Schließt sich die Schweigespirale?

Nach dem kommenden Sonntag in Berlin werden wir wissen, ob die Schweigespirale nicht mehr größer wird, sondern sich nach langer Zeit zu schließen beginnt.

Bernd Zeller

„Wir dürfen gespannt sein, … welches Ausmaß die Schweigespirale annimmt“, schrieb ich vor den Landtagswahlen in MeckPomm. In der Kommentierung der Wahl-Ergebnisse interessierte sich nach meiner Beobachtung niemand für diese Frage. Und das obwohl doch nicht nur mir aufgefallen sein kann, dass die Umfrage-Ziffern zum ersten mal seit langer Zeit den tatsächlichen Resultaten sehr nahe kamen, dass die Demoskopen am Wahlsonntag nicht verloren.

Für Berlin sehen die zeitnähesten Umfragen so aus (wie vor MeckPomm liegen auch hier die verschiedenen Institute wieder nahe beieinander):

Bildschirmfoto 2016-09-14 um 15.21.28

Bestätigen sich auch diese Zahlen am kommenden Sonntag in Berlin wieder, dürften wir daraus schließen, dass sich etwas Grundlegendes geändert hat: Es hätten repräsentativ viele Wahlberechtigte ihre Scheu verloren, in Umfragen auch dann zu sagen, was sie wählen werden, wenn die Partei ihrer Wahl die AfD ist, also keine der schon länger etablierten Parteien. Dann wäre die Schweigespirale dabei, sich zu schließen.

Berlin ist der letzte Wahltermin in diesem Jahr. 2017 warten diese Abstimmungen:

  • 12. Februar Bundesversammlung: Bundespräsidentenwahl
  • 26. März Landtagswahl Saarland
  • 7. Mai Landtagswahl Schleswig-Holstein
  • 14. Mai Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
  • 17. oder 24. September Bundestagswahl

Schweigespirale und Ratlosigkeitsspirale
Die Ratlosigkeit der Etablierten ist der Treibsatz der AfD
Was also im Oktober, November und Dezember politisch nicht mehr passiert, findet auch 2017 nicht statt, weil nur noch Wahlkampf ist. Viel Platz hat auch bis Weihnachten nicht, weil CDU und CSU die Frage Kanzlerkandidat wälzen, die SPD auch. Der SPD-Kandidat ist so unwichtig nicht, wie viele sagen, weil sich die Alternativen Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün-Gelb oder Rot-Grün-Rot rechnerisch durchaus stellen können, obwohl die letztere mit jedem Prozent AfD mehr immer unwahrscheinlicher wird. Aus diesem Teufelskreis kommen die älteren Parteien nicht raus, so lange sie am Ausschluss der AfD aus allen Koalitionsüberlegungen festhalten. Auf Bundesebene wird es dabei sicher bis 2021 bleiben. Das Schicksal der AfD entscheidet sich daran, was sie bis dahin in den Länderparlamenten zustande bringt oder nicht.

Bis dahin werden Koalitionskonstellationen möglich, die früher undenkbar waren. In Berlin dürfte es wohl auf die Wahl zwischen Rot-Grün-Rot und Schwarz-Rot-Gelb hinauslaufen. Wenn die FDP nicht ins Abgeordnetenhaus kommt, kriegen wir dann Schwarz-Grün-Rot? Ergebnis-Kabarett wäre es, die drei bekämen je 18 Prozent.

Wegen der gezeigten Zeit-Abläufe und der damit verbundenen Zwänge für alle, die sich wieder oder erstmals in einem der Parlamente sehen wollen, werden wir bis zur Wahl im Bund auch keine Antwort auf die spannendste Frage kriegen: Wann kehrt welche Partei zur eigentlichen Aufgabe von Politik zurück, der Lösung von liegen gebliebenen großen Problemen – jenseits der Einwanderung, mit der nicht zuletzt die Medien alle von ihr ganz unabhängigen grundlegenden Defizite verdecken: Eine Wirkung, die der einen oder dem anderen in Schlüsselpositionen sehr gelegen kommt.

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