Bei Hart aber Fair: Das Sägen an Laschets Stuhl ist offiziell eröffnet

JU-Vorsitzender Tilman Kuban stellt Laschet offensiv infrage – seine Mitdiskutanten zählen den Unionskanzlerkandidaten bereitwillig an. Eine mögliche Ampel-Koalition beweist parallel schnell, was man von ihr zu erwarten hat.

Am Montagabend lädt Frank Plasberg zur Wahlnachlese: Bei „Hart aber Fair“ wird die Bundestagswahl besprochen. Denn „Nach der Wahl“ ist „vor dem Machtpoker“ – so lautet der Titel der Sendung. Neben der Zeit-Journalistin Mariam Lau und dem Spiegel-Kolumnisten Sascha Lobo waren mit Kevin Kühnert (SPD), Tilman Kuban (CDU), Renate Künast (Grüne) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP) direkt auch Mitspieler dieses Machtpokers zu Gast.

Zuerst widmet Plasberg sich Kuban. Der JU-Chef hat als Vertreter des klaren Wahlverlierers einen schweren Stand – und versucht sich deshalb auch gar nicht erst in aussichtslosen Rückzugsgefechten. Nach 16 „erfolgreichen“ Merkel-Jahren müsse man in der Union wieder Demut lernen. „Wir haben die Wahl verloren, Punkt.“ Ungewöhnliche Klarheit – das klang bisher aus der Union anders. Kuban, der als JU-Chef erst Merz, dann Söder unterstützt hatte, geht auf Distanz zu Laschet.

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Der Suggestion Plasbergs, die Union habe wegen „Kurs, Kampagne, Kandidat“ verloren, stimmt Kuban unumwunden zu – das Sägen an Laschets Stuhl ist offiziell eröffnet. Der Ball liege nun im Feld der SPD – sie habe den Auftrag, eine Regierung zu bilden. „Die Union muss sich erneuern“, sagt Kuban. Und fügt dann hinzu: „Das geht aber auch in der Opposition, und dann wäre es wahrscheinlich ohne Armin Laschet.“ Die Hoffnung, dass dieser Ball aber nicht doch noch in die CDU-Hälfte rollt, kann Kuban nicht verhehlen. Auch, wenn er weiter ist als seine Parteiführung – so richtig scheint Kuban das mit der Demut noch immer nicht verinnerlicht zu haben.

Dass man in der Parteispitze der Union die Realitäten offenbar noch nicht anerkannt hat, wundert die Journalisten der Runde. Miriam Lau konstatiert: „Ich bin erschrocken, wie ausgeblutet und leer die Partei ist.“ Dass die Union nicht klar den Gang in die Opposition als ihren Weg anerkenne, könne man „langsam auch Arroganz nennen“. Irokesenmann Sascha Lobo stellt, auch mit Blick auf Kuban, fest, dass Laschet gar nicht mehr in der Lage sei, eine Regierung anzuführen: Er werde mittlerweile doch „minütlich angeschossen“. Laschet habe beim Versuch, in die Fußstapfen der Kanzlerin zu treten, auf ganzer Linie versagt. Lobo sieht die „krachendstmöglichste Scheitersituation“.

Bundestagswahl
Gehampel eher um Ampel als um Schwampel
Die Wahlgewinner sind derweil zunächst auffällig still. Kevin Kühnert sitzt ruhig, fast stoisch dem Moderator gegenüber und regt sich nicht. Auch der seine Inkompetenz wie einen Adelstitel vor sich hertragende Alexander Graf Lambsdorff,  der jetzt auch noch mal in den Bundestag gerutscht ist ohne eigenes Zutun, ist erstmal ruhig – lediglich bei Renate Künast kann man so etwas wie Feierlaune entdecken, als sie Angriffe Kubans energetisch pariert. Doch das wahrscheinliche Dreierpaar einer Ampel wird an diesem Abend noch nicht so richtig warm miteinander. Lambsdorff meint, dass die Regierungsbildung schwierig werden wird. Ach; was für eine Erkenntnis, die übrigens nur darauf einzahlt, dass die gutbezahlte Politik ein Opfergang sein soll. Die Konstellation, dass vier Parteien ungefähr mittelstark seien und es keinen klaren Wahlgewinner gäbe, würde eine neue Koalitionsverhandlungskultur erfordern. „Das wird uns allen viel abverlangen.“ Es ist einer dieser Sprüche, der die Abgehobenheit der politischen Kaste zeigt: Komplett leistungslose Diäten sind des Lambsdorffs Wunsch.

Ein Doppel-Waagscheißerle hat mehr Gewicht
26,3 Prozent Grüne/FDP und 25,7 Prozent SPD
Und auch Künast will der SPD keinen „Freifahrtsschein“ erteilen. Ach! Noch einer, der die Zockerei um Minister- und Staatssekretärsposten und um Hunderte nachgeordneter Beamtenstellen als Leistung darstellen will. Es geht um die Verteilung der Beute; und da zerren Lambsdorff und Kühnert an unterschiedlichen Ecken des erlegten Bären. Eine Liebeshochzeit wird das wahrlich nicht werden, und Liebe ist auch keine Kategorie der Politik. Ein bisschen Show muss sein. Dafür sorgt auch Frank Plasberg, der Kühnert an seine „Luftikus“-Aussage über FDP-Chef Lindner erinnert. Ob ein Luftikus Scholz’ Nachfolger im Finanzministerium werden kann? Das war alles nur Wahlkampf, meint Kühnert – „Luftikus“ sei doch ohnehin aus einer „putzigen Kategorie von Begrifflichkeiten“. „Jetzt geht es nicht mehr um die Beschreibung der Differenz, jetzt geht es um die Frage, ob man sich irgendwie näherkommen kann.“ Doch das Näherkommen gestaltet sich schwierig: Schnell entbrennt ein Streit zwischen Kühnert und Lambsdorff über das Thema Vermögenssteuer. Künast, die zu vermitteln versucht, offenbar ebenso, dass es schwierig wird auf dem Weg zum Altar – die Zeichen für eine Ampel stehen zumindest noch auf Gelb. Es dauert noch, bis eine Kompromissformel gefunden und mit größtmöglicher Show zelebriert ist, ehe dann die Vermögenssteuer kommt und die FDP nichts dafür kann; wofür dann wieder ein Lambsdorff mit traurigen Augen in die Manege geschickt wird. So sind sie eben, die Spielchen.

Der Talk nach der Wahl bringt Spannung – aber wenig Lösung. Dass Kuban so öffentlich seinen Vorsitzenden anzählt, ist überraschend – und gleichzeitig auch erwartbar. Am Ende ist Politik eben Show, und Diäten sind Gagen für Politikdarsteller.

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Kommentare ( 113 )

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113 Comments
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F.Peter
2 Jahre her

Es ist schon seltsam, wenn ausgerechnet Maulhelden, die in ihrem Leben noch nichts geleistet haben, sich solcher Themen bemächtigen. Glaubt irgendwer, dass diese „Jungen“ auch nur ein Joda mehr drauf haben als die Versager der derzeitigen Generation???
Der freie Fall vom 30. Stockwerk hat schon lange begonnen, wir sind fast unten – und die Jungen meinen dann, es ist doch nix passiert……..

nachgefragt
2 Jahre her

Die Krönung der Sendung war Künast, die ernsthaft abwinkend meinte bei der Frage nach Volksparteien, damit verbinde sie Klientelpolitik. Die grüne Klientel- und Lobbypartei, die die Bürger mit Steuern und Abgaben schröpft, damit sich deren Günstlinge die Taschen vollstopfen können, ruft mal wieder „haltet den Dieb!“.

Amerikaner
2 Jahre her

Die CDU ist ja nicht in den paar Monaten unter Laschet ausgeblutet, sondern in den 16 Jahren zuvor. Wer da von 16 erfolgreichen Merkeljahren spricht, lebt in einer anderen Welt.

batmanTD
2 Jahre her
Antworten an  Amerikaner

Der gute Herr Laschet meine ja auch das Deutschland ein Sanierungsfall sei ! .. dies allerdings nichts mit der Regierung zu tun hätte !

Hieronymus Bosch
2 Jahre her

Merkel hat doch frühzeitig dafür gesorgt, dass potenzielle Nachfolger wieder schnell von der Bühne verschwanden. Roand Koch war plötzlich nichr mehr da, Friedrich Merz ebenso. Dass letzterer wieder aufgetaucht ist, ist ein bloßer Anachronismus! Die CDU hat einfach keinen Vorzeige-Kandidaten, nur mittelmäßige Claqueure. Kühnert, der ehemalige Callcenter-Boy, redet so, als würden seine flapsigen Sprüche Eindruck machen. Ja, auf diejenigen vielleicht, die ebenfalls keinerlei Lebenserfahrung haben. Über Lambsdorff braucht man gar nicht erst zu reden und Künast hat ihre besten Tage schon lange hinter sich. Ein bisschen mitmischen im Postengeschacher um den nächsten Dienstwagen und um eine Aufgabe im Umwelt-Kollektiv. Mehr… Mehr

Heimatland
2 Jahre her

Hat die CDUCSU immer noch so viel Angst von der Merkel, warum wird nicht genannt, dass sie die Ursache ist, und Laschet dies ausbaden muss, warum hört man nichts über Schäuble, demjenigen, der die Basis ignorierte. Laschet wollte BK werden unter Merkels Gnaden, total verloren und normal erkennt man seine Niederlage an und tritt zurück, man geht in die Opposition und erneuert sich und wird wieder konservativ, nur so hat man eine Chance in 4 Jahren, ich und sicherlich viele Bürger brauchen keine schwarze Linke, bunte Linke gibt es genug. Merkel hat ihr Ziel erreicht, Honeckers Erbe. Eigentlich könnte mir… Mehr

F. Hoffmann
2 Jahre her

Völliges Fehlen einer Strategie bei der CDU. Man sollte sich als Erstes einmal darüber klar sein ob man mitregieren will oder nicht. Söders Gelaber, daß die Nummer 2 (CDU) nicht regieren solle, wird in dem Moment obsolet, in dem es Pöstchen zu verteilen gibt. Wenn man in die Opposition will, kann man sich jetzt gerne schon nach Belieben zerfleischen. Will man die Option der Regierung offenhalten, dann sollten etliche Leute erst mal die Klappe halten. Es hat Laschet schon Stimmen gekostet, als der „Freund“ aus Bayern ihn WÄHREND des laufenden Wahlkampfs demontierte und irgendwelche CDU-Dummköpfe sich daran beteiligten. Ob Laschet… Mehr

Last edited 2 Jahre her by F. Hoffmann
nachgefragt
2 Jahre her
Antworten an  F. Hoffmann

Wir alle sollten hoffen, dass Laschet Kanzler wird. In der kommenden Legislatur werden am BVerfG neun Richterstellen neu zu besetzen sein. Darunter Baer und Britz, die ersetzt werden müssen.

2022 Andreas Paulus, Peter M. Huber, Monika Hermanns
2023 Susanne Baer, Gabriele Britz, Sibylle Kessal-Wulf, Peter Müller
2024 Josef Christ
2025 Doris König

Gott bewahre uns alle vor weiteren neuen Fehlbesetzungen linksgrüner verfassungsfeindlicher Art.

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  F. Hoffmann

Na – das Zentralgestirn, das bislang alles an sich zog, will angeblich hinterm Horizont versinken. Da ist doch klar, dass die „Monde“ um es herum erst mal chaotisch wanken, bis sie eine neue Balance finden – oder eben mit unter gehen werden müssen.
Vielleicht bleiben die von der Werte-CDU – aber nur, wenn sie sich im kommenden Wirrwarr abseits halten können und es ihnen gelingt, Kompetenz und Sicherheit auszustrahlen.

bkkopp
2 Jahre her

Laschet ist ein Teil des oligarchischen Parteienfilz der nicht einmal versteht, dass man in einer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie, in der die Parteien an der politischen Willensbildung mitwirken, nach einer derartig krachenden Wahlniederlage einfach die politische Verantwortung übernimmt und zurücktritt. Jedes Wort mehr von Laschet war und ist zu viel. Es scheint ihn einfach nicht zu stören, dass die Wähler das Sessel-Sägen nicht hören wollen – dass es nur mehr oder weniger frustrierende Beschäftigungsmöglichkeit für mehr oder weniger überflüssige Kommentatoren ist.

Kokoschka
2 Jahre her

„Es geht um die Verteilung der Beute“. Ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Die Union ist von einst 42% binnen 8 Jahren auf unter 25% abgeschmiert. Da überrascht es schon, dass Laschet ganz offensiv an Brinkhaus‘ Speck will. Haben die nichts besseres zu tun, als um Pöstchen zu schachern? Wie wäre es mal mit einer schonungslosen Analyse des historisch schlechtesten Wahlergebnisses, auf dass man die Ära Merkel, dieser Säulenheiligen, analysiert und sich dann von deren Paladinen trennt, die dieses Ergebnis klar mit zu verschulden haben? Bei Laschet habe ich stets den Eindruck, er habe den Knall nicht gehört. Das Problem ist… Mehr

Teide
2 Jahre her

Nein, der Zug ist abgefahren.

DW
2 Jahre her

Laschet und die CDU können offenbar gar nicht fassen, dass die Medien sich jetzt gegen sie wenden, wo sie ihnen doch jahrelang so demütig in den Allerwertesten gekrochen sind.
Dass diese Merkel und NICHT die CDU bejubelt haben, ist scheinbar für die Klatschhasen immer noch schwer zu verstehen.