Generaldebatte gegen das Volk

In der Haushaltsdebatte zeigen die politischen Lager, wo sie gerade stehen. Nicht unbedingt das, was sie sagen, ist dabei wichtig. Erhellender ist, wen sie ans Pult schicken – und wie die Redner dort auftreten. Für den Bürger ist das ernüchternd.

picture alliance / dts-Agentur | -
Generaldebatte im Deutschen Bundestag am 24. September 2025

Nehmen wir einmal an, ein Außerirdischer hätte sich in den vergangenen Wochen nur im ÖRR und im deutschen Blätterwald von „Spiegel“ bis „Zeit“ über unseren Planeten im Allgemeinen und über unser Land im Besonderen informiert.

Nehmen wir weiter an, jetzt säße dieses Wesen vom fremden Stern zufällig auf der Besuchertribüne des Deutschen Bundestages in der Generaldebatte zum Haushalt 2026.

Was würde unser Gast wohl denken?

Der AfDler

Zunächst einmal würde er nicht verstehen, wo in Deutschland die journalistische Dauererregung über die AfD herkommt. Denn Tino Chrupalla hat sich heute für einen geradezu staatsmännischen Vortrag entschieden.

Der Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion poltert nicht, sondern setzt auf nüchterne Feststellungen: „Es geht nicht ohne Sparen“, sagt er. Und: „Auch eine erfolgreiche Bundeswehr kann es nur mit einer funktionierenden Wirtschaft geben.“ Jeder vernünftige Mensch (außerhalb von SPD, Grünen und „Linken“) kann da nur zustimmen.

Natürlich kritisiert er den Zustand des Landes. Um das zu tun, muss man kein Anhänger der Opposition sein, sondern einfach nur sehen können. Der AfD-Abgeordnete macht klar, dass tatsächlich alle anderen Parteien (außer der „Linken“) die Bundesrepublik in diesen erbärmlichen Zustand gebracht haben: „Sie alle sind dafür verantwortlich. Sie haben die letzten 20 Jahre regiert.“

Und das stimmt. Allerdings tun alle anderen Parteien heute so, als hätten sie mit den Problemen überhaupt nichts zu tun.

Das Äußerste an Polemik, wozu sich Chrupalla hinreißen lässt, ist der Satz: „Machen Sie ein Ende mit dieser desaströsen Schuldenpolitik.“ Doch mit diesem Appell bleibt er heute allein.

Der Sozialdemokrat

Die kondensierten Probleme des real existierenden Polit-Betriebs in Deutschland treten danach in Person des SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch ans Mikrofon. Miersch ist, wie Chrupalla, kein begnadeter Redner. Vielleicht gerade deshalb ist sein Vortrag absolut erhellend und wirft ein grelles Licht auf alles, was in unserer repräsentativen Demokratie schiefläuft.

Der erste Satz des Sozialdemokraten betrifft das Innenleben seiner Fraktion: wer heute weshalb reden darf. Das ist absolut typisch, denn dort liegt auch sein wichtigster, vielleicht sein einziger Fokus. Miersch ist die Personifizierung eines Apparatschiks, ein Produkt des Parteienapparats – und damit das genaue Gegenteil eines Volksvertreters.

Er spricht von „den Sorgen und Nöten dieser Menschen“. Es ist kein Zufall, dass das schon rein sprachlich eine maximale Distanz zu denen schafft, die er eigentlich vertreten soll. Vom eigenen Selbstverständnis her gehört er gar nicht mehr zu „diesen Menschen“, sondern zur politischen Kaste.

Nur an sie wendet er sich, nur ihr gilt sein Interesse.

Er ruft ernsthaft dazu auf, den Bundeskanzler – seinen Koalitionspartner – nicht übermäßig zu kritisieren, denn das nutze nur den Falschen. „Da sitzen die, die gegen die Demokratie, gegen die Abgeordneten, gegen das Parlament wettern“, sagt er, und meint natürlich die AfD.

Doch in Wahrheit sind es Auftritte wie sein eigener, die die Wähler dazu bringen, sich vom Politikbetrieb abzuwenden.

Allen Ernstes behauptet Miersch, die Menschen seien „verunsichert wegen der Weltlage“. In der Tat sind die Menschen verunsichert – aber eher, weil sie nicht mehr ohne Angst um Leib und Leben ins Schwimmbad gehen oder U-Bahn fahren können. Und das liegt nicht an irgendeiner „Weltlage“.

Der Sozialdemokrat schämt sich nicht, vor den jungen Leuten auf der Besuchertribüne von „Investitionen in die Zukunft“ zu fabulieren. Er meint damit die größte Schuldenorgie in der deutschen Geschichte, für die seine SPD und die Union verantwortlich sind und für die genau diese jungen Zuhörer bald heftig werden bluten müssen.

Laut kritisiert Miersch zu lange und zu komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Doch in den vergangenen 28 Jahren hat die SPD stolze 23 Jahre mitregiert. Sie war es, die diesen Bürokratiedrachen überhaupt erst hochgemästet hat. Für jeden, der sich in den vergangenen 30 Jahren auch nur ein bisschen mit Politik befasst hat, ist die Rede von Miersch eine einzige Zumutung. Reiner Agitprop.

Das ist in seiner Plumpheit dann fast schon wieder ehrlich.

Der SPD-Fraktionschef ist völlig gefangen in der Binnensicht der Berufspolitik: ein zynischer Machttechnokrat, der in Stimme, Tonlage und Körpersprache in jeder Sekunde offenbart, dass er am Pult nur ein Schauspiel für die eigene Fraktion abliefert. Gegen Ende seines auf allen Ebenen fürchterlichen Vortrags wundert sich der Mann dann ernsthaft, dass die Menschen ihm nicht mehr glauben, wenn er von „Bürokratieabbau“ spricht.

Ja, warum nur?

Die Grüne

Als Allererstes beschwert sich Britta Haßelmann darüber, dass Friedrich Merz in seiner Rede die Grünen mit der AfD verglichen habe. Das sei „bodenlos“, empört sich die Co-Fraktionsvorsitzende von Bündnis’90/Grünen.

Allerdings hatte der Bundeskanzler das gar nicht getan. Schon hier zeigen sich die beiden wichtigsten Grundmuster bei Frau Haßelmann: Sie arbeitet sich an Dingen ab, die gar nicht so passieren, wie sie sie wahrnimmt; und ihre Gefühle sind ihr das Wichtigste.

Die gelernte Sozialarbeiterin macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Ohne jeden Anflug von Ironie erklärt sie: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine deutsche Erfolgsgeschichte.“ Das sorgt für allgemeine Heiterkeit im Plenum.

Doch anders als SPD-Zyniker Miersch glaubt Frau Haßelmann tatsächlich, was sie sagt.

Dass andere die Welt nicht so sehen wie sie, macht sie wütend. Ihr Sound ist schrill, beleidigt, gequält, belehrend, vernagelt. Die eigenen Gefühle sind ihr erkennbar wichtiger als rationale Politik. „Ich glaube, ich meine, ich finde, ich frage mich“ – so beginnen erschütternd viele ihrer Sätze. Entsprechend unerträglich ist ihr Auftritt – stimmlich, sprachlich, inhaltlich.

Frau Haßelmann kritisiert allen Ernstes, dass der Kanzler bei der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag ist – und nicht bei der gleichzeitig stattfindenden Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Was hätte sie wohl gesagt, wenn Merz beim wichtigsten Jahrestermin des deutschen Parlaments gefehlt hätte? Mit bebender Stimme beschwört die Grüne dann noch das Feindbild Donald Trump, obwohl der mit dem Bundeshaushalt nun wirklich nichts zu tun hat.

So ärgerlich das alles für den Zuschauer auch ist, es liefert doch auch eine Erkenntnis: So also sind die Figuren, die bei den Grünen bis ganz nach oben segeln. Wenn Britta Haßelmann wirklich ihre Partei repräsentiert, dann sind die Grünen dem Untergang geweiht.

Die „Linke“

„Liebe Kolleg*Innen“: Wenn Sie im Deutschen Bundestag eine Anrede mit dem Gender-Binnen-Stern hören – dann spricht Heidi Reichinnek. Das hat den Vorteil, dass man sofort weiß: Auch die Fraktionsvorsitzende der „Linken“ spricht nur für die eigene Blase.

Formal unterscheidet sie sich von den Vorrednern recht deutlich. Sie rast durch ihre fast vollständig abgelesene Rede und wirkt dabei wie das Duracell-Häschen auf Speed. Sie hat einen recht typischen, pseudo-sarkastischen Sound. Der erscheint vordergründig ganz niedlich – doch in Wahrheit lenkt er von der fundamentalen Unernsthaftgkeit der „Linken“ ab.

Frau Reichinnek macht nur Klientelansagen. Bei ihr geht es nur – ausschließlich – um die Menschen, die Staatsknete bekommen. Mit keinem Satz erwähnt sie diejenigen, die morgens früh aufstehen und das ganze Geld erwirtschaften, das die „Linke“ so großzügig verteilen will. Ihre Vorstellung von Wirtschaft beschränkt sich auf „Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge“.

Das Wort „Arbeit“ kommt bei ihr in sieben Minuten kein einziges Mal vor.

Insgesamt liefert Frau Reichinnek eine grenzwertig hysterische Vorstellung. Aber sie hat unbestreitbar einen ganz erheblichen Unterhaltungswert. Genau das ist es, was die wahren Strippenzieher bei der „Linken“ von ihr wollen: dass sie mit ihren Auftritten vom zutiefst düsteren und menschenverachtenden politischen Welt- und Gesellschaftsbild ihrer Partei ablenkt.

Tatsächlich ist es kein Wunder, dass vor allem junge Leute scharenweise den grünen Langweilerinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge von der Fahne gehen und zu der zwar komplett substanzfreien, aber unstrittig viel cooleren und unterhaltsameren Heidi Reichinnek abwandern. Es ist neudeutsch ein Hype. Doch schon zeigen sich erste Anzeichen, dass der auch bald wieder vorbei sein dürfte.

Vom Rednerpult aus duzt Frau Reichinnek die politischen Wettbewerber Matthias Miersch und Britta Haßelmann. Auch das wirkt jugendlich (und unernst). Viel wichtiger aber ist: Die linke Vorfrau merkt gar nicht, dass sie sich durch diese demonstrative persönliche Vertrautheit auch selbst schon in die Politikerklasse hineindefiniert und Distanz zum Bürger aufbaut.

Auch das Phänomen Reichinnek währt absehbar nicht ewig.

*****

Deutschland braucht Veränderungen, keine Frage. Die Generaldebatte führt vor, wo der Ort liegt, der Veränderungen am dringendsten nötig hat:

Es ist der Bundestag.

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Kommentare ( 78 )

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78 Comments
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Dieter Rose
2 Monate her

Und ganz richtig: die CDUler „überhipple mer“!!!

Der Michel
2 Monate her

„Jeder vernünftige Mensch (außerhalb von SPD, Grünen und „Linken“) kann da nur zustimmen.“ Der Satz suggeriert, dass es bei den in Klammern aufgeführten Parteien vernünftige Menschen gäbe. Das ist ein interessanter Ansatz.

Privat
2 Monate her

Mir reicht es endgültig.
Ich habe für das lügende und betrügende System nur noch folgende Bezeichnung übrig – Das Pack !

Dieter Rose
2 Monate her
Antworten an  Privat

Die schlimmsten Lügner und Betrüger – man kriegt es kaum über die Lippen – sind die von CDU und CSU. Und keiner dabei, der das erkennt und gegen die neue Parteilinie aufsteht!
Es ist unfassbar, unglaublich!!!

MartinKienzle
2 Monate her

Ein brillanter Artikel, der zeigt, wie stark erkrankt die alliierte BRD inzwischen ist: Sogenannte „Volksvertreter“, die – realitätsfern – Unfug äußern, Theater spielen und dies noch als „Politik“ deklarieren, das keineswegs überrascht, da die alliierte BRD eine Konstruktion abbildet, die vorsätzlich die Interessen der Autochthonen negiert (https://www.youtube.com/watch?v=QNyLvPPVszQ ab Minute 2:20), sodass sich aus jenem Sachverhalt die Tatsache speist, dass die sogenannten „Volksvertreter“ keineswegs deutsche Interessen vertreten, sondern lediglich die Rolle der Statisten einnehmen dürfen, denen die Aufgabe zukommt, uns Einheimischen alltäglich unsere Illusion kräftigen, dass sie zu unserem Vorteil handeln würden, wenngleich dies mitnichten zutrifft (https://www.youtube.com/watch?v=3zuO_Ed__KA), das mittlerweile stets stärker… Mehr

Last edited 2 Monate her by MartinKienzle
bfwied
2 Monate her

Hoffentlich haben Sie recht mit der Meinung, dass die Linken und Grünen keine Zukunft mehr haben – die SPD, Gott-steh-uns-bei, auch nicht!!
Nur: Es gibt einen großen harten Kern, man kann auch sagen, Bodensatz der Gedankenenge, der immer grün und rot wählen wird.

Raul Gutmann
2 Monate her

Wenn Britta Haßelmann wirklich ihre Partei repräsentiert, dann sind die Grünen dem Untergang geweiht.

Das wäre zweifelohne der Fall, wenn die Grünen-Wähler kontrastierend zu der genannten Politikerin mehr Wirklichkeitswahrnehmung hätten. Doch…

„Ich glaube, ich meine, ich finde, ich frage mich“

…ist im gegenwärtigen Alltag ein Allgemeinplatz, wenn auch, soviel Fairness sollte sein, überwiegend von Frauen.
Postskriptum
Der Terminus „Staatsknete“ entspringt linker Subkultur. Man muß nicht unbedingt von Transfereinkommen sprechen, doch etwas mehr bürgerliche Sprachhygiene wäre wünschenswert.

Last edited 2 Monate her by Raul Gutmann
BKF
2 Monate her

Mit bebender Stimme beschwört die Grüne dann noch das Feindbild Donald Trump, obwohl der mit dem Bundeshaushalt nun wirklich nichts zu tun hat.“ Die sogenannten Grünen benehmen sich, als seien sie einfach die deutsche Parteigliederung der Democrats in den USA, sie glauben wahrscheinlich in einem Bundesstaat der USA zu sein – das könnte daran liegen, daß dort auch schon immer ihr Stichwort- und Auftraggeber war und wohl auch noch ist.

Dr. Rehmstack
2 Monate her

Man kann es sich ganz kurz und einfach machen: man vergleiche die Reden von Frau Weidel mit der von Frau Haßelmann und wer dann noch Probleme hat, sich zu entscheiden, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

Benedictuszweifel
2 Monate her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Ja: Ich befürchte das: Den 75% ist wirklich nicht mehr zu helfen, dumm und sicher nicht historisch einmalig ist: Sie haben uns mit in den Abgrund gezogen. Aber nachher werden sie sagen: „Das konnte doch KEINER wissen.“ Auch das historisch keinesfalls einmalig.

WGreuer
2 Monate her

Übrigens, kleine Korrektur zur Überschrift des Artikels. Die sollte lauten
Generaldebatte gegen das Volk und für die Globalisten.“

WGreuer
2 Monate her

Ich bin schon lange der Meinung, dass zur Bewältigung der Energiekrise ein Heißluft-Generator im Bundestag installiert werden sollte. Mit dem Strom aus der dort produzierten, heißen Luft ließe sich das Energieproblem im Lande spielend beheben.
🙂