EU will digitalen Euro beschleunigen – kommt dann die totale Kontrolle?

In Brüssel wächst nun die Sorge, den US-Anbietern das Feld zu überlassen, wenn die Einführung des digitalen Euro weiter auf sich warten lässt.

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Die Europäische Union macht beim Projekt eines digitalen Euro offenbar Tempo. Auslöser ist ein Schritt der USA: Mit dem sogenannten Genius Act haben die Vereinigten Staaten erstmals einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen für Stablecoins geschaffen – also Kryptowährungen, deren Wert an staatliche Währungen wie Dollar oder Euro gekoppelt ist.

In Brüssel wächst nun die Sorge, den amerikanischen Anbietern das Feld zu überlassen, wenn die Einführung des digitalen Euro weiter auf sich warten lässt. Laut einem Bericht der Financial Times denken EU-Beamte deshalb über eine grundlegende Kursänderung nach. Bislang war vorgesehen, den digitalen Euro auf einer eigenen, von der Europäischen Zentralbank (EZB) kontrollierten Blockchain zu entwickeln. Nun wird jedoch diskutiert, ihn auf einer bereits etablierten öffentlichen Blockchain wie Ethereum oder Solana aufzubauen.

Ein solcher Schritt wäre bemerkenswert, da öffentliche Blockchains völlig transparent funktionieren: Jede Transaktion wird dezentral gespeichert, ist nachträglich nicht veränderbar und kann von jedem Nutzer eingesehen werden – wenn auch in verschlüsselter Form.

Kritiker warnen allerdings, dass durch die Nachvollziehbarkeit der Wallet-Adressen Rückschlüsse auf einzelne Nutzer gezogen werden könnten – und auf ihr Finanz-Verhalten.

Befürworter verweisen hingegen auf die hohe Sicherheit, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit dieser Systeme, die sich bereits bei etablierten Stablecoins wie Tether oder Circle bewährt haben.

Internationale Entwicklung setzt Brüssel unter Druck

Dass Brüssel den Druck spürt, zeigt auch die internationale Entwicklung: In China ist die Einführung eines digitalen Yuan bereits weit fortgeschritten, in Großbritannien wird zumindest über ein digitales Pfund diskutiert. Europa hingegen riskiert, ins Hintertreffen zu geraten – zumal Dollar-Stablecoins weltweit schon jetzt eine Marktkapitalisierung von mehr als 280 Milliarden Dollar erreicht haben.

EZB-Ökonom Jürgen Schaaf warnte unlängst in einem Blogbeitrag, dass die zunehmende Verbreitung von US-Stablecoins in Europa die geldpolitische Steuerung der EZB schwächen könnte. Würden Dollar-Stablecoins im Euroraum sowohl für Zahlungen als auch zum Sparen oder Abrechnen genutzt, drohe der Euro an Einfluss zu verlieren. „Je größer ihre Verbreitung ist, desto schwieriger wäre es, sie wieder zurückzudrängen“, so Schaaf.

Mit einem eigenen digitalen Token könnte die EZB dieser Entwicklung gegensteuern und zugleich die Position Europas im globalen Wettbewerb um digitale Währungen sichern. Noch ist offen, ob sich Brüssel tatsächlich für eine radikale Öffnung Richtung öffentlicher Blockchains entscheidet.

Zu befürchten ist: Mit dem digitalen Euro wird auch die totale Kontrolle möglich.

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Kommentare ( 7 )

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FreudLich
3 Monate her

EU und digitaler Euro sind das eine Thema, Deutschland und Bargeld das andere. In jedem Falle geht es um Kontrolle, die uns BITTE erspart bleiben möge! Hansjörg Stützle und sein Engagement schätze ich sehr. Er hat das Bargeldverbot zu seinem Thema gemacht und kann Unterstützung gebrauchen. TE hat ein interessantes Interview mit dem Mann gemacht. https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/verbraucher-sollten-moeglichst-oft-bar-bezahlen/

Mikmi
3 Monate her

Wer gegen die Bürger regiert, was bleib denen dann noch? Auswandern in ein nicht Europäisches Land? Die können sich doch nicht den Rest ihres Leben schützen lassen? Denken die über ihr Handeln nicht nach, wir leben nicht mehr auf dem Dorf, die Welt ist Digital geworden, das läßt sich nicht mehr verstecken.

Mausi
3 Monate her

„von der Europäischen Zentralbank (EZB) kontrollierten Blockchain“: Von wem soll die kommen? Von Fachkräften in der EU? Es zeigt sich wieder: Alles kann auch gegen den Bürger verwendet werden. Alles kann friedlich oder zur Kriegszwecken genutzt werden. D und auch die EU hinterlassen nicht den Eindruck, dass sie zugunsten von Demokratie und Rechtsstaat von diesen „Konzepten“ abweichen. Gibt es neben der digitalen Währung weiterhin Bargeld? Welches nordische Land hat Bargeld wieder gestärkt? Wie sieht es in China aus, was ist in den USA geplant? Vor allem: In D braucht „man“ Tage, um ein lahmgelegtes System – Energieversorgung und Systeme in… Mehr

Last edited 3 Monate her by Mausi
BK
3 Monate her

Der Stablecoin, der mit Staatsanleihen hinterlegt ist, um ihn dann wieder in eine Kryptowährung zu tauschen, ist wirklich ein Genius Act. Ich tausche Dollar in Tether und Tether in Bitcoin, um Bitcoin über Tether in Dollar zu liquidieren. Das ergibt wirklich Sinn und ist gut für die eigene Staatsverschuldung, deren Bonds man an Kryptoplattformen verleiht und über Umwege im Kryptouniversum bindet. Das gibt der Sache einen seriösen Anstrich, zumal der Herausgeber dieser Schuldscheine der weltweit größte Schuldner ist. Für den Euro wird es wohl nichts bringen. Ob digital oder analog, er bleibt eine Regionalwährung, die in Europa dominierend ist.

swengoessouth
3 Monate her

Die EU und die meisten Mitgliedsländer brauchen die totale Kontrolle, denn ohne Kontrolle und Repression werden sie nicht länger überlebensfähig sein. Alle Gesetze die beschlossen wurden zeigen dies, wie z.B.DSA.
Gab es in den letzten Jahren irgendein Gesetz war zum Vorteil ihrer Bürger war?
Jedes Gesetz dient zur Beschneidung der Freiheit. Nur abgeschaffte Gesetze und nicht beschlossene Gesetze sind gut für die Bürger.
Der digitale Euro und ID beenden die Freiheit. Wir 500 Mio Bürger der EU leben dann in einem Gefängnis. Ist das gewünscht? Es ist das Ziel.

Donostia
3 Monate her

Würden Dollar-Stablecoins im Euroraum sowohl für Zahlungen als auch zum Sparen oder Abrechnen genutzt, drohe der Euro an Einfluss zu verlieren. Genau darum geht es, den Einfluss zu verlieren. Aber Moment mal, mein Geld gehört mir und ja die EU, die den € über die Zentralbank heraus gibt, soll keinen Einfluss darauf haben. Sie können ruhig den digitalen € einführen, solange ich die Wahl hab ihn umzutauschen. Aber das ist es wohl, was verhindert werden soll um ein Monopol zu haben mit dem man den Bürger abhängig macht und ihn steuern kann. Schaut nach Spanien, wer dort mehr als 3000€,… Mehr

August Klose
3 Monate her

Die totale Kontrolle ist nicht zu befürchten, sie ist das Ziel!