FAZ: Von politischen Tugenddarstellern, die nicht wissen, wovon sie reden

Jürgen Kaubes Fazit, warum der Tafelchef bei den nächsten Wahlen vor einem echten Problem stände: „...wegen des wohlfeilen Geredes von politischen Tugenddarstellern, die lieber ihre Urteile und maßlosen Bilder twittern, bevor sie, wenn überhaupt, dazu bereit sind, sich ein realistisches Bild von dem zu machen, was nicht zuletzt von ihnen hervorgebracht wurde.“

© PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Tichys Einblick hat die Debatte um den vorläufigen Neuaufnahme-Stop für Zuwanderer bei der Essener Tafel und die damit einhergehenden Empörungsnoten mit einem guten halben dutzend Artikel kritisch begleitet. Die FAZ zieht jetzt ein Fazit, dem wir uns anschließen.

Pflichtvergessen
Angela Merkel geißelt Essener Tafel
Gut, so kann man es auch machen, man wartet fein ab, was die anderen so schreiben, schaut zu und macht sich ein Bild und ballert dann eine Meinung raus. Die Thesen und Antithesen der anderen in die Synthese bringen. Genau: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

Was da nun allerdings mit Jürgen Kaube einer der Herausgeber in Sachen Essener Tafel synthetisiert hat, ist beachtenswert. Deshalb, weil er sich ziemlich eindeutig eine These zu Eigen macht. Oder genauer: Die Antithese. Kaube sagt es so unverblümt wie irgend möglich: Er fragt sich, wen denn der 61-jährige Tafelleiter Jörg Sartor bei den nächsten Wahlen wählen sollte und deutet dann zweifelsfrei auf eine Partei: „Angela Merkel will es besser wissen – SPD-Politiker und eine Fernsehmoderatorin auch. Wem spielen die politischen Tugenddarsteller wohl in die Hände?“

Also klar, AfD, denn die Grünen, die Linken oder die FDP wird Kaube nicht gemeint haben.

Der Herausgeber der FAZ erzählt von Jörg Sartor als fleißigem Bergmann, der, aus dem verdienten Ruhestand heraus sieben Tage die Woche seiner Tafel verschrieben hat. Und fragt dann die prominenten Kritiker Sartors: „Welche Leistungen zugunsten von Bedürftigen haben diejenigen vorzuweisen, die Jörg Sartor jetzt darüber belehren, wie er und die Seinen mit den Lebensmitteln umzugehen haben, die sie in privater Initiative verteilen?“

Haltet den Dieb
Empörung über die Essener Tafel
Kaube weiß sogar um die Beweggründe für Sartors Entscheidung, den Anteil an Migranten (75 Prozent) an seiner Tafel mit einem vorübergehenden Anmeldestopp für diese Kunden verringern zu wollen: „(w)eil er als solcher dafür einsteht, dass die Lebensmittel, die dieser gemeinnützige Verein verteilt, nicht nur nach dem Gesichtspunkt der größeren Verdrängungskraft verteilt werden sollen.“

Eindeutiger kann man kaum mit dem Finger auf Merkel, Hayali und Co zeigen: Die Vorwürfe gegen Sartor würden jeder Beschreibung spotten. Die Kanzlerin will sich demnächst einmal in Essen vor Ort ein Bild machen. Kaube findet das gedankenlos und fragt: „Ist ihr schon einmal der Gedanke gekommen, dass man sich besser zuerst ein realistisches Bild machen sollte, bevor man über RTL denen, die in dieser Wirklichkeit leben, Zensuren erteilt?“

Der Journalist empört sich zudem über den Vorwurf des Vorurteils gegen Sartor, wenn er erst nachhakt: „Werden die Vorurteile nicht mindestens so sehr von denen befördert, die als junge männliche Migranten sich in jenen Schlangen rüpelhaft benehmen?“ Um dann glasklar zu befinden: „Nicht Jörg Sartor hat den Konflikt in die Gruppe der Hilfesuchenden hineingetragen.“

Der übliche Pharisäer-Shitstorm
Essener Tafel: Notfalls mit Gewalt zurück auf Kurs
Nein, für Kaube war das die Politik in Gestalt solcher SPD-Parteigenossen wie Karl Lauterbach, der über Jörg Sartor twitterte: Der Ausländerhass“ sei jetzt „sogar bei den Ärmsten angekommen.“ Lauterbach allerdings trägt laut Kaube die Mitverantwortung an den Zuständen in Essen, den er gehörte doch „von 2005 bis 2009 und seit 2013 im Bundestag einer Regierungsmehrheit an (…).“

Jürgen Kaubes Fazit, warum der Tafelchef bei den nächsten Wahlen vor einem echten Problem stände: „…wegen des wohlfeilen Geredes von politischen Tugenddarstellern, die lieber ihre Urteile und maßlosen Bilder twittern, bevor sie, wenn überhaupt, dazu bereit sind, sich ein realistisches Bild von dem zu machen, was nicht zuletzt von ihnen hervorgebracht wurde.“

Nun werden AfD-Politiker und ihre Wähler Kaube zürnen, dass er sie als „Problem“ betrachtet, aber lassen wir das mal beiseite. Schauen wir uns diese FAZ-Nachbetrachtung der viele Tage alten Debatte um die Essener Tafel an, dann ist diese auf eine Weise gelungen, sie gerne jenen TE-Lesern weiterzuempfehlen, die noch nicht gelesen haben.

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Kommentare ( 87 )

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87 Comments
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Peter Gramm
6 Jahre her

in unserem Land gibt es zu viele die kontrollieren, verwalten, bevormunden, Probleme schaffen und klug daher reden, aber immer weniger die dieses angerichtete Chaos meistern und die nicht von ihnen geschaffenen Probleme lösen. Dies liegt einmal daran dass im Politikbetrieb keinerlei Zugangsvorausetzungen vonnöten sind, andererseits ein Parteibuch mehr zählt als ein Berufs- oder Hochschulabschluß. Mit Hochschulabschluß meinte ich nicht Religions- oder Theaterwissenschaften oder Langzeitabsolventen in Gedichtsinterpretationen oder anderes Gedöns. Gstandene Leute braucht das Land und nicht diese immer ach so korrekten und karrieregeilen Höflinge. Die schaffen nur Probleme, lösen sie aber nicht und letzten Endes, sie kosten die Gesellschaft einfach… Mehr

SabseZander
6 Jahre her

Vielleicht wählt er ja die Tierschutzpartei oder geht gar nicht mehr wählen. Haben viele Ex-SPDler so gemacht. In meiner Verwandtschaft gehen viele nicht mehr wählen, weil es die alten Volksparteien nicht mehr gibt und man nicht AfD wählen will. Es gibt doch schließlich keinen Wahlzwang!

Christoph K.
6 Jahre her

„Die Kanzlerin will sich demnächst einmal in Essen vor Ort ein Bild machen.“ Das kann ich prinzipiell nur begrüßen. Ich habe als Student (bis 2015) in 200m Luftlinie zur Essener Tafel gewohnt und auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem Getränekmarkt gearbeitet. Ich kann Ihnen sagen, dass das dortige Viertel auch vor drei Jahren bereits überaus bereichtert war. Insofern eignet sich die Gegend hervorragend für einen Realitätscheck. Allein, mir fehlt der Glaube, dass der Allgewaltigen tatsächlich die Wirklichkeit präsentiert würde. P.S. Als ich dann meinen ersten richtigen Job hatte, bin ich umgehend in den Essener Süden gezogen (man spricht hier vom… Mehr

AngelinaClooney
6 Jahre her
Bernd Schreller
6 Jahre her

Frage an sPD: wie kann man einer Koalition mit dieser Person zustimmen, der die arme angestammte Bevölkerung so vollkommen gleichgültig ist? Und das als Partei, deren Stammklientel die ‚kleinen Leute‘ waren.

Ein Mensch
6 Jahre her
Antworten an  Bernd Schreller

„deren Stammklientel die kleinen Leute waren“ genau mit dem Wort „waren“ haben sie die Richtung der Partei, früher mal bekannt als Sozialdemokraten, beschrieben. Es geht denen nicht mehr um die sog.“kleinen Leute“ , die interessiert nur noch die Meinung des MSM.

Klaus Müller
6 Jahre her

Die FAZ sollte einmal im eigenen Haus kehren. Veränderung fängt mit Selbstkritik an. Wie wäre es mit der Schlagzeile in einer kostenlosen Sonderausgabe (gerne auch im Netz): „Wir haben uns geirrt!“ Aber eher beißt man sich im FAZ-Kollektiv die Zunge und hackt sich beide Hände ab bevor man zugibt, den Aufbau einer Diktatur unterstützt zu haben. So bleibt es was es ist: Angst vor dem wirtschaftlichen Untergang. FAZ Fini.

Gabriele Kremmel
6 Jahre her

Den Artikel in der FAZ hatte ich auch gelesen und fand ihn ziemlich pointiert und mit den richtigen Fragen versehen.

Die Demontage der künstlichen Heiligenscheine der Protagonisten ist bestens gelungen. Der Autor zeigt treffend die Substanzlosigkeit von tugendhaften Lippenbekenntnissen versus der Beständigkeit echter guter Taten auf.

Das hatten sie wohl nicht bedacht, dass an der Basis Tatsachen alle salbungsvollen Worte Lügen strafen und Ehrenamtliche bei dem Job nichts zu verlieren haben, außer ihrem guten Willen. Weshalb sie immun gegen Rassismusdiffamierung und Nazikeulen sind.

Vae Victis
6 Jahre her

Ich glaube, man will bei der FAZ den sich aufbauenden Druck im Milieu der eigenen Leserschaft abbauen. Es kommen Zweifel auf, bei der rot-grünen Gefolgschaft Merkels, die Realität ist immer öfter für Sekundenbruchteile hiner dem fallenden Vorhang zu erahnen.
„Jetzt hat aber sogar Kaube in der FAZ Merkel kritisiert“ – das genügt diesen Lesern als Beruhigungspille, während sie weiter die Merkelpartei wählen, gutmenschlich den ethnischen Ersatz beklatschen und die Monstranzen ihrer Moral (Weißenhass, Globalismus, No Borders) vor sich hertragen.

Rainer Franzolet
6 Jahre her

Ich mache da keine Unterschiede mehr. Die FAZ ist für mich genau so wenig akzeptabel wie die ganzen anderen Schmierblätter. Wenn sie neutral Berichten würden ohne die Hetze gegen die AfD, dann hätten sie ein Lob verdient. Tun sie aber nicht. Von mir trotz der sachlichen Beschreibung in Sachen Tafel in Essen auch weiterhin ein Daumen nach unten. Wer Friedrichs richtig versteht, der wird auch die FAZ nicht als seriöse Informationsquelle akzeptieren nur weil die Anderen noch plumper hetzen.

Crazy Horse
6 Jahre her

Selbst aus dieser Verlierersituation für Merkel noch ein Seitenhieb in Richtung AfD.
Die Angst vor dieser Alternative sitzt tief.