Oberleitungen für Autobahnen: Auf dem E-Highway ist nichts los

Eigentlich sollten zwei Versuchsstrecken eindrucksvoll zeigen, wie der Lastwagen-Verkehr auf dem »eHighway« elektrisch in die Zukunft rollt. Es herrscht aber gähnende Leere.

imago images / Chris Emil Janßen
Feldversuch eHighway an der BAB A1 in Schleswig-Holstein

Die elektrifizierten Streckenabschnitte sollten Aushängeschilder der elektromobilen Zukunft des Lastenverkehrs sein. Eine der beiden eHighway-Strecken auf der A5 bei Darmstadt wurde vor knapp einem Jahr Anfang Mai 2019 in Betrieb genommen, die andere auf der A 1 bei Lübeck Ende Januar dieses Jahres. Eine dritte auf einer Bundesstraße in Baden-Württemberg sollte schon in Betrieb sein, dort ist noch nichts geschehen. Alle Sektoren sollten Vorbild für den Lkw-Verkehr von morgen sein.

Doch auf den Strecken tut sich nichts. Lkws mit Stromabnehmern für Oberleitungen sind praktisch nicht zu sehen. Kunststück: Auf der A5 bei Darmstadt gibt es bisher insgesamt nur zwei E-Lkws. Ein Lottogewinn dürfte wahrscheinlicher sein als der Anblick von einem der beiden.

Rechts und links der zwei Autobahnabschnitte auf der A1 in Schleswig-Holstein und auf der A5 in Hessen bei Darmstadt wurde ein dichtes Netz von Masten errichtet, die zwei Oberleitungen für 750 Volt Gleichstrom tragen. Die Elektronik im Lastwagen erkennt mit Hilfe des GPS-Signals die genaue Position unter dem Beginn der Oberleitung, kann den Stromabnehmer hochfahren lassen und die elektrische Antriebsenergie wie eine Eisenbahnlokomotive von oben beziehen.

Außerhalb der Oberleitungsstrecken geht es nicht ohne den kräftigen Dieselantrieb und den kolossalen Energievorrat des Dieselkraftstoffes. Dort fahren sie mit Dieselhybridantrieb mit einem 130 kW starkem Elektromotor und einem normalen 450 PS Dieselmotor. Oder dann, wenn beispielsweise für eine Baustelle unter der Oberleitungsstrecke der Strom aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wird.

Die Bundesregierung hatte in einem »Aktionsprogramm Klimaschutz 2020« unter anderem beschlossen, »einen Feldversuch zur Erprobung elektrischer Antriebe bei schweren Nutzfahrzeugen durchzuführen.«

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»Im Rahmen der Projekte ENUBA und ENUBA2 wurde als eine Lösungsmöglichkeit zur Elektrifizierung schwerer Lkw ein Oberleitungsbetrieb von elektrischen Hybrid-Lkw mit speziellen Stromabnehmern technologisch entwickelt und auf einer nicht-öffentlichen Teststrecke erprobt. Dabei wurde die notwendige technologische Reife erreicht, um das so genannte eHighway-System und seine Praxistauglichkeit im Rahmen eines Feldversuchs auf öffentlichen Straßen zu erproben.«

Bahn frei also für ein paar Kilometer Pilotstrecke auf der A 5 und der A 1. Verantwortlich im Norden das Ministerium mit dem aufwändigen Namen »Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND)«.

»Ziel des Projektes „LiVePLuS“ ist die Konzipierung und Erprobung eines modularen Baukastens, welcher durch die Nutzung einer batterieelektrischen Antriebstechnologie in Kombination mit einem Pantographen-Oberleitungssystem die Fahrzeugemissionen sowie die Lebenszykluskosten im Schwerlastgüterverkehr reduzieren soll«, heißt es in der Ministeriumslyrik. 

»Dabei werden die Teilziele der Konzeptionierung eines TCO-gerechten, pantographenbasierten elektrischen Antriebsstrangs sowie eines modularen und produktionsorientierten Baukastens zur effizienten Umrüstung von Bestandsfahrzeugen für Sattelzugmaschinen der N3-Klasse adressiert. Abschließend erfolgt die Validierung des entwickelten Baukastenkonzeptes durch zwei Prototypenfahrzeuge (Primotyp und Prototyp) mit vollelektrischem Antriebsstrang und einem Pantographen-Oberleitungssystem als Range Extender.«

 

Ein nicht nur sprachlich aufwändiges Unterfangen: Ein ziemliches Kabelgestrüpp mit Abspannleitungen, die für die notwendige Zugspannung der Drähte sorgen, hängt mittlerweile über der Autobahn – Albtraum eines jeden Rettungshubschrauber-Piloten.

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Ziel des Projekts ist es laut Planern in den Ministerien, »einen sicheren Betrieb der zehn Kilometer langen Pilotstrecke für den Oberleitungsbetrieb von schweren Nutzfahrzeugen durchzuführen. Dies umfasst insbesondere die operative Betriebsführung und Sicherstellung des Anlagenbetriebs sowie Untersuchungen zur Funktionalität und Zuverlässigkeit des neuen Infrastruktursystems.«

»BOLD« heißt die ebenfalls millionenschwere »Begleitforschung Oberleitungs-Lkw-Forschung in Deutschland«.  Die einschlägig bekannten grünen Institute »Fraunhofer ISI – Institut für System- und Innovationsforschung«, »ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH« und  schließlich das »Öko-Institut e.V.« werden mit Millionen bedacht und werden für die passenden wissenschaftlichen Erfolgsberichte sorgen.

Geplant sind auch weitere Strecken auf Bundesstraßen in Baden-Württemberg. Vor drei Jahren präsentierte die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bereits das Projekt »eWayBW« im badischen Kuppenheim. Dort soll der dritte deutsche E-Highway auf einem Teilstück der Bundesstraße 462 entstehen.

Vor genau zwei Jahren kam dem grünen Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, die Idee zu einem weiteren PR-Termin in Kuppenheim. Unter freundlichem Applaus stellte er das Pilotprojekt »eWayBW« mit einer Teststrecke für Oberleitung Lkw zwischen Gernsbach und Kuppenheim vor. Er lobte, dass »das Projekt ziemlich gut durchdacht« sei, und das »ziemlich viel Wissen herangezogen« werde.

Professor Arnd Stephan von der TU Dresden schwärmte von dem Draht- und Eisengeflecht gar: »Oberleitungen sind High Tech«.

 

Außer vielen Seiten beschriebenen Papiers ist im Badischen noch nicht viel geschehen. Im Augenblick wehren sich die betroffenen Murgtalgemeinden gegen die Planung des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Die befürchten ein komplettes Verkehrschaos, denn die Planer nehmen gegenüber früheren Planungen eine fast verdoppelte Bauzeit von acht Monaten in Anspruch. Außerdem werde das Projekt in der Bevölkerung sehr kritisch gesehen, sagen die Bürgermeister von Gaggenau, Guggenheim und Bischweier.

Die sechs Kilometer lange Strecke soll mit 16,8 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium gefördert werden. Das Vergabeverfahren ist ungewöhnlich: Auf die reguläre Ausschreibung vor einem Jahr für den elektrischen Ausbau der Strecke meldete sich kein Anbieter. Die einzige Firma, die bisher die beiden Strecken auf den Autobahnen mit Oberleitungen versehen hat, ist Siemens.

Eine erste Zwischenauswertung der Fahrten auf der A5 in Südhessen im vergangenen Jahr ergab übrigens eine Diesel-Ersparnis von lediglich zehn Prozent. Keine eindrucksvolle Bilanz angesichts horrender Kosten.

Was haben die Experten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in das Konzept »Förderprogramm Erneuerbar Mobil« hineingeschrieben? »Förderbare Projekte müssen einen hohen Innovationsgrad aufweisen und erhebliche Erkenntnisgewinne versprechen.« Vielleicht auch auf die bisher ungeklärte Frage, was beispielsweise nach einem Stau passiert, wenn sich einige 100 Lkw gleichzeitig in Bewegung setzen und ordentlich Leistung aus der Oberleitung ziehen wollen, und was nach einem veritablen Unfall mit mehreren Fahrzeugen mit Bruch der Masten geschieht, wenn sich ein dichtes Gestrüpp an Kabeln und Masten über die Unfallfahrzeuge legt.

Auf der A5 bei Darmstadt wurde übrigens im Januar bei einem Unfall ein Mast beschädigt und der Strom auf der einen Seite aus Sicherheitsgründen abgeschaltet.

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Kommentare ( 44 )

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Regenpfeifer
4 Jahre her

Das Gute an Corona ist, dass bald kein Geld mehr für diese Art künstlich geschaffener Steuermittelverschwendung „Lösung sucht Problem“ existieren wird.. 🙂

Aparatschik G.Thomsen
4 Jahre her

Moin Herr Douglas Was soll ich den nun glauben. Jetzt gerade, am heutigen Dienstag, wurde im Schleswig-Holstein-Magazin berichtet (Aufnahmen sind zwar aus dem letzten Sommer; die Landschaft ist halt grüner), dass der E-Highway ein vielversprechender Beitrag ist um das CO-Dings einzusparen. Und es ist eine tolle technische Innovation und überhaupt und so+++. Für kritische Fragen war wohl keine Zeit in dem 1:30 Bericht. Dafür gibt`s aber morgen ausführlichere Informationen in der Sendung Schleswig-Holstein um 18:00 Uhr. Empfehlenswert, um mal wieder mitzubekommen wie „die da“ denken und versuchen, nein! wie „die da“ es erfolgreich unter die Leute bringen. Ich bin jedenfalls… Mehr

StefanB
4 Jahre her

Was zählt, ist der „gute Wille“ fürs „Gute“. 😉

…Und natürlich die Steuerkohle, die über die „Forschungsprogramme“ umverteilt wird. Es würde mich nicht wundern, wenn der / die / das ein oder andere Politiker_*In seine Finger mit in den am Bau beteiligten Firmen hat, wie es auch bei den Windkrafindustrieanlagen, verharmlosend Windräder genannt, der Fall ist.

Was an dem Konzept neu sein soll, erschließt sich mir auch nicht wirklich. Die Technik gibt’s in anderen Ländern schon lange in Form der Oberleitungsbusse (regelmäßig nur in der Stadt): https://de.wikipedia.org/wiki/Oberleitungsbus

Roland Pressler
4 Jahre her
Antworten an  StefanB

Sie vergessen einfach das Große und Ganze! In ein paar wenigen Jährchen wird der Verbrennungsmotor in Kunterbuntland schlicht verboten sein ( https://www.merkur.de/wirtschaft/benziner-und-diesel-hofreiter-fordert-totales-verbot-und-spaltet-damit-eigene-partei-zr-12144363.html ), solche Sperenzchen wie ein „normaler 450 PS Dieselmotor“ werden da einfach nicht mehr drin sein, und wenn nicht die künftigen Brummerchen jedes einen gewaltiges tonnenschweres „Energieservicemodul“ hinter sich herziehen sollen, dann werden wir eben tausende und abertausende Kilometer Randstreifen umserer Fernverkehrsstraßen mit Leitungsmasten zupflastern. „Wir schaffen das!“

Contenance
4 Jahre her

Wenn ich das Geheimnis verrate, dass es die Technologien bereits gibt, die da beforscht werden sollen, wenige 100 Meter neben der BAB, bekomme ich dann die Millionen der Projekte?… Es nennt sich „Zug“ bzw „Bahn“.

Silverager
4 Jahre her

Die Narreteien in Deutschland werden immer absurder. Wie Henryk M. Broder sagte, Deutschland überdachen, dann haben wir eine geschlossene Anstalt.

fatherted
4 Jahre her

ja das ist wieder mal ein Treppenwitz von Herrn Al Wasir…..aber wenn juckts…ist doch genug Geld da. Der parallel der Autobahn laufende Schnellradweg Darmstadt/Frankfurt endet derzeit in einem Acker….aber auch das stoert keinen. Hauptsache gruener Aktionismus der ins Nichts fuehrt.

Stephan Mauer
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

sehr witzig, dass hier auch noch jemand aus dem südlichen Rhein-Main-Gebiet unterwegs ist 😀 Zu diesem Schnellradweg könnte man auch viel schreiben. In der Show wo Steuerverschwendung für Infrastrukturprojekte witzig aufbereitet wird, müsste das eigentlich rein. Wenns da wohl nicht noch viel Schlimmeres rein vom Volumen her gäbe… Auf jeden Fall soll dieser Radweg geplant mal so 25 km haben. Jetzt sind so 3-4! Endet nicht „im Acker“, aber eben auf dem gammeligen Weg, der da vorher war. Der ging gerade so. Hätte man aber einfach etwas ausbauen können. Hier wurde aber auf dieser kurzen Strecke eine unglaubliche „Prachtstrecke“ gebaut!… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Grüne bei 20%

Gottfried
4 Jahre her

Wie stellte schon Honecker richtig fest: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ Er würde sich freuen über solche eindrucksvollen Belege.

Tesla
4 Jahre her

Offenbar hat die Steuergeldverschwendung durch den grünen e-Wahn eine neue Dimension erreicht.

Albert Pflueger
4 Jahre her

Der Staat bekommt von den Steuerzahlern zu viel Geld zugestanden. Er kann es für allen möglichen Firlefanz verplempern. Schlimmer als E- Autobahnen sind Genderprofessuren, nutzlos sind sie beide.