Dem Katholikentag ist die CDU offenbar zu „rechts“ – Christenverfolgung kein Thema

Ohne Vertreter des Vatikans, Politiker rechts der Mitte und heikle christliche Themen sagt mehr über den Geist des Katholikentages als das Programm. Das war dominiert von grünen und sozialdemokratischen Politikern und Themen. Spiritualität, Mystisches und Glaubensfragen finden sich nur am Rande.

picture alliance / epd-bild | Paul-Philipp Braun
Blick zum Domplatz mit Katholikentag Banner in Erfurt (Foto vom 29.05.2024)

In der katholischen Diaspora der thüringischen Hauptstadt geht es bis zum Sonntag bei etwa 500 Veranstaltungen vor allem um Krieg, Demokratie, Extremismus, Klima und soziale Gerechtigkeit. Den evangelischen Kirchentagen ähnlich dominiert eine grün-linke Agenda die fünftägige Veranstaltung des 103. Deutschen Katholikentages. Am Freitag durften Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Habeck (Grünen) auf dem Kirchentag Reden zu Frieden und Klima halten, die sich nur unwesentlich von Auftritten im EU-Wahlkampf unterschieden.

Mit Vertretern der AfD wollte man sich auf gar keinen Fall auseinandersetzen; Themen wie die Ausbreitung des Islam in Europa und die Christenverfolgung in der islamischen Welt waren so gut wie tabu. Stattdessen gibt es Foren für den interreligiösen Dialog, zwei mit Kopftuch bekleidete Muslima fanden sich auf der Tribüne bei der Eröffnungsveranstaltung am Mittwochabend. Konsequenterweise fand – zumindest bis Freitagnachmittag – der offene Ruf nach dem Kalifat auf deutschen Straßen oder das aktuelle Attentat auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger so gut wie keine Beachtung.

Päpstliche Skepsis gegenüber der deutschen Ortskirche

Dabei genießt das politische Engagement der Kirche oberste Priorität – massiv unterstützt auch von Papst Franziskus. Dieser schickte zwar eine herzliche Grußbotschaft und pries die Friedenskraft des Gebets ebenso wie das gesellschaftliche Wirken der Gläubigen.

Die Abwesenheit eines Vertreters des Heiligen Stuhls kann allerdings auch als Ausdruck einer gewissen Skepsis gegenüber der deutschen Ortskirche gelesen werden, die mit dem „synodalen Weg“ – einem Versuch die Kirche zu „modernisieren“ – immer wieder den Unwillen des Vatikans provoziert. Dabei geht es aber um innerkirchliche Themen wie Ökumene, Zölibat und Frauenordination, weniger um die weltanschauliche Orientierung.

Denn die ist auch beim Heiligen Vater zutiefst kritisch gegenüber Kapitalismus und dem Westen. So warnt auch er vor Rassismus, Extremismus und dem „Missbrauch der Schöpfung“ aus „egoistischem Macht- und Gewinnstreben“.

Die Menschen spürten, „… dass wir nicht einfach so weitermachen können wie bisher, dass es einer Umkehr, einer echten Neuorientierung bedarf“, dem öffentlichen Einsatz für „politisch bessere Lebensbedingungen“, so der Papst. Diesen eher säkularen Vorgaben wird der Katholikentag mehr als gerecht.

Wenige CDU-Politiker in Erfurt

Betont christlich orientierte Politiker fanden kaum den Weg nach Erfurt. Abgesehen von einem Höflichkeitsbesuch des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz fehlen prominente Christdemokraten – von denen man schon wegen ihres Parteinamens annehmen sollte, dass niemand stärker als sie für den Brückenschlag zwischen Politik und Glauben prädestiniert wären.

Die Kritik aus der katholischen Kirche an der angeblich fremdenfeindlichen Migrationspolitik der Union verweist auf das Unbehagen der Amtskirche an einer offenbar für sie zu „rechten“ Orientierung der CDU. Die Flüchtlingsbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche warfen der CDU jüngst einen „radikalen Bruch mit ihrem humanitären Erbe im Flüchtlingsschutz“ vor.

„Wer sich am christlichen Menschenbild orientiert, darf den individuellen Zugang zum Flüchtlingsschutz in Europa nicht abschaffen“, hatten gemeinsam der katholische Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) und der evangelische Bischof Christian Stäblein (Berlin) zu den äußerst moderaten Programm-Überlegungen der CDU zur Asylpolitik geschrieben.

Auseinandersetzung mit AfD „lohnt sich nicht“

Mit Politikern der AfD wollte die Kirche nichts zu tun haben, schon gar nicht, sich auseinandersetzen. Mit ihnen sei „kein wirklich fruchtbares Gespräch möglich“, meinte der Erfurter Bischof Neymeyr. „Für völkischen Nationalismus darf es in diesem Land keinen Platz geben“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing die Unduldsamkeit der Kirche. Er erwarte vom Katholikentag „eine klare Abgrenzung nach rechts“.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war es, der zu Beginn des Katholikentags den Vertrauens- und Bedeutungsverlust der Kirchen in der Gesellschaft beklagt hatte. Allerdings seien viele Ursachen „selbst gemacht“, so Steinmeier und verwies auf den „massenhaften Missbrauch“ und seine Vertuschung. Ursache für die Entfremdung vieler Menschen von der Religiosität könnte aber auch sein, dass die Botschaft der Kirche „zu leise, zu blass, zu wenig profiliert“ ist, fragte er.

Der Katholikentag ist zwar mit etwa 20.000 Teilnehmern deutlich kleiner als seine Vorgänger, aber inhaltlich keineswegs vage und schwammig, wie Steinmeier zu befürchten scheint. Dafür sorgten schon die Spitzenpolitiker der Grünen und Sozialdemokraten, die sich in Erfurt geballt präsentieren.

Kirchen-Veranstaltungen sind Festtage der Grünen

Keine Partei ist so hochrangig und zahlreich vertreten wie die der Grünen. Bei seinem Auftritt konnte Vizekanzler Habeck, vom Publikum mit viel Beifall empfangen, ausgiebig über sein Lieblingsthema Klima sprechen.

Der konfessionslose Habeck lobte brav die Verdienste der Gastgeber bei der Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft und betonte die „gemeinsamen Ziele“. Später wurden noch die Grünen-Politiker Außenministerin Annalena Baerbock und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir erwartet.

Der gleichfalls konfessionslose Kanzler hatte es bei seinem Auftritt etwas schwerer als Habeck, störten doch Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ massiv seinen Vortrag. Sichtlich genervt forderte Scholz schließlich die Störer auf zuzuhören; wichtig sei es doch, sich „sachlich und argumentativ“ auseinanderzusetzen. Auch der Sozialdemokrat lobte das gesellschaftliche Engagement der Katholiken.

„G*ott ist trans“

Wie bei evangelischen Kirchentagen werden auch beim Katholikentag die Lieblingsthemen der woken Gesellschaft wie die Probleme der Queer-Gemeinde, Rassismus und Kolonialgeschichte an den Ständen und in Veranstaltungen behandelt. In Papieren von angeblich katholischen Gruppen finden sich dann Formulierungen wie „der Leib Christi ist queer“ oder „G*tt ist trans“ oder „Decolonize Church“.

„Die Laientreffen sind mittlerweile Hochfeste linker Gesinnungstüchtigkeit. Vielfalt wird beschworen, aber das Gegenteil zelebriert“, kommentierte die Neue Züricher Zeitung (NZZ) den Katholikentag. Auch in Thüringen feiere sich „eine linkskatholische Parallelgesellschaft selbst … eine grüne Programmatik liefert die Dogmen und sorgt für neue Götzen“.

Linken-Politiker Ramelow: „Tanke meine Seele auf“

Zumindest Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigt sich auf dem Kirchentag als bekennender Christ, wenngleich auch evangelisch, aber diese Unterscheidung spielte für die meisten Teilnehmer des stark ökumenisch ausgerichteten Katholikentags ohnehin keine große Rolle. „Ich tanke hier Stunde um Stunde meine Seele auf“, sagte Ramelow der Katholischen Nachrichtenagentur kna.

Neben dem Bekenntnis zum Klimaschutz, „Kampf gegen Rechts“ und Frieden war auch die Krise der Katholischen Kirche Thema. Dominant war der Ruf nach „raschen Reformen“, so auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing. Er mache sich Sorgen, dass vieles sehr langsam gehe, sagte er im TV-Sender „phoenix“. Bei vielen Katholiken sei „die Geduld allmählich am Ende“.

Weltkirche soll sich an deutschen Katholiken orientieren

Die deutschen Forderungen und Vorschläge zu den Themen Rolle der Frau, Sexualmoral, Priesteramt und Laienbeteiligung reichten weit über Deutschland hinaus und beträfen viele Teile der Weltkirche, betonte der Geistliche. Der Katholikentag ist eine Veranstaltung, bei der sich ganz besonders auch Laien einbringen können.

Die Teilnehmerzahl von 20.000 markiert – wenngleich im stark protestantisch und atheistisch geprägten Thüringen – einen Negativrekord in der über 130 Jahre alten Geschichte des Katholikentags. Es gibt in Deutschland etwa 20 Millionen Katholiken.

Papst soll „das Ruder herumwerfen“

Die Präsidentin des Katholikentags (und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken), Irme Stetter-Karp, forderte mehr Tempo bei den innerkirchlichen Reformen. Sie erwarte von den Bischöfen, von denen nur wenige den Weg nach Erfurt suchten, als auch vom Papst, „dass nun endlich das Ruder herumgeworfen wird“. Auch Bischof Neymeyr will eine Wende: Die meisten Katholiken, aber auch die meisten Bischöfe, wünschten „sich eine Öffnung des Weiheamts für Frauen“.

Zwar wurde auf Veranstaltungen der „innerreligiöse Dialog“ angesprochen. Aber die Verfolgung und Diskriminierung von Christen in vielen Teilen der islamischen Welt galten dem Katholikentag offenbar nicht als ein wirklich drängendes Thema. Dabei sind Christen die meist verfolgte religiöse Minderheit in der Welt – zumindest in absoluten Zahlen. Relativ, also gemessen an ihrer Gesamtzahl, dürfte die jüdische Religion verhasster sein als jeder andere Glaube.

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Kommentare ( 38 )

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fatherted
1 Monat her

Ich hab bei dem Verein vor 37 Jahren gekündigt….habe es noch keinen Tag bereut. Meine Mutter ist erst im letzten Jahr mit 88 Jahren aus der Kirche ausgetreten. Insofern: Man muss mit den Füssen abstimmen….aber die werden auch mit nur noch einem Mitglied, ihren Kurs nicht ändern. Ist bei woken-Ideologen so….hat nichts mit dem Glauben zu tun.

Regina Lange
1 Monat her

Man hat sich aber nicht, wie beim evangelischen Kirchentag vor ein paar Jahren, zu einem Workshop „Vulven malen“ hinreißen lassen. Das macht das grünrote Gesamtbild der kath. Kirche aber auch nicht besser!

humerd
1 Monat her

Die Regierung schafft sich mit Einwanderung ein neues Volk, die deutschen Kirchen neue Mitglieder.

Rob Roy
1 Monat her

Die Kirchen haben Ungeimpfte ausgegrenzt und hetzen gegen die AfD. Und je mehr Gemeindemitglieder ihnen davonlaufen, desto mehr dreschen sie auf ihre Feindbilder ein oder suchen sich neue.

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Rob Roy

In Erfurt hat sich ein katholischer Bischof als Kriegsantreiber erwiesen, habe ich gestern gelesen. Noch nie nachgedacht, dass Krieg nicht nur etwas ist, was bloß in der Glotze stattfindet?

Max und Moritz
1 Monat her

Als Katholik kann ich sagen, dass mir diese Kirche zuwider ist. Austreten werde ich dennoch nicht. Soweit kommt es noch, vor diesem linken Mob zu kapitulieren.
Abgesehen davon ist die deutsche kath. Kirche nur ein verschwindend geringer Teil. Auch der Papst ist nur ein kleiner Splitter im linken Auge. Die katholische Weltkirche tickt da in großen Teilen vollkommen anders. Die konservativsten Kardinäle kommen übrigens aus Afrika.

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Max und Moritz

TKP erinnerte kürzlich den Pakt des Papstes mit dem gleichen Big Business, wie im WEF präsent:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201208_OTS0072/der-rat-fuer-einen-inklusiven-kapitalismus-mit-dem-vatikan-ein-neues-buendnis-von-globalen-wirtschaftsfuehrern-startet-heute

Klar, „Weltrettungen“ und so. Ich bin da jedenfalls seit über 30 Jahren raus.

Axel Fachtan
1 Monat her
Antworten an  Max und Moritz

Recht muss dem Unrecht nicht weichen, also halten Sie durch.
Nicht die Besteurungsorgane sind die Gemeinde, sondern die Gemeinschaft aller Christen ist die Gemeinde.

a.bayer
1 Monat her

„Flüchtlingspolitik“ wird bei uns politischer- und medialerseits von vornherein konzipiert als „Fass ohne Boden“ (man nennt es nur nicht so). Die linkskatholische Sicht der Dinge würde sich ändern, wenn man die Kirchen zur Vergabe ihrer Liegenschaften zwecks Flüchtlingsunterbringung zwangsverpflichten könnte.

Carrie
1 Monat her

Ja, der Katholikentag ist ein Deutsches Trauerspiel (wohlgemerkt, vom ZdK organisiert und daher überhaupt nicht repräsentativ für die katholische Welt oder die katholische Lehre, sondern eben für das „linksgrüne“, unkatholische, spalterische ZdK). Der Leser möge bitte nicht daraus auf die Katholische Religion und auf die katholische (= universelle) Kirche schließen. Wir haben in Deutschland eine schwere Situation, weil gewisse Ideologien auch in die Kirchen Einzug halten und viele deutsche „Katholiken“ und Bischöfe verwechseln die Kirche mit einer Partei, die nach der Mehrheit gehen soll. Aus dem Grund treten Leute aus der Kirche aus. Vor einigen Jahren war das der Missbrauchskandal… Mehr

steadyrollingman
1 Monat her
Antworten an  Carrie

Für mich ist die Deutsche Beschofskonferenz und ihre Verlautbarungen ausschlaggebend. Sie vertritt in toto die Katholiken in Deutschland, nicht irgendwelche parikulären Gruppierungen.

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Carrie

> Der Leser möge bitte nicht daraus auf die Katholische Religion und auf die katholische (= universelle) Kirche schließen.

Wieso nicht, wenn die Wokeness den laut katholischer Lehre angeblich unfehlbaren Papst inkludiert, der nun mal den Laden leitet. Beim Islam treten Manche jedes unvorteilhafte Zitat eines Imams in Timbuktu vor 1000 Jahren immer wieder breit. Bei der Papst-NGO sollte man aber ständig wegschauen?

Evero
1 Monat her
Antworten an  Carrie

Bravo, dem kann ich nur zustimmen.
In dem ganzen Getue um weltliche Befindlichkeiten wird der Glaube und das Wort Gottes zur absoluten Nebensache.

Casa Done
1 Monat her

Grün-linke Politik und entsprechende Organisationen gibt es schon zu Genüge. Eine katholische Kirche, die auf diesen Zug aufspringt, wird in der Bedeutungslosigkeit und Beliebigkeit verschwinden.

XDhoch3
1 Monat her

Mein Austritt war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Passt einfach nicht zu mir diese Kirche mit ihrer widerwärtigen doppelmoralischen Art. Grüne, Kirche & Co. können mir gestohlen bleiben.
Meinem Verhältnis zu meinem Gott tut das keinen Abbruch.

siebenlauter
1 Monat her

Die reden ja längst selbst offen darüber, dass sie eine neue, andere Kirche sind. Von der alten Kirche gefällt ihnen nur das Konkordat. Aber auch nur, weil das viel Geld bringt. Fraglich ist allerdings, ob und warum der Staat und sein Fiskus diese neue Kirche als Rechtsnachfolger anerkennen sollte oder dies überhaupt noch kann.

Ulrich
1 Monat her
Antworten an  siebenlauter

Warum nicht. Die Kirche erfüllt ihre Funktion als staatlich alimentierte NGO ebenso wie die Deutsche Umwelthilfe oder „Fridays for Future“. Kampf gegen Rechts und für Klima und grenzenlose Einwanderung, das muss belohnt werden.