Worte machen Politik: Die EU ist nicht Europa – sondern viel kleiner

Wer zu Klarheit und Wahrheit im Themenfeld EU und Europa beitragen will, darf der Wortwahl der Vorherrschenden nicht folgen.

© Getty Images

Die Vorherrschenden in Paris und Berlin sowie ihre Beamten in Brüssel sprechen von der Europäischen Union (EU), als wäre sie identisch mit Europa. Dass von Europa als Staatenbund, Staatenverbund oder gar Staat erst dann geredet werden könnte, wenn alle Länder in Europa einer EU angehörten, ist ebenso eindeutig, wie es dem Sprachgebrauch von Politik und Medien, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Deutschland nicht entspricht. Solange nicht alle Staaten in Europa Mitglieder einer EU sind, ist Europa nur ein geografischer Ort.

Dass Europa geografisch und staatlich ein Problem spezieller Art hat, sei erwähnt: Russland. Der Ural als geografische Grenze von Europa ist eine willkürliche Figur. Träte die Russische Föderation einer EU bei, könnte der Ural allein dann Europas politische Grenze sein, würde nur der entsprechende Teil Russlands Mitglied. Europa wird also auch zu den Lebzeiten meiner Enkel nie geografisch und staatlich eins sein. (Von der Türkei könnte lediglich der Zipfel diesseits des Bosporus dazu gehören.)

Dass die EU-Eliten von Europa sprechen, wenn sie nur die EU meinen können, hat einen Grund. Sind EU und Europa ein und das selbe, ist „proeuropäisch“, wer für die EU und ihre Pläne ist, und „antieuropäisch“, wer die EU verändern will, zum Beispiel, wer für die Wiederherstellung der EWG plädiert. Damit trägt jeder das Kainsmal „antieuropäisch“ an der Stirn, der für eine Veränderung der EU in eine andere Richtung eintritt als die von der EU-Elite gewollte ever closer union, die zu den Vereinigten Staaten von Europa nach dem Vorbild der USA führen soll.

Wer also an diesem politischen Raster nicht mitwirken will, das semantisch höchst wirksam für die bisher die EU Beherrschenden ist, sollte selbst immer nur von EU reden, wenn es sich nicht geografisch um Europa handelt. Aus demselben Grund gibt es keine Europa-Wahlen, sondern Wahlen zum EU-Parlament, in dem vermutlich keine Briten mehr, aber auch wie bisher keine Norweger, Schweizer und Ukrainer sitzen, auch keine Serben und Albaner.

Solange diese Länder nicht zur EU gehören, was die Schweiz und Norwegen auch gar nicht anstreben, sind sie also von Europa getrennt? An den Grenzen wird man es bald besichtigen können. Die Grenzbeamten der Frontex sollen zukünftig an den Außengrenzen der EU patrouillieren. Dann schützt sich die EU sichtbar vor denen, die nicht zu diesem Europa gehören, aber Europäer sind. In welchem Verhältnis stünden eigentlich Frontex und die nationalen Sicherheitskräfte in den Staaten an der Außengrenze der EU? Warum wird diese Frage immer ausgespart?

Einen „europäischen Gerichtshof“ gibt es übrigens nicht einmal in der Terminologie der EU, nach der dieses Instrument „Gerichtshof der EU“ heißt. Aber die deutschen Musterschüler der EU nennen auch diesen „europäisch“.

Was es bedeutete, wenn ein Staat wie Deutschland in diesem „Europa“ aufginge, zeigt das Beispiel Frankreich. Macron setzt nun Kampftruppen der Opération Sentinelle gegen die Gelbwesten ein – mit Erlaubnis zum scharfen Schuss.


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Kommentare ( 52 )

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Karl Napf
5 Jahre her

100% d’accord – da gibt’s nicht mehr dazuzu sagen.

Marie-Jeanne Decourroux
5 Jahre her

»DIE EU IST NICHT EUROPA« Bringen Sie das bitte einmal Kramp-Karrenbauer, Weber, Söder et al. bei, die auch heute wieder, bei der Vorstellung des EU-Wahlprogramms der CDU/CSU, großspurig von »Europa« schwadronieren, wo die EU gemeint ist. Allein schon die permanente Verleumndung der AfD, sie sei »gegen Europa« (während sie in Wirklichkeit nicht einmal die EU abschaffen will), wird viele dazu bringen, die Verleumdete zu wählen. Was aber die Möglichkeit eines »Dexit« betrifft, MUSS selbstverständlich (wie bei jedem vernünftigen Vertrag!) die Kündigung – unter gegebenen zwingenden Voraussetzungen – eine politische Option bleiben. Das, verehrte Damen und Herren der Altparteien, ist Realpolitik… Mehr

Imre
5 Jahre her

Nur gut, dass Sie das „Friedensprojekt Europa“ in Gänsefüßchen gesetzt haben, in Syrien traten die als Kriegstreiber auf! Dito im Irak, Afghanistan, Jugoslawien usw.

Wolfgang M
5 Jahre her

Die Sprachungenauigkeit gibt es oft. Wir reden von Amerika, wenn wir USA meinen. Wir reden von Holland, wenn wir Niederlande meinen. Wir reden von England, wenn wir das Vereinigte Königreich meinen.

Wolfgang M
5 Jahre her

Würde Russland der EU beitreten, dann ginge die EU von Lissabon bis Wladiwostok, aber nicht Europa.
Wir leben auf dem Kontinent Eurasien. Keiner weiß, wo die Grenze zwischen Europa und Asien genau verläuft.

andreashofer
5 Jahre her

Viel schlimmer als die Verwechslung von EU und Europa finde ich die ausschließlich positive Aufladung der EU. EU=Frieden, Wohlstand, Nicht-EU=hm, ja, na mindestens das Gegenteil. Absurd. Oder wie es heute ja heißt: Alternativlos. Und ich Blödmann hatte mal geglaubt, dass es in der Demokratie oder im Pluralismus gerade um Alternativen geht….

Old-Man
5 Jahre her

Guter Artikel der dem „offiziellen“ Europahumbug kräftig,aber absolut korrekt vor das dümmliche Schienbein tritt! Seit jeher war Europa mehr wie die Ansammlung von Dummköpfen im Politiker Gewand,die glauben wenn sie ihren Blödsinn nur laut und oft genug von sich geben würde er dadurch zur selbst erfüllenden Prophezeiung! Den Schwachsinn den Macron als Ansprache an die „europäischen Bürger“ von sich gab macht diesen Unsinn nicht dadurch richtiger! Diese EU-Wahl wird hoffentlich mit dem Humbug ein Ende machen und die „Großkopferten“ ein -zwei Hutgrößen kleiner! Das Macron nun zu solchen Mitteln greift zeigt aber nur das sein Ende eingeläutet ist,denn wenn nur… Mehr

Michael M.
5 Jahre her

@Nocken-Wellen
Was soll diese Polemik, Seenotrettung ist absolute Pflicht und steht keineswegs zu Debatte. Allerdings müssen die Geretteten zurück zum Ausgangspunkt gebracht werden, das hätte sogar den Vorteil, dass man auf Grund der kürzeren Wege noch viel mehr Menschen retten könnte….

Porcelain by Nocken-Welle
5 Jahre her
Antworten an  Michael M.

+

wo -, bitte ist Polemik? M. allenfalls bei Denen, die anderen Polemik vorhalten -und schön die Augen vor den Balken verschließen, die nicht ins eigene Weltbild passen (im Beispiel: tausende Ertrunkene im Mittelmeer) –

dafür aber krampfhaft den Splitter in den Kontaktlinsen der anderen suchen. (hier: Wortwahl der Politik bei EU und Europa)

den moralischen Zeigefinger, den überlasse ich jedoch gerne Anderen.

deshalb

nichtsdestotrotz: ..immer schön b.logger bleiben.

+++

Balthasar
5 Jahre her

Begriffsverwirrung ist Absicht, wo Schlepper-Beihilfe als »Seenotrettung« daherkommt.

Fritz Goergen
5 Jahre her

Seenotrettung ist überall Pflicht, Schleusung von illegalen Immigranten nicht.

Old-Man
5 Jahre her
Antworten an  Redaktion

Begriffserläuterung exakt und gelungen,so und nicht anders steht es im internationalen Seerecht.

Old-Man
5 Jahre her
Antworten an  Redaktion

Leider die Aussage die im Satz von Fritz Goergen steht nicht verstanden,oder nur in den falschen Hals bekommen?
Beides wäre traurig,denn lesen und interpretieren setzt Aufmerksamkeit und Nachdenken voraus,oder ist das etwa falsch??

Andreas aus E.
5 Jahre her

Vielen Dank für diesen Artikel – ich werde immer fuchsig, wenn EU und Europa sprachlich vermengt werden. Das geht mir ähnlich auf den Zeiger wie „erneuerbare Energie“ (wen wundert da noch „das Netz ist der Speicher“?), „Ökostrom“ (haha, frag mal wer die geschredderten Vögel, Insekten, Wassertiere), „Zeitumstellung“ (haben die mehr drauf als der Herrgott? – boah, die Zeit umstellen kann nicht mal der Allmächtige) oder das bunte Durcheinander aus „Migranten“, „Flüchtlingen“, „Asylbewerbern“. Dagegen ist ein Wort wie „Mitgliederin“ glatt noch angenehmes Amüsement. Mitunter frag ich mich: Ist das Dummheit oder hat das System? Bei EU = Europa gehe ich von… Mehr

taliscas
5 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Bösartige Dummheit, angeführt von einer kriminellen Psychopathin.