Das grüne Lobby-Netz in den Ampel-Ministerien

Patrick Graichen ist im Ruhestand, doch seine Agora lebt in der Ampel-Regierung fort. Nicht nur das Habeck-Ministerium ist betroffen: Insgesamt sieben Personalien haben oder hatten Zugang zum Rat der Agora. TE zeigt in einer Grafik, wo sie sitzen.

IMAGO / photothek
Sieben Staatssekretäre der Ampel-Regierung sind oder waren Mitglied beim „Rat der Agora“ – darunter fünf beamtete und zwei parlamentarische Staatssekretäre. Der „Rat der Agora“ darf nicht mit einem Stiftungsrat verwechselt werden. Er definiert sich selbst als Debattenforum, dem die Spitzen aus Politik, Wirtschaft und der „Zivilgesellschaft“ angehören sollen.

Allerdings handelt es sich um ein Debattenforum, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Das ist paradox: Die Agora war als Marktplatz zentraler Treffpunkt der griechischen Polis und das Forum als römisches Pendant ein Ort der Volksversammlung. Der Rat der Agora ist das komplette Gegenteil. Dort wird nach den Richtlinien der Chatham House Rule diskutiert, heißt: Was in die Agora reingeht, kommt nicht aus der Agora heraus.

Diese klimapolitische Variante des „Fight Club“ ist aber deswegen brisant, weil dort Entscheider aus politischen Kontexten zu Netzwerkern einer Klima-Lobby werden, die ihre eigenen Ziele vorantreibt. Es gibt keine Transparenz und keine Korrekturmechanismen. Stattdessen kann die Agora-Lobby auf dieses Netzwerk zurückgreifen und nicht nur ihre Projekte an den Ideen von Spitzenvertretern ausrichten – sondern umgekehrt ihre Programme schmackhaft machen und Regierungsstellen beeinflussen.

Tichys Einblick

Die Agora stellt sich auf den Standpunkt, dass sie nur die Energiewende begleitet, lediglich Studien zur Verfügung stellt und lösungsorientiert arbeitet. Stattdessen muss man konstatieren: Sowohl der Rückbau des Gasnetzes wie auch die Wärmewende sind Agora-Ideen, die es über ihren ehemaligen Direktor Patrick Graichen ins Bundeswirtschaftsministerium geschafft haben. Dass dies vorher nicht geschehen sein soll, ist fraglich – angesichts der Tatsache, dass Agora-Gründer Rainer Baake von 2014 bis 2018 ebenfalls Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium war. Danach war mit Andreas Feicht ein weiteres Mitglied des Agora-Rates Staatssekretär im selben Ministerium.

Das sind pikante Zufälle. Und deswegen hat dieser Rat Sprengkraft. Wie kann bei einer solchen Einflussnahme gewährleistet sein, dass parlamentarische und rechtsstaatliche Mechanismen nicht unterlaufen werden?

Es gibt dabei nicht nur eine Agora. Zwar ist die Agora Energiewende die älteste und wichtigste Gründung, doch ist sie nicht die einzige. Neben der Agora Energiewende existieren auch weitere Schwesterprojekte: die Agora Verkehrswende, Agora Agrar und Agora Industrie. Fördergelder, die von der Mercator Stiftung an die Agora geflossen sind, lassen erahnen, dass mit Agora Digitale Transformation schon der nächste Teilbereich abgedeckt werden soll.

Hinter den Agora-Schwestern steht die Smart Energy for Europe Platform (SEFEP) gGmbH. Es handelt sich dabei um eine „gemeinnützige Gesellschaft“. Die Impressum-Adressen aller Agora-Plattformen verweisen stets auf die SEFEP. Traditionell sind die Geschäftsführer der SEFEP und die Geschäftsführer der Agora Energiewende identisch. So war Agora-Gründer Rainer Baake auch Geschäftsführer der SEFEP, und Patrick Graichen füllte diese Position bis zu seiner Berufung zum Staatssekretär im Dezember 2021 aus. Heute fungiert die Doppelspitze aus Markus Steigenberger und Frauke Thies – beide Geschäftsführer der Agora Energiewende – als Vertretung der gGmbH.

Im Rat der Agora Energiewende und im Rat der Agora Verkehrswende saßen immer wieder Staatssekretäre der Bundesregierung. Am bekanntesten davon ist Jochen Flasbarth, der von 2013 bis 2021 Staatssekretär im Bundesumweltministerium war. Zuvor war er Präsident des Umweltbundesamtes. Flasbarth hatte zudem in weiteren NGOs Einfluss: Er war Mitbegründer des Verkehrsclub Deutschland (VCD), der im Kampf gegen den motorisierten Individualverkehr mit der Deutschen Umwelthilfe zusammenarbeitet (welcher wiederum Baake als Co-Geschäftsführer vorstand). Er war Präsident des Naturschutzbundes (NABU) 1994 bis 2003. Brisant: Auch er gehörte dem Aufsichtsrat der Deutschen Energie-Agentur (dena) an.

Aktuell ist Flasbarth nicht mehr im Bundesumweltministerium ansässig, sondern wechselte mit Svenja Schulze ins Entwicklungsministerium. Dafür sind zahlreiche Agora-Ratsmitglieder nachgerückt. Zwei heutige Parlamentarische Staatssekretäre, Michael Theurer und Johann Saathoff, sind heute nicht mehr Teil des Agora-Rates, waren es aber über Jahre hinweg. Saathoff, derzeit im Bundesinnenministerium von Nancy Faeser untergebracht, galt als Bürgermeister des ostfriesischen Krummhörn als kräftiger Unterstützer des Windkraftausbaus. Dass Saathoff dabei selbst häufig Funktionen in ostfriesischen Energieunternehmen bekleidete, gibt bereits Anlass zur Frage, ob die Agora-Clique nicht durchaus andere Interessen haben könnte als das „Gemeinwohl“.

Ein interessanter Fall ist auch Stefan Tidow, seit Beginn der Ampel-Regierung Staatssekretär im Bundesumweltministerium, und nach Jochen Flasbarth, Matthias Machnig und Rainer Baake damit das vierte Agora-Mitglied infolge – seit 1998 ist das BMU damit immer mit einem Agora-Staatssekretär versehen. Tidow ist aber nicht nur Agora-Ratsmitglied. Tidow war im Jahr 2016 Projektleiter bei der Agora im Bereich Industriepolitik.

Offensichtlich ist auch eine Doppelspitze im Bundeswirtschaftsministerium und im Bundesumweltministerium: Jeweils zwei Agora-Leute sind dort positioniert. Christiane Rohleder, Staatssekretärin wie Tidow im Umweltministerium, ist zwar erst seit Ende 2021 im Agora-Rat. Sie war jedoch persönliche Referentin von Ulrich Kelber im Justizministerium. Kelber war selbst im Rat der Agora ab 2012 und damit von Anfang an dabei. Wie Rohleder ist im letzten Jahr die Staatssekretärin Susanne Henckel aus dem Bundesverkehrsministerium neu hinzugekommen. Sie war früher Hauptgeschäftsführerin des Bundesverband Schienennahverkehr und Geschäftsführerin des Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg.

Sven Giegold hat einen besonderen Platz ergattert: nicht nur als Staatssekretär, sondern auch im EU-Rat der Agora, einem Gremium, das an die Agora Energiewende gekoppelt ist. Der Wegfall Patrick Graichens aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist dabei nicht das erste Mal, dass ein Agora-Mitglied wegfällt. Denn bis zu seinem Wechsel ins Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen war das langjährige Agora-Mitglied Oliver Krischer als Parlamentarischer Staatssekretär ebenfalls dort tätig. Und nicht zu vergessen: Mit Michael Kellner verbleibt dort ein zweiter Parlamentarischer Staatssekretär, der zwar kein Mitglied des Rates, aber immerhin Schwager von Patrick Graichen ist.

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Kommentare ( 61 )

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Timur Andre
10 Monate her

Wie sehr die meisten Parteien (Grüne, SPD, FDP; CDU) von Davos durchdrungen sind, sollte mal hier Thema werden. Beängstigend!

DELO
10 Monate her

Das Agora-System scheint mir zu dem alleinigen Grund gegründet, Deutschland zum Erliegen zu bringen. Man sieht es an den Schwerpunkten seiner Arbeit: Energie, Industrie, Verkehr und Wohneigentum. Klima kann man weglassen. Das interessiert von diesem Clan kein Schwein. Es scheinen sich in Deutschland mafiaähnliche Strukturen gebildet zu haben, die die o.g. Schwerpunkte unter ihre Kontrolle bringen wollen um damit das Land in ihre Hand zu bekommen. Marco Gallina, bleiben Sie am Thema dran, aber seien Sie vorsichtig. Die Mafia griff auch zum Äußersten, wenn es für sie eng wurde. Wichtig wäre auch zu wissen, woher die Geldunterstützungen kommen. „Aus Amerika“… Mehr

Silverager
10 Monate her

Danke Marco Gallina, dass Sie den Agora-Stein mal hochheben und für die Öffentlichkeit nachsehen, was darunter so alles krabbelt.
Dass eine NGO wie Agora und ihre Finanziers sich in fast alle Ministerien der linksgrüngelben Regierung eingenistet haben, muss zu einem Ende gebracht werden.
Nicht nachlassen !!!

Last edited 10 Monate her by Silverager
Timur Andre
10 Monate her
Antworten an  Silverager

Agora, was steckt unter/hinter denen? Davos!
Welche Politiker sind alle bei Davos organisiert, und welche Parteien?

Peter Pascht
10 Monate her

Dumme ungebildete Menschen- die nicht wissen was ein Mittelwert bedeutet die nicht den Unterschied zwischen Nominalwert und Schwankung kennen erzählen mir dann einen Blödsinn über „Hitzerekorde“, „Unwetterrekorde“, „Extremtrockenheit“, usw. So veröffentlicht das deutsche Bundesumweltamt die dort angesiedelt Dummheit von fanatisierten „Vorfeldorganisation“, „Täuschung- und Tarnorganisationen“, Grüner Dummheit. Ja selbt in UNO und EU haben sie mafiöse Strukturen gebildet die mit kriminellen Erpressermethoden ihren fanaatischen „Klimawahnsinn“ in der Welt verbreiten wollen. Firmen müssen „Klimaneutral“ sein, ihre Produkte müssen „Klimaneutral“ und „Umweltgerecht“ sein, sonst drohen ihnen kriminelle Netzwerke innerhalb der EU und UNO mit dem Entzug von Finanzierung und Versicherungsschutz, durch politischen und… Mehr

Harry Charles
10 Monate her

EIN SUMPF WOHIN MAN SCHAUT: WEG MIT HABECK!

Es ist einer der größten politischen Skandale der Nachkriegsgeschichte. Und der hauptverantwortliche, Habeck, klebt immer noch an seinem Sessel. Je länger, desto größer wird der Skandal.

MAN FASST ES NICHT!

Barrikade Carlow
10 Monate her

Hallo Herr Gallina !
Lesen Sie doch bitte dazu , Roland Tychy Merkels Erbevom 22 März 2021 !
Die Regierung und ihre Seilschaften ist ein einziger Clan !!!

Rob Roy
10 Monate her

Bis auf den Verkehrsrat sehe ich da nur alte, weiße Männer. Diese sexistische, antidiverse und nazihafte Organisation gehört daher sofort aufgelöst!

Transformation
10 Monate her

Wieder hervorragend recherchiert und zusammengefasst. Vielen Dank. Trotz allem muss man da noch weiter in den Hintergrund gehen. Die Verstrickungen der US Regierung (nicht die offizielle sondern die Schattenregierung) und der US Milliardäre sollte man ebenfalls aufdecken. Ebenso ist klar, ohne das WEF und die Bilderberger Treffen, hätten die ganzen Akteure nicht zusammengefunden. Dort wurde alles in den Hinterzimmern schon seit Jahrzehnten geschmiedet. Wir erleben quasi jetzt die Endphase dieser ganzen Vorbereitungen. Dort können sich Politiker, Wirtschaft und NGOs, Milliardäre, Medien usw. verbinden, da sie dort alle aufeinandertreffen, was einzeln so gar nicht möglich wäre und ihre Pläne ausarbeiten. Begleitet… Mehr

Last edited 10 Monate her by Transformation
Thomas
10 Monate her
Antworten an  Transformation

Auf den letzten Metern bis zum Ziel müssen sie den Schatten verlassen und im Licht agieren. Jetzt kann jeder sehen was geschieht. Wer das alles nur mit Dummheit oder Zufall abtut ist naiv.

Timur Andre
10 Monate her
Antworten an  Transformation

Wie sehr die meisten Parteien von Davos durchdrungen sind, sollte mal hier Thema werden. Ich schreibe es ständig, geht nur auch hier nicht durch?
Es ist beängstigend

H. Heinz
10 Monate her

Wenn Habeck Leute aus dem grünen Dunstkreis um sich schart und die dann grüne Ideologie politisch durchsetzen, ist dies zunächst noch nicht strafbar. Man kann es aber zu Recht Filz nennen, insbesondere wenn Personen zwischen Ämtern im selben Dunstkreis hin- und her wechseln und Familienbande ganz offensichtlich auch noch eine Rolle zu spielen scheinen. Entscheidender, ist jedoch, wer profitiert davon finanziell nicht zuletzt auch persönlich, welche Abhängigkeiten bestehen, oder wird möglicherweise sogar staatsfeindlicher Einfluß ausgeübt (Deindustriealisierung)? Insofern stellt sich für mich die Frage, welche Ziele verfolgen die nationalen wie internationalen Geldgeber, heißen sie Blackrock, Vanguard, Mercator, Chris Hohn etc. welche… Mehr

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  H. Heinz

Was die grünen zusammen Gescharrten betrifft: es sind genutzte Gläubige, unterwegs zum vermeintlichen Endsieg gegen das Klima (haha!) – tatsächlich aber zur Vernichtung Deutschlands wie EU-Europas eingesetzt. Erinnern wir uns an den RAND-Report hinsichtlich der Ukraine, in dem beschrieben steht, wie man die 100%igen Habeck und Baerbock bei der Stange halten wird – bis zum bitteren Ende: Daraus: „Die Voraussetzung dafür, dass Deutschland in diese Falle tappen kann, ist die führende Rolle der grünen Parteien und Ideologie in Europa. Die deutschen Grünen sind eine stark dogmatische, wenn nicht gar eifrige Bewegung, was es recht einfach macht, sie dazu zu bringen,… Mehr

Johannes Kreis
10 Monate her

Das ist ein wichtiger Beitrag, um zu verstehen, wie die öffentliche Meinung „wissenschaftlich gestaltet“ wird.   Das Ganze bettet sich ein in größere Netzwerke. Ich erinnere an Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, im Bundesaußenministerium, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aamt/leitung/-/2514202, über die bei TE schon berichtet wurde.   Von 2010 bis 2017 war Frau Morgen Mitglied im wissenschaftlichen Beirats des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK, https://www.pik-potsdam.de/en) und vom aus PIK tut sich ein weites Netzwerk auf, das sowohl weit in die Bundesregierung, als auch über das Kuratorium und den „wissenschaftlichen“ Beirat bis nach Europa und die USA reicht. Das PIK ist auch Mitglied… Mehr

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  Johannes Kreis

Tolle Recherche – danke Ihnen. Bei TE zeigt sich „Schwarmintelligenz“ im besten Sinne!
Kurz gefasst tweetet ein gewisser Rahmstorf vom PIK das derart: „Innerhalb der Wissenschaft gibt es schon lange keine anderen Lehren oder Theorien mehr. Die Erderwärmung ist verstanden & läuft seit den 1980ern so ab wie vorhergesagt. Es gibt freilich bestens finanzierte Vernebelungsversuche von Interessengruppen.“ https://twitter.com/rahmstorf/status/1471887045266128904
Too big to fail?
Dass man sich da nicht mal irrt?
Wobei der Rahmstorf sowohl Demokratie wie auch die Wissenschaft in 3 Sätzen vollkommen ad absurdum führt. Was für ein „Forscher“!