Affäre Lederer: Täuschte der Senator, um Knabe loszuwerden?

Berlins Kultursenator steht im Verdacht, manipulierte Unterlagen vor Gericht eingereicht zu haben. Auf den Vorwurf antwortet er ausweichend.

picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Seit März 2020 versucht ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, die Umstände der Entlassung des früheren Leiters der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe aufzuklären. Entlassen wurde Knabe 2018 auf Betreiben von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der Kulturstaatsministerin und damaligen Berliner CDU-Chefin Monika Grütters unter dem vagen Anschuldigung, er, Knabe, habe „strukturellen Sexismus“ an der Gedenkstätte geduldet. Dabei ging es nie um Belästigungsvorwürfe gegen Knabe selbst – sondern den Vorwurf, er habe Übergriffe seines damaligen Stellvertreters Helmuth Frauendorfers gedeckt. Von dieser Beschuldigung blieb bis jetzt wenig übrig: Knabe hatte im Gegenteil Frauendorfer damals beurlaubt, als er von den Vorwürfen erfahren hatte. Bis jetzt gibt es auch keine Verurteilung Frauendorfers wegen sexueller Übergriffe; schon die Vorwürfe gegen ihn bewegten sich damals unterhalb der juristisch relevanten Schwelle.

In den bisherigen Sitzungen des Untersuchungsausschusses verstärkte sich stattdessen der Verdacht, dass Knabe 2018 Opfer einer politischen Intrige wurde. Zentrales Thema des Historikers und Gedenkstättenleiters waren der Einfluss der Staatssicherheit im Westen, und die politische Verantwortung der mehrfach umbenannten SED vor und nach 1990.

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Seit der Untersuchungsausschuss-Sitzung vom 12. Januar 2021 steht Lederer zusätzlich in Verdacht, manipuliertes Material gegen Knabe eingesetzt zu haben. Es geht um ein Gerichtsverfahren, mit dem die Rückkehr Knabes ins Amt torpediert worden war. Am Donnerstag, dem 22. November 2018, hatte das Landgericht Berlin einem Eilantrag stattgegeben, dass der zwei Monate zuvor freigestellte Knabe seine Tätigkeit in der Gedenkstätte wieder aufnehmen durfte. Um das zu verhindern, wurde der Stiftungsrat der Gedenkstätte auf Betreiben von Lederer kurzfristig zusammengetrommelt. Nach der Beratung legte er am Montag, dem 26. November 2018 beim Landgericht Widerspruch ein. Mit Erfolg: Knabe, der am Morgen gegen neun Uhr in die Gedenkstätte zurückgekehrt war, musste sie gegen Mittag wieder verlassen – und zwar endgültig.

Eine Schlüsselrolle für den juristischen Sieg spielte ein Bericht, den die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler gefertigt hatte. Nach Birthlers aktueller Aussage vor dem Untersuchungsausschuss legte Lederers Behörde damals offenbar Unterlagen vor, die von Birthlers tatsächlichem Text erheblich abwichen, dessen Aussagen zuspitzten und manipulierten.

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Birthler war seinerzeit als Vertrauensperson eingesetzt worden, an die sich Gedenkstätten-Mitarbeiterinnen mit möglichen Schilderungen sexistischer Übergriffe wenden konnten. Das Landgericht Berlin stellte im November 2018 in seinem Urteil zu Knabes endgültiger Entfernung fest, die Stiftung habe glaubhaft gemacht, dass der Gedenkstättenleiter am Tag zuvor einstimmig als Vorstand abberufen worden war „aufgrund eines Berichts der Vertrauensperson Marianne Birthler […] Diese solle mehr als 40 Vertrauensgespräche geführt und erklärt haben, in keinem Gespräch seien die Vorwürfe der Frauen angezweifelt worden; die Mitarbeiterinnen hätten nach wie vor große Angst vor Knabe“.

Nach Birthlers Aussage vom Januar 2021 erklärt Stefan Förster, FDP-Abgeordneter und Mitglied im Untersuchungsausschuss: „Das stimmt so nicht“. Damals habe Birthler 29 Gespräche geführt, darunter seien nur 15 Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte gewesen. Marianne Birthler habe sich nach ihrer eigenen Aussage noch am 26. November 2018 an Lederer gewendet und gefordert, das Protokoll zu ändern. Ausdrücklich hielt sie fest, dass ihr Bericht „kein Ergebnis einer Untersuchung“ sei. Angst hätten „einige Mitarbeiterinnen“ nur davor gehabt, „sich offen zu äußern, solange sie fürchten müssten, dass Dr. Knabe zurückkehrt“. „Hier wurden offensichtlich Beweismittel manipuliert“, so Förster: „Dem Kultursenator und seinen Mitarbeitern war offensichtlich jedes Mittel recht, um Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte loszuwerden. Das spricht eindeutig gegen die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe gegen Knabe.“

Auch Knabes Anwalt Michael Braun, der den früheren Gedenkstättenleiter vor dem Ausschuss vertritt, meint: „Hier stehen die Vorwürfe der Urkundenfälschung und des Prozessbetrugs im Raum.“ TE konfrontierte Klaus Lederer mit dem Vorwurf, er habe damals Aussagen von Birthler zu Ungunsten von Hubertus Knabe verändert. Auf den Vorwurf geht der Politiker nicht direkt ein.

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Lederers Sprecher erklärt gegenüber TE: „Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass der Senatsverwaltung für Kultur und Europa die Inhalte der Aussage von Frau Birthler vor dem Untersuchungsausschuss nicht bekannt sind. Ferner ist die Vernehmung von Frau Birthler wohl noch nicht abgeschlossen, so dass sich eine Stellungnahme zu (vermeintlichen) Inhalten der Zeugenvernehmung von Frau Birthler schon aus Respekt vor dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren verbietet.“ Zu dem Gerichtsverfahren von 2018 teilt er mit: „Ein ‚Bericht von Frau Birthler’ ist in diesem Verfahren zu keinem Zeitpunkt seitens der Senatsverwaltung für Kultur und Europa vorgelegt worden.“

Allerdings ist exakt das der Vorwurf: Offenbar hatte die Senatsverwaltung nicht den originalen Bericht Birthlers vorgelegt, sondern eine Zusammenfassung, in der außerdem Aussagen vorkamen, von denen Birthler bestreitet, sie so getroffen zu haben.

„Wir werden der Beweiserhebung des Ausschusses nicht durch Beantwortung von Presseanfragen vorgreifen und zum Gegenstand der öffentlichen Erörterung machen“, so Lederers Sprecher.

Die vermeintliche Affäre um den „strukturellen Sexismus“ in der Stasi-Gedenkstätte entwickelt sich immer mehr zu einer Affäre Lederer. Sollte sich tatsächlich erhärten, dass er beziehungsweise seine Helfer Unterlagen in einem Gerichtsverfahren manipuliert hatten, dann würde das auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. Lederer ist Spitzenkandidat seiner Partei für die Abgeordnetenhaus-Wahl am 26. September.

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Der Ketzer
3 Jahre her

„Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.“
1835, Gustav von Rochow, königlich preußischer Innen- und Staatsminister

Protestwaehler
3 Jahre her

War der Knabe nicht auch der Birthler auf dem Fersen wegen dem Verdacht auf Stasitätigkeiten… läuft da nicht eine Klage auf Herausgabe irgendwelcher Stasiunterlagen… wenn dann ausgerechnet diese Person gegen Knabe als „Gutachterin“ in Stellung gebracht wird, von Stasiseilschaften…
Man hätte diesen Leuten NIEMALS erlauben dürfen in diesem Land noch mal politisch tätig werden zu dürfen.

Karl Schmidt
3 Jahre her

Auch das ist kennzeichnend für einen Bonzenstaat: Ein Angestellter wird schon bei einem (unberechtigten) Verdacht aus dem Amt entfernt. Sein Chef kann dagegen so voreilig und zwielichtig agieren wie er will: Er bleibt. Unter dem Strich ist der einzige, der bisher vorbildlich gearbeitet und reagiert hat, der entlassene Leiter der Einrichtung, Herr Knabe. Es wird daher höchste Zeit, ihn zurück zu holen.

Schwabenwilli
3 Jahre her

Der Lederer ist nicht das einzige was bei uns gerade nicht mehr koscher ist.

keinerda
3 Jahre her

Als Handwerksmeister benutze ich Werkzeuge wie Hammer, Schraubenzieher und Zange fuer meine Arbeit. Lederer benutzt Lug, Betrug und Manipulation fuer seine „Arbeit“.
Und dafuer wird er noch von Steuerzahlern wie mich fuerstlich entlohnt.

Ben Clirsek
3 Jahre her

Ja, sollten sich die Vorwürfe gegenüber Lederer erhärten hat das tatsächlich Auswirkungen auf die Berliner Politik. Er hätte sich damit für ein hohes politisches Amt endgültig qualifiziert.

Maja Schneider
3 Jahre her

Wenn man die ganze inszenierte Affaire um diesen untadeligen und hoch geschätzten sowie erfolgreichen Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, verfolgt hat, konnnte man damals nur zu dem Schluss kommen, dass der Mann im Wege war und aus dem Dienst entfernt werden musste. Seine Art der gewissenhaften und quellenorientierten Aufarbeitung der DDR ist nicht gewünscht, von den Linken schon mal gar nicht. Sie versucht, hoffentlich erfolglos, ein anderes Geschichtsbild zu entwickeln, eines, das die Diktatur mit ihren unmenschlichen Kontroll – und Überwachungsmethoden nicht mehr als solche erscheinen lässt.

Germer
3 Jahre her
Antworten an  Maja Schneider

Warum sollte die Linke an einer Aufarbeitung des DDR Unrechtsstaat haben?
Schließlich ist die Linke der direkte Rechtsnachfolger der SED und damit nichts anderes, als eine umbenannte SED.
Eine Neugründig hat es übrigens deswegen nicht gegeben, weil dann das SED Vermögen nicht auf die Linke übergegangen wäre.

Lotus
3 Jahre her

Dass Klaus Lederer Methoden anwendet, wie man sie aus DDR-Zeiten kennt, überrascht nun wirklich nicht. Die ganze Linkspartei ist ein Haufen, über den ich mich hier lieber nicht weiter auslassen will. Die Skandale liegen woanders: – Dass SPD und Grüne keinerlei Hemmungen haben, mit dieser Truppe zu koalieren, sich um solche Koalitionen sogar reißen. – Dass auch die gemerkelte CDU immer öfter mit dieser Truppe kuschelt. – Dass Michael Müller dem skandalösen Treiben tatenlos zusieht. – Der größte Hammer: Dass dieses Tun von den MSM durch unterstützendes Schweigen jederzeit gedeckt wird, und dass weite Teile dieser MSM eine Koalition aus… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Lotus
FrankR
3 Jahre her

Wenn man es zulässt, dass die jemand dieser unsäglichen SED überhaupt eine Weisungsbefugnis über Mitarbeiter einer Gedenkstätte erhalten, die sich mit den Verbrechen dieser Partei und ihrer Schergen befasst, dann ist doch schon alles verloren. Ungefähr so, wie wenn man Pyromanen die Verfügungsgewalt über die Feuerwehr zugesteht.

F.Peter
3 Jahre her

Es war der größte politische Fehler in diesem Land nach der Wiedervereinigung, diese ehemaligen Stasikader wieder in politische Ämter zu hieven und zu hoffen, dass diese geläutert wären. Nein, einzig die Menschen, die damals für ihre Freiheit auf die Straße gingen und alles riskiert haben dafür, dürften die einzigen aus der ehem. DDR sein, die sich die Freiheit gewünscht haben und auch bereit waren, sich anzupassen. Die Funktionäre der kommunistischen DDR waren bis zuletzt gegen eine Wiedervereinigung. Und als diese dann doch vollzogen war, schlichen diese sich in Verwaltungen und politische Ämter hinein. Das Ergebnis kann man heute auf vielfältige… Mehr