Der Kampf der UN gegen Düngemittel nahm in Sri Lanka seinen Anfang

Das UN-Umweltprogramm hatte 2019 von Sri Lanka aus seinen Kampf gegen Düngemittel aufgenommen. Ein Beitrag von Michael Shellenberger

IMAGO

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) bezeichnet sich selbst als „die globale Behörde, die die Umweltagenda festlegt … und als maßgeblicher Fürsprecher für die globale Umwelt dient“. Mit seinem 2014 ins Leben gerufenen Programm „Economics of Ecosystems and Biodiversity for Agriculture and Food“ (Ökonomie der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt für Landwirtschaft und Ernährung) setzt sich das UNEP dafür ein, dass die Nationen „den vorherrschenden Fokus auf die Produktivität pro Hektar aufgeben“.

Opfer westlicher grüner Eliten
Das Grüne Dogma hinter dem Fall von Sri Lanka
Doch heute befindet sich die Welt in der schlimmsten Nahrungsmittelkrise seit 2008. Die Zahl der Menschen, die unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden, ist nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen seit Januar 2022 um 25 Prozent auf 345 Millionen gestiegen. Warum versucht das UNEP dann, die Länder von Düngemitteln abzubringen, die die Nahrungsmittelproduktion steigern?

Der amtierende Direktor des UNEP sagte 2019, der Grund sei die „langfristige Störung der Stickstoffbilanz der Erde durch die Menschheit“. Im Oktober desselben Jahres veranstaltete das UNEP ein Treffen in der Hauptstadt Sri Lankas, Colombo, und gab einen „Fahrplan“ heraus, um die Länder dazu zu bewegen, die Stickstoffverschmutzung um die Hälfte zu reduzieren.

Die Niederlande haben jedoch bewiesen, dass die Länder die Stickstoffverschmutzung durch die Viehzucht um 70 Prozent senken und gleichzeitig die Fleischproduktion steigern können. Dasselbe gilt für den Ackerbau. Seit den frühen 1960er Jahren haben die Niederlande ihre Erträge verdoppelt, während sie die gleiche Menge an Düngemitteln verwenden. Während reiche Länder 70 Prozent höhere Erträge als arme Länder erzielen, verbrauchen sie nur 54 Prozent mehr Stickstoff.

Lebensmittelkrise trifft Öko-Landbau
Das Ende westlichen Wunschdenkens in Sri Lanka
Einen Monat nach dem Treffen in Colombo im Jahr 2019, das in Sri Lanka große Aufmerksamkeit in den Medien erregte, wählten die Wähler in diesem Land einen Anti-Dünger-Präsidenten, S.E. Gotabaya Rajapaksa, der ohne wissenschaftliche Beweise behauptete, dass synthetische Düngemittel Nierenerkrankungen verursachen. Im April 2021 verbot er die Einfuhr von Düngemitteln.

Im Juni 2021, zwei Monate nach dem Düngemittelverbot, war Sri Lanka Gastgeber eines von den Vereinten Nationen gesponserten „Food System Dialogue“, der darauf abzielte, die breitere Anti-Düngemittel-Agenda der UNO für die Welt zu beeinflussen. Der erste Food System Dialogue in Sri Lanka ist Teil einer Reihe von nationalen und provinzialen Dialogen, die vom Landwirtschaftsministerium im Vorfeld des UN Food System Summit 2021 in New York durchgeführt werden.

In seiner Erklärung auf dem UN-Gipfel für das Ernährungssystem in New York im September wiederholte der srilankische Präsident Rajapaksa seine Behauptung, dass „chemische Düngemittel … zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt führen“. Er sagte: „Meine Regierung hat Anfang des Jahres den mutigen Schritt unternommen, die Einfuhr dieser schädlichen Substanzen einzuschränken“, und beschuldigte die Landwirte, sich dem Düngemittelverbot zu widersetzen.

Tatsächlich hat das Düngemittelverbot zu einem Einbruch der landwirtschaftlichen Produktion geführt. Nach dem Düngemittelverbot erlitten 85 Prozent der srilankischen Landwirte Ernteeinbußen. Die Reisproduktion ging um 20 Prozent zurück, die Preise stiegen um 50 Prozent, und das Land musste Getreide im Wert von 450 Millionen Dollar einführen. In Rajanganaya, wo die Landwirte im Durchschnitt nur einen Hektar Land bewirtschaften, berichteten die Familien, dass sie nur die Hälfte ihrer normalen Ernte einfahren.

Drohende Lebensmittelkrise
Ohne Dünger droht der Welt die Nahrungsknappheit
Es gab noch andere Faktoren, die zum Sturz der Regierung beitrugen, aber diese Faktoren betrafen auch viele andere Länder, von denen keines stürzte. Die Abriegelung des Landes schadet dem Tourismus. Die Regierung nahm zu viele Kredite auf. Die Ölpreise stiegen. All das waren Faktoren, aber keiner war entscheidend. Was den Unterschied ausmachte, war das Düngemittelverbot in Sri Lanka.

Am stärksten betroffen war der Tee. Mit ihm wurden jährlich Ausfuhren im Wert von 1,3 Milliarden USD getätigt, und er deckte bis 2021 71 Prozent der Lebensmittelimporte des Landes ab. Nach dem Düngemittelverbot brach die Teeproduktion um 18 Prozent ein und erreichte den niedrigsten Stand seit 23 Jahren. Das verheerende Düngemittelverbot der Regierung zerstörte somit die Fähigkeit Sri Lankas, Lebensmittel und Treibstoff zu bezahlen und seine Schulden zu bedienen.

Die UNO rechtfertigt ihre Anti-Düngemittel-Agenda mit demselben Argument wie die srilankische Regierung: Kosteneinsparungen. In UN-Dokumenten wird behauptet, dass ihr Ziel, die Stickstoffabfälle zu halbieren, den Ländern jährlich 100 Milliarden Dollar einsparen würde. Dasselbe Dokument wirbt jedoch für eine „Kreislaufwirtschaft“, ein Euphemismus, der von den grünen Parteien in Europa verwendet wird, um wirtschaftliches „Degrowth“ zu bezeichnen, das darauf beruht, die Nahrungsmittel- und Energieproduktion weniger produktiv zu machen.

Kein Sprit, kein Brot, kein Frieden
Sri Lanka: Vorgeschmack auf globale Verwerfungen
Das UNEP ist nicht die einzige UN-Agentur, die eine Anti-Dünger-Agenda verfolgt. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) startete 2018 die Initiative „Scaling Up Agroecology“. Dabei handelt es sich nicht um eine Forschungsinitiative, sondern um eine Advocacy-Initiative. Sie behauptet, dass „agrarökologische Systeme von entscheidender Bedeutung sind, um Armut, Hunger und Klimawandel zu bekämpfen“. In Wirklichkeit verringert die Agrarökologie, die keine synthetischen Düngemittel verwendet, die Nahrungsmittelproduktion und vergrößert damit Armut und Hunger.

Nun versucht das UNEP, die Nationen unter dem Deckmantel der Wissenschaft durch das „Internationale Stickstoff-Management-System (INMS)“ von modernen Düngemitteln wegzubringen. Es nennt INMS einen „wissenschaftlichen Unterstützungsprozess“ als Teil eines „Inter-Convention Nitrogen Coordination Mechanism (INCOM)“.

Was ist da los? Warum fördern die Vereinten Nationen eine Art der Nahrungsmittelproduktion, die nachweislich zu geringeren Erträgen, höheren Preisen und zum Sturz von Regierungen führt? Und was kann getan werden, um dies zu verhindern?


Dieser Beitrag von Michael Shellenberger ist zuerst hier erschienen.


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Kommentare ( 40 )

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Homer J. Simpson
1 Jahr her

Zunächst ist alles auf das Kernthema zu reduzieren, dass im Grunde fast alle Probleme der Menschheit verursacht oder massiv verschärft: die massive Überbevölkerung der Welt! Und die wird ja regelmäßig in allen Prognosen und Berechnungen unterschlagen oder vergessen! Mit modernen Düngemittel den Boden zu optimieren, müsste ganz oben auf jeder Agenda zum Thema stehen, denn es ist genau das, was die Landnahme durch Abholzung minimiert oder verhindert und so den Waldbestand erhält und als CO²- und Stickstoff-Speicher arbeiten und wirken lässt. Das wird aber alles außer Acht gelassen. Und jetzt hat man den Salat – oder eben nicht….

Last edited 1 Jahr her by Homer J. Simpson
kinglouis
1 Jahr her

es kann nicht das Ziel sein, immer mehr Menschen auf der Erde zu ernähren, wir müssen ganz einfach weniger werden, nur dann ist eine ressourcenverträgliche Bewirtschaftung der Erde möglich, nur dann haben andere Lebewesen und letzendlich auch der Mensch eine Chance zu überleben

WGreuer
1 Jahr her

Ich befürchte, diese vorgeschobenen Argumente, dienen nur zur Verschleierung der Tatsache, dass sich die Akteure der Auswirkungen sehr wohl bewusst sind: ohne entsprechende Düngung bricht die Nahrungsmittelproduktion zusammen und die Menschheit kann – vor allem in den ärmeren Ländern – nicht mehr ernährt werden. All dies dient wiederum den Zwecken des Great Reset: Reduktion der Weltbevölkerung auf max. 1 Mrd. (lt. Bill Gates dienen auch sie Impfungen diesem Zweck) und zugleich maximales Chaos, so dass die Erdenbewohnen ihre „Retter“ dann wohlwollend begrüßen. Die Rettung gibt’s natürlich nur gegen Abhängigkeit: Digitale ID, Digitale Gesundheitskontrolle (Impfpass), der wiederum der Kontrolle der Menschen… Mehr

Deutscher
1 Jahr her

Der amtierende Direktor des UNEP sagte 2019, der Grund sei die „langfristige Störung der Stickstoffbilanz der Erde durch die Menschheit“.

Ah, ja! Verstehe: Für eine störungsfreie Bilanz zu hungern ist dann eine edle Sache. Ja, warum auch nicht? Tun wir doch endlich, was Direktoren, Präsidenten, Parteien, NGOs und Aktivisten wünschen: Frieren wir, stinken wir und hungern wir für Werte, Ziele und Bilanzen! Und natürlich alles ganz solidarisch!

Innere Unruhe
1 Jahr her

Ich finde, Deutschland soll sich in Sri Lanka nicht einmischen.
Sehr traurig, was dort passiert, aber es ist eine Sache zwischen Sri Lanka und UN. Jegliche Hilfe soll von der UNO geleistet werden. UNO soll Prioritäten setzen, welchem Land sie mit ihren Mitteln hilft.
Wir sollten weiterhin die gleichen Beiträge zahlen, und uns aus dieser Sache raushalten. Auch was Migration von dort angeht – Migranten von dort zu versorgen, ist Sache der UNO.
DE soll beobachten.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Die Einwohner Sri Lankas haben deutlich gemacht, was sie davon halten und was man mit einer derartigen Regierung macht.

Innere Unruhe
1 Jahr her
Antworten an  ketzerlehrling

Theoretisch ja, aber praktisch wird wieder nach der internationalen Hilfe, sprich Geld, gerufen. Europa stellt sich freiwillig einer Frage, die nicht ihre ist. Sind wir für die Entscheidungen in Sri Lanka zuständig? – Wenn nein, dann haben wir auch mit den Folgen nichts zu tun, so dramatisch sie auch sein mögen. Wenn ja, dann in welcher Form? Was genau ist deutscher Anteil an de Entscheidung Sri Lankas, Düngerverbot auszurufen? Europa bürdet sich Verantworung für Situationen, die es nicht selbst verursacht hat. Damit werden die Verluste in der EU abgeladen. So bitter es ist, es ist die Verantwortung der Länder, Entscheidungen… Mehr

JamesBond
1 Jahr her

Chemie ist immer Böse, deshalb wären wir ohne Chemie (Ameisensäure, Oxalsäure, Milchsäure… ) Unsere Honigbiene und damit unsere Bestäubung schon längst los….. Grüne Phantasien oder eher Kokainrausch….

Roland Mueller
1 Jahr her

Das einzige gute an der realitätsverweigernden Landwirtschaftspolitik in Sri Lanka ist, dass die Regierung in Colombo deshalb in die Versenkung geschickt wurde.

Mausi
1 Jahr her

Das Schlimme an diesen internationalen Vereinen ist, dass sie Vorgehen vereinheitlichen wollen. Wie auch die WHO mit ihren Impfvorgaben oder ihrer Pandemie. Wenn der Dampfer dann sinkt, sinken alle mit. Diversität fordern, aber sie abschaffen wollen, wo sie wirklich wichtig wäre. Und keiner, der sich darüber Gedanken macht, wo Diversität und Subsidiarität „wichtig“ ist, wo sie versagt hat, weil sie zu viel Schaden anrichtet. Was einmal geregelt ist, bleibt immer geregelt. Im Zweifel kommen Regeln zur Abwendung von Schaden hinzu. Diversität zeigt sich über den Konsumenten. Also muss der freie Markt weg, damit endlich „das Gute“ siegen kann. D wird… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Mausi
the NSA
1 Jahr her

Dass die Krise in Sri Lanka durch den Verzicht auf kuenstl. Fertilizers begruendet sei, ist praktisch ein Maerchen ! Aber es hoert sich gut an, mind. fuer gewisse Leute….. Ich liste 3 Hauptgruende auf: 1. der Krieg gegen die Tamils von 1983 bis 2009 mit einer uebedimensionierten Armee und deren Kosten. 2. die voellig verfehlte Wirtschaftpolitik: a) nach 2009 ungebremster Import von Consumguetern, mit gleichzeitiger Stagnation oder Rueckgang der schwachen Industrieproduktion. b) Die Folge war ein Defizit, welches immer mehr wuchs. c) Sri Lanka lieh sich immer mehr Gelder, auch von China, World Bank, und ueberschuldete sich zusehends. d) keine… Mehr