Glyphosat und seine phantastischen Alternativen

Glyphosat ist so gut wie erledigt. Die Ökos jubeln, die Landwirte suchen händeringend nach gleichwertigen Alternativen. An klugen Ratschlägen mangelt es nicht.

 

Eine grüne Agrarpolitikerin empfiehlt, statt das Unkraut mit Glyphosat abzutöten, es lieber mit Papier zu versuchen, da sie dieses für ein „natürliches Material“ hält. Die zahllosen dubiosen Chemikalien, die in den verschiedenen Papiersorten und Druckfarben stecken, dürften das Glyphosat weit in den Schatten stellen. Aber vielleicht wollte die ehemalige Parlamentarierin der EU ja nur ihre Schriften zur Agrarpolitik einer angemessenen Verwendung zuführen.

Darin lesen wir nämlich, man könne das Unkraut auch von Nutzvieh abernten lassen. Schweine seien „besonders gut darin, den Aufwuchs von Beikräutern und Gräsern zu regulieren“. Die wühlen auf der Suche nach Regenwürmern und Wurzeln einfach alles um. Dann ist der Acker zwar geliefert, aber noch lange nicht frei von Unkraut.

Mit Feuer und Flamme für den Schutz der Natur

In Braunschweig verzichtete die Stadt dankend auf die Mitarbeit von Öko-Schweinen. Sie rückt dem Bewuchs lieber mit Hitze zu Leibe. Für die rund 80.000 Quadratmeter städtische Fläche, berichtet der NDR, kaufte sie einen Spezial-Traktor und schuf fünf neue Stellen, um das städtische Grün zu verschmurgeln. Doch fünfe seien zu wenig, man benötige weitere sieben. Der Spaß kostet alles in allem knapp eine halbe Million Euro. Damit werden nicht nur Steuergelder verbrannt, sondern auch das Unkraut – und zwar „bis zu den Wurzeln“. Da wird es den Insekten aber warm ums Herz. Adieu, ihr süßen Erdhummeln, ihr arglosen Sandbienen, wir lieben es, eure Brut zu rösten.

Auch mit Heißwasser lassen sich Pflanzen, Käferlein und die Nestlinge der Bodenbrüter auf ganz natürliche Weise verbrühen. Dampfhochdruckgeräte zerstören zuverlässig auch tiefsitzende Vegetationspunkte der Unkräuter. Noch pricklender ist der Unkrauttod bei 15.000 Volt. Dafür zieht ein Traktor einen 80kw-Generator übers Feld, ein Metallapplikator leitet den Strom auf die Pflanzendecke, von wo er bis in die Wurzeln fließt. Mit einem zweiten Applikator wird der Kreislauf wieder geschlossen. Da leuchten die Äuglein des Maulwurfs, wenn er unter Strom steht.

Alle physikalischen Verfahren verbraten reichlich Energie, sprich Diesel. Deshalb fallen die Ökobilanzen für chemische Methoden meist besser aus. Als Nachfolger von Glyphosat wird gerade die 7-Desoxy-Sedoheptulose gehypt. Denn die sei natürlich, aber schädige die Pflanzen exakt so wie Glyphosat. Zumindest im Labor. Ob das auch auf dem Acker klappt, steht in den Sternen. Die Sedoheptulose wird von Cyanobakterien erzeugt. Diese Gruppe von Organismen gehört zu den ärgsten Giftproduzenten dieser Erde. Warum bloß fragt hier niemand nach den Restrisiken?

Viel Disteln gab’s und wenig Brot

Im Chor der Ökospinner will die Agrarpresse nicht fehlen. Sie hat ihrerseits „eine biologische Alternative“ aufs Schild gehoben: die Pelargonsäure. Sie „wird unter anderem aus der Distel gewonnen und hat eine ähnliche Wirkung wie das umstrittene chemische Herbizid Glyphosat. Die Distel selbst ist ein idealer nachhaltiger biologisch-ökologischer Rohstoff. Sie ist mehrjährig und äußerst anspruchslos, denn sie wächst auf kargen Böden und benötigt kaum Dünger und Wasser.“

Die Distel, dieses biblische Symbol für unfruchtbares Land, also für Hunger, wird nun den Landwirten als Öko-Ideal angedient! Sind die noch ganz dicht? Wer Disteln anbaut, der verdirbt sein Land. Was macht der Biobauer, wenn er die Tiefwurzler wieder loswerden will? Da hilft vor allem eins: reichlich Roundup, reichlich Glyphosat. Mit seinen Bio-Mitteln hat er gegen Disteln keine Chance.

Die Idee, der Stoff würde auch aus Bio-Disteln gewonnen, ist nicht minder dusselig: Pelargonsäure wird synthetisch gewonnen. Sie ist eine der wichtigsten Industriechemikalien, sie dient zur Herstellung von Lacken, Schmiermitteln, Weichmachern sowie von Kampfstoffen zur Niederschlagung von Aufständen. Der wesentliche Unterschied zum Glyphosat ist der Preis: Pelargonsäure ist 100mal teurer. Und wirkt vergleichsweise be … scheiden. Während Glyphosat das Unkraut systemisch abtötet, damit danach das Saatbett bereitet werden kann, schädigt die Pelargonsäure nur die grünen Blätter. Das Unkraut erholt sich und überwuchert die Saat.

Offenbar hat man aus dem Verbot der Neonikotinoide zum Beizen von Raps nichts gelernt. Die Beizmittel taten den Bienen nichts, denn dazu hätten diese erst das Saatgut aus dem frisch bestellten Erdreich pulen müssen, um dran zu lecken. Als Alternative blieben nur noch die Pyrethroide. Aber die sind nicht zum Beizen von Raps zugelassen, sondern dürfen erst ausgebracht werden, wenn die Rapspflänzchen sprießen. Dann aber sind gleich vier Spritzungen erforderlich, um die Erdflöhe zu kontrollieren. Die Bienenschützer feierten das als Triumph. Dabei sind Pyrethroide so ziemlich das Bienengiftigste, was es gibt.

Die Verbote haben dazu beigetragen, dass der Rapsanbau stark zurückgeht. Dabei war das gelbe Meer an Rapsblüten ein Schlaraffenland für nektarsuchende Insekten. Forschern der Uni Würzburg ist auch das ein Dorn im Auge: „Ihr Blütenreichtum lockt Hummeln und andere Wildbienen derart stark an, dass dadurch die Bestäubung von Wildpflanzen geringer ausfällt.“ Wie furchtbar, da haben Hummeln, Hausbienen und Wildbienen endlich einen reich gedeckten Tisch und können unbesorgt ihre Brut aufziehen, schon ist es wieder nicht recht.

Pestizide mit Charakter

Immer heftiger wird Biene Maja von den Naturschützern bedroht. So fordert das bayerische Bienenbegehren die wunde Natur durch ökologischen Landbau zu heilen. Frage: Womit bekämpfen unsere Biobauern ihre Schädlinge? Beispielsweise mit Spinosad. Leider ist das Bio-Insektengift für Bienen besonders giftig, was man von den verbotenen Konvi-Mitteln wie Glyphosat gerade nicht behaupten kann. Stört aber niemanden.

Weil viele Biomittel schlecht wirken, dafür aber der Umwelt schaden, (man denke nur an Kupfer) ist verständlich, warum die Biobauern neidisch auf ihre konventionellen Kollegen schielen. Speziell auf ein Pestizid namens Kalium-Phosphonat. Für eine Öko-Zulassung müssen sie vorher dessen chemisch-synthetische Herkunft verschleiern, damit es keiner merkt. Also bescheinigen sie ihrem Wunschpestizid „naturstofflichen Charakter“. Kalium-Phosphonat ist der nächste Verwandte von Glycin-Phosphonat – mit bürgerlichem Namen „Glyphosat“. Alles nur eine Frage des Charakters.


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Kommentare ( 58 )

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58 Comments
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HPM
4 Jahre her

Wieviele Arbeitsplätze könnte man schaffen, wenn man das Unkraut auf den Äckern wieder per Hand auszupfen würde! Ein großes, offenes Beschäftigungspotential, vor allem wenn uns zunehmend die Industriearbeitsplätze wegbrechen 😉

Schwabenwilli
4 Jahre her
Antworten an  HPM

Die dafür notwendigen und größtenteils qualifizierten Arbeitskräfte hat unsere BK in weiser Voraussicht schon einreisen lassen. Vom Ende her denken, das ist es.

Joachim
4 Jahre her

Der Grüne Zeitgeist treibt so dermaßen skurrile Stilblüten… „Eine grüne Agrarpolitikerin empfiehlt, statt das Unkraut mit Glyphosat abzutöten, es lieber mit Papier zu versuchen, da sie dieses für ein „natürliches Material“ hält.“ Ich lach mich weg. Witzig sind auch die „Abflämmer“. Die dann mit Gasbrenner durch den Garten laufen, das „Klima aufheizen“ (macht Spass die damit zu pisacken), nur damit das Unkraut nach 2 Wochen wieder genauso hoch steht. Ich als Hobbygärtner setze auch Glyphosat ein. Noch nichtmal so sehr in der eigentlichen „Gärnterrei“. Aber um Wege (die Fugen!) usw. unkrautfrei zu halten. Gibt nichts Besseres. 30 ml Glyphosat 360… Mehr

Agrophysiker
4 Jahre her
Antworten an  Joachim

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Wegen ist verboten, bzw. erfordert eine Sondergnehmigung. Potentiell kann dies bis 50 000 € Bußgeld geben, bei Landwirten zusätzlich(!)massive Kürzungen der Beihilfen. Ist insofern nachvollziehbar, da dort in der Tat eine hohe Gefahr besteht, dass es dort in Geässer gespült wird. Und wenn man dort Spuren findet, dann ist sowieso die Ökokatastrophe da (gilt es unbedingt zu vermeiden, aber Grund zur Panik wäre es nicht). Eine Sondergenhmigung hat die Bahn. Dabei sind gerade die Bahnanlagen für viel Tiere besonders wertvolle Biotope. Trotz oder gerade wegen Glyphosat.

olive
4 Jahre her

„Schweine seien „besonders gut darin, den Aufwuchs von Beikräutern und Gräsern zu regulieren“ Etwas Lustigers habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Wie Sie sagen, Schweine regulieren nicht, sie pflügen um.
Das zeigt, dass die frau null Ahnung hat, zumindest von Nutzvieh.

Dr. Friedrich Walter
4 Jahre her

Ich fühle mich an die 50er Jahre erinnert, als in Hessen eine Kartoffelkäfer-Plage herrschte. Ein Witzbold annoncierte in vielen Zeitungen, daß man bei ihm für nur 20.- DM ein absolut sicheres Vernichtungsmittel für Kartoffelkäfer kaufen könne. Zurück kam ein kleines, selbstgefertiges Holzbrettchen mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. In der „Bedienungsanleitung“ stand: „Legen Sie den Kartoffelkäfer auf den schwarzen Punkt und schlagen Sie mit einem Hammer zu!“ Das war vermutlich der erste „Grüne“ in der BRD und das erste biologische Insektizid…! Die Bauern freuen sich bestimmt auf biologische Vernichtungsmittel diese Art.

armin wacker
4 Jahre her

ja ich habe jetzt viele Kommentare gelesen. Aber ich finde solche Themen sollten viel öfter auch Mal im Fernsehen mit entsprechenden Fachleuten diskutiert werden.Offen und fair. Ja und wir sollten ein gesundes Risikobewusstsein entwickeln dürfen. Mal ehrlich wer grillt sein Fleisch nach Krebsgefahr?

KELO
4 Jahre her

@Armin V. und Co.: Es macht einen (energetischen) Unterschied, ob ich einen Grubber vielleicht 2-4cm tief zur Unkrautbekämpfung durch den Boden ziehe oder einen Pflug, der den Boden auf bis zu 35cm wendet (Faustregel: jeder Zentimeter tiefere Bodenbearbeitung kostet 2l Sprit je ha mehr). Ich kann eine mechanische Unkrautbekämpfung auch nur zu deutlich weniger „optimalen“ Zeitpunkten (Bodenbeschaffenheit, Temperatur, Wuchshöhe von Unkraut und Nutzpflanze) anwenden – und mit auch weniger „Behandlungserfolg“, also muss diese Maßnahme mehrfach durchgeführt werden – und schädigt immer auch die Nutzpflanze. Warum zum Teufel glauben Kleingärtner und Theoriebauern nur immer, Sie müssten den Landwirten erklären, wie es… Mehr

WGreuer
4 Jahre her
Antworten an  KELO

Schlimmer: JEDE Bodenbearbeitung zieht durch Erosion immer einen Verlust von Mutterboden nach sich – speziell wenn der Boden sehr trocken ist (Wind). Landwirte versuchen daher die mechanische Bearbeitung und auch Pflügen zu minimieren oder zu vermeiden.

Andreas aus E.
4 Jahre her

Warum nur muß ich bei Kunststoffkleidung gleich an Klimaretter denken, die im weißen Einweganzug durch Bauer Willis Möhren trampelten? 😉

Andreas aus E.
4 Jahre her

Diese „Grünen“ verwechseln schlicht Ökogärtnerei (da klappt das nämlich mit Zupfen und Mulch) mit landwirtschaftlichem Gartenbau. Den Unterschied zwischen 10 Quadratmetern Küchengarten und einem Hektar Produktionsfläche geistig zu erfassen, fällt denen schwer.

Reinhard Schroeter
4 Jahre her

Es gibt Insektizide (Pflamzenschutzmittel bei Insektenbefall. ) Akarizide ( Pflanzenschutzmittel bei Spinnentierbefall ) , Fungizide ( Pflanzenschutzmittel bei Pilzbefall) und Herbizid) Pflanzenschutzmittel zur Unkrautbekämpfung).
Die Betonung liegt auf Pflanzrnschutzmittel , Pestizide gibt es nicht, kein Pflanzrnschutzmittel hat etwas mit der Pest zu tun !
So etwas wird leider nur in den sogenannten Alten Bundesländern geglaubt.
Nun gut, da wird auch noch manch anderer Unsinn für wahr gehalten .

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  Reinhard Schroeter

„Pestizide“ kenne ich als Oberbegriff für alle Mittel gegen Pflanzenkrankheiten.

Tergalinskajajules
4 Jahre her

Ach, das waren noch Zeiten.. ein Kleid vom 5 bis zum 8 Lebensjahr tragen, bis es glatt als Minikleid durchgehen könnte.