Das schaffen auch nur Wenige: Über die jüngsten Ereignisse in Bielefeld zu sprechen, über den Aufstieg der Arminia in die zweite Fußballbundesliga, aber das Messerattentat auf Fußballfans mit keiner einzigen Silbe zu erwähnen. Eine schafft es: Caren Miosga. Von Brunhilde Plog

Denkt Carsten Linnemann an seine Heimat, empfindet er tiefen Schmerz. Aber nicht etwa, weil in Bielefeld ein Syrer wahllos auf eine Gruppe feiernder Menschen einstach und dabei fünf Männer teils schwer verletzte. Nein, der CDU-Generalsekretär empfindet tiefen Schmerz, weil sein SC Paderborn den Aufstieg verpasst hat.
Nun gut – weder das Attentat, noch die Fußballpleite haben etwas mit dem eigentlichen Thema der Sendung zu tun. Doch das eine wird minutenlang zelebriert, das andere komplett ignoriert. So geht Talkshow-Themensetzung heute.
Linnemann darf seine Fußball-Chose so richtig überladen, und das kann er ja bekanntlich besser als ein pakistanischer Trucker. „Wenn wir knapp verlieren, brauche ich fünf, sechs, sieben, acht Stunden, um das zu verdauen. Das ist brutal. Viel schlimmer als die Politik. Fußballniederlagen sind viel schlimmer als politische.“
Was Deutschland mit dem Linnemann’schen Vorbeischlittern an einem Ministeramt möglicherweise erspart geblieben ist, machen seine weiteren Aufführungen an diesem Abend deutlich. Mit arbeitswirtschaftlichen Zusammenhängen jedenfalls scheint er es nicht so sehr zu haben. Er soll erklären, warum Merz und auch er selbst den Deutschen jüngst vorgeworfen hat, sie seien nicht produktiv genug, sie sollten gefälligst mehr, härter und effizienter arbeiten.
Linnemann versucht es mit Ablenkung: Es gebe Zehntausende, „die das Sozialsystem ausnutzen“, stöhnt er. Außerdem beklagt er, „dass wir soviel Steuern bezahlen, dass die Beschäftigten das Gefühl haben, es lohnt sich gar nicht mehr zu arbeiten.“
Das aber war nicht das Thema, und Miosga muss mehrfach nachhaken. Eine Antwort bleibt er dennoch schuldig. Die Pauschalattacke auf die deutsche Arbeitnehmerschaft kann oder will Linnemann nicht aus der Welt reden. Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall (und SPD-Mitglied), kontert: „Wir brauchen Respekt für die Menschen in diesem Land. Wenn ich Beschäftigte beschimpfe, dann kriege ich keine Zuversicht, dann kriege ich Frust. Deshalb verstehen wir nicht diese Debatte, die ja wirklich Menschen beleidigt.“
Doch auch Moritz Schularick scheint die Deutschen für latent faul zu halten. Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel erzählt, dass „wir etwa 30 Prozent weniger als unsere polnischen Nachbarn“ arbeiten. Daraus schließt er messerscharf, dass wir kinderleicht ein 30 Prozent höheres Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften könnten. Die Abschaffung von Feiertagen bringe zwar „nur einen niedrigen Milliardenbetrag“, sei aber „ ein klares Signal“ und „ein sinnvoller Schritt“, denn „wir sind im europäischen Vergleich nicht mehr die Fleißigsten“. Schularick: „Vielleicht haben wir uns in den Jahren des wirtschaftlichen Erfolgs gewisse Dinge ein bisschen bequem gemacht.“
Linnemann kontert mit Bayern, das mehr Feiertage habe als der Bundesdurchschnitt und trotzdem „ein tolles Wachstum“. „Wenn’s nach Bayern ginge, müssten wir eigentlich noch mehr Feiertage haben“, sagt er und erntet dafür ein einsames „Bravo“ aus dem Publikum. So angespornt, versucht er es erneut mit dem Bürgergeld-Bashing, was ihm Miosga jedoch sofort austreibt.
Wer arbeitet denn nun zu wenig, will die Moderatorin wissen. Linnemann führt allen Ernstes als Erstes die Rentner an und wirft seinen ultimativen Rettungsanker in die trübe Talksuppe: die „Aktivrente“, die er seit Monaten durch jede Talkshow prügelt. Rentner sollen danach 2000 Euro steuerfrei dazu verdienen können. So werde erreicht, „dass Zehntausende, vielleicht sogar eine sechsstellige Zahl in den nächsten Jahren länger arbeiten“, jubiliert er. Auf X setzt es umgehend die ersten höhnischen Kommentare. Beispiel: „Spannend: Von ‚Flüchtlinge zahlen unsere Renten‘ zu ‚Rentner müssen mehr arbeiten‘ hat es nur zehn Jahre gedauert.“ Oder: „Was Rente ist, scheint bei ihm noch nicht angekommen zu sein.“
Viele Arbeitnehmer würden schon das normale Renteneintrittsalter kaum schaffen, klagt Gewerkschafterin Benner, etwa weil die Arbeit körperlich zu anstrengend sei. So ein Problem einem Politiker zu verklickern, ist allerdings eine Herkulesaufgabe. Das Problem, so Benner seien „‘ne Menge Frauen, die in Teilzeit sind, die würden gern länger arbeiten“. Man solle außerdem „investieren in Bildung, in Kitas“, denn das würde dann langfristig auch gleich den vielbeklagten angeblichen „Fachkräftemangel“ beheben.
Am Ende überrascht Linnemann mit einem Anflug überraschender Ehrlichkeit, die er allerdings geschickt verpackt: „Dass wir auf Rente mit 67 jetzt zugehen“, sei schonmal klar. Ebenso, „dass wir natürlich perspektivisch, wenn wir immer älter werden, auch länger arbeiten müssen“. Und dann das Entscheidende: Er würde den Menschen aber „nicht jetzt sagen: Ihr müsst bis 70 oder 75 arbeiten“.
Nicht jetzt, sondern lieber erst ein bisschen später…
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Indem man fordert, es müsse mehr gearbeitet werden geht man den unangenehmen Aspekten des Themas natürlich aus dem Weg. Jedoch: ohne treffende Analyse keine treffende Lösung. Wer in Rätseln fragt wird in Rätseln losgesprochen. Ein ganz und gar internes Problem erblicke ich in der Tendenz, dass die Berufe, die sich tatsächlich noch mit der mühsamen Erschaffung von Gütern, der mühsamen Erbringung von knochenharten Dienstleistungen immer schlechter gestellt werden. Dieser Sektor hat eine explizit schlechte Berufsvertretung, quasi kein Lobbying (und: nein – ich meine nicht die Jobs, die so satt von der IG-Metall oder von Verdi abgeschirmt werden). Der Sektor „schaffen“… Mehr
Ein großer Konzern funktioniert heute eben wie ein Beamtenapparat. Hier und dort können die Luschen sich jeweils ohne weiteres jahrelang halten, ohne dass es irgendwem auffällt. Ganz anders in kleinen Betrieben, wo es auf jeden Einzelnen ankommt. Da fällt es sofort auf, wenn die geforderte Leistung nicht erreicht wird und die halbe Arbeitszeit nur getratscht wird. Der enorme Mangel an Arbeitskräften in Handwerk und Dienstleistung, wird sich immer mehr als Fatal erweisen. Wenn das WC verstopft ist, oder die Heizung ausfällt und wochenlang kein Handwerker kommt, dann verschieben sich auch wieder die Verhältnisse. So ein Bürokrat ist leicht zu ersetzen… Mehr
Die CDU braucht noch viel mehr Politiker wie Carsten Linnemann. Und bitte täglich einen Fernsehauftritt. Dann klappt’s bei der nächsten Wahl bestimmt.
Carsten hat sich mittlerweile ENTPUPPT als ….
…der „SPIN-DOCTOR“ ( Schön-Redner / Tatsachenverdreher)…
….von Fritzens Gnaden !
Seine Mission Impossible:
Negative Informationen so darstellen, dass sie positiv erscheinen .
Der englische Begriff
„spin“ geht u.a. auch in Richtung MEINUNGSMACHE im Sinne gezielter Tatsachenverdrehungen.
Carsten , auf deutsch würden wir dich nur einfach und schlicht bezeichnen als einen …..
…….“SPINNER “ …..
Klingt auf englisch etwas netter: “ You are nuts !“
Deshalb haben wir dich nun getauft auf den passenden Namen“:
“ Carsten Spinnemann“
Migrantengeld oder Rente? Es geht noch besser. Rentner arbeiten für Migranten und können gerne auch ihr Eigenheim einbringen.
Nochmal gefragt, nachdem ich die Stelle bei Miosga mit Linnemann nochmal auf Youtube angesehen habe. Wo bitte hat Herr Linnemann gefordert, das Rentner mehr arbeiten „müssen“? Er hat auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Rentner bis 2000 € monatlich steuerfrei verdienen können. Nun sind wir hoffentlich beide der deutschen Sprache einigermaßen mächtig und sollten daher den Unterschied zwischen „müssen“ und „Möglichkeit“ zu verstehen. Wenn wir das denn möchten und nicht geneigt sind, klar geäußerte Worte so umzudeuten, dass das plötzlich dasselbe sein soll. Also wenn, dann zitieren Sie Herrn Linnemann bitte richtig. Ich würde als Rentner gerne weiter arbeiten, weil ich… Mehr
Sie wissen’s ja immer ganz genau. Natürlich hat er nicht das Wort „müssen“ benutzt, pure Taktik und für Leute wie Sie. Aber allein, daß er sofort die Rentner in den Mund nimmt, weil Merz sagte, „wir“ müssten mehr arbeiten, ist die pure Frechheit.
Monatlich 2.000,00 € zusätzlich steuerfrei? Da sollte man schnell noch ins Kleingedruckte schauen. Oder sind es vielleicht insgesamt 2.000,00 € monatliches Einkommen? Der Grundfreibetrag im Jahr für Rentner beträgt derzeit rund € 12.000,00. Das wären dann, ggf., also nur noch 1.000,00 € im Monat zusätzlich steuerfrei. Wobei der Arbeitgeber sicherlich vom ganzen Gehalt noch die Sozialversicherungsbeiträge abführen muss, obwohl der Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf Leistungen daraus hat. Wenn man von dem monatlichen 1.000,00 € zusätzlichem steuerfreien Einkommen noch die 556,00 € monatlich abzieht, die sowieso jedermann steuerfrei zu seinem Gehalt oder der Altersrente über eine geringfügige Beschäftigung verdienen kann,… Mehr
Wie sagte unser Pinocchio aus dem Sauerland so schön:
„Die Steuerentlastung 2029 steht unter Finanzierungsvorbehalt.“
Nagut, Mehrarbeit steht unter Steuersenkungs- und erstmal-die-ganzen-tollen-Fachkräfte-mitarbeiten-Vorbehalt .
Vorher gibt’s garnix !
Ich frage mich immer wieder, wie schaffen FRankreich, Italien, Griechenland Österreich, Schweiz, …. es, dass das Rentenniveau um 30-40% höher ist als in Deutschland, die Beiträge gleich oder niedriger und das Renteneintrittsalter niedriger ist als in DE? Irgend wer kassiert in DE Leistungen aus der Rentenversicherung, ohne dafür Beiträge gezahlt zu haben. Aber daran will auch ein LInnemann nichts ändern. Auch er nährt das Märchen, dass die Renten zu hoch im Verhältnis zur Lebensarbeitsleistung sind.
Kleiner Tipp. In der Schweiz liegen nicht nur die Renten und Gehälter 30% über unseren, sondern auch die Lebenshaltungskosten, Mieten etc. Das wird so gerne verschwiegen, muss man aber in Relation sehen. Kennen Sie schweizer Rentner? Ich ja – und ein Teil derer arbeitet, damit er leben kann.
Ist doch super und hoffentlich Aufwachprogramm für die Leute, die immer noch an der CDU festhalten und nicht wahrhaben wollen, dass gerade diese Partei für die Tragödie dieses Landes zuständig ist. Mein Schwager ist gerade mit 61 pensioniert worden und erhält 3.000 € Pension, ist er davon auch betroffen? Was ist mit der Ärzteschaft, die eine gute Rente über die Ärzteversorgung erhält, betrifft es die auch? Wahrscheinlich ist es wie bei allen Sozialversicherungszweigen die Leidtragenden sind meistens die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer, sowohl in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung als auch in der Rentenversicherung. Tja, da sitzen die Feudalherren und Herrinin bei der… Mehr
In der Statistik über die jährlichen Durchschnittarbeitszeit sind sämtliche Personen zwischen 16 und 64 Jahren enthalten. Also alle Arbeitslosen und Bürgergeldbezieher. Da wir von diesen auch relativ gesehen mehr haben, kommen die Polen eben auf mehr Arbeitsstunden.
Die ganze Diskussion über Arbeitstunden belegt nur wieder mal, dass der Staat dringend Geld braucht. Daher wird jetzt impliziert, dass der Deutsche faul sei.
Jetzt hab ichs, das Land der 3 Affen, Deutschland
„Nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen“