Angriff auf das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit

Die Präsidentin der TU Berlin diffamiert das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Damit riskiert sie, die Neutralitätspflicht und auch ihre Fürsorgepflicht gegenüber Mitgliedern der Hochschule zu verletzen. Von Prof. Dr. Martin Wagener

© Emile Guillemot
Prof. Dr. Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin, hat sich mit dieser Aussage ins wissenschaftliche Abseits katapultiert: „Die TU Berlin positioniert sich klar gegen das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit als Zeichen für Demokratie und als Zeichen für die Solidarität mit allen Menschen.“ In den Worten schwingt eine infame Unterstellung mit, für die jede Menge aktivistisch grundierte Vorurteile präsentiert werden, aber keine Belege.

So hält sie mir vor, „eine Mauer um Deutschland gegen illegale Migration“ bauen zu wollen. Die postmoderne Grenzanlage, die ich 2018 vorgeschlagen habe, ist dann im Ansatz doch noch ein wenig komplexer ausgearbeitet worden. Also: Buch wurde nicht gelesen. Zu meiner Kulturkampf-Abhandlung von 2021 zitiert sie ein wenig das ARD-Magazin „Kontraste“. Erneut: Ein eigenständiges Bild macht sie sich nicht. Es werden lediglich Fragmente zusammengesetzt, die dem Weltbild Rauchs folgen.

Die Kollegen Dieter Schönecker, Burkhard Meißner und Jörg Schäfer haben der Dame nun in scharfer, aber inhaltlich vollkommen angemessener Form geantwortet: „Die Präsidentin der TU Berlin meint, die Äußerungen des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit (NW) ‚stärken das Narrativ der Neuen Rechten, Rechtsextremist*innen und anderer verfassungsfeindlicher Organisationen‘. Was lässt die Präsidentin einer bedeutenden Universität das Risiko eingehen, ihre Neutralitätspflicht und auch ihre Fürsorgepflicht gegenüber einigen Mitgliedern ihrer Hochschule zu verletzen, indem sie auf diese Weise das NW diffamiert?“

Es folgen gute Argumente. Das Fazit: „Die Präsidentin der TU Berlin rückt also ohne Grund das NW in die Nähe rechtsextremer und verfassungsfeindlicher Organisationen. Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf. Er hätte es verdient, dass die Verantwortlichen Rauch einmal fragen, ob sie noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Zu diesem Grundgesetz gehört auch die Wissenschaftsfreiheit. Es ist ein Abwehrrecht gegen staatliche Übergriffe. Rauchs Beitrag ist ein solcher Übergriff.“

Dem stimme ich zu. Den Kollegen Schönecker habe ich 2022 auf einem Workshop in Siegen kennengelernt. Er ist Philosoph und dürfte sich daher schon aus fachlicher Sicht deutlich intensiver mit dem Begriff der Freiheit befasst haben als Geraldine Rauch, deren wissenschaftliche Heimat die Biometrie und Klinische Epidemiologie ist. Schönecker reagiert feinfühlig auf PC und Cancel Culture, weil er die Gefahren sieht – im Gegensatz zu einer mit dem Amt überforderten Universitätspräsidentin.

Rauch hat auf die Riposte reagiert. Auf Twitter schreibt sie: „Kritik ohne Grund? Mir scheint rechte Gedanken werden hoffähig.“ Nicht einmal der Unterschied zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“ ist ihr bekannt. Was soll man da noch sagen, wenn akademisches Führungspersonal auf diesem Niveau „argumentiert“?


Prof. Dr. Martin Wagener, Politikwissenschaftler und Publizist


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Kommentare ( 15 )

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Michaelis
1 Monat her

„Geraldine Rauch, deren wissenschaftliche Heimat die Biometrie und Klinische Epidemiologie ist.“
Beides angewandte Disziplinen, ich dachte die sei „Mathematikerin“. Was nun? Ich habe einst gute Mathematikerinnen gekannt, die haben z.B. über die logischen Grundlagen der „Zeitreihenanalyse“ usw. promoviert/habilitiert.
Egal – es bestätigt meine Befürchtungen, dass auch die sog. Naturwissenschaften (und solche, von denen man meint, dass sie immun seien) vom Virus der Political Correctness und des „Wokismus“ infiziert sind. Das alles ist nur noch unerträglich für Menschen, die ihr Leben einer seriösen, einer wertneutralen und einer ideologiefreien Wissenschaft überantwortet haben!

nachgefragt
1 Monat her

40 Jahre durch die Institutionen marschiert. Mit Kratzen, Beißen, zu fünft gegen einen und miesen Tricks alle Konkurrenten erledigt und am Gipfel angekommen werden sie dennoch wegen der eigenen Inkompetenz, miesem Charakter und der ungezügelten Habgier mit großem Knall gefeuert. Schlesinger, die Wirtschaftswitwen und die SZ-Tante lassen grüßen. Ist jedesmal ein großes Feuerwerk der Freude wie an Silvester. Anschauen und genießen.

Carl22
1 Monat her

Die TU Berlin positioniert sich ….. als Zeichen für die Solidarität mit allen Menschen.“ Heute,1.3.2024, sind das 8 164 826 312 Einzelsubjekte (Quelle: Weltbevölkerung 2024 – Weltbevölkerungsuhr (countrymeters.info). Der Begriffsumfang von „TU Berlin“ bleibt ungenannt, ebenso der Begriffsinhalt von „Solidarität“. Infolgedessen sind die Begriffsinhalte von „positioniert“ und „Zeichen“ logische Leerstellen. Damit ist die genannte Aussage unter logischen Urteilsgesichtspunkten nicht erfaßbar. Sie erfüllt das Popper’sche Kriterium für eine Leerformel.

Perlentaucher10
1 Monat her

TU Berlin, muss man mehr wissen? Welcher integere Arbeitgeber stellt solche Absolventen nur ein?

Last edited 1 Monat her by Perlentaucher10
Biskaborn
1 Monat her

Frau Rauch ist eine Schande für den deutschen Wissenschaftsbetrieb. Normalerweise würden ihre Hasstiraden sofort zur Entlassung führen müssen, so aber wird sie weiter linke Politik ungestört zu Lasten von Wissenschaftsfreiheit machen dürfen!

StefanB
2 Monate her

Allein der Umstand, dass heutzutage jemand akademisches Führungspersonal ist, besagt rein gar nichts über dessen Qualifikation. Es sei denn im Zeigen der „richtigen Haltung“, also etwas platter formuliert, beim Hassen und Hetzen gegen Andersdenkende. So ist das eben im Sozialismus. Warum sollte es also in der DDR 2.0 anders sein, als in der DDR 1.0?
Politisch korrekte Sprache gehört übrigens auch nur insoweit zur „richtigen Haltung“, wie es um die von den Sozialisten selbst auserkorenen Opfergruppen geht. So bald es um Andersdenkende geht, sind Diffamierung und Stigmatisierung als „rechts“, „rechtsextrem“ und „Nazis“ angesagt. Ein ganz widerliches Milieu.

horrex
2 Monate her

Jahrelang bin ich gerne zu den Vorträgen/Veranstaltungen der Deutschen Forschungsgesellschaft in MUC Staatsbibliothek gegangen. Seit geraumer Zeit „triefen“ die Autoren/Veranstaltungen geradezu vor wokeness. –

Kaltverformer
2 Monate her

Ich habe mich mit der Vita dieser Präsidentin nicht befasst, aber das erste, was mir beim Lesen dieses Artikels in den Sinn kam war: „get woke, go broke“.

Das einzige Gut, dass Deutschland wirklich zu bieten hatte (und auf dem der wirtschaftliche Erfolg beruht), war seine fundierte Ausbildung und damit einhergehende Leistungsbereitschaft der autochthonen Bevölkerung.
Beides wurde aber seit den 1980igern systematisch geschleift.

derostenistrot
2 Monate her

Diese Dame erhielt an der „Elite“-Universität Bremen ihre Sozialisation. Für mich kein Wunder, wie sie sich positioniert.

horrex
2 Monate her
Antworten an  derostenistrot

Aha, Elite-Uni Bremen! Dann ist ja klar WELCHE Elite. Mehr muss ich eigentlich nicht wissen. • Und zum X-tem Mal: Es scheint – selbst hier – immer noch nicht verstanden zu werden was der „Marsch durch die Institutionen“ 68 ankündigte und nun längst fast die ganze Fläche abdeckend kurz vor der Vollendung steht. – Nicht die Form von Unterwerfung unter … ist es von der Houellebecq schreibt. Es ist eine andere, sicherlich nicht weniger gefährliche Form von Unterwerfung die sich längst deutlich abzeichnet. Unterwerfung nicht unter einen äusseren Feind, sondern durch massive Aushöhlung der rechtlichen und kulturellen Fundamente dieses Landes… Mehr

Michaelis
1 Monat her
Antworten an  derostenistrot

Bremen und Berlin – da kungeltst ganz heftig bezüglich „wissenschaftlicher“ Pöstchenschieberei! Ist mir bestens bekannt, habe einiges kennengelernt.

Aegnor
2 Monate her

Einer der ältesten Tricks der Welt: Wer öffentlich ein Verbrechen begehen will, zeigt ebenso öffentlich mit dem Finger auf Andere (während vier Finger auf ihn selbst zeigen) um damit von sich abzulenken. Oder anders ausgedrückt: „Was ich denk und tu‘, trau ich andern zu.“ All die ganzen selbsternannten „Demokratieschützer“ sind selbst keine Demokraten und handeln totalitär. Das besonders infame daran ist, dass die Leute auf die sie mit dem Finger zeigen, um von ihren totalitären Vorhaben abzulenken, zwar auch nicht perfekt sind, aber trotzdem wesentlich mehr demokratische Reife aufweisen als sie.