Die Prüfungsaufgaben im Fach Englisch stehen in der Kritik: einerseits zu schwierig, andererseits enthielt ein Text Anstoß erregende Begriffe. Doch genau das ist der Zweck von Bildung: Die Grenzen des Lernenden zu erweitern, indem er über sie hinausgeführt wird. Das ist nicht immer angenehm.

Die Allgemeine Hochschulreife soll belegen, dass ein junger Erwachsener dazu fähig ist, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Der Bildungsweg, der zum Abitur führt, soll genau darauf vorbereiten: auf wissenschaftliches Denken.
Dass Beschwerden über angeblich zu schwierige Prüfungsaufgaben eingehen, ist nichts Besonderes. Mal werden die Anforderungen in Deutsch, mal in Mathematik als zu hoch empfunden. Dabei ist der Bildungsstand deutscher Schüler nicht nur gefühlt im Sinkflug begriffen. Studien belegen das, Ausbildungsbetriebe und Hochschulprofessoren beklagen es.
Schaut man sich das Niveau an, auf dem mittlerweile in diesem Land selbst unter „Eliten“ Debatten geführt werden – oder mangels Befähigung eben auch nicht geführt werden –, so sollte man eher danach streben, den Schwierigkeitsgrad der Schulabschlüsse zu erhöhen, wobei die Schüler selbstredend dann auch adäquat vorbereitet werden müssten. Zumal die Bildung, die durch das Abitur erworben wird, wie gesagt spezifisch zu wissenschaftlichem Arbeiten hinführen soll: Das ist nicht jedermanns Sache, und keinesfalls ist „dumm“ oder ungebildet, wer diesbezüglich kein Talent hat oder kein Interesse daran zeigt.
Dass viele Menschen nicht begriffen haben, was wissenschaftliches Denken bedeutet, belegt eine Online-Petition, die Nachkorrekturen bezüglich der Abiturprüfungen im Fach Englisch fordert, und die mittlerweile über 12.500 Unterzeichner gefunden hat.
Darin wird unter anderem kritisiert, dass die zu bearbeitenden Texte „sprachlich und inhaltlich schwierige Passagen“ beinhalteten, „die den Eindruck einer realitätsfernen Erwartungshaltung vermitteln. Statt eine faire Überprüfung der erlernten Kompetenzen zu ermöglichen, waren viele Prüflinge überfordert.“
Zu Deutsch: Die Aufgaben erforderten offenbar eigenständiges Denken, das über Erlerntes hinausweist. Mit der Wiedergabe bereits gelernter Inhalte war es nicht getan. Nun: Genau das muss eine Abiturprüfung abfragen, wenn sie nicht überflüssig sein soll.
Denn wer am Ende seiner Schullaufbahn nicht dazu fähig ist, eigenständig Gedanken zu entwickeln, kann kein Studium aufnehmen, und verfügt nicht über eine „Hochschulreife“, auch, wenn sie ihm zugesprochen werden sollte. Wenn die wissenschaftliche Sphäre in Deutschland etwas nicht braucht, dann mehr „Akademiker“, die lediglich Thesen wiederkäuen, und nicht dazu im Stande sind, sicher geglaubtes Wissen zu hinterfragen. Eine Abiturprüfung, die einem besseren Vokabeltest gleicht, wäre nichts wert.
Allerdings verdient die Überforderung der Schüler keinen Spott: Wer weiß, ob ihnen die Lehrer vermittelt haben, wie wissenschaftliches Denken und Arbeiten funktioniert? Fast jeder dürfte wohl in Erinnerung an seine eigene Schulzeit vor Augen haben, dass durchaus nicht alle Lehrer diesen Anspruch einlösen.
Auch ein weiterer Kritikpunkt ist besorgniserregend: Empört monieren die Verfasser der Petition, dass im „Prüfungstext das rassistische n-Wort [Hervorhebung original] verwendet [wurde], ohne Vorwarnung und ohne Rücksicht auf die emotionale Belastung, die damit für Betroffene verbunden ist.“
Nun gibt es verschiedene Arten der Betroffenheit: Es ist in gewissen Kreisen üblich geworden, Empfindsamkeit und das, was man heutzutage als „Achtsamkeit“ bezeichnet, pauschal mit Spott zu überziehen. Dabei ist es durchaus achtbar, wenn Menschen angesichts von Roheit, Schlechtigkeit und Bosheit „betroffen“ sind. Tatsächlich sind wir häufig gleichgültig und abgestumpft gegenüber den Übeln, die in der Welt grassieren.
Bloß: Echte Empfindsamkeit und Überspanntheit sind nicht dasselbe. Echte Empfindsamkeit ist nicht mit der Anspruchshaltung verbunden, die hier deutlich wird, nämlich der, mit den Dingen, die uns unangenehm sind, nicht konfrontiert zu werden. Das ist das eigentliche Problem, nicht, dass Schüler sensibel auf Ungerechtigkeiten oder Hass reagieren.
Die Sensibilität wird nicht reflektiert, und viel zu häufig nur in Bezug auf das eigene Unwohlsein bezogen, anstatt auf die Ungerechtigkeit, die einen ja nicht selbst betrifft, sondern die sich gegen andere richtet.
Es besteht aber kein Anspruch auf Wohlfühlbildung. Im Gegenteil: Bildung soll den eigenen Horizont erweitern, in dem man über ihn hinausgeführt wird. Das ist häufig unangenehm. Weil es Arbeit und Mühe kostet, und weil es, sobald man abstrahieren oder etwas nachvollziehen muss, auch mit einer gewissen Selbstverleugnung einhergeht. Wer aus seiner Komfortzone nie heraustritt, wird auch nicht erfahren, was sich außerhalb dieser Zone befindet. Wie aber soll, wer gar kein Wissen erwerben will, „Wissen schaffen“?
Nun ist die Verwendung von Worten wie „negro“ oder die Beschimpfung als „nigger“ in zeitgenössischen Texten einigermaßen regelmäßig anzutreffen. Letztere beleidigende und herabwürdigende Bezeichnung wird nicht zuletzt eingesetzt, um gerade die Unmenschlichkeit und den Rassismus der Charaktere, die diesen Ausdruck benutzen, hervorzuheben; erstere Bezeichnung war zu bestimmten Zeiten schlicht üblich.
Wer sich hier „betroffen“ fühlt, hat also nicht einmal eine der grundlegendsten Kompetenzen erworben, die Bildung vermitteln sollte, und zwar die der Unterscheidung zwischen der Darstellung oder Beschreibung eines Inhalts und seiner Deutung, die unter anderem von der Haltung des Darlegenden und des Rezipienten beeinflusst ist.
Jeder Mensch, besonders aber wer mit Quellen arbeitet, muss dazu in der Lage sein, Inhalte aufzunehmen, die ihm missfallen, und sie zu durchdringen, unabhängig von der eigenen Haltung dazu.
Wenn Schüler von ihrer Umwelt derart indoktriniert wurden, dass sie nicht mehr dazu in der Lage sind, zu verstehen, dass die Verwendung des Begriffs „Neger“ nicht der Anwendung dieses Wortes gleichkommt, wenn ihnen eingeredet wurde, dass sie auf dieses Wort mit persönlicher Betroffenheit zu reagieren hätten, dann sieht es für die Zukunft der deutschen akademischen Bildung düster aus; und nicht nur das: Die Unfähigkeit zu Diskurs, dazu, eine Debatte zu führen, und Meinungen, die der eigenen widersprechen, aufnehmen und nachvollziehen zu können, strahlt auch in die Gesellschaft ab.
Sachliche Konfrontation wird verunmöglicht, wenn alle mit einem emotionalen Airbag herumlaufen, der jeglichen unangenehmen Inhalt mit dem Hinweis auf persönliche Befindlichkeit abblockt – so sehr natürlich darauf zu achten ist, nicht bewusst zu verletzen, zu demütigen und zu diffamieren: Zu echter Bildung gehört auch, die Grenzen von Anstand, sozialer Konvention und Freundlichkeit zu achten, dem jeweiligen Kontext entsprechend.
Ohne emotionale Resilienz ist indes die Aufrechterhaltung einer pluralen und toleranten Gesellschaft schlicht und einfach nicht möglich. Insofern verdient es die Petition, ernst genommen zu werden: Es ist ein ernstliches Warnsignal, dass die Verengung und Emotionalisierung des akademischen Diskurses offensichtlich voll auf die Schulen durchschlägt.
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Gibt sowieso viel zu wenige Arbeiter. Also: Schon die Zugangshürden zum Gymi gehören deutlich erhöht, dafür die Steuern runter, damit Unternehmen ihre Arbeiter besser bezahlen können. Und übrigens: Auch Merz&Coens Aufrüstungswahn zur Rettung der Wirtschaft ( Herr H. lässt grüßen) ist nicht allein mit Ingenieuren zu bewältigen. Jemand sollte das Zeug schon auch noch herstellen und zusammenschrauben.
„–, so sollte man eher danach streben, den Schwierigkeitsgrad der Schulabschlüsse zu erhöhen, wobei die Schüler selbstredend dann auch adäquat vorbereitet werden müssten.“
Nun, sollten die Schüler sich nicht auch selbst vorbereiten? Ich glaube nämlich, dass es vor allem daran mangelt.
Richtig – wer Freitags für die Zukunft schwänzt hat halt eher keine berufliche Zukunft an den Unis. Egal – auch als Klokosmetiker kann man überleben. Aber wir sollten nicht nur die Schüler Kritisieren. Die heutigen 68 gehen gerade in ihre Pension und haben die Schule und die Lehre uns als Trümmerfeld hinterlassen. Sichtbar in den Stadtstaaten und aktuell in BW sichtbar. Dort hat ein exkommunistischer Maoist und Pol Potist es geschafft die Schule in the Länd an die Wand zu fahren. Von der Autoindustrie und den Atomkraftwerken will ich gar nicht erst anfangen
Prüfungen sind nazi und verhindern lediglich, dass es eine gerechte Verteilung akademisierter Futtertröge gibt. Es muss für kognitiv Inklusionsbedürftige feste Quoten (30% für Bewerber mit einem zertifizierten IQ < 80) bei der Studienplatzvergabe für z.b. Medizin, Jura, Mathe und Biochemie geben. Sexuellidentitätsherausgeforderte bekommen zusätzlich eine Studienabschlussgarantie. Für Gendergedöhns, Soziologie, Mediengeschnacksel und Politikwissenschaften bedarf es der Quoten natürlich nicht, außer für kognitiv nicht Inklusionsbedürftige….aber die wollen da ja gar nicht hin.
Gemäss Duden ist die Hochschulreife die durch das Abitur erworbene Berechtigung, an einer Hochschule zu studieren. Ob Schüler bis dahin in vorwissenschaftlichem Arbeiten und Denken unterrichtet und gebildet wurden, ist eine ganz andere Frage. Nach wie vor hängt es von konkreten Schulen ab, ob die dortigen Lehrkräfte so etwas vermitteln können und wollen, bzw. ob es wegen Schülern dort überhaupt möglich ist. Die IQB-Studien weisen diesbezüglich auf verschiedene Probleme hin. Verursacht wurde manche der Probleme durch die Saarbrücker Rahmenvereinbarung (1960) und die reformierte Oberstufe (1972), die Auswirkungen auf die heutige Lehrerschaft hatten/haben. Das wissenschaftliche Arbeiten und Denken wird jedoch erst… Mehr
Jetzt verstehe ich auch, warum das Allgemeinwissen der Abiturienten so unterirdisch ist.
Und es wird immer deutlicher, was man von einem heutigen Studium zu halten hat, wenn dort ganz offensichtlich nur Vollpfosten herum laufen.
Nun ja, einen Trost haben diese Vollpfosten ja; sie sind echt voll. Und was das „Dissertiern“ können anbelangt- da hat doch ein Minister für Wirtschaft nachgewiesen, dass man auch mit nem Doc Titel durchaus professionelle Fähigkeiten im Bereich der Schwachköpfe erreichen und sogar „übertrumpen“ kann.
Ich glaube ja, dass des Pudels Kern an der Wurzel liegt. Schüler, die immerhin mehr als ein Jahrzehnt von Lehrern (mit-) erzogen wurden, die genau diese Praxis der Wohlfühlgesellschaft unter Ausschaltung aller Realitäten bevorzugen, sind eben das Abziehbild ihrer Erziehung. Und wenn der Kindergarten-Wohlfühlcharakter fehlt, wird protestiert um das „rückgängig“ zu machen. Das hat schließlich sogar eine Kanzlerin in Deutschland pausenlos demonstriert. Ich sehe wirklich schwarz für die Zukunft Deutschlands. Was soll aus solchen Kindern bzw. jungen Erwachsenen wohl werden? Die nächsten Vereinsmitglieder der grünen oder roten oder doppelroten? Oder auch der schwarzen? Ja. Ganz genau. Da wird der bedauernswerte… Mehr
Jeder hat das Recht des Versuches sich wohlzufühlen. Da fallen mir die Gammler Ende der 60er ein. Heute gammeln sie als Sensibelchen durch die Welt. Spätestens mit den ersten ausgeschlagenen Zähnchen oder der ersten Vergewaltigung werden die Sensibelchen das Leben in weiteren Facetten kennenlernen. In der Feuerzangenbowle wird das zwischen 2 Lehrkräften thematisiert.
Aus dieser Petition:
„Im non-fictional text [sic!] drehte sich ein Großteil der Aufgabenstellung um den Begriff „Gentrifizierung“, der im Text nicht erklärt wurde und im Lehrplan nicht vorkommt. Zahlreiche Schüler*innen konnten mit dem Begriff nichts anfangen, selbst Lehrkräfte gaben an, dass dieser Inhalt so nicht absehbar oder vorbereitbar war.“
Noch Fragen?
Die kennen zusammen sehr viel nicht. Atomenergie, Wirtschaft, binäre Lebensgemeinschaft, Verhütung – dafür aber Abtreibung und fast alle spulen locker 52 Geschlechter runter. Sie alle gendern perfekt mit Sternchen, Doppelpunkt und sonstigen Runen. Aber Gentrifizierung ist unbekannt! An denen ist wohl das Leben vorbeigegangen. Es wurde sicherlich nicht erwartet die Entstehung der G. in London vor über 100 Jahren zu diskutieren. Aber im engeren Sinne erleben wir dieses Phänomen spätestens seit der Übernahme ganzer Stadtviertel durch Ausländer. Kreuzberg haben wir in jeder Stadt. Bewohner erfahren dies hautnahe bei jedem Umzug. Gentrifizierung durch Merkels Open Border Verbrechen das bis heute anhält,… Mehr
“…wobei die Schüler selbstredend dann auch adäquat vorbereitet werden müssten…”
Vorbereitet werden müssen?
Also ich habe mich selber auf meine Prüfungen vorbereitet. Und das war auch gut so, denn sonst hätte ich jetzt vielleicht auch nur so ein lausiges Abitur.