Angesichts zunehmender Kriminalität und eines wachsenden Unsicherheitsgefühls in der Bevölkerung fordert der Grüne Cem Özdemir eine stärkere Nutzung moderner Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum.
picture alliance / dts-Agentur | -
Der frühere glücklose Bundeslandwirtschafsminister, der im kommenden Jahr Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden möchte, positioniert sich in der sicherheitspolitischen Debatte – und überrascht mit Forderungen, die für seine Partei höchst ungewöhnlich sind. In den jüngsten Umfragen rutschen die Grünen in Umfragen auf Platz 3 hinter CDU und AfD ab. Bei der Landtagswahl im kommenden Merz wird Özdemir damit kaum seinen Parteigenossen Winfried Kretschmann ablösen können der seit 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg ist und das Land erfolgreich in die Deindustrialisierung getrieben hat. Jetzt will der grüne Spitzenkandidat sich ein eher realistisches Mäntelchen umhängen.
Cem Özdemir betont im Gespräch mit der BILD, dass die Sicherheitsbehörden bereits heute unter einer sehr hohen Belastung arbeiten. „Wir können uns keine Sekunde leisten, nicht aufmerksam zu sein“, sagte er mit Blick auf Verfassungsschutz, Bundes- und Landespolizei. Diese leisteten bereits enorm viel, bräuchten aber bessere Rahmenbedingungen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
Dazu zählten neben moderner technischer Ausstattung auch ein zeitgemäßer Zugang zu relevanten Daten sowie verbesserte Arbeitsbedingungen. Sicherheit sei eine Daueraufgabe des Staates und dürfe nicht aus politischen oder ideologischen Gründen vernachlässigt werden.
Der grüne Politiker macht zugleich deutlich, dass er bereit ist, auch bisher umstrittene Maßnahmen zu unterstützen. Sein erklärtes Ziel sei es, das angeschlagene Sicherheitsgefühl vieler Menschen im Land wiederherzustellen. Wer die offene Gesellschaft angreife oder abschaffen wolle, sei sein politischer Gegner – unabhängig von Herkunft oder Motivation. Damit grenzt sich Özdemir sowohl von Extremisten als auch von einer aus seiner Sicht naiven Sicherheitspolitik ab.
Totale Videoüberwachung von kriminalitätsbelasteten Zonen
Konkret fordert er ein umfassendes Gesamtkonzept für sichere öffentliche Räume. Ein zentraler Bestandteil dieses Konzepts soll eine erleichterte Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten sein. Kommunen müssten unkomplizierte und praktikable rechtliche Möglichkeiten erhalten, Kameras dort einzusetzen, wo Bürger sich unsicher fühlen. Als Vorbild nennt Özdemir das Mannheimer Pilotprojekt zur KI-gestützten Videoüberwachung, das seit 2018 gemeinsam von der Polizei und dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung entwickelt wird.
Ziel dieses Video-Projekts ist es, mithilfe intelligenter Software sogenannte atypische Bewegungsmuster zu erkennen. Die Technik analysiert Bilder bestehender Kameras und soll in der Lage sein, potenziell gefährliche Situationen wie Schlagen, Treten, Schubsen, aggressives Verhalten oder verteidigende Körperhaltungen zu identifizieren. Im Verdachtsfall wird automatisch ein Alarm im zuständigen Polizeikommissariat ausgelöst. Dort entscheidet letztlich ein Mensch, ob tatsächlich eine Gefahr besteht und eingegriffen werden muss.
Anfangs hatte die Technik noch Schwächen: Im Sommer 2020 lag die Fehlerquote laut Berichten im unteren zweistelligen Bereich, da harmlose Situationen – etwa eine Umarmung – nicht immer korrekt erkannt wurden. Seitdem wurde die Software jedoch kontinuierlich weiterentwickelt und mit zusätzlichen Daten trainiert, sowohl durch reale Kamerabilder als auch durch nachgestellte Szenarien mit Polizeitrainern.
Das baden-württembergische Innenministerium bezeichnet das Projekt als bundesweit einzigartig, betont jedoch, dass belastbare Aussagen zum Erfolg erst nach Abschluss der Entwicklungsphase möglich seien.
Unterstützung kommt kommt dafür auch von Alexander Throm, dem innenpolitischen Sprecher der CDU: Er begrüßt den Einsatz intelligenter Videoüberwachung und sieht darin ein wirksames Mittel, um Gewalteskalationen in Innenstädten frühzeitig einzudämmen.
Weswegen und durch wen sich die Sicherheitslage derart verschlechtert hat, dass selbst er jetzt nach mehr Sicherheit rufen muss, sagt Özdemir natürlich nicht. Es ist wohl eher ein Ausdruck der Verzweiflung statt ernstgemeinter Programmatik zu sein.

Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein