Wie Wagenknechts Truppe sich am Zwangsbeitrag zerlegt

In Brandenburg regiert das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ mit. Trotzdem sind gleich vier Landtagsabgeordnete aus der Partei ausgetreten. Grund ist ein Streit um den ÖRR-Zwangsbeitrag. Jetzt wackelt die Landesregierung in Potsdam.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur
BSW-Landtagsfraktion in Brandenburg

Eine Sternschnuppe fliegt hoch, leuchtet hell – und verglüht ebenso schnell, wie sie gekommen ist. Manchmal gilt das auch für neue Parteien.

Vier Landtagsabgeordnete vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in Brandenburg haben das BSW verlassen – unter Absingen ziemlich schmutziger Lieder, das kann man getrost so sagen. Außerhalb des östlichen Bundeslands dürfte praktisch niemand die Namen der Abtrünnigen kennen. Aber sie sorgen jetzt für viele Fragezeichen um das Regierungsbündnis, das Ministerpräsident Dietmar Woidke und seine Sozialdemokraten nach der letzten Landtagswahl im September 2024 mit dem BSW geschmiedet haben.

Und sie dürften das Ende der politischen Karriere von Sahra Wagenknecht beschleunigen.

„Autoritäre Tendenzen prägen mehr und mehr das Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und unterschiedliche Stimmen in den Hintergrund treten.“ So begründen die vier Abweichler ihren Austritt. Die Parteiführung neige zu „radikalisierten Positionen“, die eigenen Ansprüche an eine pluralistische Bewegung würden verraten.

Game over
Der Rückzug von Wagenknecht und die Übernahme der alten Linken des BSW
Angeblicher Auslöser für das Partei-Beben ist ein Zerwürfnis über zwei Medienstaatsverträge zur Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die Landes-SPD ist für die Verträge, die BSW-Fraktion ist mehrheitlich dagegen. Die meisten Wagenknechte kritisieren an den Entwürfen übermäßige staatliche Eingriffe bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten und fordern außerdem viel weitergehende Reformen.

Dabei zeigt sich, dass die Fraktion in Lager zerfällt: Intern hat eine klare Mehrheit gegen die Verträge gestimmt. Drei Abgeordnete enthielten sich, einer votierte dafür. Das war auch eine schallende Ohrfeige für Finanzminister Robert Crumbach vom BSW: Der hatte den ÖRR-Reformverträgen im Frühjahr im Kabinett zugestimmt. Doch Anfang November lehnte erst der BSW-Bundesvorstand die Pläne offiziell und publikumswirksam ab. Dann folgte auch die Fraktion vor kurzem dieser Linie.

Schon da offenbarte sich, wie gespalten das Brandenburger BSW ist: Weil die Fraktion ihrem eigenen Finanzminister in der ÖRR-Frage von der Fahne ging, stellten vier Abgeordnete kurzerhand einen Misstrauensantrag gegen Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. Doch dieser Putschversuch scheiterte kläglich.

Jetzt verlassen also vier Abgeordnete die Partei. Kurios: Mitglieder der Fraktion wollen sie aber bleiben. Ihre hoch dotierten Abgeordnetenmandate behalten sie natürlich auch.

Das Ganze ist geradezu bizarr, denn inhaltlich hatte man sich in dem Streit schon auf ein Vorgehen geeinigt: Bei der Vorabstimmung über die ÖRR-Verträge im Hauptausschuss des Landtags sollte Finanzminister Crumbach mit „Ja“ stimmen, Fraktionschef Lüders dagegen mit „Nein“. Bei der entscheidenden Abstimmung im Plenum des Landtags in der kommenden Woche wollte die BSW-Fraktion dann mehrheitlich gegen die Verträge stimmen.

Der sozialdemokratische Regierungspartner war darüber zwar nicht eben glücklich. Schließlich hatte man im Koalitionsvertrag vereinbart, dass SPD und BSW in allen Fragen grundsätzlich gemeinsam abstimmen. Aber die Sozis erklärten grummelnd, dass man das Bündnis „nicht an einzelnen Tagesordnungspunkten“ scheitern lassen wolle. Und die ÖRR-Verträge insgesamt waren durch die BSW-Ablehnung sowieso nicht gefährdet, weil die CDU auch dafür stimmen will. SPD, CDU und die ÖRR-Fans im BSW zusammen haben eine Mehrheit für die Pläne.

Eigentlich war also alles schon in trockenen Tüchern. Die vier BSW-Rebellen bringen jetzt das ganze schöne Kompromiss-Gebäude komplett aus dem Gleichgewicht.

Bisher bilden SPD (32 Abgeordnete) und BSW (14 Sitze) zusammen die einzige mögliche Koalition mit zwar knapper, aber ausreichender Mehrheit im 88-köpfigen Landesparlament. (Theoretisch hätten zwar auch SPD und AfD eine komfortable Mehrheit, die kommt ja aber wegen der Brandmauer nicht in Frage.) Ohne die vier Abtrünnigen BSWler wäre die Regierungsmehrheit plötzlich futsch.

Auf den Fluren des Parlaments in Potsdam werden jetzt vier Möglichkeiten diskutiert:

Erstens – die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Das gilt aus verschiedenen Gründen als unwahrscheinlich. Die SPD liegt in aktuellen Umfragen weit unter ihrem Ergebnis der Wahl von 2024, die AfD erlebt einen Umfrage-Höhenflug. Außer den Blauen hat niemand ein Interesse an einem vorgezogenen Urnengang.

Nachfolger Fabio de Masi
Sahra Wagenknecht tritt als Vorsitzende des BSW ab
Zweitens – die vier BSW-Aussteiger verlassen die Partei, bleiben aber in der Fraktion und damit in der Koalition. Ob die Fraktionsmehrheit das akzeptiert, ist eher fraglich. Dann würde man sich (allen voran Fraktionschef Lüders) öffentlich auf der Nase herumtanzen lassen, ohne irgendetwas zu unternehmen.

Drittens – die vier Aussteiger bilden eine eigene sogenannte Parlamentarische Gruppe und stützen unverändert die Koalition aus SPD und BSW. An der Regierungslinie insgesamt haben die Rebellen ja nichts auszusetzen, sie haben offenbar nur ein Problem mit dem eigenen Laden. So könnte das Regierungsbündnis formal als Minderheitsregierung weitermachen.

Die vierte Option erscheint so manchem Kenner der Brandenburger Verhältnisse als die wahrscheinlichste: Ministerpräsident Woidke könnte doch noch seine Wunschkoalition mit der CDU machen. SPD und CDU kommen zusammen nur auf 44 Mandate, das allein reicht nicht. Doch mit den vier BSW-Aussteigern hätte Woidke eine stabile Mehrheit von 48 der 88 Sitze – mehr sogar als bisher, wo SPD und BSW zusammen nur auf 46 Sitze kamen.

Es gibt einige, die behaupten, dass der Parteiaustritt der vier BSW-Rebellen von Anfang an Teil eines größeren Plans war, um genau das zu erreichen.

So oder so sind es schlechte Nachrichten für Sahra Wagenknecht. Ihre parteiinterne Autorität schwindet schnell. Nach großen Anfangserfolgen mit dem Einzug ins EU-Parlament 2024 sowie den Regierungsbeteiligungen in Brandenburg und Thüringen im selben Jahr begann zügig der Abschwung: Der thüringischen Landesvorsitzenden Katja Wolf war das eigene Ministeramt wichtiger als die BSW-Wahlversprechen. Prompt verfehlte das BSW – und mit ihm Wagenknecht – im Jahr 2025 den Einzug in den Bundestag.

Seitdem geht es mit Wagenknecht bergab. Einen parteiinternen Machtkampf mit Wolf um die Vorherrschaft in der Thüringer Landespartei verlor sie. Noch ist die Ehefrau von Oskar Lafontaine zwar Bundesvorsitzende – doch sie hat gerade eben erst angekündigt, sich von diesem Posten bald zurückzuziehen. Ein Parlamentsmandat hat sie auch nirgendwo mehr. Demnächst soll auch das „Sahra Wagenknecht“ im Parteinamen ersetzt werden.

Ob das BSW ohne Wagenknecht irgendeine politische Zukunft hat, darf man wohl ohne schlechtes Gewissen bezweifeln. Wahrscheinlicher ist, dass die Partei dem Lebenszyklus einer Sternschnuppe folgt – und bald ebenso schnell verglüht, wie sie einst gekommen ist.


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Kommentare ( 27 )

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bernstedter
1 Monat her

und wieder sind CDUler und FDPler das Problem die nicht national wählen… Marxisten sind Marxisten aber CDUler und FDPler haben eine nationale Alternative statt Cuckservatives zu wählen!

Vallis Blog
1 Monat her

Schon mal Hunde-AA am Schuh gehabt? SED, CDU und SPD in der neuen Brandenburger Variante der Nationalen Front sind genau das gleiche. Man wird sie nicht los.

November Man
1 Monat her

Linke sind und bleiben Linke bis Linksextremistische.

Wolfgang Schlage
1 Monat her

Zu diesem Problem passt ein Zitat von Klonovsky (Acta Diurna, 29. Oktober 2025):
Hochintelligente und zugleich integrer Männer (und ähnlich geartete Frauen) in die Führungspositionen einer Gesellschaft zu bringen sei „angesichts der herrschenden parteiendemokratischen Negativauslese eine Utopie… Das genaue Gegenteil findet statt, der Aufstieg vulgärer, dummer, aber gerissener Menschen, …“

Nicht die Unfähigkeit von Frau Wagenknecht ist also schuld. Es ist die Negativauslese, an der auch Frau Wagenknecht im BSW verzweifelt: dass die Parteien verlässlich Personen nach oben bringen, die mittelmäßig und an ihrer Karriere, nicht am Schicksal Deutschlands interessiert sind.

Last edited 1 Monat her by Wolfgang Schlage
Rasparis
1 Monat her
Antworten an  Wolfgang Schlage

Frau Wagenknecht und Ehegatte Oscar sind selbst Erzeugnisse dieser von Narzissmus, Opportunismus und materieller Gier getriebenen Negativ-Auslese: Der egomanische Windbeutel Wagenknecht charakterlich und intellektuell, Ehepartner Lafontaine vielleicht nicht intellektuell, so doch aber charakterlich.

Last edited 1 Monat her by Rasparis
Wolfgang Schlage
29 Tage her
Antworten an  Rasparis

Ich halte Frau Wagenknecht nicht für einen „egomanischen Windbeutel“. Vielmehr ist sie jemand, die als Hochintelligente an der Mittelmäßigkeit und der Korruption des Parteiensystems verzweifelt. Sie wehrt sich gegen eine dumme und korrumpierte Mehrheit in den Parteien; das ist alles.

Und zur Klarstellung: Inhaltlich stimme ich mit Frau Wagenknecht absolut nicht überein. Aber sie ist eine ernst zu nehmende Gesprächspartnerin. Was für viele andere nicht zutrifft.

Micci
1 Monat her

Katja Wolf.
Mehr Worte braucht es nicht, um den Begriff „Politikverdrossenheit“ und die Redewendung „Sich den Staat zur Beute machen“ zu erklären.

Von daher leistet das BSW nun doch einen wertvollen Beitrag zur politischen Bildung 🙂

Rasparis
1 Monat her
Antworten an  Micci

Merkel und Wolf stehen synonym für einen „Staat“, dessen Bürger sich mehrheitlich in Ekel, Widerwillen oder Gleichgültigkeit vor dem, was sich „in der Politik“ herumtreibt abwenden und der auf diese Weise zur Beute von Cliquen intriganter und niederträchtiger Putzfrauen wird.

Last edited 1 Monat her by Rasparis
merkelinfarkt
1 Monat her

Niemand braucht eine weitere Mehrheitsbeschaffungstruppe für die Altparteien. Katja Wolf und ihre Thüringen-Truppe sind mit ihrer krassen Ablehnung der AfD und gleichzeitigen Anbiederung an die Altparteien zu den Totengräbern des BSW geworden. Das war schon kurz nach der Thüringen-Koalition und Wolfs abwertenden und ausschließenden Statements zur AfD klar!

Kaesebroetchen
1 Monat her

Sehr schade um diese kluge, politisch hoch talentierte und mutige Frau. Wahrscheinlich haben ihr Kontakte über alle Parteigrenzen, das Engagement für den Frieden und für einen Ausgleich mit der Russischen Föderation die politische Karriere zerstört. Heute will man in „Unserer Demokratie“ nur noch angepasste und nicht mehr selbstständig denkende Schranzen, aber das ist in der Wirtschaft ja ebenso.

P.Schoeffel
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

Mit ihrem politischen Talent kann es ja nicht soweit her sein, sonst würde ihr der Laden nicht um die Ohren fliegen. Und ihre Ausdauer ist auch eher kümmerlich.

Ich werde die BSW-Kommunisten jedenfalls nicht vermissen.

Rasparis
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

Lesen Sie sich einmal die Vita zu Wagenknecht auf „Wikipedia“ durch, gleichwohl dieses Medium die traurigen Ereignisse noch euphemistisch verzerren duerfte. Dann werden Sie womoeglich zur der Erkenntnis kommen, welcher pekuniaer gierigen Blenderin und Selbstdarstellerin Sie mit „Sahra“ aufgesessen sind. Es ist gewiss kein Zufall, daß diese „Dame“ -die nach eigenen Angaben in der DDR aus Gruenden „systemischer Opposition“ in den „Hungerstreik“ getreten und vom „Studium ausgeschlossen“ worden sein will, dann aber 1989 im noch sehr zarten Alter von 20 Jahren bereits Mitglied der „SED“ [!] wurde- durch die Mauermörderpartei unter der schuetzenden Hand des schmierigen Genossen Gysi („IM Notar“)… Mehr

Last edited 1 Monat her by Rasparis
Der-Michel
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

Klug? Wenn Wagenknecht tatsächlich klug wäre, dann wäre sie keine Kommunistin / Sozialistin. Wagenknecht ist höchstens eine begnadete Selbstdarstellerin und Salonbolschewistin. Und ihre „Argumente“ beschränken sich auch nur auf einige wenige, immer und immer wiederholte Phrasen.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

Macht doch nichts. Die „Russische Föderation“ in Gestalt des Kriegsverbrechers Wladimir Putin und seines psychopathischen Kläffers Dmitri Medwedjew hat doch immer noch Tino Chrupallas Ost-AfD als Interessenvertretung. Und um das von Ihnen erwähnte „Engagement für den Frieden“ kümmert sich Putin doch schon selbst. Schließlich wird ihm nichts wichtiger als der Frieden sein, sobald er die Ukraine unterworfen und als Kolonie in sein großrussisches Reich einverleibt hat.

Kaesebroetchen
1 Monat her

Nun beruhigen Sie sich mal wieder. Die Welt braucht auch sympathische, intelligente Kommunisten und eben durchsetzungsstarke, russische Staatschefs, auch wenn das dem dahingammelnden Wertewesten seine Pläne durchkreuzt. Nur die Vielfalt macht uns stark, eben auch der Meinungen. Diese Denke in simplen Urteilen schwarz/weiß und gut/böse wird dem wahren Leben in keinster Weise gerecht und zeugt vielmehr von großer, intellektueller Befangenheit und Realitätsferne.

ralf12
1 Monat her

Ich hatte gehofft, dass das BSW ein Sammelort für Linke wird, denen die Menschen in Deutschland etwas bedeuten. Hatte gehofft, dass das BSW dann wie die AfD Politik für und nicht gegen Deutschland macht und schlussendlich mit der AfD die undemokratische Brandmauer einreißt. Linke sollten auch einen Platz in einer Demokratie haben, sofern sie sich der Demokratie verpflichtet sehen. Das kann man bei den Kartellparteien, denen es nur um Machterhalt und die Interessen anderer (US-DeepState) geht, nicht sehen. Mit dem Wahlbetrug von Thüringen hat sich das BSW selbst erübrigt. BSW kann sich wieder mit der SED vereinen, im Grunde waren… Mehr

A-Tom
1 Monat her

Die Leute im Osten und insbesondere in Brandenburg greifen ganz schnell zu jedem Müll, hauptsache es hat irgendetwas mit Sozialismus zu tun. Und so sieht auch Brandenburg aus.
In Brandenburg, in Brandenburg
ist wieder jemand voll in die Allee gegurkt.
https://www.youtube.com/watch?v=mdGwsUXUapQ

Vallis Blog
1 Monat her
Antworten an  A-Tom

Quatsch.

hoho
1 Monat her

Also ganz genau geht es nicht mit Sarah bergab sondern mit der Partei – das war auch abzusehen. Ich war überrascht, als sie die Partei gegründet hat und so viele Linke aus der alt-Partei mit sich genommen hat. Es war offensichtlich, dass sie sich aus der schwächelnden Linke Partei retten wollten und dass Sarah W. ziemlich einsam in ihren Überzeugungen war. Ich war noch mehr überrascht, dass die Partei so lange überlebte, nachdem sie ihre Grundeinstellung zu der Herrschaftsklasse plötzlich nach der Wahl in Osten wechselte. Sie wollten alte Linke spielen und haben aber direkt aufgegeben um die Posten zu… Mehr

Last edited 1 Monat her by hoho