Gesundheit in Deutschland: Die Decke ist zu kurz

Die Notaufnahmen sind überlastet, so viele Patienten wie nie flüchten in ihre Behandlung. Denn zu oft bekommen sie keinen Termin bei einem Hausarzt. Ministerin Nina Warken will das Gesundheitssystem nun reformieren – durch mehr Pflichtbesuche bei Hausärzten.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Deutsche Notaufnahmen haben im vergangenen Jahr 13 Millionen Fälle behandelt. Das sind 5 Prozent mehr als noch im Jahr 2023 – ein Rekord, seitdem die Zahlen erfasst werden. Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt. In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg war danach die Zahl der Fälle pro Kopf höher als in ländlich bestimmten Strukturen. Das Amt hat die Zahlen nach eigenen Angaben der Krankenhausstatistik entnommen.

Die Zahlen stellen ein veritables Problem da. Zum einen, weil die Notaufnahmen ohnehin überlastet sind. Einen entsprechenden Hilfeschrei setzt die Deutsche Krankenhausgesellschaft ab. Denn sie werden zweckentfremdet: „Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Krankenhäuser mehr und mehr die Aufgaben des niedergelassenen Bereiches übernehmen“, sagt Dr. Gerald Gaß, der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft. Die Notaufnahmen müssten daher Aufgaben übernehmen, da die Struktur „gerade in vielen ländlichen Regionen weg bricht“. Eigentlich sei es die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen sicherzustellen, dass die Hausärzte für die Notfallversorgung da sind. Doch: „Die Realität hat diese Theorie … längst eingeholt“, sagt Gaß.

Gesundheitsversorgung kollabiert
Die Migrationskrise erfasst jetzt auch die Krankenkassen
Menschen gingen auch mit Bagatellen in die Notaufnahme, berichtet Gaß. Sie täten das aber nicht, weil sie bequem seien, „sondern weil sie sich nicht anders zu helfen wissen“. Arztpraxen würden Patienten oft nicht mehr aufnehmen. Vor allem dann, wenn diese zum ersten Mal diese Praxis aufsuchen. Sie müssten dann monatelang auf einen Termin warten. „Auch die Anrufe bei der 116.117 enden vielfach mit dem Hinweis, dass ein kurzfristiger Praxistermin nicht vergeben werden kann.“ Entsprechend würden die Betroffenen in die Notaufnahmen fliehen.

Diese Überlastung der Notaufnahmen ist an sich ein Problem. Sie zeigt aber zudem auf, wie reformunfähig die christdemokratisch und sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen sind. Sie haben all die aktuellen Probleme auflaufen lassen. Jetzt hat Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) einen Arbeitskreis gegründet. Den müsse die Bevölkerung einfach nur abwarten und dann würden – Abrakadabra, Simsalabim – alle Probleme gelöst. Unterdessen startet Warken über befreundete Medien einen Testballon nach dem anderen, um zu sehen, welche Grausamkeit am wenigsten Empörung hervorruft.

Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen
Die gesetzlichen Krankenkassen verklagen den Bund
Die meisten dieser Testballons zielen auf die Idee, den Beitragszahlern der Krankenkassen die Leistungen zusammenzustreichen, während ihre Beiträge weiter steigen. Mehr Geld für weniger Leistungen. Etwa durch das Comeback der bereits kläglich gescheiterten Praxisgebühr. Einen konkreten Reformvorschlag hat Warken allerdings über befreundete Medien auch schon gemacht: Termine bei Fachärzten soll nur noch erhalten, wer vorher zum Hausarzt gegangen ist. Das soll den Terminstau bei Fachärzten abbauen.

Nur: Warkens Idee würde halt auch bedeuten, dass die Zahl der Terminanfragen bei Hausärzten steigt. Genau jenen Hausärzten, die so überlastet sind, dass sie neuen Patienten keine Termine geben, weshalb die in die teuren Notaufnahmen flüchten. Setzt Warken ihren Vorschlag um, nachdem der Arbeitskreis getagt hat, dann würde sie die Probleme der Hausärzte und Notaufnahmen entsprechend verschärfen. Im deutschen Gesundheitswesen zeigt sich: Die Decke ist zu kurz. Egal, wohin man sie zieht, mindestens einer friert immer.

Die Bundesregierung könnte für eine größere Decke sorgen. Doch im Gesundheitswesen zeigt sich eben auch, wie krachend die christdemokratische und sozialdemokratische Einwanderungspolitik der vergangenen zehn Jahren gescheitert ist: Zum einen haben CDU, CSU und SPD das Verfahren für Ärzte, die einwandern wollen, bürokratisch zu sehr verkompliziert, während Flüchtlinge einfacher einreisen konnten, wenn sie gar keine Papiere hatten. Wer also auf Menschen setzt, die ihre Unterlagen „verlieren“, bekommt nicht ausreichend Ärzte mit ihnen – wer hätte das gedacht.

Zum anderen sind viele Ausländer direkt in die Sozialsysteme eingewandert. Vier Millionen Erwerbsfähige erhalten Bürgergeld. Die Hälfte davon sind Ausländer, drei Viertel sind Ausländer oder Deutsche mit „Migrationshintergrund“. Für deren Gesundheitsversorgung kommen die Kassen mit dem Geld ihrer Versicherten auf. Der Bund überweist ihnen dafür zehn Milliarden Euro zu wenig. Jahr für Jahr. Gegen diese Praxis reicht der Dachverband der Kassen, die GKV, nun Klage ein. Denn die Decke ist zu kurz – und weil CDU, CSU und SPD ihre Einwanderungspolitik nicht ändern wollen und in ihrer Wirtschaftspolitik ebenfalls scheitern, fällt ihnen nichts anderes ein, als die zu kurze Decke hin und her zu ziehen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 58 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

58 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Dieter Rose
9 Tage her

„Is‘ mir doch egal. Jetz‘ isses halt so.“

Endlich Frei
10 Tage her

Über 10 Milliarden Euro versicherungsfremde Leistungen – alleine bei der DAK. Allerdings werfe ich Versicherungen auch vor, es Ärzten und Krankenhäusern zu leicht zu machen beim Betrügen. Als ich für wenige Wochen unwissend unversichert war und mich plötzlich die sonst an die Kassen weitergeleiteten Rechnungen (die von dort aus unkontrolliert bezahlt werden) privat erreichten, fiel ich aus allen Wolken: Ein Zahnarzt, den ich zuletzt vor acht Jahren besucht hatte, versuchte eine teure Behandlung abzurechnen – diese hat nie stattgefunden: Ich war im Patientenregister längst „Altbestand“. Ich protestierte beim Zahnarzt – das Zahnbild stimmte natürlich mit meinem überhaupt nicht überein. „Entschuldigung“… Mehr

Last edited 10 Tage her by Endlich Frei
Dr. Rehmstack
9 Tage her
Antworten an  Endlich Frei

Ja, sie beschreiben hier sehr genau den Systemfehler, nämlich nicht das Offenlegen der erbrachten Leistungen, was, wann, und von wem, das, was sie sonst auf jeder Abrechnung finden, wenn sie irgendwo etwas gekauft haben. Insbesondere bei Krankenhäusern ist inzwischen nicht die ärztliche Abteilung die wichtigste sondern die abrechnungstechnische und die sind kreativ!

Moses
10 Tage her

Ärzteverbände warnten bereits vor 20 Jahren vor einem drohenden Ärztemangel.
Ich erinnere mich, als Ulla Schmidt danach gefragt wurde, aber sie antwortete stets mit ihrem schelmischen Lächeln, das sei alles Unsinn. Ein paar Jahre später fing sie plötzlich selbst an, darüber zu sprechen.
Das war die einzige Veränderung in der Haltung unserer „Elite“ zu diesem Problem in den letzten 20 Jahren.
Nein, noch nicht. All die Jahre ist die Zahl der Patienten dramatisch gestiegen.

Paprikakartoffel
10 Tage her

Es mangelt nicht an Ärzten, sondern an Kassenärzten. Und wenn sich jemand darüber wundern sollte, dann lasse er sich die Vergütung, die Kostenstruktur und die Wochenarbeitszeit erklären. Und wer dann noch überlegt, der beobachte außerhalb des flachen Landes einen Tag lang das Geschehen in der Praxis. Das, was da kommt und wie es sich benimmt, damit will niemand länger zu tun haben.

Manuela
10 Tage her

„Sie müssten dann monatelang auf einen Termin warten.“

Wo kommen denn die vielen Kranken bloß her?

Raul Gutmann
10 Tage her

Auch der unökonomischste Trottel sieht auf den ersten Blick: ein „Gesundheitssystem“, das seinen Mitgliedern nahezu unbegrenzt Leistungen anbietet, wird eher früher als später kollabieren.
Und wäre jener Wahnsinn noch nicht genug, öffnet man dieses System den Geplagten der Welt.
Wir wundern uns über die Fehler der Vergangenheit, doch was zukünftige Historiker über die Gegenwart denken mögen, dürfte rationale Grenzen übersteigen.
Das 21. Jahrhundert: Das Zeitalter der Verrückten und Heuchler.

Joe4
10 Tage her

Abschaffung der Privatversicherungen für Beamte oder drastische Senkung der Beihilfe! Weiter: Vermeidung von Doppeluntersuchungen und unnötigen OPs. Anrechnung von Urlaubstagen im Falle von Kuren und Rehas. Versorgung von zugewanderten Bürgergeldempfängern komplett mit Steuergeldern. Das würde bereits das System deutlich entlasten.- Das Hausarztmodell – wie angedacht – lehne ich ab, da damit die Versicherten entmündigt und die Hausarztpraxen und Patienten zusätzlich belastet werden. Sinn machte es hingegen, wenn es um Behandlungen geht, die weitere Spezialisten erfordern (z. B. Hausarzt > Phlebologe oder Angiologen oder …).

Michael M.
10 Tage her
Antworten an  Joe4

Was hat die PKV der Beamten denn bitte mit der staatlichen Unterbezahlung der Bürgergeldempfänger in der GKV zu tun?! Im übrigen schreiben die PKVs keinen Milliardendefizite und haben zudem Altersrückstellungen für ihre Versicherten gebildet, aber Hauptsache mal einen gegen ihren Lieblingsfeinde „Beamte“ (ich bin übrigens keiner 😉) rausgehauen oder?!

Habakuk06
10 Tage her
Antworten an  Michael M.

Due Beamten sind auch meine Lieblingsfeinde gerade bzgl. ihrer Krankheitskostenversorgung. Die Beihilfe beträgt für Beamte im aktiven Dienst 50% und steigt bei Familiengründung auf bis zu 70%. Pensionäre und Ehepartner erhalten ebenfalls 70%. Für den jeweiligen Rest haben sie eine private Krankenversicherung also für erwa 30% abzuschließen. Beispielsweise zahlt somit eine Freundin von mir (Beamtenwitwe) 300 Euro Beitrag und hat dann incl. der Beihilfe eine Voll private Krankenversicherung. für eine private Vollversicherung. Ich, (gesetzliche Rente) 900 Euro abzgl. 180 Euro, die die Rentversicherung sonst für mich an die an eine gesetzliche Krankenkasse überweisen müsste. Da soll man nicht wütend sein.… Mehr

Joe4
9 Tage her
Antworten an  Habakuk06

So ist es. Die Kk-Beiträge für Beamte (sofern privat versichert (95%) sind unabhängig vom Einkommen. Auch bei einer Pension von fünftausend € liegt der Kk-Beitrag bei nur ca. 350 €. Mit welchem Recht haben Beamte diese Privilegien? Es ist ein System vonnöten, in das jeder proportional zur Höhe des Erwerbseinkommen bzw. zur Höhe der Rente/Pension einzahlt. Wer das nicht wollte, könnte sich privat versichern – ohne staatl. Zuschüsse.

Joe4
9 Tage her
Antworten an  Michael M.

Ich antwortete Ihnen hierzu; Der Bürgergeldempfänger ist nur ein Aspekt. Folgendes gebe ich noch einmal zu bedenken: Alle gesetzlich versicherten Arbeitnehmer und Rentner zahlen hauptsächlich die Beihilfe für die Beamten, die dafür sorgt, dass die Beiträge für die PKV sehr niedrig ist. Kein gesetzl. Versicherter hat für diesen Zweiklassen-Status noch Verständnis. Also: Beihilfe kürzen oder Beamte in die gesetzl. KKasse.

Waldschrat
10 Tage her

„Termine bei Fachärzten soll nur noch erhalten, wer vorher zum Hausarzt gegangen ist. Das soll den Terminstau bei Fachärzten abbauen.“ Das ist doch Schwachsinn hoch drei. Das führt bei den Hausärzten zu Kollaps, vor dem sie ohnehin schon stehen und dann kostet das Ausstellen der Überweisung auch und treibt die Kosten noch weiter in die Höhe. Je Fall sicher überschaubar, in der Summe dürfte das in die Millionen gehen. Dann sollte man mal dort bremsen bei einer Klientel, die noch nie in die kasse gezahlt hat und das teilweise nie tun wird, aber die Anspruchshaltung istr riesig. Die bekommen Leistungen,… Mehr

Montesquieu
10 Tage her

Mich langweilt das Leugnen der Grundprobleme im deutschen Gesundheitssystem nur noch. Schon vor Jahrzehnten zeichneten sich diese ab.
Die Masseneinwanderung in unsere Sozialsysteme ist hierbei nur ein Katalysator.

Mausi
10 Tage her

D schaut ja auch nicht über den Tellerrand. Denn wir sind Vorreiter! Von anderen lernen? Kennt ein Mitleser Beispiele, die positiv für den Bürger wirken? Bitte nicht China mit seinen „Sozialpunkten“ anführen. Wie sieht es in anderen EU-Ländern aus? Wie sehen die Systeme aus? Was kann D daraus lernen? Nichts. Nur Schweigen im Walde. Und wenn dann die EU irgendwann mal anfängt, ihre Finger in diese Systeme zu stecken, wird das Desaster mit Sicherheit noch größer. Hier ist was zu finden. https://www.rebmann-research.de/aerztedichte-in-der-eu-erreicht-neue-hoechststaende Der Artikel ist vom November 2023. Lt. Text sind die Zahlen von 2021. Leider wird auch nichts dazu… Mehr

Last edited 10 Tage her by Mausi