Wolfram Weimer kann sein Amt nicht länger ausüben

Wolfram Weimer ist in seinem Amt keinen Tag länger tragbar. Mit jedem Tag wächst der Schaden – und zieht Friedrich Merz noch tiefer hinein. Aus einem persönlichen Fehltritt ist ein politischer Amigo-Fall geworden, der längst die gesamte Regierung belastet.

picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann

Es ist kein Missverständnis und keine Panne, sondern ein jahrelanges System: Das Debattenportal „The European“ aus der Weimer Media Group hat über Jahre hinweg Reden, Pressemitteilungen, Newsletter und Social-Media-Posts fremder Personen übernommen – und diese anschließend als „Autoren“ präsentiert.

Betroffen sind Politiker, Wirtschaftsgrößen, Wissenschaftler und Prominente bis hin zu US-Präsident Donald Trump, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hollywood-Star Brad Pitt. Auch deutsche Politiker wie Robert Habeck, Annalena Baerbock und Alice Weidel tauchten als angebliche Autoren auf, ohne je einen Beitrag für das Magazin geschrieben zu haben. Alice Weidel hat die Weimer Media Group inzwischen anwaltlich abmahnen lassen.

Schutzbehauptung „Angriff von rechts“ fällt in sich zusammen

Geltungssucht statt Substanz
Wer ist Wolfram Weimer – und wenn ja, wie viele?
Die SPD spricht inzwischen von einem Fall, der politische Konsequenzen haben muss. „Ich hoffe auf und erwarte die vollständige Aufklärung und Ausräumung der schwerwiegenden Vorwürfe“, sagte Martin Rabanus, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. Ralf Stegner wurde noch deutlicher: „Das Erstaunen über den Umgang von Herrn Weimer mit Texten und Beiträgen Dritter wird jeden Tag größer. (…) Hier sitzt der falsche Mann auf dem falschen Posten.“ Damit fällt die Schutzbehauptung zusammen, es wäre eine „Kampagne von Rechts“. Aufgedeckt hat den Fall der frühere taz-Autor Alexander Wallasch.

Die Praxis, die Weimers mühsam aufgebauten Ruf nun zerstört, ist minutiös dokumentiert. Selbst das sonst eher regierungsfreundliche Portal  t-online fand mit Autoren, die nun wirklich nicht für eine sonstwie geartete Nähe zu konservativen oder rechten Publikationen bekannt sind, in einer umfangreichen Recherche fast 1.000 Autorenprofile, während „The European“ in abweichenden Informationen mal mit 1.000 oder auf den verschiedenen zur WMG gehörenden Kleinstprodukten mal öffentlich mit „über 2.000 renommierten Autoren“ prahlte. Seither wird gelöscht im Hause Weimer,  und von den glanzvollen Namen sind nur noch  wenige übriggeblieben.

Reden des Bundespräsidenten, Interviews von Parteiwebseiten, Pressemitteilungen, Facebook-Posts oder Newsletter wurden kopiert, teils ohne Quelle, teils mit dem Namen des Redners als Autor. Sogar ein Tweet Donald Trumps und ein offener Brief von Herbert Diess wurden als „Beiträge“ veröffentlicht. Fehler in Originaltexten – wie ein „Debattw“ in Friedrich Merz’ MerzMail – übernahm „The European“ wortgleich.

Ein Lobbyist benutzt ein Staatsamt
Wie Wolfram Weimer sein Ministerium vermarktet
Besonders aufschlussreich ist die Bandbreite der übernommenen Quellen: Die vielfach dokumentierten Fälle, in denen das Magazin Reden von Steinmeier und Baerbock, Newsletter von Merz, Interviews von Olaf Scholz, Pressemitteilungen des ifo-Instituts oder Facebook-Beiträge von Alice Weidel kopierte – häufig ohne jede Kennzeichnung. Selbst Videos, Briefe oder Parteitexte wurden verwertet, um möglichst viele „Autoren“ vorweisen zu können. Dazu kommt: Die Betroffenen wurden als Autoren mit einem Text-Bild-Portrait geführt. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht: Weimer schmückt sich mit Menschen, die danach nie gefragt wurden – auch das rechtlich höchst bedenklich, vielleicht sogar strafbar und in vielen Fällen macht er sich schadensersatzpflichtig. Es könnte eine Frage von Wochen sein, bis seine „Weimer Media Group“ von solchen Klagen überschwemmt und wirtschaftlich in Schwierigkeiten gedrängt wird. Damit wurde eine Scheinwelt publizistischer Größe geschaffen, die es real nie gab: eine mediale Fassade, hinter der nichts war als abgeschriebene Öffentlichkeit.

Stefan Weber, Medienwissenschaftler und Plagiatsexperte, spricht von „bewusster Täuschung von Werbekunden“, weil von 2.000 Autoren nur 100 auffindbar seien. „In Wolfram Weimers Urheberrechtshölle muss die Strafverfolgungsbehörde ermitteln“, so Weber. Inzwischen sind viele der beanstandeten Texte gelöscht, Profile verschwunden, Formulierungen im Impressum angepasst.

Möglicher Rechtediebstahl
Die schmutzigen Geschäfte des Amigo-Kulturministers Wolfram Weimer
Weimer, einst Chefredakteur von Welt und Focus, übernahm „The European“ 2015 gemeinsam mit seiner Frau Christiane Götz-Weimer – heute (zumindest eingetragene) alleinige Geschäftsführerin der Weimer Media Group. Mit seinem Eintritt in die Bundesregierung sollte die Trennung zwischen Amt und Geschäft eigentlich klar sein. Doch spätestens seit den staatlichen Zuschüssen für den Ludwig-Erhard-Gipfel sowie die Frankfurt Finance & Future Summit – und der geplanten „Digitalsteuer“, deren Mittel „zielgerichtet“ an Medien fließen sollen, und denjenigen Medien zuteil werden, deren Verlagen Weimer langjährig verbunden ist, ist diese Trennung zur Fiktion geworden.

Hinzu kommt ein weiterer, brisanter Punkt: Weimer hat der Öffentlichkeit und möglicherweise auch dem Kanzleramt verschwiegen, dass er weiterhin hälftiger Eigentümer der Weimer Media Group ist. Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen habe der Staatsminister „die Verlagsgruppe verlassen“. Faktisch aber hat er seine Anteile nie übertragen – sie gehören ihm weiterhin zu 50 Prozent, die anderen 50 Prozent seiner Ehefrau. er verdient also mit an den Subventionen, die die bayerische und hessische Landesregierung seinem Unternehme zuerkannt haben.

Zuletzt hatte das ZDF (in Beitragsform) hier gestern die Öffentlichkeit wieder einmal fehlerhaft informiert:

Damit profitiert Weimer auch als Regierungsmitglied nicht zu knapp von den Gewinnen seines Unternehmens, das auf die Vermarktung von Politiker-Kontakten spezialisiert ist.

Die Weimer Media Group organisiert hochpreisige Netzwerktreffen wie den Ludwig-Erhard-Gipfel und den Frankfurt Finance & Future Summit, bei denen Wirtschaftsvertreter sehr viel Geld zahlen, um mit Regierungsmitgliedern in Kontakt zu kommen. Dass ausgerechnet ein amtierender Staatsminister Miteigentümer dieser Veranstalterfirma bleibt, ist ein beispielloser Interessenkonflikt, der so nicht weiter bestehen bleiben kann.

Dass die Bundesregierung in ihrer Antwort diesen Umstand verschwieg – und Weimers Verlag zeitgleich öffentlich mitteilte, er habe die Verlagsgruppe „verlassen“ –, legt den Verdacht einer bewussten Irreführung nahe. Offiziell hat Weimer die Geschäftsführung niedergelegt, tatsächlich aber blieb er Eigentümer. Eine Formulierung, die juristisch korrekt, aber politisch trügerisch ist. Wenn selbst das Kanzleramt nicht weiß, wem ein Kulturstaatsminister wirtschaftlich verpflichtet ist, dann ist das nicht mehr nur ein Problem der Transparenz, sondern eines der Integrität.

FAZ vermutet Weltverschwörung gg Grüßaugust
Weimer wird zum Problem für Merz
Ein solcher Minister ist in einem Rechtsstaat keinen Tag länger tragbar. Jeder Tag, den Wolfram Weimer weiter im Amt bleibt, wird zum Tag, an dem Friedrich Merz mit ihm in die Verantwortung rutscht. Der Skandal reicht längst über das Kanzleramt hinaus – er wird zum Amigo-Fall, der an den Beinen des CDU-Vorsitzenden hängt.

Denn je länger dieser Kulturstaatsminister im Amt bleibt, desto klarer zeigt sich: Hier geht es nicht mehr um Aufklärung, sondern um Aussitzen. Mit jedem Tag Verschleppung weitet sich der Schatten sowie der Schaden auch über Merz, dessen Name untrennbar mit Weimer verknüpft ist. Diese Personalie wird kein Ende finden – sie wird sich fortsetzen.

Weimer, der auf der Frankfurter Buchmesse US-Techkonzerne noch des „geistigen Vampirismus“ bezichtigte, steht nun selbst als Blutsauger da: ein Politiker, der Urheberrechte predigt und gleichzeitig davon lebt, sie zu umgehen. Dass viele große Medienhäuser diesen Widerspruch als Nebensache behandeln, zeigt, wie dünn der Lack der Moral im Berliner Kulturbetrieb geworden ist.

Ein Kulturstaatsminister, der das Urheberrecht mit Füßen tritt, eine Presse, die ihn dafür entschuldigt, und eine Regierung, die schweigt – das ist kein Zufall, sondern Symptom. Mit jedem Tag, den dieser Skandalminister weiter im Amt bleibt, beschädigt er nicht nur sein Ressort, sondern den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, den die Regierung noch besitzt.

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Kommentare ( 79 )

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Franz-Xaver
1 Monat her

Recherche, Kritik, juristisches Vorgehen usw. kommen von Räächts. Also passiert gar nichts, der Fall wird medial tot geschwiegen. Deshalb existiert er für die Masse der Schafsherde gar nicht. Kämen die Angriffe von Links, wäre das ganze schon eine Staatsaffäre und Weimer weg. Wir sind in einer Bananenrepublik. Akzeptieren wir das endlich.

Axel Fachtan
1 Monat her

Willkommen im Land der einarmigen Rabattmarkenfälscher. Willkommen in unserer Demokratie der krummen Hunde.

Claudia Roth war schon widerlich genug. Diese Pockennarbe, dieser Gezeichnete, toppt sie noch.

Diese Union ist noch unverschämter als die Grünen. Sie ist widerwärtig und zersetzt das Land.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Axel Fachtan

Ist ja auch schon länger dabei als grün, im politischen Zirkus uns zu Lasten.
Wenn wir wüssten, was für Schindluder über die Zeit bereits mit uns getrieben wurde – wobei sie seit einigen Jahren tatsächlich „übertreiben“.
Neugierig bin ich, ob wie in den USA ein „turnaround“ überhaupt noch möglich sein wird. Und wer uns da tatsächlich an der Kandare führt.

Endlich Frei
1 Monat her

Herr Weimer stellt grundlegenste Verfassungsprinzipien unserer Demokratie in Frage. Dabei geht er sogar Parlamentarier an.

Man muss Weimer sagen, dass er damit 50 Jahre zu spät kommt. Er versteht sich nicht als „Innenminister“, sondern als Nachfolger Erich Mielkes.

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Friedrich Merz von Blackrock, der umtriebige Wirtschaftslobbyist der EU- und NATO-Drohnen- und Marschflugkörperaufrüstung für die Ukraine wird offiziell Bundeskanzler genannt. Und, stört sich jemand daran?
OK, sein Amigo Weimer ist ein Hochstapler. Aber die ganze Regierung ist doch ein Panoptikum. Weimer kann sich wenigstens noch ordentlich kleiden und frisieren, so daß er zumindest das Niveau eines Loriot-Filmes erreicht. Und er ist durch realen Kuhhandel zu seinem Posten gekommen. Andere kommen nur durch Quote überhaupt so weit.

Harry Hirsch
1 Monat her

„Mit jedem Tag, den dieser Skandalminister weiter im Amt bleibt, beschädigt er nicht nur sein Ressort, sondern den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, den die Regierung noch besitzt.“

Da ist schon lange kein Rest mehr. Wenn diese Regierung je einen Funken an Glaubwürdigkeit hatte, war sie spätestens nach dem schmutzigen Trick mit der Abstimmung zum Sonderschuldenprogramm restlos wieder weg.

Schwabenwilli
1 Monat her

So wie ich das verstanden habe sind viele Texte ja schon Jahre alt.
Das wirft die Frage auf weshalb gerade jetzt kommt das raus, bei wem hat sich Weimer unbeliebt gemacht und warum haben seine Anwälte gleich nachdem er Minister geworden ist nicht sofort die Publikationen in seinem Verlag auf Wasserfestigkeit überprüft?
War doch klar das sobald er Minister ist überprüft wird ob er Dreck am Stecken hat.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Schwabenwilli

Bei Alexander Wallasch – weil er wohl nicht dafür zahlen wollte – so ich das recht verstehe.
Wallaschs wiki ist interessant, denn dort wird auf die Affäre Weimer gar nicht eingegangen, der Autor aber insgesamt überaus schräg beleuchtet!

imapact
1 Monat her

Erstaunlich ist, daß die Linken trotz alledem vergleichsweise zurückhaltend sind. Normalerweise müßte das ein gefundenes Fressen sein, zumal sie ja Weimers Ernennung zum Kulturstaatsminister mit Ablehnung begegneten. Welchen Preis Weimer wohl dafür zahlen muß?

RiverHH
1 Monat her

Diese Regierung hatte vom ersten Tag an keinerlei Glaubwürdigkeit! Diese „Regierung“ fügt unserem Vaterland täglich schwerste Schäden zu. Ich kann gar nicht alles aufzählen: Umvolkung, De-Industrialisierung, schreddern unser Renten-, Sozia- und Krankensysteme, Islamisierung, zerbröseln unserer Infrastruktur, ausufernde Kriminalität, Bildung und Schulen sind am Ende, Juden- und Israelhass, Gendergaga usw. usw.

Monika Vogel
1 Monat her

Wir werden Leute, wie Weimer, Merz usw.erst los, wenn das System wirtschaftlich oder aus anderen Gründen kollabiert. So wie es in der DDR war. Und das kann dauern, vor allem da die Gewaltenteilung nur noch in Restbeständen existiert.

Niklot
1 Monat her

Ich frage mich, warum das ganze System Weimer jetzt erst auffällt.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Niklot

Weil sie seit der Endzeit Merkel maßlos übertreiben in ihrer „Politik“ gegen den Bürger, dessen Leib&Leben, Hab&Gut.
Gelaufen ist die Politiker bereichernde Chose wahrscheinlich schon von Anbeginn der Manifestierung der Republik – und zwar begonnen auf kommunaler Ebene wie in allen öffentlichen Ämtern.
Schade, dass Politikerkonten nicht mal nach deren Tod öffentlich gemacht werden müssen, um das Ausmaß der Selbstbedienung zu erfahren.