Der Sozialismus in seinem Lauf

In Bremen wird am 26. Mai 2019 ein Landtag gewählt. Nach Umfragen fällt die SPD von 32,8 auf 24 Prozent, 27 Prozent wollen CDU wählen. Tritt das ein, bleibt der SPD nur eine rot-rot-grüne Koalition, da sie eine mit der CDU ausgeschlossen hat. Was bedeutet dies für Bremen? Von Hubertus Knabe.

„Der Sozialismus siecht“, lautete einst ein Bonmot in der DDR – doch unterzukriegen ist er offenbar nicht. Als 1989 die Diktatur der SED gestürzt wurde, hätte jedenfalls kaum jemand gedacht, dass die Partei 30 Jahre später in vielen Parlamenten und drei Landesregierungen sitzen würde. Durch viermalige Umbenennung gelang es ihren Funktionären, sie in das vereinigte Deutschland zu retten.

Viele der alten Genossen machen noch immer Politik. Gregor Gysi, der letzte Vorsitzende der SED, sitzt seit 1990 fast ununterbrochen im Bundestag. Sein einstiger Schatzmeister Dietmar Bartsch ist heute Vorsitzender der Linksfraktion. Petra Pau, früher hauptamtliche SED-Funktionärin im FDJ-Zentralrat, sitzt dem Bundestag als Vizepräsidentin vor. Wie viel DDR steckt heute noch in der Linkspartei?

Da sind zum einen ihre Mitglieder. Noch immer wohnt mehr als die Hälfte im Osten Deutschlands. Im Berliner Bezirk Lichtenberg, wo einst die Stasi residierte, gehören ihr fast doppelt so viele an wie im ganzen Bundesland Bremen. Viele sind schon eingetreten, als die Partei noch SED hieß.

„Produktiv pro DDR“ – Linken-Politiker Gregor Gysi und Hans Modrow beim Parteitag der PDS im Februar 1990

Entsprechend stark fühlt sich Die Linke mit der DDR verbunden. Laut Programm kämpft sie immer noch für den Sozialismus, und die Diktatur der SED wird als Versuch bezeichnet, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Die Ablehnung der Markwirtschaft durchzieht das Programm wie ein roter Faden.

In Berlin, wo die Linke seit Ende 2016 an der Regierung beteiligt ist, kann man studieren, wohin dies führt. Der langjährige Parteichef Klaus Lederer ist seit jetzt Kultursenator. Er fördert vor allem eine Kultur, die sich als links versteht. Statt der gesamten Stadt zu dienen, betreibt er Klientelpolitik.

Aus diesem Grund hat er den von seinem Vorgänger berufenen Intendanten der traditionell linken Volksbühne, Chris Dercon, nach kurzer Zeit wieder aus dem Amt vergrault. Wenig später setzte er in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im früheren Stasi-Gefängnis in einem putschähnlichen Verfahren die sozialismuskritische Leitung vor die Tür. Und von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, wurde der „Humanistische Verband“, der atheistische Namens- und Jugendfeiern wie einst in der DDR organisiert, rechtlich und finanziell in Berlin den Kirchen gleichgestellt. Selbst so renommierte Kultureinrichtungen wie das Brücke-Museum verunstalten ihre Ausstellungstexte inzwischen mit Unworten wie „Künstler*innen“ und „Mäzen*innen“.

Putschähnliches Verfahren – Hof des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen

In der Wohnungsbaupolitik sieht es ähnlich aus. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit sorgte die zuständige Linken-Senatorin Katrin Lompscher – seit 1981 Mitglied der SED – für einen Skandal, als sie den früheren hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter Andrej Holm zum Staatssekretär ernannte. Später wollte sie den Wohnungsmangel wie zu DDR-Zeiten mit einer Tauschbörse beheben. Dabei ist sie selbst eine wesentliche Ursache für Wohnungsnot und Mietenanstieg, so dass sie der „Tagesspiegel“ bereits als „Bauverhinderungssenatorin“ bezeichnete und ihre Entlassung forderte.

Unter Lompschers Ägide hat sich die Zahl der festgesetzten Bebauungspläne im Vergleich zu 2016 – dem letzten Amtsjahr ihres Vorgängers – halbiert. Gleichzeitig setzt sie sich als Regierungsmitglied für die Enteignung privater Wohnungsbauunternehmen ein und beteiligte sich – „privat“, wie sie erklären ließ – im April 2019 an einer Demonstration gegen den eigenen Senat. Den Europawahlkampf nutzt Die Linke derzeit, um Unterschriften für ein Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zu sammeln. Die dringend benötigten Investoren suchen unter diesem Umständen das Weite, so dass die Mieten noch mehr steigen. Dass Mietenanstieg und politische Radikalisierung von der Linken gewünscht werden, bestätigte Parteichefin Katja Kipping auf dem Berliner Landesparteitag Anfang Mai, als sie die Forderung nach Enteignungen als „Treibstoff für eine Radikalisierung nach links“ bezeichnete.

Treibstoff für eine Radikalisierung nach links – Linken-Vorsitzende Katja Kipping und Ex-SED-Chef Gregor Gysi (1)

Wegen seiner wirtschaftsfeindlichen Politik hat die Industrie- und Handelskammer dem rot-rot-grünen Senat von Berlin im März 2019 ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Bei einer Umfrage unter den Unternehmen der Hauptstadt bewerteten 59 Prozent von ihnen die Investorenfreundlichkeit Berlins mit „schlecht“. Bei der Baupolitik fiel das Urteil mit 73 Prozent noch verheerender aus. Übertroffen wurde es noch von der Bewertung der Verkehrspolitik, die 75 Prozent der befragten Unternehmen als schlecht bezeichneten.

Inzwischen ist der sozialistische Funke auch auf die Berliner Grünen übergesprungen. Sie haben Angst, ihre Wähler könnten sonst zur Linken abwandern. Vergangene Woche sprach sich ein kleiner Parteitag für Enteignungen als letzte Möglichkeit aus. Mitunterzeichner des Antrags waren auch die drei grünen Senatsmitglieder, darunter Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, die eigentlich für ein investitionsfreundliches Klima sorgen müsste. Damit setzen sich zwei der drei Parteien der rot-rot-grünen Koalition in Berlin offen für Verstaatlichungen ein. Da wundert es kaum noch, dass Berlin vor wenigen Wochen eine weitere DDR-Tradition wiederbelebt hat: Der von der SED mit großem Propagandaaufwand begangene Frauentag ist in Berlin seit Neuestem gesetzlicher Feiertag.

Der Beitrag von Hubertus Knabe erschien in gekürzter Form am 21. Mai 2019 im Weser-Kurier.


(1) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gregor_Gysi_und_Katja_Kipping._Parteitag_in_Bonn,_2019.jpg

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Kommentare ( 59 )

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Schwabenwilli
4 Jahre her

Auch viele alte Nazis haben in der BRD noch Jahrzehnte hinein mitregiert. In Erinnerung rufen möchte ich da den besonders unerträglichen Herrn Filbinger.

Sonny
4 Jahre her

Ich habe niemals geglaubt, dass die DDR nur aus Systemkritikern bestand. Die 100%igen sitzen nach wie vor auf ihren weichen Stühlen und arbeiten weiter, mit sämtlichen Stasimethoden wie früher. Und sie sitzen nicht nur in der SED/Linke, die Altparteien sind doch ebenfalls unterwandert worden. Warum sollte sich die dahinsiechende SPD in Bremen da noch wehren, wenn sie mit Hilfe der SED-Leute eine weitere Periode an den Futtertrögen sitzen kann?

Bummi
4 Jahre her

Halt, der Bericht ist doch einseitig. Die DDR CDU mit den besten und strammen Genossen wurde direkt nach 1989 in die West CDU übernommen. Und im Osten sind die Menschen deutlich kritischer was Medien und Politik und ihre Märchen angeht. Zudem werden die Zustände im Land durch Westdeutsche geprägt. 70 Prozent aller Immobilien in Ostdeutschland sind in Westhand, von den Führungspositionen in Politik,Verwaltung und Wirtschaft reden wir gar nicht erst. Und was unterscheidet die Grünen von den Linken? Oder der SPD oder CDU. Kann ich nicht erkennen. Das sind sozialistische Einheitsparteien.

Ali
4 Jahre her

Und genau das ist der Punkt. Bereits auf Bundesebene haben die Deutschen eine Koalition mit einer Juniorpartner-Partei bekommen, die sie zuvor ganz bewusst „abgewählt“ haben. Die SPD hat daraus nichts gelernt, ein großer Teil der Bürger ist über die Beteiligung dieser abgewählten und zwischenzeitlich in weiten Teilen unbeliebten SPD in der GroKo -faktisch eigentlich eine KleinKlein- wütend. Aber die SPD ist diesbezüglich lernresistent, es geht nur noch um Pöstchen und internationalsozialistische Ideologie, koste es das eigene Land was es wolle. Man spuckt förmlich auf den Wählerwillen. Das Gleiche steht demnächst in Bundesländern im Osten zu befürchten in denen die AFD… Mehr

mac4ever
4 Jahre her
Antworten an  Ali

Ali, ich habe Ihren Beitrag als „Kommentar der Woche“ auf „Splitter und Balken“ veröffentlicht. Hans-Hasso Stamer

Danton
4 Jahre her

Berlin ist ja schon für den Normalbürger ein Grund sich zu frend zu schämen. Alles was man so hört aus Berlin ist so grottenhaft Peinlich das man es schnell verdrängen möchte. Aber man muß auch mal an die denken die aus anderen Ländern auf diese Stadt sehen und sich mit den Inhalten beschäftigen. Es bleibt bei Kontakt mit ihnen nur das überzeugende Statement das man nichts, aber auch rein garnichts damit zu tun hat und auch noch nie dort gewesen ist.

Ralf Poehling
4 Jahre her

Und es zeigt sich wieder, dass Menschen, die in ihrer Jugend entsprechend programmiert worden sind, ihr Programm meist lebenslang abspulen, ohne dies auch nur einmal in Frage zu stellen.
So wiederholen sich gesellschaftliche Fehler immer und immer wieder. Bis man der heranwachsenden Generation einen neue Programmierung verabreicht.
Diese neue Programmierung schlägt gesamtgesellschaftlich dann durch, wenn die nachwachsende Generation am Ruder ist und die alte abgetreten.
Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wieder freiheitliche Werte in Europa einkehren.

Biskaborn
4 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

In der Tat dieser Weg dürfte sehr lang werden. Die jetzt heranwachsende Generation ist komplett links-grün indoktriniert. Das beginnt in den Schulen und setzt sich an den weiterführenden Bildungseinrichtungen nachhaltig fort. Selbst die (Groß-) Unternehmen dieses Landes legen Wert auf Haltung und fordern die Mitarbeiter auf, die richtigen Parteien zu wählen. Das gesamte gesellschaftliche Leben, so scheint es mir, ist mit links-grünem ideologischen Gedankengut durchdrungen und wehe es wagt jemand dagegen zu verstoßen. Mittlerweile wird dabei nicht einmal mehr vor körperlicher Gewalt Halt gemacht. Freiheitliche Werte, so mein Eindruck, sind in sehr weite Ferne gerückt und werden wir sobald nicht… Mehr

Ralf Poehling
4 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Exakt.

Bummi
4 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Wenn ihre Theorie stimmen würde, warum haben denn dann die Menschen 1989 gegen das System aufbegehrt und es gestürzt. Warum findet sich gegen das linke Merkelsystem in Sachsen mehr Widerstand als im ganzen Westen? Gegenwärtig werden die Verhältnisse doch die Linksgrüne Ideologie des Westens geprägt. Siehe die Erfolge der Grünen in BW und überall.

Ralf Poehling
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

Der Trick ist folgender: Man lebt selbst im Kapitalismus und zehrt von seinen Erfolgen, wird aber gegen ihn indoktriniert, mit der Behauptung der Sozialismus wäre besser. Wenn der Sozialismus aber installiert ist, lebt es sich nicht nur plötzlich viel schlechter, man sieht direkt die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Dass die Menschen in der DDR auf die Straße gingen und diese zu Fall brachten, hat direkt damit zu tun. Im Westen war der Sozialismus nur Theorie und aus der Ferne zu beobachten. Der eigene Wohlstand kam vom Kapitalismus. Deshalb ticken die Wessis tendenziell deutlich mehr nach links. Ihnen fehlt einfach… Mehr

Geezer
4 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Sie stellen hier eine paar nicht logische Zusammenhänge her. In Westen war es eine Art Subkultur links zu sein. Bestimmte politische Bewegungen und musikalische Richtungen haben sich links orientiert, um sich schon damals vom Establishment abzugrenzen. Was soweit nicht schlimm war. Radikalere Bewegungen wollten den Kapitalismus allerdings abschaffen und wurden, wie man weiß, von der Stasi unterstützt. Lehrer die Schüler, im Gegensatz zu heute, für ihre politischen Interessen missbrauchen, gab es nur vereinzelt. Des Weiteren ist das Thema zu komplex um es, wie Sie es tun, zu verkürzen. Heute spielt Sozialmedia eine sehr gewichtige Rolle, daher haben diejenigen die besten… Mehr

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

Schon die westdeutschen „68er“ waren recht maoistisch angehaucht – aber kaum einer ist zum „großen Führer“ nach China gezogen.

Kurz gesagt: im goldenen Käfig ist schön zetern…

berlden
4 Jahre her

Es gilt, was immer bei Populisten gilt. Man braucht ein Thema, womit man den Menschen Angst machen kann und genau daraus erzielt man die besten Ergebnisse bei Wahlen. Bei den Grünen diente der letzte heisse Sommer, um daraus ein Weltuntergangsbild zu zeichnen, was ihnen einen erheblichen Stimmenzuwachs brachte. Wahrscheinlich zittern sie davor, dass der kommende Sommer verregnet oder kühl werden könnte. Ich bin mir aber sicher, man arbeitet schon an einer „glaubhaften“ Erklärung (Golfstrom), die man dann einsetzen kann. Und die Linken? Man soll es kaum glauben, aber es gibt wirklich viele Menschen, die glauben, diese Partei sei die einzige,… Mehr

non sequitur
4 Jahre her
Antworten an  berlden

Gut, dass Sie das unrühmliche Wirken von Monika Grütters erwähnen. Herr Knabe hat wohl aus Höflichkeit in seinem Artikel darauf verzichtet.

Heinrich Wolter
4 Jahre her
Antworten an  berlden

Jedem, der keine weiche Birne hat, sollte klar sein, dass bei einem massivem Zuzug von Leuten (u.a. 2015), wenn nichts neu gebaut wird, irgendwann die Wohnungen ausgehen. Worauf die Bau-verhinderungs-senatorin Lompscher offensichtlich hinarbeitet.Damit RRG verstaatlichen kann, was einzig dazu führen wird, dass auch der Bestand verrottet. Wie war doch das Motto des VEB Bau? „Ruinen schaffen ohne Waffen!“

AlNamrood
4 Jahre her

Die Polit-Riege der DDR hätte geschlossen in den Knast gehört, nicht in die Politik. Anders als die Nazis hatten und haben die Kommunisten in Westdeutschland allerdings tatkräftige Unterstützung durch ähnlich gesinnte Politiker.

Eberhard
4 Jahre her

Die Westdeutschen, eingeschlossen wenn auch mit Abstrichen die Westberliner, haben über Jahrzehnte dem Osten des ehemaligen Deutschen Reiches, fast allein die Kriegsschuld aller Deutschen abtragen lassen. Nicht anteilige Schuld war der Maßstab, sondern der Wille der Siegermächte. Zig Millionen Menschen, viele davon selber völlig unschuldig am Krieg und Naziverbrechen, wurden von angeblichen Demokraten einfach so einer menschenverachtenden kommunistischen Diktatur zugesprochen ohne überhaupt eine Chance für ein Leben in freiheitlicher Demokratie auch nur ansatzweise zu haben. Verschachert und verkauft warum? Mit schlimmen Folgen der Menschen unter kommunistischer Herrschaft und nur zum einseitigen Vorteil dieses danach erst zur Weltmacht mit aufsteigenden Systems.… Mehr

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Honecker bekommt doch noch recht. Der Sozialismus in der BRD wird immer stärker. Hätte er wohl auch nie gedacht. Na dann wirtschaften wir halt im zweiten Anlauf auch den Rest des Landes runter. Offenbar ist das mehrheitsfähig.

Danton
4 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

Der Sozialismus fängt in Berlin an und endet auch dort.

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

Das ist weniger Sozialismus als „Wunschdenken“. Wenn erst mal eine „Elite“ aus Kevin Kühnerts oder Annalena Baerbock das Ruder übernimmt, dann ist dieser Mummenschanz auch schnell vorbei.

Wobei die Kolateralschäden unerträglich wären. Siehe Merkel und ihre CDU-Ruine…