Immer mehr Deutsche verlassen das Land – 2025 könnte Rekordjahr werden

Vor allem Jüngere und gut Ausgebildete zieht es ins Ausland. Das Rezept der Politik besteht nicht darin, sie zu halten – sondern 400.000 Migranten jährlich zu holen.

picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Deutschland geht es nicht besonders gut. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2025 um 0,2 Prozent. Das Land steckt seit längerem in einer zähen Rezession. Einen Rekord könnte es 2025 allerdings geben: bei der Auswanderung von Deutschen. Allein von Januar bis April verließen 93.000 Bundesbürger ihre Heimat Richtung Ausland. Der Anteil der Deutschen an allen Personen, die Deutschland verlassen, beträgt etwa 21 Prozent. Der größere Teil entfällt auf ausländische Studenten, die in ihre Heimatländer zurückkehren, und Personen, die ihren vorübergehenden Arbeitsaufenthalt in Deutschland beenden.

Sollte sich der Trend vom ersten Quartal 2025 fortsetzen, dann würde die Emigration von Autochthonen in diesem Jahr einen Höchststand erreichen. Im vergangenen Jahr zog es 296.986 Deutsche ins Ausland. Das gängige Klischee – der Ruheständler, der den Lebensabend unter südlicher Sonne genießt – spielt bei der Ausreisebewegung nur eine untergeordnete Rolle. Gerade sechs Prozent der Auswanderer befinden sich im Pensionsalter. Es gehen vor allem die Jungen und gut Ausgebildeten.

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Seit 2005 verzeichnet das Statistische Bundesamt einen negativen Wanderungssaldo von Deutschen. Das heißt: Es ziehen dauerhaft mehr Staatsbürger ins Ausland, als von dort zurückkehren. Trotzdem wächst die Bevölkerung in Deutschland, und zwar überwiegend durch die Asylzuwanderung. Allein im April verzeichneten die Statistiker einen positiven Wanderungssaldo von 24.000. In der Gesamtbetrachtung nimmt also durch die Wanderung die Zahl der gut qualifizierten Deutschen ab, und das beschleunigt, während die Migration vor allem aus westasiatischen und afrikanischen Ländern hoch bleibt.

Dieses Grundmuster existierte auch schon vor 2015. Aber in den vergangenen 10 Jahren stieg die Zahl der auswandernden Deutschen – mit einer kurzen Pause während Corona – ständig weiter an, während auf der anderen Seite die Asylzuwanderung noch stärker nach oben ging. Die Entwicklung führt zu einem Mangel an Fachkräften, der die wirtschaftliche Entwicklung immer deutlicher nach unten zieht.

Die meisten Parteien und staatlichen Organisationen sehen die Auswanderung von jüngeren Deutschen allerdings nicht als Problem. Die Bundesregierung, aber auch Ökonomen wie Marcel Fratzscher vom DIW fordern den jährlichen Zuzug von 400.000 Migranten. Nur so, argumentieren sie, ließe sich das Angebot an Arbeitskräften konstant halten. Dass es sich etwa bei der Hälfte der 5,5 Millionen Bürgergeldbezieher nicht um Staatsbürger handelt, sondern Migranten, hauptsächlich aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan, blenden sie dabei ebenso aus wie die meist geringe Qualifikation von Asylmigranten aus Westasien und Afrika.

Der Linie, die demografischen Probleme durch Zuwanderung lösen zu wollen, folgt auch die Bundesarbeitsagentur. Deren Vorstandsmitglied Vanessa Ahuja erklärte kürzlich in einem WELT-Interview, die Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr halte sie für „realistisch, wenn wir alle Register ziehen“. Es gehe um die Nettozuwanderung: „Wenn, wie im Jahr 2024, 1,3 Millionen Menschen Deutschland verlassen, brauchen wir 1,7 Millionen, die zuwandern“, so Anjuha. In ihren Ausführungen spielen Überlegungen keine Rolle, wie es erst einmal gelingen könnte, die eigenen jungen und gut ausgebildeten Bürger im Land zu halten.

Was die Deutschlandmüden außer Landes treibt, ist bekannt: hohe Steuerbelastung, zunehmende Unsicherheit im öffentlichen Raum, lähmende Bürokratie, die vor allem potentielle Firmengründer abschreckt. Dazu kommt vor allem für Jüngere mit guten Abschlüssen in MINT-Fächern die Überlegung, dass sich eine ausreichende Alterssicherung in anderen Ländern leichter aufbauen lässt als in Deutschland, wo immer wieder politische Forderungen nach einer Sonderabgabe auf Immobilien oder höhere Steuern auf Kapitalerträge durch den Raum schwirren.

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An die Behauptung der schwarz-roten Regierung, das jetzige Rentenniveau ließe sich langfristig stabil halten, glaubt kaum ohnehin niemand, dem der Umgang mit Zahlen und Statistiken vertraut ist. Ein weiteres Motiv vor allem Jüngerer mit Familiengründungsabsicht, das Land zu verlassen, lautet: Die rapide Verschlechterung des Schulniveaus in Deutschland. Von 2014 bis 2024 nahm die Zahl der Schüler migrationsbedingt bundesweit um 800.000 zu; die Zahl der Lehrer hielt damit nicht annähernd Schritt. Das Resultat: heute sind 110.000 Lehrerstellen unbesetzt. Schulen stopfen die Lücken immer häufiger mit Seiteneinsteigern, also Lehrkräften ohne pädagogische Ausbildung – oder lassen Stunden einfach ausfallen. Die Frage, woher bei diesem jetzt schon akuten Mangel die Lehrer für die Kinder der geforderten 400.000 Netto-Zuwanderer kommen sollen, lassen die Befürworter dieser Strategie ebenso unbeantwortet wie das Problem, wie und wo der Zuzug, der jährlich einer mittleren Großstadt entspricht, angesichts des dramatisch eingebrochenen Wohnungsbaus Platz findet.

An allen Auswanderungsgründen könnte die Politik etwas ändern, unternimmt aber keine Schritte in diese Richtung. Darunter leidet auch die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte nach Deutschland. Attraktiv wirkt Deutschland 10 Jahre nach der migrationspolitischen Entscheidung der damaligen Kanzlerin Angela Merkel nur Armutsmigranten, die direkt in das Sozialsystem einwandern. Sie verbessern ihren Status gegenüber ihrem Herkunftsland meist deutlich. In dem heftig kritisierten Werbeblatt der Bundesarbeitsagentur zum Bürgergeld („citizens benefits“) findet sich auch der Hinweis, wann ein Zuwanderer keinen Anspruch auf die staatliche Leistung hat: „Wenn Sie nach Deutschland kommen, um hier einen Job zu suchen“.

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Kommentare ( 112 )

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112 Comments
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Christoph_Koehler
3 Monate her

Auch in diesem Artikel geht es im Grunde nur um die wirtschaftlichen Aspekte dieser Entwicklung – ist Deutschland nicht viel mehr als ein Wirtschaftsstandort und eine Volkswirtschaft. Der Aspekt, dass wir, wenn auch dahinschwindend wie Schnee in der Frühlingssonne, immer noch ein Volk, eine Nation, eine gewachsene Kultur mit großartigen Leistungen und einer ganz eigenen großartigen Geschichte und Tradition sind, geht hier vollkommen unter bzw. wird völlig ausgespart. Aber das ist im Grunde das Eigentliche, was unwiderbringlich verloren geht! Ein Volk, das auch ethnisch definiert und geprägt ist, eine, nicht nur über Jahrhunderte, sondern, wenn man die frühesten Wurzeln mit… Mehr

Peter Pascht
3 Monate her

Dieses besiegte deutsche Volk mit der ewigen Erbsünde der „deutschen Schuld“ durfte bis heute 80 Jahre danach, nicht seine eigene Verfassung beschließen. Es heißt bis heute „Gundgesetz“ nicht „Verfassung“. Zudem beginnt das Grundgesetz mit einer Lüge ! „Präambel  Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, …..hat sich das Deutsche Volk …dieses Grundgesetz gegeben.“ Zitat Quelle: „Rede zum Grundgesetz“ – Dr. Carlo Schmid, 8. Sep. 1948 „Die erste Einschränkung ist, daß uns für das Grundgesetz bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter,daß wir das Grundgesetz, nachdem wir es hier beraten und beschlossen haben,den Besatzungsmächten zur Genehmigung werden vorlegen müssen.“Quelle: „Rede zum… Mehr

VollbeschaeftigtmitNichtstun
3 Monate her

Ja! Nur weg hier! Und sollte Geld da sein. Auch weg damit.

Anne W
3 Monate her

So leid und weh es mir tut, das über mein lange geschätztes „Vaterland“ zu sagen:

Haut ab! Am besten weg aus West – Europa!
Scheint verloren!

Last edited 3 Monate her by Anne W
DDRforever
3 Monate her
Antworten an  Anne W

Da hab ich Glück, ich habe die BRD nie als mein Vaterland gesehen und das hat es leichter gemacht zu gehen.

BugsBunny
3 Monate her

Sehr gute Kommentare auf TE….Auswanderung ist primär eine Sache des Alters und der Qualifikation…leider ist der gesamte sog. „Westen“ von den erwähnten Problemen befallen und verseucht….wer mutig genug ist, sollte vielleicht nach Russland auswandern….wer hätte von uns Boomern früher jemals gedacht, dass sich die BRD und der gesamte sog. „Westen“ nach 1990 derart desaströs entwickeln würden….

Die Wahrheit
3 Monate her

Ich ziehe in ein Land, das mich höher besteuert als Deutschland. Warum? Weil ich da für meine Steuern Vorzüge habe ohne Ende. Ich mach doch nicht den Bückling für andere. Also heißt es bald Tschüss Deutschland for ever!

Privat
3 Monate her

Wenn ich mir überlege, wie wahnsinnige unser Steuergeld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen, Milliarden verbrennen für einen fremden Krieg, der uns Deutschen nichts angeht. Vor kurzem noch feierte die bekloppte CDU für ein von Merz mit unserem Steuergeld aufgebautes Millionenschweres neues Raketenwerk in der fremden Ukraine, um mit diesen produzierten ballistischen Raketen Moskau zu beschießen !! Es sind wirklich wahnsinnige am Werk, die außer Rand und Band geraten sind. Moskau beschießen – die alle gehören in eine geschlossene Anstalt. Zum Glück- hat die russische Armee dieses deutsche Projekt gegen Russland jetzt eliminiert. Merz und sein CDU sehr verärgert,… Mehr

Kampfkater1969
3 Monate her

Man muss das in Relation setzen! Die Zeitung „Der Bayerische Wald“ schrieb am 22.03.1893 unter anderem: „Bis zum Ausbruch der Colera in Hambug, also bis August, waren über Hamburg 103.059, über Bremen 101.700 Auswanderer befördert worden, das heißt, etwas mehr als innerhalb der ersten 8 Monate des Vorjahres. Es wurden im Jahre 1892 über die drei deutschen Häfen Hamburg, Bremen und Stettin 241.595 Personen befördert, gegenüber 289.368 Personen im Vorjahr……“ Aus dem Deutschen Reich stammten 90.183 Auswanderer, dazu kamen 74.682 Russen und 51.672 Österreicher, also aus dem Habsburger Reich. Dabei verschärften die USA die Maßregeln zur Einwanderung, weil besonders mittellose,… Mehr

Phil
3 Monate her

„Die Bundesregierung, aber auch Ökonomen wie Marcel Fratzscher vom DIW fordern den jährlichen Zuzug von 400.000 Migranten. Nur so, argumentieren sie, ließe sich das Angebot an Arbeitskräften konstant halten.“  Die Anzahl der Fälle, in welchen Fratzscher mit seinen Aussagen und Behauptungen (egal in welchem Gebiet) total daneben liegt, beträgt 100 von 100. Man könnte meinen, dass es selbst einem blinden Huhn irgendwann vergönnt sein mag, ein Korn zu finden. Da ist Fratzscher dann wohl die absolute Ausnahmeerscheinung, der findet noch nicht einmal am helllichten Tag, unter Zuhilfenahme beider Hände, den eigenen Arsch. Es ist dem Staat (und seinen Hofjournalisten- und… Mehr

Privat
3 Monate her
Antworten an  Phil

Hier leben bereits Millionen kulturfremde Asylanten.
Die meisten von denen sind ohne Arbeit.
Wir brauchen keine Zuwanderung von jährlich 400.000 illegalen.
Wir brauchen keinen einzigen neuen. Die Asylanten die hier leben, reichen für Jahrzehnte.

Privat
3 Monate her
Antworten an  Phil

Man sollte dem Fratscher etwas gutes tun, ihm eine afghanische Großfamilie in seinem eigenen Haus unterbringen.

Haedenkamp
3 Monate her

#An allen Auswanderungsgründen könnte die Politik etwas ändern, unternimmt aber keine Schritte in diese Richtung.# Warum auch, wenn ich ein Ziel verfolge, dann konsequent, ohne es zu konterkarieren.