airberlin und die Denunziantin aus dem Bundestag

Ines Laufer fühlt sich wirklich schon "täglich vom Murmeltier" gegrüßt, denn die Protagonistin des neuesten "Denunzianten-Stadls" ist ebenfalls Inhaberin des SPD-Parteibuches.

© Alexander Hassenstein/Getty Images

Als ich meinen vielgelesenen fisch+fleisch-Debüt-Text über das alte neue Denunziantentum am Beispiel des SPD-Mitglieds Christopher Lauer verfasste, wusste ich noch nicht, schon wenige Tage später – also heute – ganz frischen „Denunzianten-Stoff“ zu einem weiteren Artikel verarbeiten zu müssen.

Es soll dabei nicht – obwohl er es mehr als wert wäre – um Roland Tichy gehen, der am Wochenende erleben musste, wie Benutzer der Plattform XING mit Boykottaufrufen die Löschung eines kontroversen Artikels auf Tichys Einblick erzwangen und ihn dazu bewegten, seine Herausgeber-Tätigkeit bei Xing News einzustellen. Doch ein Detail sei verraten:

Initiator der Boykott-Aktion gegen Tichy war wieder ein SPD-Mitglied. Diesmal Mathias Richel, der schon 2013 den Online-Wahlkampf der SPD leitete und im November 2016 jammerte, die SPD habe nur noch wenig Zeit bis zur „absolut berechtigten Panik“. Da scheint für ihn der Boykott-Versuch gegen unliebsame Meinungen das probate Mittel der Wahl zu sein.

Täglich grüßt das Murmeltier

Ich fühle mich wirklich schon „täglich vom Murmeltier“ gegrüßt, denn die Protagonistin des neuesten „Denunzianten-Stadls“ ist ebenfalls Inhaberin des SPD-Parteibuches:

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken sandte am 09. Januar einen Tweet an die Fluggesellschaft aiberlin, in dem sie einen Screenshot mit Werbung der Fluglinie auf breitbart.com mit der Frage versah: „Eure Werbung erscheint bei einer Neonazi-Webseite. Das kann nicht gewollt sein, oder?“

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Airberlin bedankte sich artig und versprach, diese Info „umgehend an die zuständige Abteilung“ weiterzugeben.

In diesem Moment schaltete sich ein weiterer Twitterer ein – ein gewisser Rainer Faus – und maulte in Richtung airberlin, das hätten sie zu ihm vor einem Monat auch schon gesagt. Offensichtlich hatte seine „Meldung“ zu seinem Unmut nicht die gewünschte Reaktion herbeigeführt.

Faus ist im Vorstand des Vereins artikel-eins, der „eine Kampagnenstruktur für Demokratie, hin zur Bundestagswahl 2017“ aufbauen will. Auch ist er Geschäftsführer der auf „Kampagnen und Wahlkampf“ spezialisierten Firma pollytix, die auf ihrer Webseite feststellt: „Die Parteien laufen sich langsam für die Bundestagswahl warm und wir tun das auch.“ Für Faus heißt dieses „Warmlaufen“ offenbar, mit Boykott-Aufrufen gegen unbequeme politische Seiten vorzugehen.

Nun mag die Trump-freundliche, rechtskonservative Webseite breitbart.com umstritten sein, aber wo Esken hier „Neonazis“ als Macher sehen will, darf gerne ihr Geheimnis bleiben. Noch ganz frisch sind die Erinnerungen an das Muster-gleiche Vorgehen des Ex-Scholz & Friends-„Strategy Directors“ Gerald Hensel, der Anfang Dezember mit seiner Aktion „Kein Geld für Rechts“ Unternehmen zum Werbeboykott gegen von ihm als „rechts“ eingestufte Seiten wie eben Breitbart oder die Achse des Guten aufrief, jedoch seine Rechnung ohne Henryk Broder und die Unterstützer der Achse gemacht hatte.

Schon damals hatte der Autor Alexander Wendt hinter die Kulissen von Breitbart geschaut und die Haltlosigkeit der in den deutschen Medien verbreiteten Anwürfe erörtert, die Seite (für die u.a. der orthodoxe Jude Joel B. Pollak als Vice Senior Editor und der Homosexuelle Milo Yiannopoulos als Senior Editor tätig sind) sei antisemitisch und hetze gegen Homosexuelle.

Oder um es anders zu sagen: Breitbart ist so „Neonazi“ wie die SPD heute noch „demokratisch“…

Aber zurück zu airberlin.

Wenige Stunden später meldete airberlin an Esken und Faus:

airberlintweet

sind so dass wir nie wieder dort erscheinen. Solche Fälle können trotzdem immer vorkommen. Daher freuen wir uns auf die Hinweise, damit wir diese Domains aus unseren Kampgnen ausschließen können. Danke.“

Gab es also auch eine Meldung gegen die rechtskonservative Zeitung „Junge Freiheit“, deren wachsende Popularität sich in stetig steigenden Auflagenzahlen spiegelt? Oder wie ist diese Rückmeldung bezüglich der „Jungen Freiheit“ zu verstehen?

Über Facebook fragte ich bei Saskia Esken nach:

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Auf die Beantwortung meiner Frage warte ich noch immer, doch die Süffisanz in Eskens Kommentar spricht Bände.

Ich vermute, Frau Esken hat noch keine Zeit gefunden für eine Antwort, da sie seitdem auf Twitter alle Hände voll zu tun hat, missliebige Kritiker zu blocken.

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Wieder ein Eigentor!

Das Ende vom Lied ist wieder einmal ein vorhersehbarer Shitstorm, der sich auf Twitter zum Orkan gegen airberlin und Saskia Esken aufbaut. Einige Tweets hier:

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Den ganzen Shitstorm und die chronologische Folge der Tweets gibt es hier.

Ich kann mich aufgrund dieser Vorgänge des Eindrucks nicht erwehren, dass die in der SPD offenbar verbreitete, denunziatorische Besessenheit eindeutig zu Lasten der Lernfähigkeit geht.

Denn sonst müsste sich langsam die Erkenntnis durchsetzen, dass sich solche Aktionen mit großer Wahrscheinlichkeit ins Gegenteil der eigentlichen Absicht verkehren, nachdem allein der Boykott-Versuch gegen die Achse des Guten gepflegt nach hinten losging.

Nun dürfte sich also auch die Junge Freiheit jetzt sicher über ein paar solidarische neue Abonnenten freuen, ebenso Roland Tichy über neue Unterstützer und Abonnenten

Eins muss man Richel, Faus und Esken allerdings lassen: Sie betreiben fleißig Wahlkampf. Nur eben nicht zugunsten der SPD. 🙂

P.S.: Bevor in der Diskussion das Beschwichtigungs-Mantra einsetzen sollte, Esken habe ja lediglich einen „Hinweis“ gegeben und airberlin habe eben eine Unternehmensentscheidung getroffen, bitte ich um einen Moment des Innehaltens und der Reflexion, was sich hier gerade an undemokratischem Verhalten manifestiert. Der Text von Broder sollte dabei der Erkenntnis auf die Sprünge helfen.

Von Ines Laufer.

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