlich bloßgestellt. Schnell ergeht aus der FDP-Spitze der Versuch, die Sache wieder einzufangen; dafür ließ man seine eigenen Leute ins Messer laufen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann wusste auf einmal von gar nichts, das vorzeitige Verlassen der Sitzung solle man nicht so hoch hängen. Schnell wird ein entsprechendes Dementi an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchgestochen – Nicole Diekmann twittert folgsam: „Nach ZDF-Informationen gab es keinen Eklat in der Sitzung des Verteidigungsausschusses mit dem Kanzler. Es gab Unzufriedenheit bei einzelnen FDP-Abgeordneten, das ja, aber keinen Eklat.“

Hat es den Eklat gar nicht gegeben? So versucht es die FDP zu verkaufen, als Ente. Marcus Faber selbst rudert zurück, niemand fühle sich „verarscht“, niemand habe „eine Protestnote abgegeben“. Es seien übrigens auch „keine Gegenstände geworfen“ worden, schiebt er pseudo-sarkastisch hinterher. Alles nur Spaß?

Fast geht der Plan auf – allerdings hatte Faber wohl vergessen, dass er selbst in Bild und Ton festgehalten hatte, dass die Protestaktion sehr wohl real und als solche auch beabsichtigt war. Wenige Minuten nach der Sitzung konnte er seinen Frust gegenüber der ARD nämlich nicht verhüllen. Er erklärte in die Kamera: „Leider wurden viele Fragen nicht beantwortet, deswegen haben wir als Freie Demokraten um kurz nach 9 entschieden, dass wir die Sitzung jetzt verlassen.“ Den Videobeweis gibt es.

Doch im Genscher-Haus ist man weiter entschlossen, die Sache rückgängig zu machen. Schließlich wird Faber verkünden müssen: „Die Kommentierung des heutigen Verteidigungsausschusses war unangemessen und wurde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Dafür entschuldige ich mich und werde meiner Fraktion am Dienstag in ihrer nächsten Sitzung anbieten, von meinem Sprecherposten zurückzutreten.“
 Jetzt rollen also Köpfe, Lindner muss ordentlich rudern. Dabei war es nicht Faber, der den Koalitionsfrieden gefährdete, sondern Scholz, der sich seine Koalitionspartner wie Fußabtreter halten will.

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Der Kanzler bildet sich mittlerweile etwas auf sein Image als hanseatischer Dickkopf ein. Inhaltlich gilt dies freilich nicht – da ist er beliebig wie seine Vorgängerin. Vielmehr kommt der Dickkopf zum Einsatz, wenn es darum geht, an unhaltbaren politischen Entscheidungen bis zum bitteren Ende festzuhalten. Das war bei der Impfpflicht so, und das demonstriert der Bundeskanzler aktuell wieder mit seinem Festhalten an Christine Lambrecht, der er sogar nachsagt, dass diese mal in die Geschichte als diejenige eingehen werde, die die Bundeswehr wieder auf Vordermann gebracht hat. Dabei sind ihr Desinteresse und ihre Unfähigkeit so offensichtlich, dass selbst der Spiegel die „Null-Bock-Ministerin“ zum Rücktritt auffordert.

Das NRW-Omen für Berlin

Nebulös ist auch Scholz’ Ukraine-Politik. Anscheinend will er nicht mal seine Koalitionspartner, geschweige denn das Parlament über seinen tatsächlichen Kurs aufklären. Scholz’ Starrsinn an der falschen Stelle gefährdet die Koalition. Aber Lindner macht mittlerweile wohl alles mit. Seine Verbeugung wird von Tag zu Tag tiefer.

Es fing mit den Sondierungsverhandlungen an, als die FDP praktisch alle ihre inhaltlichen Forderungen über Bord warf, um ein einziges Versprechen zu halten: keine Steuererhöhungen bei stabilen Finanzen. Immerhin, dachten da noch manche Beobachter – das beste aus einer schwierigen Situation gemacht. Wenige Wochen später folgte der Koalitionsvertrag: Und plötzlich fand sich im ganzen Papier kein einziger Satz mehr, der Steuererhöhungen ausschloss. Auch über das sahen die meisten Medien (außer TE) noch hinweg, im Begeisterungsrausch einer neuen Regierung.

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Wie immer die Wahl ausgehen wird, gewinnen wird eine grüne Partei
Dann auf einmal folgten Lindners Freie Demokraten dem Bundeskanzler sogar bei der Impfpflicht-Forderung – das schloss Lindner nicht nur vor der Wahl explizit aus, er machte sogar Wahlkampf dagegen. Nun hat die Koalition ihr erstes halbes Jahr geschafft – und von stabiler Haushaltsführung kann nun wirklich keine Rede mehr sein. Christian Lindner macht sich nicht nur durch allerhand „Sondervermögen“, also Sonderschulden, sondern auch mit großzügig bewilligten Investitionsprogrammen oder Impfstoffbestell-Budgets zu einem Finanzminister mit historisch lockerem Geldbeutel. Sein Kabinettskollege Volker Wissing bekämpft derweil das Posten von Essensfotos im Internet und will Elektroautos demnächst wahrscheinlich verschenken. Verbeugung vor dem grünen Zeitgeist first, Digitalisierung second. Bedenken? Keine mehr vorhanden. Von Justizminister Buschmann, der völlig begeistert davon ist, einmal von den coolen Grünen gut gefunden zu werden, ist ohnehin nichts zu erwarten – er bekämpft derweil „Hassrede“ auf Telegram mit einer Ausweitung des Überwachungsstaates.

Die Frage ist nicht, wie lange sich die FDP noch verbiegen will, um die Koalition zu retten. Die Frage ist vielmehr: Wie weit kann sich diese Gummi-Partei überhaupt noch verbiegen, bevor sie mit der Nase auf dem Boden aufschlägt?

Heute in NRW ist so ein Tag, an dem das passieren könnte. Auch hier hat die Null-Bock-SPD mit ihrem Nonsens-Kandidaten Thomas Kutschaty nicht viel zu hoffen – aber vor allem die FDP dürfte nach jüngsten Umfragen deutlich verlieren, sogar abstürzen. Und das, obwohl die Partei hier bereits an der Regierung war. Bei der letzten NRW-Landtagswahl gewann Spitzenkandidat Lindner deutlich und baute sich so sein Sprungbrett für den Wiedereinzug in den Bundestag. Jetzt könnte Nordrhein-Westfalen die Ampel in die nächste schwere Krise stoßen und die FDP zum Handeln zwingen. Denn die Partei muss schon wissen, dass auch Gummi irgendwann reißt.


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Kommentare ( 14 )

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Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

Ach ja, wie weit kann sie sich wohl biegen, die FDP?
Wurde diese Frage nicht schon vor vielen Jahren bezüglich der CDU gestellt? Immer wieder und wieder gestellt?
Die Antwort war (und ist heute noch) immer die gleiche: Sie kann sich noch viel, viel weiter biegen.

Aqvamare
1 Jahr her

Die Briefwähler haben davon nichts mitbekommen, und am Ende die FDP über 5% gehoben.

Michael_M
1 Jahr her

„Aber Lindner macht mittlerweile wohl alles mit. Seine Verbeugung wird von Tag zu Tag tiefer.“

im englischen gibt es ein treffendes wort dafür: cuckold

Libertardistani
1 Jahr her

Wer entscholzen will, möge bitte eine Alternative nennen. Merz etwa mit seiner angegrünten Linie und diversen Peitschenschwingern Richtung Corona-Maßnahmenkritiker? Bitte nein! Am 7. Mai sind in Döbeln harte Worte gefallen: Am Zustand der Bundeswehr nach den letzten 30 Jahren sind wir selbst schuld. Putin in Dresden war kein freundlicher Russe, sondern Besatzer. Wo sind eigentlich unsere Bundesminister – nichts von ihnen zu hören. SPD und Grüne sind mit uns in einer Koalition, aber trotzdem unsere politischen Gegner. Deutscher Lieferstopp für russisches Gas und Öl ist Harakiri. Neue AKW in Sachsen bauen. Neue Bundeswehrstandorte nach Ostsachsen. Die Landwirtschaft bricht ohne Gas… Mehr

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her
Antworten an  Libertardistani

Der Sinn für Realität vielleicht nicht. Aber wo ist bloß das Rückgrat abgeblieben?

abel
1 Jahr her

Im Sozialismus/Kommunismus benötigt man keine liberale Partei. Eigentlich doch selbstverständlich.

abel
1 Jahr her

Sollte das Kurzzeitgedächtnis der Wähler einen Zeitraum von 5-Jahren abdecken muß wohl wieder der ÖRR herangezogen werden zur Rettung der FDP. Wie beim letzten Mal. Wie hieß es da noch: Es darf diese liberale Partei nicht aus den Parlamenten verschwinden. Ich frage mal WARUM!

abel
1 Jahr her

Ja, das sind schon schwierige Entscheidungen bei der FDP wenn man ab jetzt in jedem Bundesland bei der Landtagswahl rausfliegen kann, ganz egal auf welcher Seite ob Schwarz oder Rot man das Geld rausschmeißt.

roffmann
1 Jahr her

Die F D P hat die Festigkeit einer Weidenrute . Biegsam nach a l l e n Seiten .

ludwig67
1 Jahr her

Ich erinnere hinsichtlich Lindner an die Reaktionen auf den „Skandal“ nach der Thüringen Wahl. Da konnte das politische Wiesel der Kanzlerin gar nicht schnell genug den Wunsch nach „Rückgängigmachung“ erfüllen. Von wegen Freie Demokraten.

Unwählbar!

Querdenker_Techn
1 Jahr her

Sowohl Scholz als auch Lindner und seine FDP lassen den beiden Grünen Superstars freie Hand. Während Habeck sich mit „Seifenblasen“ als Retter der Energieversorgung gerierten, gibt sich Frau Baerbock auf internationaler Bühne so, als sei sie die Kanzlerin. Kein Wunder, dass von den Medien beide in den Himmel gehoben werden.