Einsatzbereitschaft – aber kein Rüstungswahnsinn

Wenn die CDU-Vorsitzende vor dem Hintergrund des Zustands der Bundeswehr Überlegungen zu einem deutsch-französischen Flugzeugträger ins Gespräch bringt, und Merkel an einer solchen Idee öffentlich Gefallen findet, dann wird diese Lächerlichkeit beschämend und peinlich.

Sean Gallup/Getty Images

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP Strack-Zimmermann hat im Vorfeld der Beratungen des Koalitionsausschusses zum Bundeshaushalt 2020 Pläne des Finanzministers Scholz für eine deutlich geringere Erhöhung des Verteidigungsetats scharf kritisiert und davor gewarnt, dass Deutschland sich gegenüber den NATO-Partnern unglaubwürdig und auf internationaler Ebene lächerlich mache. Scholz „verkennt die aktuelle weltpolitische Lage und beweist, dass er keine Ahnung von den aktuellen sicherheitspolitischen Anforderungen hat.“ Und sie fügte an, dass die Planungen des Sozialdemokraten, die offenbar von Kanzlerin Merkel mitgetragen werden, angesichts des Zustandes der Bundeswehr und der aktuellen internationalen Herausforderungen unverantwortlich seien. Denn Scholz wollte dem Verteidigungsministerium im kommenden Jahr lediglich 44,7 Milliarden Euro zugestehen. Das entspräche einem Anteil von nur 1,35 Prozent am BIP. Das Verteidigungsministerium hat dagegen einen Bedarf in Höhe von 47,2 Milliarden Euro errechnet, um mit der dringend erforderlichen Steigerung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte beginnen zu können. Strack-Zimmermann findet dazu deutliche, starke aber sehr zutreffende Worte.

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Im Rahmen einer Sitzung des Koalitionsausschusses zum zukünftigen Haushalt haben sich die Spitzen der GroKo geeinigt: Statt der von Finanzminister Scholz geplanten 44,7 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt 2020 sollen nun 45,1 Milliarden Euro eingeplant werden. Das sind aber immer noch 2,1 Milliarden weniger als der von der Bundeswehr errechnete Finanzbedarf. Und auch die bisherige Eckwerteplanung des Finanzministers für die Verteidigungshaushalte der Jahre 2021 bis 2023 entspricht nicht der deutschen Zusage an die NATO, bis 2024 insgesamt 1,5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Das Bundeskabinett hat am 20. März 2019 abschließend über die Finanzplanung der nächsten vier Jahre beraten und den unzureichenden Kompromiss des Koalitionsausschusses bestätigt. Entwicklungsminister Gerd Müller hat die Budgetpläne von Finanzminister Scholz in einer Protestnote scharf kritisiert. Die sicherheitspolitisch desinteressierte Kanzlerin hat es ohne Kommentar hingenommen, dass die von ihr der NATO zugesagten 1,5 Prozent vom BIP mit dieser Planung nicht erfüllt werden können und die durchsetzungsschwache und erfolglose Ankündigungsministerin von der Leyen hat einmal mehr gekuscht.

Hoffnung kann man da nur in den Deutschen Bundestag setzen, denn der kontrolliert das politische Handeln der Bundesregierung und teilt jährlich (im November 2019) in einem Gesetz über den Haushaltsplan das Geld für Regierungshandeln zu – und die Abgeordneten haben genaue Kenntnisse über den Zustand der Bundeswehr. Allerdings hat das Parlament dieses sogenannte „Königsrecht“ über den Bundeshaushalt in den letzten Jahren nicht gerade unabhängig und sachorientiert wahrgenommen. Auch in Haushaltsfragen wurden Regierungsvorlagen in den letzten Jahren weitgehend „abgenickt“. Skepsis ist also auch hier angebracht, auch weil Abgeordnete der Linken im Zusammenhang mit dem 1,5 %-Ziel von „Rüstungswahnsinn“ und rot/grüne Volksvertreter von Aufrüstung sprechen.

Und so wird Frau Strack-Zimmermann (FDP) wohl recht behalten. Scholz „verkennt die aktuelle weltpolitische Lage und beweist, dass er keine Ahnung von den aktuellen sicherheitspolitischen Anforderungen hat.“ Aber dabei ist er nicht allein, denn dieser Vorwurf ist wohl auch den Regierungsmitgliedern und den Volksvertretern gleichermaßen zu machen, denn die haben die Bundeswehr seit 1990 zum „Sanierungsfall“ kaputtgespart.

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Denn nach der Vereinigung Deutschlands sahen wir uns ausschließlich „von Freunden umgeben“, wollten die „Friedensdividende“ einfahren, haben deswegen die Fähigkeiten der Streitkräfte zur Landes- und Bündnisverteidigung weitgehend abgebaut und uns auf Auslands- und UN-Einsätze konzentriert. Die aggressive Politik Putins, die Annexion der Krim, die Destabilisierungsaktionen in der Ostukraine und aktuelle hybride sowie Cyberkriegsführung gegen die westliche Welt haben die NATO und allmählich auch Deutschland eines Besseren belehrt. In der Konsequenz soll die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte für Landes- und Bündnisverteidigung bis 2032 wiederhergestellt werden – für das Heer heißt das, über drei voll einsatzfähige Divisionen verfügen zu können.

Die Marine hat zahlreiche Schiffe nicht einsatzklar, die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe lässt sehr stark zu wünschen übrig, die Digitalisierung muss stark verbessert werden, ein neuer Organisationsbereich für Cyberkriegsführung ist aufzubauen und im Heer sind die Bataillone sehr unzureichend ausgestattet. Das ungeheure Ausmaß der Ausrüstungsdefizite wird auch dadurch deutlich gemacht, dass der Einsatzbereitschaftsbericht der Bundeswehr für den aktuellen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „geheim“ eingestuft wurde. Deswegen ist es auch schwierig, Zahlen zu veröffentlichen. Ein Beispiel soll den sehr hohen Bedarf des Heeres zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft in der Landes- und Bündnisverteidigung verdeutlichen. Die Bundeswehr hatte bei der größten NATO-Übung seit Ende des Kalten Krieges im November 2018 in Norwegen mit rund 10.000 Soldaten, 4000 Fahrzeugen, darunter 30 Leopard 2 Panzer, neun Flugzeugen und drei Schiffen die Führungsverantwortung – und sich gut geschlagen. Da der Übungstruppe aber Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Waffen, Splitterschutzwesten etc, Einsatzfahrzeuge, Bewaffnung, Kampfausstattung und anderes einsatzwichtiges Gerät fehlten, musste das Gerät aus der ganzen Bundeswehr zusammengeliehen werden. Die ausgeliehene Ausrüstung steht dann in Deutschland über längere Zeit für wichtige Ausbildung und Übungen nicht zur Verfügung, darunter leidet dann der Ausbildungsbetrieb der restlichen Truppe. Und diese Belastung dauert an, da Deutschland 2019 die Führung der „Very High Readiness Joint Task Force”, VJTF, die im Bündnisfall nach Artikel 5 sehr schnell in Einsatzgebiete verlegt werden muss, übernommen hat und dafür das ausgeliehene Gerät für weitere sechs Monate braucht. Diese das ganze Heer belastende Ausleiherei soll bis 2023 dadurch beendet werden, dass bei der übernächsten deutschen Verantwortungsphase für eine VJTF eine vollausgestattete Brigade verfügbar ist, die dann nichts mehr zusammenleihen muss. Das ist ein Anfang aber vergleichsweise sehr, sehr bescheiden – und kostet trotzdem viel Geld. Und es wird nach Aussagen des Ministeriums sogar bis zum Jahr 2031 dauern, bis alle Soldaten und Soldatinnen mit moderner Kampfbekleidung und modernen Schutzwesten ausgestattet sind. Also erst in 13 Jahren soll eine sogenannte Bekleidungs-Vollausstattung erreicht sein. Da kann man sich kaum vorstellen, dass das Heer bis Ende 2031 tatsächlich über drei voll einsatzbereite Divisionen verfügen kann.

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Wenn also das erforderliche Geld für das größte Modernisierungsprogramm seit Ende des Kalten Krieges zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bis 2032 nicht bereitgestellt wird, dann ist das angesichts des Zustandes der Bundeswehr und der aktuellen internationalen Herausforderungen mit Fug und Recht „unverantwortlich“ zu nennen!

Wenn der bisherige Entwurf des Bundeshaushalts 2020, einschließlich der Eckwerteplanung nicht deutlich und in Anlehnung an die NATO-Vereinbarungen nach oben korrigiert wird, bleibt „Trittbrettfahrer“ Deutschland in den Augen der NATO-Partner unglaubwürdig sowie vertrauensunwürdig und macht sich auf internationaler Ebene lächerlich.

Und wenn die CDU-Vorsitzende vor diesem Hintergrund Überlegungen zu einem deutsch-französischen Flugzeugträger ins Gespräch bringt, und Merkel an einer solchen Idee öffentlich Gefallen findet, dann wird diese Lächerlichkeit beschämend und peinlich.


Hans-Heinrich Dieter, Generalleutnant a. D., zuletzt Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis im BMVg, Bonn

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Kommentare ( 38 )

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38 Comments
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Gerd M
4 Jahre her

Ganz einfache Frage ? Wofür braucht ein Staat der keine Grenzen mehr hat eine Armee ??? Ich möchte nicht wissen wieviele schon darüber nachgedacht haben (planspielmässig) im Falle eines Konfliktes einfach hier einzumarschieren. Die Vorboten der Austestung hatten wir ja schon. Gruselig

bkkopp
4 Jahre her

Bei aller Sympathie und allem Respekt für den sachlichen Inhalt des Beitrags : die Schlussworte “ beschämend “ und “ peinlich“ sind ein Pleonasmus.

Imre
5 Jahre her

In Zeiten der geopolitischen Offensiven des Westens, unabhängig von zuvor gegebenen Zusagen und Versprechen, kann ich eine mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr nur als Segen und Maßnahme zum Friedenserhalt begrüßen. Verstoß gegen das Völkerrecht (Kriege, Umstürze, Sabotage) ist nicht akzeptabel!
Der General muss wohl an Sehschwäche leiden, sonst wüsste er, wer mit der Kriegsfackel zündelt….
Zum militanten „Demokratieexport“ in die Ukraine: Nur 9% der Bevölkerung dort finden die derzeitige Regierung gut, ein einzigartiges Armutszeugnis!

Hans Wurst
5 Jahre her

Nicht zu vergessen der Betrugsversuch, wobei Positionen von rund 1/2 Mrd. Euro aus dem Entwicklungshilfeministerium fälschlicherweise als Verteidigungsausgaben veranschlagt werden, um das Budget künstlich hochzurechnen. Diese Regierung handelt kriminell verantwortungslos, in jedweder Hinsicht. Ob fahrlässig oder vorsätzlich, werden hoffentlich dereinst Gerichte feststellen.

Armin V.
5 Jahre her

Na wenn eine Ahnung von der Bundeswehr hat, dann Frau Strack-Zimmermann! Ironie off…

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist von Beruf freie Verlagsrepräsentantin. Sie studierte Publizistik, Politikwissenschaft und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und schloss ihr Studium mit dem Magister Artium ab. 1986 wurde sie an der LMU mit der dort eingereichten Arbeit Bilder aus Amerika: eine zeitungswissenschaftliche Studie über die USA-Berichterstattung im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) zum Dr. phil. promoviert. Danach war sie von 1988 bis 2008 für den mittelständischen Nürnberger Jugendbuchverlag Tessloff tätig, für den sie Buchhandlungen in NRW und im nördlichen Rheinland-Pfalz betreute.

Holger Baade R.E.D.
5 Jahre her

Im sicheren Ruhestand, obgleich seinerzeit in den einstweiligen „entsorgt“, und aus der Distanz heraus lässt es sich gut kritisieren, obwohl es bereits vor der Merkel-Zeit, als Dieter noch in Amt und Würden war, gewaltig stank im politisch-militärischen Komplex.
Ich kann mich an keinen Generalinspekteur oder Inspekteur der Teilstreitkräfte erinnern, der sich als Mann vor seine Truppe gestellt und die Öffentlichkeit vor dem Zerfall der militärischen Fähigkeit zur Wahrung der äußeren Sicherheit gewarnt – also Ross und Reiter genannt hätte.

Rückgrat und Courage waren/sind nicht deren Fall. Darum: Hacken zusammen, Kehrtwende, Abtreten, Maul halten.

Hadrian17
5 Jahre her

Nun ja, …

eine Truppe bei der augenscheinlich nicht mehr viel funktioniert trotz gewaltiger jährlicher Zuwendungen sollte sich wohl nicht selber einen Haushaltsplan machen, sondern dies unter Aufsicht tun – Neuen Besen bräuchte das Land, in diesem Fall wohl eine proaktive Kompetenz des Bundesrechnungshofs.

Ein schönes Beispiel für Einsparungsmöglichkeiten hat ja ein westliches Land geliefert, dessen seinerzeit neuer Präsident schlicht sagte, dass er die Preise für bestimmte Ausrüstungen nicht akzeptiere, worauf diese prompt in den Keller fielen … .

Vielleicht ersetzte das -zig Millionen „Berater“honorare … .

„Very high readiness“ … der Verantwortlichen … .

Gernoht
5 Jahre her

„Hoffnung kann man da nur in den Deutschen Bundestag setzen, denn der kontrolliert das politische Handeln der Bundesregierung…“ – Erst an dieser Stelle habe ich endlich gemerkt, daß dieser Artikel die blanke Satire ist. Mann, Tichys, fast hättet Ihr mich gehabt.

Casta Diva
5 Jahre her
Antworten an  Gernoht

Volle Zustimmung! Die Parlamentarier sind fast in Gänze zum Merkel-Abnicker-Verein verkommen. Mit Ausnahme der Gott-sei-bei-uns-Partei … Strahlend blauer Himmel in einer nordrhein-westfälischen Großstadt heute ;-). Klasse Kommentar!

Brad Hart
5 Jahre her

Mal abgesehen davon, dass ein Flugzeugträger eine reine Angriffswaffe ist, also widersinnig für eine Verteidigungsarmee, hätte ich Frau Strack-Zimmermann auch schon viel früher sagen können, dass Finanzminister Scholz von nichts eine Ahnung hat. Er leidet wie fast alle seiner Amtskollegen unter dem Dunning Kruger Effekt und hätte besser für sein Versagen beim G20 die Konsequenzen gezogen.

BK
5 Jahre her

Wenn man 12 Jahre zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft braucht, dann sind weiter Truppenteile bereits längst wieder veraltet. Plant man da auch noch mit dem Leopard2, der dann 50 Jahre alt ist? Und was sind 3 einsatzbereite Divisionen? Damit kann man niemanden auch nur beeindrucken.

Armin V.
5 Jahre her
Antworten an  BK

Komischerweise hört man aus Bundewehrkreisen nichts von einer angeblich nicht einsatzfähigen Truppe. Und ich kenne einige dort! So habe ich auch noch nie Klagen von Soldaten, über das G36 gehört.
Anscheinend will man nur die vorgegebenen 1,5% erreichen?
Würden die Gelder besser ausgegeben, wäre schon viel gewonnen. Anstatt Gorch Fock und Umstandskleidung, einfach die Ausrüstung vernüftig modernisieren und weniger für diverse Berater ausgeben.

Hans Wurst
5 Jahre her
Antworten an  BK

Naja, in 12 Jahren kann viel passieren. Deutschland hat in 12 Jahren aus einer 100.000 Mann-Armee ohne schweres Gerät ein Millionenheer mit (teils) modernster Waffentechnik und wegweisender taktischer Ausbildung gemacht, fast ganz Europa erobert und ist dann so vollständig besiegt worden wie kaum eine andere Kriegspartei je zuvor.