Neu, next, grün und CO2-frei: Die EU nach von der Leyens Plan

Europa solle CO2-frei und damit der »erste klimaneutrale Kontinent« werden, verkündet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dafür müsse der Ausstoß an CO2 um beispiellose 55 Prozent reduziert werden. Ökonomische Risiken und Nebenwirkungen interessieren wenig.

imago images / Xinhua
Ursula von der Leyen

Das Klimablaue vom Himmel versprach Ursula von der Leyen bei ihrer ersten Rede zur Lage der EU. Die Kommissionspräsidentin, die vor einem drohenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus dem Berliner Verteidigungsministerium auf die Brüsseler Spitzenposition entkam, verkündete: »Wir möchten Vorreiter weltweit sein.«

Ihr »Neuer Grüner Deal« sieht natürlich in Europa keine Autos mehr vor, zumindest nicht solche, die mit Verbrennermotoren angetrieben werden. Für E-Autos sollen mal eben eine Million Ladestellen entstehen; wo der Strom dafür herkommen soll, wenn immer mehr Kraftwerke abgeschaltet werden, interessiert sie in ihrer Rede nicht einmal beiläufig.

750 Milliarden Euro sollen über »umweltfreundliche Anleihen« für grüne Zwecke locker gemacht werden. Genug Geld sei also vorhanden, meinte sie.

Kein Bereich soll ungeschoren davonkommen: Für 40 Prozent der Emissionen sei der Gebäudebereich zuständig. Man ahnt, was kommen soll: Die sollen weniger Energie verbrauchen, also frieren für den Klimawandel. Als Baumaterialien empfahl sie Holz und Künstliche Intelligenz. Es könne ein »neues europäisches Bauhaus« entstehen für die »Next-Generation EU«.

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Wasserstoff solle die Kohle bei der Stahlherstellung ersetzen. Von der Leyen versprach »grünen Stahl«, der mit blauem Wasserstoff anstelle schwarzer Kohle erzeugt wird und so die Welt rettet. »Ich verstehe, dass es für einige zu viel ist, für andere nicht genug«, meinte sie.

»Unsere Wirtschaft« schaffe das aber, bekräftigte sie mit Blick auf Deutschland, in dem dummerweise gerade der große industrielle Kehraus stattfindet. Streichung von Arbeitsplätzen, Insolvenzen und schliessende Fabriken spielen in der Brüsseler Blase keine Rolle. Auch nicht, dass gerade Continental 30 000 Arbeitsplätze streichen will, deren größter Aktionär Schäffler 4400 und MAN 9500 Stellen. Ein Drittel der Autozulieferfirmen gilt als »akut gefährdet«. Für Von der Leyen offenbar Peanuts.

Wohlgefällig konnte sie dagegen jene rund 150 Wirtschaftsvertreter erwähnen, die bei ihr antichambrierten und ausdrücklich um ein verstärktes »Weiter so!« in der Klimapolitik baten. Die großen Unternehmen reklamieren mindestens 55 Prozent Einsparung.

Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Allianz und erstaunlicherweise sogar SAP stehen an und wollen ihren Teil von den Brosamen aus der Staatskasse. Die einstigen Energieriesen RWE, E.on und Vattenfall sind längst zu staatlich alimentierten Institutionen verkommen, die sich das Abschalten ihrer Kraftwerke teuer vom Staat bezahlen lassen. Aus Aktionärssicht ist auch ziemlich gleichgültig, wo das Geld herkommt: Von redlich erarbeiteten Stromverkäufen oder aus vom Staat fürs Abschalten überwiesenen Mitteln. Stattliche staatliche Alimentationen haben die Unternehmenslenker zu ihrem großen Kotau vor der Klimapolitik beflügelt. Die Politik gibt vor – die Manager führen willig aus.

Von der Leyen rief im Parlament unwidersprochen fast 40 Jahre nach Einführung des Internets tatsächlich das »digitale Zeitalter« aus und wollte eine »europäische Cloud«. Sie sagt nicht, woher die gewaltigen Mengen an Strom kommen sollen, die digitale Infrastruktur und Rechenzentren benötigen, wenn Kraftwerke abgeschaltet sind, und mal wieder der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

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In jedem Fall soll dieses »Neuland« (Merkel) Internet »bis ins letzte Dorf« ausgebaut werden, 5G und 6G und Glasfaser gleich mit, denn das sei wichtig, hat sie erkannt. Man kann kaum noch nachvollziehen, zum wievielten Male schon diese Forderung zu hören war. Und man vermeint, von ferne das grölende Lachen der US-Internetgiganten zu hören. Das Einzige, das die EU fertig bringt, ist, jenen Hightech-Riesen ein paar Milliarden als Strafzahlungen aus der Tasche zu leiern, anstelle in der EU den Boden für eigene freie Entwicklungen zu bereiten.

Acht Milliarden Euro sollen laut von der Leyen für die nächste Generation von Supercomputern ausgegeben werden. Die europäische Industrie solle außerdem nach ihren Worten einen neuen Mikroprozessor entwickeln. Aus Brüssel vermutlich schwer zu erkennen, dass die europäische Halbleiterindustrie schon längst abgewandert ist. Die Sätze von der Leyens muffeln nach Erich Honecker, der 1986 den Experten des Zentrums für Mikroelektronik (ZMD) in Jena befohlen hatte, den internationalen Anschluss zu finden und 1988 einen Chip als Beweis für die Leistungsfähigkeit des Sozialismus entgegennahm. Doch Chip und Land waren längst Auslaufmodelle.

Sie schwärmt in ihrer Rede von Technologien wie Precision Farming, der mit IT-Technologie präzise arbeitenden Landwirtschaft. »Aber diese Welten brauchen Regeln«, meinte sie in sozialistischem Neusprech. Doch die benötigen eher weniger Bürokratie, gar Gender-, Quoten und andere Unsinnsregeln, sondern Selbstverantwortung und Handlungsfreiheit. Ein europäisches Google bliebe vermutlich im Dschungel von Vorschriften, Einschränkungen und spätestens bei der fehlenden LGBT– und Quotenfrage hängen, anstatt sich frei entwickeln zu können.

Tatsächlich fiel dann in von der Leyen Rede auch das Stichwort: LGBT-freie Gebiete seien menschlichkeitsfreie Gebiete, meinte sie, so unglaublich das auch klingt. Ein »Koordinator für Rassismus« soll installiert werden.

»Europa muss jetzt führen« und man müsse »schnell und entschlossen handeln!«, rief sie den wenigen Parlamentariern entgegen, die sich zu ihrer Rede ins Parlament verirrt hatten und wissen wollten, was die Stunde der EU geschlagen hat.

Warum das Ganze? Um »unseren zerbrechlichen Planeten« zu retten. »Der erhitzt sich immer weiter.« Die Gletscher des Mont Blanc seien bereits kollabiert, wusste sie.

In jedem Fall wollen ihre Bürokraten in Brüssel bis kommenden Sommer auflisten, wem alles im Zuge der CO2-Abgaben Geld abgenommen werden könne, und die rechtlichen Grundlage dafür schaffen. Jenes mittelalterliche Ablass-Emissionshandelssystem hat sich als so ertragreich erwiesen, dass es auf weitere Bereiche ausgeweitet werden soll. Bisher müssen nur Industrie, Autoverkehr und Kraftwerke CO2 Abgaben bezahlen. Da geht noch mehr.

Die EU habe die Abschaffung der europäischen Industrie beschlossen, hatte der frühere BDI-Präsident Hans Olaf Henkel vorher getwittert. Das Freiburger »Centrum für europäische Politik« kritisierte von der Leyens Rede als »wirtschaftspolitisches Harakiri«:

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»Entgegen der Darstellung von der Leyens ist die Verschärfung des EU-Klimaziels, die CO2-Emissionen gegenüber 1990 bis 2030 statt um 40 Prozent um mindestens 55 Prozent zu reduzieren, eine immense Herausforderung für Bürger und Volkswirtschaften. Klimaziele sind leicht gesetzt. Aber gerade angesichts der Corona-Krise muss sichergestellt sein, dass dies die europäischen Unternehmen nicht überfordert und gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt.«

Am 23. Oktober wollen sich die Umweltminister der EU treffen, bis dahin soll die Position bei allen durchgepeitscht sein und bis Mitte Dezember soll das Parlament zustimmen.

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Kommentare ( 125 )

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moorwald
3 Jahre her

Z.B. auf Heise online kann man einen Blick in den Sitzungssaal werfen: gähnende Leere. Angeblich wgen Corona… Aber da wäre noch viel Platz trotz des vorgeschriebenen Abstands gewesen.
Anscheinend hatten die Abgeordneten besseres zu tun, als dieser wirren Person zu lauschen.

Peter Silie
3 Jahre her

Gegen CO2 reduziertem Stahl hätte ich nichts einzuwenden (die Erze müssen aber nach wie vor mit Maschinen aus der Erde gekratzt und klein zerschreddert werden). Auch gegen e-Autos habe ich nichts, im Gegenteil, es ist die bessere Technologie und eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Elektrische Energie ist die flexibelste überhaupt.
Aber das geht sinnvoll nur mit Atomstrom. Irgendwann wird dann hoffentlich die Kernfusion anwendungsreif sein, die absolut sicher und nochmal eine um den Faktor 10 höhere Energieausbeute liefert.

Jan Frisch
3 Jahre her

Noch einmal ganz langsam für alle Klimahüpfer und andere geistig Minderbemittelte:
CO2 + H2O wird von Pflanzen mittels Chlorophyll und Sonnenlicht in Glucose und Sauerstoff umgewandelt. Man nennt das „Photosynthese“, und die läuft mit weniger CO2 auch deutlich langsamer ab. Von der Leyen stellt einmal mehr ihre Lebensfeindlichkeit unter Beweis und gehört in den tiefsten Kerker statt in Regierungsverantwortung.

schwarzseher
3 Jahre her

Ein “ klimaneutraler Kontinent “ hat keine Windräder, die kinetische Energie in elektrischen Strom und damit letztlich in Wärme umsetzen, also auch keine Elektroautos, keine Menschen und keine Tiere, die bei jeder Bewegung Wärme erzeugen und CO2 ausatmen und vor allem keine Politikerinnen, die nur heiße Luft erzeugen.

WGreuer
3 Jahre her

Ich weiß ja nicht, geht es nur mir so?
Ich habe jeden Tag mehr das Gefühl, dass wir in der EU, auf Bundes- und Landesebene von Verrückten regiert werden. Von total verrückten Leuten, die vor einigen Jahren noch eingeliefert worden wären. Diese Leute leiden mindestens unter totalem Realitätsverlust, Größenwahn und Irrationalität. Und trotzdem finden das noch viele Bundesbürger toll.
Wahnsinn. Kompletter Wahnsinn ist alles, was mir dazu einfällt.

Britsch
3 Jahre her
Antworten an  WGreuer

Das sind Alles Leute die noch nie oder schon lange nicht mehr wirklich in der Realität des „Lebenskampfes des Volkes“ Arbeiten / Ihr Geld erarbeiten mußten. Das Geld kommt automatisch egal was sie machen. Sebst wenn sie Selbst die größte Sch…e bauen müssen sie dafür nicht haften und das „Ruhegeld“ ist ja eh sicher. Sie fühlen sich weit überlegen. Sie können über Andere bestimmen und deren Geld ausgeben ohne Diejenigen die es erarbeiten müssen, Fragen oder echt Rechenschaft Ablegen zu müssen. Sie gehören zu einer Feudalherrschaft / haben Sich ihr Feudalhersaftstum aufgebaut, zeitbereinigt vergleichbar wie im Mittelalter. Du hast zu… Mehr

Phil
3 Jahre her

Da es erklärtes Ziel der EU ist, sich über den Umweg des CO2-Ablass-Handels, eigene von Beitragszahlern unabhängige Steuerquellen zu erschleichen. Die EU entwickelt sich kontinuierlich zu einem Staat mit eigener Steuerhoheit und übergeordneten Befugnissen. Steuerhoheit beinhaltet gleichzeitig auch: Gesetzgebungshoheit, Ertragshoheit, Verwaltungshoheit, Rechtsprechungshoheit und im Falle der EU auch Währungshoheit.
Der Nationalstaat bzw. die einzelnen Mitglieder dieser Zwangsintegrationsmassnahme werden in absehbarer Zukunft kaum mehr etwas zu Melden haben. Demokratische Legitimation ist ab diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit mehr. Die EU-eigene Armee wird bereits seit längerem propagiert. Die European Gendarmerie Force (EGF) sind bereits seit 2006 Realität.

Britsch
3 Jahre her
Antworten an  Phil

Die EU „Regierung“ ist und war „vom Wähler, Volk“ noch nie legitimiert
und man arbeitet kontinuierlich am eigenen Machtausbau und totaler beseitigung eines Wahl, Mitspracherechtes des Volkes. Wie propagieren diese Regierenden, die oft selbst nicht begreifen was sie selbst machen, Das Volk, die Wähler wären zu dumm um begreifen zu Können was sie, die Regierenden machen.
Fragt sie wer zu dumm ist um realistisches Unteilsvermögen zu haben

Felix-Schmidt
3 Jahre her

Solange die Bevölkerungsexplosion vor allem in Afrika, Asien und arabischen Ländern nicht gestoppt wird, ist kein einziges Problem der Menschheit mehr lösbar.

akimo
3 Jahre her

welche Macht hat sie? Wie kann das durchgesetzt werden? Wie bei Angela? Da heißt es ja auch: Mutti befiehl, wir folgen! Kann Uschi auch so druchregieren?

Britsch
3 Jahre her
Antworten an  akimo

Man betracht wie die UvdL in Verschiedenen Ministerposten durch kann.
UvdL kann der „Aura“ Anderer welche die EU beherrschen wollen, um sie herum nicht gfährlich werden

Kontra
3 Jahre her

Ach wäre Ernst Albrechts „Röschen“ doch nur Dressurreiterin geworden, was wäre uns erspart geblieben.

GP
3 Jahre her
Antworten an  Kontra

Man hätte eine andere Sprechpuppe gefunden die man auf diesen Posten „befördert“ hätte. An Nachschub an gescheiterten Existenzen im Polit-Zirkus fehlt es ja nicht….

Stranzl
3 Jahre her

Warum nur 55% Reduzierung, wo doch schon heute jede unerwünschte Wurfsendung CO2 neutral (so jedenfalls der große Aufdruck) von der gelben Post geliefert wird. Deren Zaubertricks müssen übernommen werden.

akimo
3 Jahre her
Antworten an  Stranzl

Und die der Bahn: 100% Ökostrom.