Springer-Chef Mathias Döpfner für neuen Journalismus

Döpfner attestiert, die Leadership-Modelle in der Politik, der Wirtschaft und den Medien würden sich auflösen. Neue Leitbilder und Formen wären auf dem Vormarsch. Döpfners Fazit: „Die alte Garde ist am Ende – und zwar überall.“

Michele Tantussi/Getty Images

Mathias Döpfner ist Vorstandsvorsitzender des Verlagshauses Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Döpfner sprach mit dem Onlinemagazin Meedia in seiner Vorstandetage über den Dächern von Berlin. Meedia: „Im 18. Stock weit über den Dächern Berlins lässt sich nicht erahnen, dass nur eine Etage tiefer Deutschlands größte Tageszeitung entsteht.“

Godfather Print geht es im dann folgenden Interview aber noch viel mehr um die digitalen Printmedien, mit denen 300 Millionen erreicht werden in 33 Ländern, wie er stolz erzählt, nicht ohne zu verschweigen, dass sich diese Reichweite unter ihm verdreifacht hätte.

Der 55-Jährige Döpfner rüttelt für seinen Besuch am Stachel im Fleisch seiner Zunft, wenn er attestiert, dass sich aktuell die Leadership-Modelle in der Politik, der Wirtschaft und den Medien auflösen würden. Neue Leitbilder und Formen wären auf dem Vormarsch. Döpfners Fazit: „Die alte Garde ist am Ende – und zwar überall.“ Und er befindet, dass Politiker Politik für sich selbst machen und nicht mehr für den Bürger. „Die Leute haben darauf keine Lust mehr und suchen nach einem anderen Typus. Wenn es gut geht, sind es Leute, die ohne extremistisches, nationalistisches oder populistisches Gedankengut auskommen. Wenn es schlecht geht, wackelt die Demokratie.“

Auch Journalisten seien von den gleichen Gegenrationserscheinungen geprägt. Es gäbe, so Döpfner, eine „unheilige Nähe von Journalisten zur Politik, den Leitartikel als Politikberatung.“ Aber das ginge so nicht mehr gut: „Wir als Journalisten und Arbeitgeber von Journalisten müssen neu denken.“

„Es gibt da draußen eine ganz neue Journalistengeneration.“, sagt Döpfner und gerne würde man hier seine Betonung dieses Satzes gehört haben wollen. Sind wir bei TE bei diesen neuen Journalisten da draußen? Oder meint Döpfner viel mehr diese jungen Bento-Schreiber, die von einem konstruktiven Journalismus fabulieren, die eine positive Psychologie in ihre Arbeit mit einbeziehen wollen?

Gegen einen werteorientierten Journalismus hat Döpfner nichts. Springer sei schon immer ein „werteorientiertes journalistisches Haus“ gewesen. Kommt von dort eine Kraft, welche die Wirkmacht der alten Garde endgültig beendet? Nein, noch wollen die Alten mitspielen, am eigenen Nachwuchs feilen und wirken: „Wir erleben eine neue Gründerzeit. Wir bei Axel Springer wollen Teil davon sein.“

Mathias Döpfner sieht die Demokratie weltweit auf dem Rückzug. „Und zwar nicht in irgendwelchen links- oder rechtsradikalen Kreisen, sondern mitten im bürgerlichen Milieu.“ Woher er das weiß? Er führe Gespräche mit den Entscheidern der Republik, mit „Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft“. Und die pfeifen offensichtlich auf die Demokratie, wenn sie gegenüber Döpfner chinesische Verhältnisse denkbar fänden. Für Döpfner „zeigt das eine wachsende Toleranz gegenüber nicht-demokratischen Prozessen. Die Demokratie-Vergessenheit macht mir große Sorgen.“

Eine Elitenvergessenheit? Hier wird von Döpfner die Speerspitze einmal nicht gegen den Bürger oder den Nutzer der sozialen Medien gerichtet. Hier wird sogar, dass darf man interpretieren, der Hate-Speech gewisser Kreise mit einer Demokratie-Verdrossenheit der deutschen Eliten argumentiert. Dass ist tatsächlich neu. Döpfner fordert dazu auf, den aktuellen Politikstil zu überdenken. „Das hat zu tun mit einer übertriebenen political correctness, die sich auch in einer entleerten Sprache zeigt. Und Journalisten tragen dazu bei.“ Auch hier moniert er offensichtlich die Sprache der Eliten und die der eigenen Leute, nicht die der Leute von der Straße. Auch Journalisten würden sofort die „Keule rausholen, wenn jemand saftig formuliert und zuspitzt, um verstanden zu werden. Dann aber reflexhaft direkt AfD- oder Linke-Vergleiche zu ziehen, ist einfach falsch.“

Öffentliche Personen hätten heute auf öffentlicher Bühne Angst vor „der Gesinnungspolizei“, so Döpfner weiter. Aber wer ist diese Gesinnungspolizei genau? Wer der Polizeichef? Sitzen ihre Vertreter nicht auch in Döpfners Redaktionen an den Tastaturen? Was genau sind Döpfners konkrete Maßnahmen im eigenen Hause gegen diese Feinde der Demokratie? Meedia fragt nicht nach.

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Kommentare ( 64 )

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Sonny
5 Jahre her

Ich fühle mich ziemlich vera…
Ausgerechnet Döpfner prangert die Verhältnisse an? Hä?
Er ist doch maßgeblich für diese Zustände und deren Entwicklung mit verantwortlich.
Was soll das? Den eigenen A… an die Wand kriegen, nachdem die Umsatz- und Abonenntenzahlen immer weiter in den Keller rutschen?

Hanspeter Moesch
5 Jahre her

Mathias Döpfner hat die digitale Medienwelt früh(er) erkannt, mehr als die Print Konkurrenz und „seinen“ Spiegel Medienverlag entsprechend angepasst: Das ist sein Verdienst. Döpfner ist hoch intelligent, kultiviert, versiert und sehr vernetzt – auch transatlantisch. Herr Döpfner redet schön. So auch in dieser seiner „Erkenntnis“, die sich zwar schön anhört, aber für Döpfner inklusive so nicht stimmt. Die Erkenntnis im Artikel ist nicht seine Läuterung. Döpfner wechselt nur die Spur. Beim „Neuen“ ist Mathias Döpfner selbstredend dann wieder mit dabei. Statt Merkel-Uniform trägt Döpfner und sein Spiegel frisch umgezogen einfach neue Kleider. Das Gehabe ist unehrlich. Noch etwas zum letzten… Mehr

Gorxheimer
5 Jahre her

Ergänzend zur Formkritik von Baudolino:

Ich finde es immer toll, wie schnell der Wallasch ist. Aber die Form sollte auch stimmen. Jedenfalls geht das Verb „argumentiert“ in dem Satz mit der Hate Speech und der Demokratie-Verdrossenheit der Eliten mE gar nicht. Sollte es „begegnet“ heißen? Oder soll ausgedrückt werden, dass das eine dem anderen „entspricht“.
Außerdem bitte den Konjunktiv präsens für die indirekte Rede benutzen. Also sei und nicht wäre, gebe und nicht gäbe, gehe und nicht ginge.
Sonst ist das missverständlich und man denkt an Irrealis oder den Konditional.

Luisa Nemeth
5 Jahre her

Ja,“er sieht alt aus“. Insbesondere wenn so ein „Mogul“ von Werten spricht. Aber wie sagte schon Voltaire (+viele nach ihm) „Man muss eine Lüge nur oft genug wiederholen, dann wird sie zur Wahrheit“. Dennoch – eine Lüge bleibt eine Lüge. Und ein Imperium, das sich seit Jahrzehnten, als 4. Macht im Staate lt. GG der Wahrheit verpflichtet ist, tut sich schwer mit der Wahrheit. Es erhebt sich über den Willen des Volkes – mißachtet die Demokratie.

Regina Lange
5 Jahre her

„Eine unheilige Nähe der Journalisten zur Politik, den Leitartikel als Politikberatung“! Gut gebrüllt Löwe, aber nach dem Brüllen muss auch der Angriff kommen! Vielleicht sollte er anfangen die „unheilige Nähe“ im Hause Springer auszumerzen! Einer muss den Anfang machen! Ich fürchte nur, dass Journalisten und Politiker dermaßen verwoben sind, dass keine Klinge scharf genug ist, die Bruder- und Schwesternschaften zu trennen!

Horst
5 Jahre her

Manchmal halte ich es nicht mehr aus und fahre bei der Bahn in der 1. Klasse. Das macht man nicht mehr, um etwas MEHR zu bekommen, sondern einiges WENIGER zu erhalten.
Zeitungen gibt es trotzdem noch in großer Auswahl umsonst angeboten. Die Printausgabe von TE lesend lehnte ich das Angebot dankend ab. Der Schaffner sagte treffend: „Nicht mal umsonst, nä?“.

Enrico Stiller
5 Jahre her

Politiker machen Politik nur für sich selbst, nicht für den Bürger? Nun, dazu war immer der Journalismus ein Korrektiv. Aber leider machen Journalisten heutzutage nur Journalismus für sich selber, nicht für den Bürger. Der Bürger muss selbst recherchieren. U.a. deshalb die Blüte von neuen Blogs (s. den zusammenfassenden Artikel auf dem Blog von Vera Lengsfeld, „Schon 1,2 Millionen Leser täglich auf alternativen Blogs“). Es ist auch kein Wunder. Früher habe ich viele Journalisten geschätzt. Heute muss man sagen, dass die Mehrzahl von ihnen aus ignoranten, ungebildeten, unreifen Schwätzern besteht. (Am meisten zu bedauern sind dabei die Journalisten, die noch nach… Mehr

AnkeO
5 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Sehr treffend formuliert – man könnte das Wort Journalist auch durch das Wort Poltiker austauschen.

Luisa Nemeth
5 Jahre her
Antworten an  AnkeO

PolitistInnen.

Stuffz
5 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Diese „normalen“ Menschen fehlen nicht nur bei den Journalisten …..

Hegauhenne
5 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Am schlimmsten sind ja die Dauerpraktikanten, die man zu früh von der Weide gelassen hat, oder die irgendwo aus dem Kuckuksnest gefallen sind.
Aber die Generation Twitter wird wahrscheinlich ewig an Reifestörungen leiden.
Und wenn man die neuen Namen dann googelt, sagt man sich gleich, nee sorry Babe, dat mussich mir nich antun. 😉

F.Peter
5 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Man braucht sich doch nur anzuschauen, wo und durch wen diese sogenannten Journalisten ausgebildet werden!

jorgos48
5 Jahre her
Antworten an  Enrico Stiller

Da wird Journalist zur Journaille.

Baudolino
5 Jahre her

Guter Artikel, der zeigt, dass oft in Interviews zu wenig nachgehakt wird. Es ist mir auch schon im Bekanntenkreis aufgefallen, dass die Diktatur in China aufgrund des wirtschaftlichen Fortschritts sehr wohlwollend gesehen wird. Begründung war auch, dass ein so großes Land nur mit einer Diktatur regiert werden kann. Das heißt, die One-World-Vision der Linken wird in einer von vielen akzeptierten Diktatur enden. Ich würde mich freuen, wenn die dass/das Fehler korrigiert würden. Die finden sich leider sehr häufig bei TE. Hier wird sogar, _dass_ darf man interpretieren, der Hate-Speech gewisser Kreise mit einer Demokratie-Verdrossenheit der deutschen Eliten argumentiert. _Dass_ ist… Mehr

Oblongfitzoblong
5 Jahre her
Antworten an  Baudolino

In der Tat ist das Schwinden der sinngebenden Unterscheidung zwischen der Konjunktion „dass“ und dem Relativpronomen “ das“ immer mehr zu beobachten. Allerdings unterlaufen wohl in einer Gefühlsaufwallung bei bestimmten, bewegenden Themen solche Misslichkeiten. Wahrscheinlich soll der Kommentar auch im Original, d.h. mit allen kleinen Fehlern veröffentlicht werden.

jorgos48
5 Jahre her
Antworten an  Baudolino

Mit dem Begriff Elite habe ich meine Schwierigkeiten. Sind Leute schon Elite, weil sie sich in einer bestimmten hohen Position im zB Bundestag befinden?

Thorsten
5 Jahre her

Exzellente Erkenntnis, dass die Demokratie auf dem Rückzug ist. Das ist auch kein Wunder, wenn der Rechtsbruch durch Euro (Target-2) und offene Grenzen (Migranten) das „neue Normal“ sind. Der ehrliche Bürger zieht sich angewidert zurück, wenn er erkennt für was sein Schaffenswerk (Steuern und Sozialabgaben) missbraucht werden und denkt sich seinen Teil.

Und der besteht irgendwann daraus, dass „Irgendjemand den Misthaufen aufräumen“ muss…

Grand Nix
5 Jahre her

Das journalistische Niveau der – gesamten – Springer-Presse war – aus meiner Sicht – noch nie höher, als die Kante meines Fußabtreters vor der Haustür. Ob sie sich Kohl angebiederten oder später verteufelten, ob sie Merkel hofieren oder sezieren, war mir stets Jacke wie Hose. Viele andere etablierte Blätter und Magazine habe ich vor 2015 regelmäßig und auch gerne gelesen (wie z.B.. Spiegel, Stern, SZ, FAZ, Zeit usw.) wofür ich mich heute schon fast schäme. Und wenn ich ab und zu mal dort wieder kurz reinschaue, auch spürbar ekle, ob des linkslastigen Schmierenjournalismus der dort unausgewogen ausgewalzt wird. TE, Publico,… Mehr

Horst
5 Jahre her
Antworten an  Grand Nix

Daumen hoch. Oder, wie man heute sagt/klickt: I like.

Geht mir ganz genau so, insbesondere und ausdrücklich, was das Schamgefühl angeht.

Am Rande: Geht es anderen auch so, dass sie Postzustellungen der Printausgabe von TE ab und zu nicht ankommen? An Zufall mag ich dabei nicht (mehr) glauben.

Philipp Tertuete
5 Jahre her
Antworten an  Grand Nix

Richtig: Die Poweruser, die Avangarde, hat den Mainstream verlassen. Das wurmt. Die Musik spielt längst woanders. Der Rest wird teilweise folgen.