Tichys Einblick
In der Krise ohne Antworten

Wie Nancy Faeser im Bundestag alle unbequemen Fragen vermeidet

Egal ob aus den Reihen von CDU/CSU oder denen der AfD: Bundesinnenministerin Nancy Faeser erweist sich als unfähig zum konstruktiven Umgang mit Kritik. Fragen, die ihr nicht gefallen, ignoriert sie.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Befragung im Deutschen Bundestag am 16. März 2022

IMAGO / Political-Moments

Wer ihre überaus offene Migrationspolitik kritisiert, gilt für Frau Faeser offenbar als rechtsextrem. Fragen nach ihrem eigenen Engagement für die linksextreme Antifa wischt sie dagegen mit einem süffisanten Lächeln und der Bemerkung weg, sie habe sich in Hessen einst hinter die Polizei gestellt, wo es um linksextreme Aktionen im Dannenröder Forst gegangen sei. Das mag so sein oder auch nicht. Aber macht einen eine solche Wortmeldung schon zur gemäßigten Kraft? Könnte es nicht sein, dass man einfach verstanden hat, wie man in Deutschland etwas wird, nämlich auch durch Anpassung?

In Faesers Fall könnte man nicht nur vom Juste-Milieu sprechen, sondern gleich vom Juristenmilieu, das beispielsweise ja auch in den USA die ganz ähnliche Figur der Kamala Harris hervorbrachte: eine Law-and-Order-Politikerin, die aber bei bestimmten besonders „diversen“ Gruppen betont nachsichtig und empathisch agiert. Für Harris waren sie das Ticket zu ihrer Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidatur. Ebenso mag Faeser die hiesige „Diversität“ als ihr Sprungbrett sehen.

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Das merkte man auch am Mittwoch im Bundestag, wo sie linksradikalen und diversen Fragestellerinnen „ganz herzlich“ für ihre Fragen dankte. Bei CDU-Abgeordneten sah das schon anders aus. Denn hier fielen Fragen schon einmal kritischer aus, etwa bei der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, nicht gerade als Linken-Feindin bekannt, sondern ein Urgestein der Merkel-Entourage. Sie fragte, wie es genau um eine Kooperation steht, die das Bundesinnenministerium stolz auf seiner Seite präsentiert: „BMI kooperiert mit #Unterkunft-Ukraine und Airbnb.org“. Zwei private Organisationen sollen also die Wohnungsnot der Flüchtlinge mindern: Die eine wird laut Impressum von der „gemeinnützigen Aktiengesellschaft“ gut.org getragen, die andere ist bekannt für Urlaubsbetten und Zimmer in aller Welt.

Laut Pressemitteilung will das BMI damit dafür sorgen, dass die „Vermittlung“ von Unterkünften „strukturiert“ organisiert wird: „Wir erleben eine Welle der Solidarität. Die Zivilgesellschaft hat bereits 300.000 kostenlose, private Angebote in ganz Deutschland mobilisiert“, so der Staatssekretär Dr. Markus Richter in dem Text vom 10. März. Die Mitteilung des BMI suggeriere, so Widmann-Mauz, „dass es sich dabei um seriöse Übernachtungsangebote handle“. Doch wie sieht es eigentlich mit der Prüfung der Haushalte aus, die hier Frauen und Kinder aufnehmen? Das könnte durch die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses geschehen. Außerdem sollten die so Untergebrachten sich natürlich bei den Ausländerbehörden melden, so die Unionsabgeordnete.

Faeser quittierte das mit einer Fast-Nicht-Antwort: Natürlich habe man die anbietenden Unternehmen entsprechend informiert. Außerdem, was offenbar das Vertrauen Faesers ins Exponentielle wachsen ließ, seien es ja „nur große Vermittler von Wohnraum“. Doch auf den beiden verlinkten Seiten geht es gerade darum, dass sich Privathaushalte als Flüchtlings-Refugien anbieten, so wie man es von der Airbnb-Plattform kennt. Schaut man sich an, wie eine Registrierung als Anbieter einer solchen „Notfallunterkunft“ funktioniert, finden sich keine Anforderungen an die Gastgeber.

Mit anderen Worten: Eine Prüfung der privaten Anbieter scheint nicht stattzufinden. Auch bei der anderen Plattform ergibt sich ein ähnliches Bild – also in beiden Fällen freie Fahrt für Menschenhändler und potenzielle Straftäter aller Art. Von geschützten Räumen für Frauen und Kinder kann keine Rede sein. Angeblich will die Ministerin bald eine eigene Plattform gründen.

Faeser hält sich ans „Hellfeld“ – die im Dunkeln sieht auch sie nicht

Auch die Frage des CDU-Generalsekretärs Mario Czaja, die dieser insgesamt dreimal erfolglos formulierte, ignorierte die Ministerin dreimal: Müssen sich Anbieter von Flüchtlingswohnungen registrieren, so wie es in Polen verlangt wird? Faeser tat jedes einzelne Mal so, als ob es hier um die Registrierung der Flüchtlinge ginge. Dabei richtete sich Czajas Frage auf die Gastgeber.

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Die Privatisierung der Hilfe geschieht in Polen wie in Deutschland, es ist derzeit vielleicht nichts anderes möglich. Doch der deutsche Staat behält seine Fürsorgepflicht für die von ihm Eingeladenen und Aufgenommenen. Das Handeln der Bundesministerin Faeser wird – Heiko Teggatz sagte es im Interview mit TE – von einer „falsch verstandenen Hilfsbereitschaft“ getragen. Die Verantwortung dafür, die Haftung für allfällige Schäden und das Risiko von Straftaten in einem weitgehend unkontrollierten Raum mögen andere übernehmen und eingehen.

Als der Abgeordnete Gottfried Curio (AfD) fragt, wie es um die Drittstaatler und Trittbrettfahrer im aktuellen Flüchtlingsstrom steht, verweist die Ministerin erstmals auf Zahlen, die sie bisher anscheinend nur dem WDR mitgeteilt hat: Sechs Prozent der Flüchtlinge sollen demnach in eine Kategorie gehören, die irgendwie mit Curios Frage zusammenhängt, reisen also wohl ohne biometrischen Pass, sondern mit Visa oder ohne Papiere ein. Das sei kein „Riesenproblem“, man dürfe solches nicht aufbauschen, meint die Ministerin. Doch ob das Problem aufgebauscht wird oder nicht, bleibt eben die Frage.

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Denn natürlich wurde dieses „Hellfeld“ von Einreisenden mit oft fragwürdigen Nicht-Schengen-Visa von der Bundespolizei registriert. Sonst wüssten wir nichts davon. Die Kritik von Bundespolizisten wie Heiko Teggatz richtet sich ja vor allem auf das zu erwartende Dunkelfeld von mehr als 50 Prozent der Einreisenden. Das ist die „schwarze Materie“, die auch eine Ministerin Faeser nicht mit Röntgenblick durchleuchten kann.

Wie erklärt sich dieses große Dunkelfeld? Einerseits gibt es an den meisten deutschen Grenzabschnitten nur stichprobenartige Kontrollen. Andererseits kommen die Bundespolizisten heute auch dazu nicht mehr, weil sie restlos mit der Registrierung der ankommenden Menschen beschäftigt sind. Die Zahlen, die dem Ministerium vorliegen und die ja nur von der Bundespolizei stammen können, sind laut Teggatz „definitiv nicht repräsentativ“. Der Kontrollverlust, also die Abwesenheit von Kontrollen an deutschen Grenzen und Bahnhöfen, den sogar die freiwilligen Flüchtlingshelfer beklagen, wird von Faeser rundheraus bestritten, obwohl er offenkundig ist.

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Auch Curios Nachfrage, was sie in Bezug auf die „hunderttausenden ausreisepflichtigen Asylbewerber“ tun wolle, ignorierte Faeser gekonnt, indem sie erstens Curios „Sprachgebrauch“ kritisierte (Was gefiel ihr nicht? Das Wort von den „unerwünschten Trittbrettfahrern“?) und dann sehr wolkig von der „Integration und Aufnahme von Menschen, die vor Krieg fliehen“, sprach. Das sollen offenbar die Ukraine-Flüchtlinge sein.

Keine Zeit oder keinen Sinn hat die Ministerin in diesem Moment offenbar für andere Fragen, zum Beispiel die nach der langjährigen Belastung des deutschen Asylsystems durch abgelehnte Asylbewerber. Dann noch die letzte Fehlbehauptung: „Die Bundespolizei macht einen großartigen Job. Mein Dank gilt der Bundespolizei, und mit Herrn Teggatz bin ich auch im engen Austausch.“ Genau das konnte der Gewerkschaftschef noch zwei Tage früher so nicht bestätigen.

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