Stadtbibliothek Münster: Gericht erklärt Warnetiketten für Bücher für unzulässig

Die Stadtbücherei Münster wollte Bücher mit „umstrittenem Inhalt“ öffentlich brandmarken und den Leser vor „falschen“ Gedanken schützen. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Erziehungsversuch jetzt gestoppt. Das Urteil ist ein Sieg für die Meinungsfreiheit und eine empfindliche Niederlage für alle selbsternannten Meinungspolizisten.

IMAGO/ Rüder Wölk
Stadtbücherei Münster

In Münster wollte die Stadtbücherei den großen Aufpasser spielen. Zwei Bücher, die nicht ins enge linke Weltbild passten, wurden kurzerhand mit einem moralischen Warnschild versehen: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt.“ Damit sollte der Bürger schon beim Griff ins Regal daran erinnert werden, was er besser nicht lesen sollte.

Der Autor dieser Bücher stellte in seinen Werken die bemannte Mondlandung infrage und bestritt den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki. Für die Bibliothek offenbar Grund genug, ein ideologisches Stoppschild direkt aufs Buch zu kleben. Schließlich könnten Leser auf „falsche“ Gedanken kommen, wenn man sie ohne entsprechenden Hinweis durchs Leben gehen lässt.

Dieser Bevormundungsversuch der Stadtbücherei Münster ist mit dem aktuellen Urteil gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht Münster zog dem Maulkorb-Projekt den Stecker. Laut Gericht verletzte der Hinweis das Grundrecht des Autors auf Meinungsfreiheit und seine Persönlichkeitsrechte. Ein Autor darf schreiben, und Leser dürfen lesen und sich ihre Meinung selbst bilden.

Die Stadtbücherei hatte ihre Zensur besonders perfide als „Service“ getarnt. Man stelle die Bücher „aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit“ bereit, hieß es im Hinweis. Ein Euphemismus, so durchsichtig wie billig. Wenn Freiheit plötzlich mit einem roten Warnetikett versehen wird, sind wir nicht mehr weit von geistigen Sperrzonen entfernt. Das Gericht stellte klar, dass Bibliotheken Bücher anschaffen oder ablehnen dürfen. Aber eine inhaltliche Bewertung direkt am Buch, die potenziell abschreckt, sei unzulässig. Damit übertritt die Stadtbücherei nicht nur eine rechtliche, sondern vor allem eine demokratische Grenze.

Bibliotheken sollen Räume für freie Gedanken sein, keine ideologischen Trainingslager. Der mündige Bürger soll sich dort informieren, hinterfragen, eigene Schlüsse ziehen und nicht pädagogisch gelenkt und gegängelt werden. Wer Bücher nur noch mit staatlichem Beipackzettel zulässt, zeigt ein tiefes Misstrauen in die Urteilskraft der Bürger. Der Hinweis degradierte den Leser zum unmündigen Kind, das vor geistigem Schaden bewahrt werden muss. Das OVG erinnerte eindringlich daran, dass Bibliotheken kein politisches Instrument sind, sondern Orte der unzensierten Bildung und Diskussion.

Es offenbart sich eine Haltung, die lieber glaubt, Menschen müssten vor Worten geschützt werden, statt ihnen die Reife zuzutrauen, selbst zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Damit wird nicht nur das Buch abgewertet, sondern auch jeder, der es lesen will. Es steht jedem selbst frei, das entsprechende Buch und seinen Inhalt als Unsinn zu bewerten. Eine Institution hat diese Bewertung zu unterlassen.

Die Entscheidung des Gerichts ist ein notwendiger Dämpfer für all jene, die meinen, den öffentlichen Raum mit pädagogischen Leitplanken ausstatten zu müssen. Denn wer einmal anfängt, Bücher mit Warnschildern zu versehen, wird bald überall „umstrittene Inhalte“ markieren wollen. Dieser Drang zur ideologischen Hygiene ist kein Einzelfall. Er zieht sich durch Schulen, Museen, Medien und nun auch Bibliotheken. Immer häufiger sehen sich Institutionen als Vormund statt als neutrale Plattform.

Die Stadtbücherei Münster hat mit diesem Vorstoß gezeigt, wie schnell der Weg in die Gesinnungslenkung führt. Wer heute Bücher etikettiert, kann morgen schon ganze Regale aussortieren. Das Gericht hat diesen gefährlichen Trend gestoppt, wenigstens vorerst. Dass der Beschluss unanfechtbar ist, kann man als Sieg für die Meinungsfreiheit feiern. Aber er ist auch ein Alarmzeichen: Wie viele ähnliche Versuche laufen bereits? Wie viele Bürger merken gar nicht, wie sehr ihr Zugang zu Informationen schon gefiltert wird?

Das Urteil schützt nicht nur ein Buch, sondern die Grundidee einer offenen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die dem Einzelnen zutraut, selbst zu denken, zu irren, zu zweifeln. Und genau davor scheinen manche öffentliche Einrichtungen die größte Angst zu haben.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 18 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

18 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
HansKarl70
5 Monate her

Da muss man ja fast dankbar sein das es noch solche Urteile gesprochen werden.

Amadeus
5 Monate her

Oha, die örtliche Lastenradfahrerfraktion und Gutmenschengemeinde wird toben. Samstag dann wieder „Omas gegen Rääääächts“.

Sagen was ist
4 Monate her

An sich bedauerlich, dass die „Warnschilder“ entfernt wurden.
Interessante Bücher/Themen waren somit einfach zu erkennen.
Klassischer „Streisand-Effekt“ als Eigentor, hier mal im betulichen Münster.

Köstlich

maru
4 Monate her

Eigentlich finde diese Markierung doch gar nicht so schlecht wie ich spontan dachte.
Dann weiß jeder auf Anhieb was lesenswert ist.

Innere Unruhe
4 Monate her

Bedeutet es, dass der Leser das zu lesen bekommt, was das lokale Zentralkommetee für unbedenklich befunden hat?
Ich werde nicht müde, mich zu wundern… das sind doch alles Menschen, die früher die Sowjetunion für so schrecklich unfrei in jeglicher Hinsicht befunden haben. Dort aber hat es das Radio Eriwan gegeben… Deutschland hat leider kein solches Radio.

maru
4 Monate her

Endlich mal GUTE Nachrichten!
Ich möchte hiermit anregen, JEDEN TAG auf TE zumindest eine gute Nachricht zu platzieren.
Für die geistige Gesundheit ist das in diesen schlimmen Zeiten überlebensnotwendig.

Vogelfrei
4 Monate her

Nach der Rückgabe sollte das gelöscht sein.

Vogelfrei
4 Monate her

Der Artikel ist ein bißchen naiv. Flächendeckend werden unwoke Titel in den Öffentlichen Bibliotheken kaum noch angeschafft, machen Sie mal die Probe im Online-Katalog Ihrer örtlichen Bibliothek. Und dann entsteht dieses „Problem“ erst gar nicht. Ich sehe derartige Aufkleber als wertvolle Hinweise der verantwortlichen Bibliothekare, da nehme ich auch mal so einen Titel zur Nichtmondlandung in Kauf.

Innere Unruhe
4 Monate her
Antworten an  Vogelfrei

Bei uns ist die QueerWoche oder Monat… bin mir icht sich. Es wird für Queer geworben. Eine Sarazin – Woche gab es noch nie.

peter sponsel
4 Monate her

Wenn das mit dem Markieren nicht klappt, kann die Stadtbibliothek die Bücher immer noch aussondern/verkaufen. Verbrennen geht nicht – würde auch die C0²-Bilanz verhageln.

ekki
4 Monate her

gute neuigkeiten, eigentlich selbstverständlich.

J. Braun
4 Monate her

Ich verstehe die Aufregung und den Weg bis zum Oberverwaltungsgericht nicht. Da wollte ganz offensichtlich jemand — wer? — ein Grundsatzurteil erzwingen. Denn es ist ursächliche Aufgabe der Bibliotheksleitung zu entscheiden, welche Bücher sie überhaupt ins Portfolio aufnimmt. Den aus Sicht der Bibliothek offensichtlich hingespinstigen Unsinn hätte man also gar nicht aufnehmen müssen und sich so die ganze komplizierte Angelegenheit mit dem Warnhinweis und dem Gang durch die Instanzen sparen können. Meine Frage also: Was waren die Hintergründe dieses Falls.

H. Priess
4 Monate her
Antworten an  J. Braun

Ach, wer darf dann ins Portfolio und wer bestimmt das nach welchen Maßstäben? Ist Kant erlaubt aber Nietsche nicht dem man narzistisches Gedankengut verbreitet. 1984 ja aber nur die neueste Auflage mit dem Vorwort von Habeck?
Die Hintergründe dieses Falles, was sie wohl nicht begreifen, es wird einem Buch ein Stempel aufgedrückt der den Inhalt, wie man Neudeutsch sagt, einordnet. Es ist nicht die Aufgabe einer öffentlichen Bibliothek etwas einzuordnen außer wenn die die Bücher in die Regale einordnen.

Vogelfrei
4 Monate her
Antworten an  H. Priess

Leider falsch, denn sowohl die Regalfläche als auch die Etats sind begrenzt.

Haba Orwell
5 Monate her

Irgendwelche Bapperle in einer Stadtbücherei auf nicht mal politischen Büchern sind noch ein kleines Problem – auch noch die korrupte „UNO“ will zensieren: https://tkp.at/2025/07/09/uno-taskforce-nimmt-agenda-2030-kritiker-ins-visier/ > „… Der Bericht plädiert dafür mit einer breiten Koalition aus Staaten, NGOs, Unternehmen und anderen Gruppen koordinierte staatliche „Maßnahmen“ zu ergreifen, um die „Risiken“ zu bewältigen. Ein Bekenntnis zu freier Rede und Meinungsfreiheit, ein grundlegendes Bürgerrecht, fehlt darin. …“ Und als Maßnahmen der totalitären Möchtegerne-Weltregierung: > „… Er forderte eine Vielzahl von Akteuren, darunter Regierungen, Technologieunternehmen, Nachrichtenorganisationen und Werbetreibende, auf, zusammenzuarbeiten, um Inhalte zu unterdrücken. … Damals wurden auch Methoden präsentiert, um dieses Ziel zu… Mehr