Börsen stark trotz politischer Hängepartie

Obwohl vor der Wahl eine Hängepartie als schlimmstes Szenario für die Märkte gezeichnet worden war, ließen sich die Börsen vom Auszählmarathon in den USA bisher nicht beirren. Ganz im Gegenteil: So sprangen die Kurse an der Nasdaq am Mittwoch um vier Prozent in die Höhe und legten auch am Donnerstag noch einmal zu.

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Auch am Freitag zeigte sich die Wall Street nur wenig verändert. Erneut war das Rennen um die US-Präsidentschaft das alles beherrschende Thema. Dabei hatten sich die Chancen für Präsident Donald Trumps demokratischen Herausforderer Joe Biden zuletzt erheblich verbessert. Der Dow Jones Industrial endete am Freitag mit einem Minus von 0,2 Prozent bei 28.323 Punkten, realisierte jedoch ein sattes Wochenplus von knapp sieben Prozent, womit der Leitindex seinen Vorwochenverlust wieder wettmachte. Der marktbreite S&P 500 schloss am Freitag 0,03 Prozent tiefer bei 3.509 Zählern. Der NASDAQ 100 stieg um 0,1 Prozent auf 12.091 Punkte.

Auf dem US-Arbeitsmarkt beschleunigte sich im Oktober die Erholung: So stieg die Beschäftigung stärker als erwartet, und die Arbeitslosenquote fiel deutlicher als zuvor prognostiziert.

Unter den Einzelwerten fielen T-Mobile US mit einem Gewinn von 5,4 Prozent positiv auf. Die US-Tochter des Bonner Telekom-Konzerns trotzt nach der Übernahme des kleineren Rivalen Sprint weiter der Corona-Krise. Nach dem dritten Quartal hob T-Mobile-US-Chef Mike Sievert die Ziele für den operativen Gewinn und den Kundenzuwachs an. Analysten lobten durch die Bank die starken Quartalszahlen.

Der weltgrößte Fahrdienst-Vermittler Uber erlitt wegen der Corona-Pandemie im dritten Quartal einen hohen Verlust. Die Anleger hatten offenbar aber mit Schlimmerem gerechnet, denn die Papiere stiegen um 6,9 Prozent.

Die Hängepartie bei der US-Präsidentschaftswahl hatte in der vergangenen Woche auch den DAX fest im Griff. Kurzfristige Impulse gab es durch eine Reihe von Quartalsergebnissen, die im Großen und Ganzen durchwachsen ausfielen. Der deutsche Leitindex DAX schloss jedenfalls zum Wochenschluss 0,7 Prozent im Minus bei 12.480 Punkten. Im Index der 30 größten Unternehmen stach vor allem die Deutsche Telekom hervor. Mit einem Plus von gut 2,5 Prozent stand das Papier einsam an der Spitze. Die US-Tochter T-Mobile US hatte starke Zahlen vorgelegt und die Prognose erhöht. Schlusslicht war zum Wochenschluss die Daimler-Aktie mit einem Abschlag von rund 2,7 Prozent.

Bemerkenswertes gab es noch von der Allianz. Die Corona-Krise hat bei dem Versicherer im Sommer überraschend wenig Spuren hinterlassen. Dennoch rang sich der Vorstand zu keiner neuen Gewinnprognose für das laufende Jahr durch. So rechnet Finanzchef Giulio Terzariol wegen der neuen Lockdowns in vielen Ländern mit weiteren Versicherungsschäden etwa durch die Schließung von Restaurants. Auch neue Turbulenzen an den Finanzmärkten hält er für denkbar. Allzu groß seien seine Sorgen aber nicht, sagte er am Freitag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten: „Die zweite Welle wird uns nicht so treffen wie die im ersten Quartal.“

Grundsätzlich optimistisches gab es auch von Rheinmetall. Der Rüstungskonzern und Autozulieferer wird zuversichtlicher für das Autogeschäft. Rheinmetall sei auf den Neustart der Produktion bei seinen Automotive-Kunden nach dem branchenweiten Stillstand im Frühjahr gut vorbereitet gewesen, sagte Konzernchef Armin Papperger vom Freitag. „Dadurch ist es uns bei Automotive im dritten Quartal gelungen, wieder ordentlich Fahrt aufzunehmen und die pandemiebedingten Einbußen teilweise zu kompensieren“.

Langfristigere DAX-Veränderungen verspricht derweil die Deutsche Börse. Zu altbacken und zu klein sei der Index, lautete die Kritik nicht nur von Vermögensverwaltern. Daher soll der Index auf 40 Titel erweitert und die Aufnahmekriterien verändert werden. Die Ergebnisse einer Befragung der Investoren zu den Plänen werden am 23. November erwartet. Kritik kommt aber schon jetzt: Während das Deutsche Aktieninstitut die Erweiterung moniert, reibt sich die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz daran, dass die Anlegerrechte als Kriterium bei der DAX-Aufnahme von Konzernen in der Reform zu kurz kämen. ​

Während europäische Länder unter der zweiten Corona-Welle und den Lockdown-Beschränkungen ächzen, können andere Staaten aufatmen. So meldete Australien erstmals seit fast fünf Monaten keine neuen Positiv-Tests. Die äußerst scharfen und langwierigen Lockdown-Maßnahmen sind nun größtenteils beendet. Die australische Börse feierte das mit Kursgewinnen. So legte der S & P/ASX 200 in den vergangenen vier Wochen um knapp fünf Prozent zu. Zum Vergleich: Der DAX ging in dieser Zeit um rund drei Prozent in die Knie ging. Zudem profitieren viele australische Unternehmen vom starken wirtschaftlichen Comeback Chinas, einem der Hauptabnehmerländer von Down Under. Anleger können etwa mit dem Lyxor Australia von Australiens wiedergewonnener Stärke profitieren.

Laut einer Untersuchung von PwC Luxemburg sind Investments, die Umweltschutz, soziales Verhalten und faire Unternehmensführung berücksichtigen (ESG-Kriterien), die größte grundlegende Veränderung in der Anlagewelt seit der Einführung von ETFs. PwC prognostiziert, dass das europäische ESG-Vermögen bis 2025 zwischen 5,5 Billionen Euro und 7,6 Billionen Euro erreichen und damit zwischen 41 und 57 Prozent des gesamten Fondsvermögens in Europa ausmachen wird. Zum Vergleich: Ende 2019 waren es noch 15,1 Prozent. Befragt wurden für den PwC-Report „Die Wachstumschancen eines Jahrhunderts“ 200 Vermögensverwalter, 300 in Europa tätige institutionelle Anleger und über 800 europäische Privatanleger. Von 300 befragten institutionellen Anlegern waren 40 Prozent Versicherungsgesellschaften, 37  Prozent Pensionsfonds, 18 Prozent Family Offices und fünf Prozent Staatsfonds. Die verwalteten ESG-Aktienfonds werden von 866,3 Milliarden Euro Ende 2009 auf 2,6 bis 3,6 Billionen Euro im Jahr 2025 anwachsen. In der Zwischenzeit wird erwartet, dass die verwalteten ESG-Anleihefonds bis Ende 2025 zwischen 1,1 und 1,6 Billionen Euro erreichen werden. Die Zuwachsraten scheinen der Studie zufolge gigantisch zu sein. Allerdings muss man das Wachstum nicht mit Nettomittelzuflüssen gleichsetzen. Denn immer mehr Fondsgesellschaften stellen ihr Angebot teilweise oder komplett auf ESG-konforme-Produkte um. Eine große Mehrheit der europäischen institutionellen Anleger erwartet bis 2022 eine Konvergenz zwischen ESG- und Nicht-ESG-Produkten, wobei 77 Prozent von ihnen planen, im selben Jahr den Kauf von Nicht-ESG-Produkten einzustellen.

Die deutschen Autohersteller und ihre Zulieferer bewerteten ihre Geschäftslage im Oktober merklich besser als im Vormonat. Das hat die aktuelle Konjunkturumfrage des Ifo-Instituts ergeben. Im Oktober stieg der Lage-Indikator auf minus 0,2 Punkte, nach minus 20,4 Punkten im September. Das Tief lag im April bei minus 86,2 Punkten. „Die Nachfrage nach Autos hat merklich angezogen. Das hat die Stimmung unter den Managern erheblich verbessert“, sagt der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Die Aktienkurse der Autoproduzenten haben einen Teil des Aufschwungs allerdings schon vorweggenommen.


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