Bei den Bauern: Merz macht den Scholz

Die Marktplatz-Rede gilt zurecht als Königsdisziplin des Politikers. Jetzt hat sich Friedrich Merz mit den Bauern in Nordrhein-Westfalen solidarisieren wollen. Sein Auftritt vor wütenden Landwirten gerät zum Desaster. Es ist nicht zu übersehen: Der Unions-König ist nackt.

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Irgendwie hat man allmählich den Eindruck, als wolle CDU-Chef Friedrich Merz dadurch Bundeskanzler werden, dass er die Fehler des derzeitigen Amtsinhabers Olaf Scholz von der SPD kopiert – nur in Schwarz-Weiß statt in Farbe.

Bei seinem missglückten Besuch in den Flutgebieten trug Scholz zuletzt kamerataugliche Gummistiefel. Angesichts des allgegenwärtigen Hochwassers ringsum ergab das noch einigermaßen Sinn. Merz trägt bei seiner Rede vor protestierenden Bauern in Meschede eine sogenannte Beanie-Mütze. Die ist für eine knapp fünfminütige Rede bei Temperaturen um den Gefrierpunkt weder unbedingt nötig, noch ist sie bei einem 68-Jährigen irgendwie kleidsam.

— Central (@centralgewalt) January 8, 2024

Merz trägt auch Parka statt des sonst üblichen Kaschmir-Mantels. Mit seinem Outfit insgesamt setzt der Oppositionsführer das Signal: Zwar rede ich nicht wie ihr, aber dann will ich zumindest so aussehen wie ihr. Von vornherein erzeugt das – sozusagen subkutan – eine Wirkung, die Merz wohl eher nicht beabsichtigt hat: Da will sich einer einschleimen.

Wie er die Dinge sagt, ist schon nicht hilfreich – was er sagt, ist es dann noch weniger: „Wir brauchen eine europäische Lösung … Dafür setze ich mich ein … Im Interesse der ländlichen Regionen … Sie können sich auf unser Wort verlassen.“ Merz galt einmal als guter Rhetoriker. Was immer da passiert sein mag zwischendurch: Jetzt jedenfalls ist er es nicht mehr.

Mit seinen in Endlosschleife wiederholten Worthülsen, nichtssagenden Standardformeln und leeren Sprachstanzen hat sich der Bundeskanzler seinen Spitznamen „Scholzomat“ über die Jahre redlich verdient. Der CDU-Chef greift jetzt ganz offensichtlich nach dem Titel „Merzomat“. Der ist zunächst fast wie das Original, aber dann eben doch nur eine blasse Kopie.

Olaf Scholz verbirgt seinen Zynismus und seine Wählerverachtung mittlerweile ja kaum noch. Dem Vorwurf, er instrumentalisiere das Elend der Flutopfer für seine ganz eigene politische Agenda, tritt er gar nicht mehr entgegen, sondern lässt ihn nur kalt an sich abperlen. Friedrich Merz dagegen versucht noch, Empathie mit den Landwirten zumindest zu simulieren. Nur leider misslingt das grandios.

Denn auch inhaltlich hat Merz den Bauern im Prinzip nichts anzubieten. Im Kern sagt er, dass der Staat sparen müsse und dass auch die Landwirte langfristig davon nicht ausgenommen werden könnten. Er hält eine Art Radio-Eriwan-Rede: „Im Prinzip ja – nur nicht so.“ die Reaktionen der Demonstranten sind entsprechend, der Applaus spärlich, die vielen Buhrufe unüberhörbar.

Nachdem Olaf Scholz die ohnehin nur noch wenigen SPD-Bauern erfolgreich vergrault hat, tut Friedrich Merz nun gerade viel dafür, sie auch von der CDU wegzutreiben. Bei den Landwirten hatte die AfD – verglichen mit ihrem Zuspruch in anderen Bevölkerungsgruppen – bisher nur wenig Rückhalt. Bisher.

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