Die Bauernproteste als vorderste Front im Kampf gegen den strukturellen Umbruch

Während Politiker versuchen, die Bauernproteste auf Geiz und Agrardiesel zu reduzieren, zeigen Proteste in anderen Ländern, dass der Anlass nicht über den eigentlichen Konflikt hinwegtäuschen darf. Der Kampf der Landwirte ist der Kampf für den Erhalt der Lebensmittelversorgung und gegen den strukturellen Umbruch.

IMAGO / Sylvio Dittrich
Die gegenwärtige Debatte über die Bauernproteste wird – vor allem von der Politik – unvollständig geführt. Nicht nur, dass versucht wird, die Bauern ins rechte Eck zu stellen und sie damit abzuschrecken, teilweise werden diese als wohlhabend und undankbar diffamiert. Immerhin bekommen sie angeblich ohnehin viele Subventionen und könnten beim Agrardiesel ruhig mal den Gürtel enger schnallen. Damit wird der Konflikt auf den Agrardiesel reduziert, obwohl dieser nur der sprichwörtliche Tropfen war, der den Traktorentank zum Überlaufen brachte.

Denn die umfassende Bekämpfung der Landwirtschaft ist weder ein Zufall noch ein Nebenschauplatz. Am Tag nach der großen Bauerndemo veröffentlichte n-tv ein Interview mit dem Agrarökonom Alfons Balmann, der in seiner Funktion als Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung und Transformationsökonomie (IAMO) selbstverständlich die Abschaffung der vermeintlichen „Agrardiesel-Subventionen“ (ein Euphemismus für einen geringfügig niedrigeren Steuersatz im Land mit der zweithöchsten Steuerlast aller OECD-Staaten) verteidigte und meinte, dieser Schritt wäre „überfällig“, da der Agrardiesel „tendenziell klimaschädlich“ sei. Das Geld könne, so der Ökonom, besser in „effektiven Klimaschutz“ investiert werden.

Mit solchen Positionen, die auch den Begriff des Ökonomen einer Neuinterpretation unterziehen, reiht sich das IAMO bei Denkfabriken wie der TE-Lesern wohlbekannten Agora Agrar ein, die einen Umbau der Agrarwirtschaft gemäß den Plänen des WEF oder der berüchtigten Agenda 2030 propagieren.

Es geht um viel mehr als nur Agrardiesel

Wer diese Pläne allerdings studiert, wird schnell merken, dass die Frage des Agrardiesels nur eine von vielen Schikanen ist, an der sich nun eben die Gemüter entzündeten. Das gab auch Balmann zu, der meinte, dass die Landwirte nervös seien, da ihnen auch von EU-Seite Kürzungen und Auflagen drohen.

Eine dieser Bedrohungen für die Landwirtschaft kulminierte in den seit 2019 in den Niederlanden anhaltenden Bauernprotesten im Rahmen der sogenannten Stickstoffkrise. Die Niederlande, der global zweitgrößte Exporteur landwirtschaftlicher Güter, sollen von Regierungsseite und EU ihre Stickstoffemissionen drastisch reduzieren. Das soll vor allem über eine großangelegte Reduktion der Viehbestände erfolgen. Unverblümt bemüht sich der Staat – mit Segen der EU-Kommission – darum, 3.000 Viehzuchtbetriebe aufzukaufen und zwecks Klimaschutz aufzulösen. Darauf haben allerdings viele Landwirte keine Lust, zumal sie zurecht auf ihre existenzielle Rolle bei der Nahrungsmittelproduktion hinweisen. Das stetige Anziehen der Daumenschrauben soll helfen, diesen Willen zunehmend zu brechen.

Während die Entkulakisierung der Bauern in der Sowjetunion zumindest noch in staatlich geführten Landwirtschaftsbetrieben mündete, kaufen Staaten nun auf Rat diverser NGOs für Milliardenbeträge Ackerland auf, um dieses entweder brach liegen zu lassen oder zu Mooren umzuwandeln. Die resultierende Verknappung der Lebensmittel wird dabei offen in Kauf genommen, denn in diesen Kreisen ist man sich schon längst darüber einig, dass die Überbevölkerung ein Problem ist und man darüber hinaus noch immer auf Insekten als proteinreichen Ersatz ausweichen könnte.

Sri Lanka: Ein Musterbeispiel für „echten“ strukturellen Umbau

Wer, wie Alfons Balmann, tatsächlich glaubt, diese Probleme würden sich in Wohlgefallen auflösen und die Bauern sollten sich nicht so anstellen, muss nur einen Blick nach Sri Lanka werfen. 2021 entschied sich der damals amtierende Präsident Sri Lankas, das Land mit einem Schlag an die weltweite Spitze der ESG-Ratings zu katapultieren, indem er schlicht und ergreifend den Einsatz von chemischen Düngemitteln komplett verbot. Bereits 2015 war Sri Lanka das erste Land weltweit, das ein vollständiges Glyphosat-Verbot durchgesetzt hatte, doch es war der Heißhunger nach einem ESG-Rating von 98 (von 100), das der Nation – und in Folge der Regierung – das Genick brach.

Die Agrarproduktion brach ein, anstatt einem Überschuss mussten nun Lebensmittel importiert werden, die Preise für diese stiegen exorbitant an. Da aber gleichzeitig die Teeproduktion einbrach, ging auch der daraus resultierende Exportüberschuss verloren. Der weggebrochene Tourismus infolge von Covid und dem Krieg in der Ukraine versetzten der angeschlagenen Ökonomie dann den Todesstoß. Hunger, Blackouts, fehlender Treibstoff – innerhalb von nur knapp 15 Monaten nach Einführung des Düngemittelverbots vertrieben die aufgebrachten Massen Sri Lankas Präsident Rajapaksa aus Amt und Land.

War es eine individuelle Entscheidung Rajapaksas, den Verlockungen des ESG-Scores zu erliegen? Natürlich nicht. Denn internationale NGOs wie Foodtank (finanziert von der Rockefeller Foundation) bewerben diesen Wandel in Sri Lanka bereits seit Jahren und traten dabei ausgesprochen kritisch gegenüber Rajapaksas Vorgängern auf. Der Aufstieg von Rajapaksa zum Präsidenten war allerdings ebenfalls einem bekannt anmutenden Konstrukt zu verdanken. 2015 gründeten „Profis, Akademiker und Intellektuelle“ die Bewegung Viyathmaga, die sich die beliebte Phrase auf die Fahnen schrieb, die Korruption in der Politik Sri Lankas bekämpfen zu wollen. Dazu sollten eben diese „Profis, Akademiker und Intellektuelle“ in die Politik drängen.

Selbsternannte Experten und ihre Suche nach einem Sündenbock

Viyathmaga beschrieb sich auf seiner – mittlerweile vom Netz genommenen Webseite – als „technokratisch“. Besorgte Bürger aus der Industrie und dem akademischen Raum – kurzum: selbsternannte „Experten“ –, die ihr Heimatland wieder auf den Pfad des Fortschritts bringen wollten. Technokratisch, aber auch autoritär, denn anders könnten die Kompetenten ja nicht gegen die Korrupten bestehen.

Einer der Gründer von Viyathmaga war Nalaka Godahewa, der eine Karriere bei Unilever durchlief, bis er die Leitung der Sri Lanka Insurance (Versicherung), des Tourismus, sowie der Börsenprovision in Sri Lanka übernahm. Er förderte den Aufstieg Rajapaksas, was dieser nach der Wahl nicht vergaß und prompt eine Reihe von Viyathmaga-Experten in diverse Regierungsämter und Ministerien hievte.

Doch der Lack der vereinigten Intellektuellen war schnell ab. Kritik ertönte bereits unter Rajapaksa, dass in landwirtschaftlichen Fragen angesehene Agrarspezialisten außen vor blieben, da Viyathmaga-Experten exklusiv das Zepter schwangen. Bereits vor der Flucht Rajapaksas wurde die Kritik and Viyathmaga immer lauter, mittlerweile sind die Mitglieder der sogenannten Bürgerbewegung auf Schadensbegrenzung aus. Erst kürzlich meldete sich Godahewa zu Wort und distanzierte Viyathmaga von der Misswirtschaft. Angeblich habe Rajapaksa nicht auf Viyathmaga gehört und die Intellektuellen auf falsche Ministerialposten gesetzt. Ein erbärmliches Trauerspiel, in dem niemand es gewesen sein möchte, setzt sich bis heute fort.

Die Stellungen im Kampf um den strukturellen Umbau sind bezogen

Wofür aber solch ein ausführlicher Blick auf Sri Lanka? Natürlich gibt es strukturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Sri Lanka und die Ampel hat bewiesen, dass sie den unausweichlichen Niedergang, auf den sie zusteuert, über mehrere Jahre zu verteilen weiß. Aber die Mechanismen sind offenkundig. Nationale Eliten, die über innere und äußere Netzwerke ihre eigenen Funktionen im Staatsapparat absichern und gleichzeitig als Handlanger internationaler Netzwerke agieren. Der Kampf gegen die Agrarindustrie ist zentral, da kaum ein Sektor größere Abhängigkeiten schafft als der Lebensmittelsektor.

Dass es an vergleichbaren Strukturen in Deutschland nicht mangelt, wissen TE-Leser bereits seit der Aufdeckung der Verstrickungen der verschiedenen Ableger der Agora. Energiewende, Verkehrswende und eben auch Agrar. Sogenannte Agrarökonomen wie der eingangs zitierte Alfons Baumann erweisen sich mit ihren Instituten wie dem IAMO als willige Erfüllungsgehilfen des internationalen Klimanarrativs, an dessen Ende der gesamtheitliche Umbau der Gesellschaft steht, auch bekannt geworden unter dem Namen „Great Reset“.

So entpuppt sich die Gesellschaft bei allen Grautönen als weitaus binärer, als man es manchmal vermuten könnte. Denn wenn Linke sich darüber echauffieren, dass bei den Protesten der Bauern Straßenblockaden goutiert würden, die man bei den Klimaklebern noch verurteilt hatte, dann ist die Antwort eine ganz einfache: Während die Klimakleber nämlich eine Fronteinheit dieses gesellschaftlichen Umbaus im Mantel der Klimahysterie darstellen, sind die Bauern in diesem Fall die Opposition. Wo die Klimakleber für den strukturellen Umbau stehen, stehen die Bauern dagegen. Und während es die Klimakleber sind, die sogar Mangelernährung in Kauf nehmen würden, da sie ohnehin auf Fortpflanzung verzichten, sind es die Bauern, die für das Leben stehen, denn sie gewährleisten, dass wir uns und unsere Kinder auch in Zukunft ernähren werden können. Das sollte als Erklärung genügen, warum die Bauern es sind, denen unsere Loyalität gebührt.

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Kommentare ( 39 )

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Kassandra
3 Monate her

Nun – der Bewegungsradius wird seit Zeiten schleichend und daher für zu viele gar nicht merklich, immer kleiner.
Manchmal habe ich das Gefühl, sie behandeln uns wie Ratten in einem Labor, wobei jeder Ausbruchsversuch auf Dauer verhindert wird. Irgendwohin im Westen auszuwandern schafft nur Zeit – denn das „Konstrukt“ wird uns überall über den Kopf gezogen.

Sonny
3 Monate her

Ein Zuspruch der Bevölkerung zu der Protestwelle von über 80% (!) zeigt ganz genau, wer hier die Demokratievernichter sind. Die Bauern und deren Sympathisanten sind es jedenfalls nicht.
Und es sind ja nicht nur die Bauern – viele verschiedene Berufsgruppen haben sich dem Protest mit Freuden und voller Motivation angeschlossen. Einigkeit macht nämlich nach wie vor stark.
Die Proteste werden erst aufhören, wenn dieser linksradikale, grünrote Sumpf trocken gelegt wurde. Dann wird (nicht nur) Deutschland aufatmen können.
Und ein letztes noch, liebe Bauern:
Wer solch einen Verbandspräsidenten hat, braucht ja wohl eigentlich keine anderen Feinde mehr.

Last edited 3 Monate her by Sonny
Nathalie Nev
3 Monate her

Die Bauern haben auch ein Gespuer dafuer, dass die deutsche Regierung sie verdraengt, wenn die Ukraine in die EU kommen sollte wie von D gewollt. Das wird ein schlimmes Ende nehmen, wenn dem nicht gegengesteuert wird.

mlw_reloaded
3 Monate her

Die Bauern sind nicht gut vertreten. Der Bauernverband ist defensiv und politisch korrekt. Die aktuelle Farce um Remigration lässt die beißreflexartige Brandmauer auflodern. Es wird wohl laufen wie in Holland: EU-Millionen erkaufen das Ende der Proteste. Wir sind von einer libertären Revolution so weit entfernt wie nie zuvor.

Magdalena
3 Monate her

Ob Sri Lanka oder Indien, Niederlande oder Deutschland überall sollen die Bauern in den Ruin getrieben werden, damit globale Konzerne und Milliardäre ihren Reichtum weiter mehren können. Bill Gates z. B. ist in den USA der größte private Ackerlandbesitzer, natürlich aus rein philanthropischen Gründen. Gleichzeitig investiert er in Laborfleisch, „clean meat“, und ähnliche Leckereien. Alles fürs Klima, selbstverständlich. Die Bauern sollen kaputt gespart werden, weil die globalen Player die weltweite Kontrolle über die Lebensmittelversorgung anstreben. Die Bauern sind aber aus hartem Holz geschnitzt und keine verweichlichten Memmen. Jeder mit gesundem Menschenverstand unterstützt die Demos der Bauern. Anthony Lee, Sprecher des… Mehr

AnSi
3 Monate her

Man muss nur der Spur des Geldes folgen… Auch hier wieder ganz vorn dabei das WEF, die WHO, Bill Gates und Soros. VdLeier hat sicher auch wieder die Hände mit drin und die SMSen schon gelöscht. Ziel ist es, die Weltbevölkerung zu minimieren und zu verknechten. Warum wohl gibt DEAGL Listen raus, auf denen die Zahlen alle sehr reduziert sind? 25 Mio Einwohner für D bis 2030 sollen es werden. Man fragt sich, wer stirbt zuerst (und warum)? Werden wir weggespritzt, durch Krieg umgebracht, erfrieren wir oder müssen wir verhungern? Keine schönen Aussichten! In Davos wird man nächste Woche sicher… Mehr

Albert Pflueger
3 Monate her

Die Idee, daß wir nichts besitzen werden, aber glücklich sein werden, stößt-was Wunder- bei denen, die nicht nur glückliche Besitzer, sondern Eigentümer sind, nicht auf Gegenliebe. Es ist perfide, wie man die Bauern abwürgen will. Es ist sicher kein Zufall, daß Bill Gates so viel Ackerland gekauft hat. Die bisherigen Eigentümer sollen solange kujoniert werden, bis Industrieagrarier übernehmen können.

Kassandra
3 Monate her

Alfons Balmann ist in der Ukraine „engagiert“ als non executive director bei einem der größten Unternehmen in Selenskyjland: https://www.imcagro.com.ua/en/about-company/board-of-directors-management

RauerMan
3 Monate her

Die Loyalität der Mehrheit der Bevölkerung zu den Bauern ist Fakt.

Reaktion
3 Monate her

Wie so oft in Deutschland werden auch in der Landwirtschaft vor allem große Konzerne mit Steuergeldern politisch gefördert. Russland zeigt auch hier eine Alternative (“fördert vor allem kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe”) auf, über die sich nachzudenken lohnt. . . https://www.anti-spiegel.ru/2024/waehrend-deutschland-die-hilfen-fuer-landwirte-kuerzt-werden-sie-in-russland-erhoeht/