EZB macht Druck beim Kontrollgeld

In der Talkshow „Maischberger“ betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Bedeutung des digitalen Euro für die Zukunft der Eurozone. Man fragt sich: Warum auf einmal diese Eile?

picture alliance / HMB Media | Uwe Koch

Unser bestehendes Bankensystem ist technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand. Es ist prinzipiell inakzeptabel, dass in Zeiten des Digitalgeldes die Echtzeittransaktion nicht längst Standardprozess im Banking ist. Diesen Malus will nun die Europäische Zentralbank (EZB) aus der Welt schaffen, indem sie den sogenannten „digitalen Euro (CBDC)“ als neuen Zahlungsmechanismus einführt.

Der digitale Euro ist eine von der EZB entwickelte elektronische Variante des Euro, die als zusätzliches Zahlungsmittel neben Bargeld und bestehenden digitalen Lösungen dienen soll. Er unterscheidet sich von Kryptowährungen durch seine staatliche Kontrolle und rechtliche Verankerung. Bankkunden werden dann eine digitale Euro-Wallet, meist über ihre Hausbank, einrichten, in der sie digitale Euros verwalten können. Zahlungen sind dann per Smartphone, Smartwatch oder Computer möglich – sowohl im Geschäft, online als auch direkt von Person zu Person, und das in Echtzeit und in der Regel kostenlos. Soweit die Theorie.

Lagarde bei Maischberger

Die Praxis stellt sich, wie so häufig in der Europäischen Union und in der Eurozone, komplexer dar. Die Geschäftsbanken hat man auf seine Seite gebracht, indem man ihnen die Rolle des Gatekeepers und der Wallet-Halter zuweist. Identitätsprüfungen (digitale ID) sowie die Kontrolle der Transfers obliegen dann ihrer Verantwortung. Allerdings werden weder Bürger noch Unternehmen in diesen grundlegenden Wandel einbezogen – ihre Meinung bleibt unerheblich. Statt demokratischer Mitbestimmung setzt man nun offenbar auf eine gezielte Charme-Offensive der EZB, die weniger informieren als vielmehr überzeugen soll.

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Vor diesem Hintergrund ist auch der Auftritt von EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der ARD-Sendung „Maischberger“ zu verstehen – als Teil einer strategisch inszenierten Öffentlichkeitsarbeit, die Akzeptanz schaffen soll, wo bislang keine öffentliche Debatte stattfindet.

In eindringlichem Ton rief Lagarde am Montag Europas Institutionen zum Schulterschluss auf – denn die Uhr ticke, so Lagarde: „Das Ziel ist, dass der digitale Euro bis Oktober 2025 einsatzbereit ist.“ Eine Währung, die nicht nur digitales Kleingeld sein soll, sondern Bollwerk gegen geopolitische Abhängigkeiten. Die EZB-Präsidentin macht keinen Hehl daraus: Es geht um nichts weniger als Europas monetäre Souveränität. „Wir werden nicht vorankommen, solange Parlament, Rat und Kommission nicht liefern.“ Der digitale Euro, so Lagarde, soll Bürgern und Unternehmen eine sichere Alternative bieten – vom Großhandel bis zum digitalen Portemonnaie. Ein Projekt, das Europas Zahlungsverkehr neu denken – und seine Wettbewerbsfähigkeit verteidigen soll.

Das ist wohlklingende Polit-Rhetorik in pastellfarbenem Ton – weich gezeichnet, inhaltsarm und letztlich irreführend.

Hürden und Legitimationsprobleme

Die Einführung eines digitalen Euro, der volle Transparenz über sämtliche Zahlungsvorgänge gewährt, ist nicht nur ein technisches Großprojekt – es handelt sich um einen tiefen Eingriff in die finanzielle Privatsphäre. Ein solcher Schritt sollte, so möchte man meinen, zumindest demokratisch legitimiert sein. Doch wie so oft in EU-Europa wird der Bürger nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden. Der digitale Euro droht ohne jede direkte Legitimation zur Realität zu werden. Es ist das bekannte Verfahren: Entscheidungen fallen über die Köpfe der Menschen hinweg. Niemand wird befragt, ob er künftig ein digitales Geldsystem nutzen möchte, das sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, zum einzigen verbleibenden Zugang zum Bankensystem entwickeln wird. Der digitale Euro wäre damit nicht nur ein optionales neues Zahlungsmittel – sondern ein obligatorisches Kontrollinstrument. Die EZB stiege so als Herrin sämtlicher Transaktionen zur mächtigsten Institution Europas auf.

Auf der technischen Seite dürfen wir Chaos erwarten, sollte es der EZB tatsächlich gelingen, dieses Großprojekt an den Start zu bringen. Hackerangriffe dürften von der ersten Minute an zur Realität des digitalen Euro gehören. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass im Bereich der Blockchain-Technologie lediglich dezentrale Währungen wie Bitcoin resistent sind und Sicherheit gewähren. Transferplattformen wie beispielsweise Solana oder Ethereum hatten zu häufig Down-Zeiten und waren zu oft Opfer erfolgreicher Hacker-Angriffe, als dass sich dieser Standard durchsetzen würde.

Digitaleuro als Kapitalverkehrskontrolle

Also steht die Frage im Raum, weshalb man es versucht, und weshalb in solcher Eile. Seinem Wesen nach wäre der digitale Euro programmierbares Geld, was so viel bedeutet wie: Der Zentralkörper EZB entscheidet im Zweifelsfall über die Legitimierung einer jeden Transaktion. Es wäre also ein leichtes, im Notfalle eine Kapitalflucht im Keim zu ersticken und jeden Transfer ins Ausland zu blockieren. Das ist der wahre Grund der Initiative der EZB. Neben der fiskalischen Simplifizierung der Besteuerung der Bürger wäre der digitale Euro die perfekte Kapitalverkehrsschranke.

Christine Lagardes Werbeauftritt bei Maischberger kann die Realität der Eurozone nicht übertünchen. Der Süden Europas steckt in einer tiefen fiskalischen Klemme.

Staatsschulden von 120 Prozent wie im Falle Spaniens, Frankreichs oder gar 140 Prozent wie in Italien und Griechenland werden über kurz oder lang die nächste Schuldenkrise auslösen. Wir haben bereits in den vergangenen Wochen erste Zeichen der heraufziehenden Schuldenkrise an den Anleihenmärkten erlebt. Japan hat große Probleme, seinen immensen Schuldenberg von 260 Prozent am BIP unter Kontrolle zu halten. Am langen Ende werden Anleihenbestände von großen Kapitalsammelstellen abgestoßen, die Zinsen steigen, die Refinanzierungskosten des staatlichen Schuldenbergs erreichen schwindelerregende Höhen.

Den Staaten der Eurozone ist es nicht gelungen, der Schuldendynamik nachhaltig Einhalt zu gebieten. Im Grunde stehen wir heute wieder an jenem kritischen Punkt, an dem wir uns bereits vor fünfzehn Jahren befanden – als das Vertrauen in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen erodierte und sich binnen kürzester Zeit in schwere Marktturbulenzen übersetzte. Die alten Muster kehren zurück, nur unter neuen Vorzeichen. In Brüssel und im Frankfurter EZB-Tower scheint man nun der Überzeugung zu sein, der Schuldenproblematik mit Zwang und Kontrolle begegnen zu können. Ob sich diese Zwangstechnik tatsächlich als taugliches Mittel erweist, darf bezweifelt werden.

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Kommentare ( 67 )

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Kampfkater1969
27 Tage her

Grundsätzlich gibt es ncoh den Tauschhandel Ware gegen Ware oder Ware gegen Arbeitsleistung

puke_on_IM-ERIKA
27 Tage her
Antworten an  Kampfkater1969

Nachbarschaftshilfe ist das Zauberwort – oder wie in der DDR: Hast Du ein Waschbecken, ich habe noch einen Anlasser.
Man hilft sich gerne und der übergriffige totalitäre Staat schaut verdientermaßen bei der Steuer nicht mal zu…..

Waldorf
26 Tage her

Ob Papiergeld, Fiatgeld oder Digitalgeld, egal, alle eint, dass ihr einziger Wert das Vertrauen in dessen Tauschwert ist. Man kann es jederzeit in Essen, Gold oder Grund+Boden „tauschen“, oder eben nicht. Sie alle haben keinerlei inhärenten, eigenen Substanzwert, außer den meist äußerst geringen Herstellungskosten für Münzen, Scheine oder stromintensives Mining bei Bitcoins. Und alles Vertrauen in diese Tauschvehikel steht und fällt mit dem Vertrauen, das die Herrscher über diese Systeme aka Währungen im Außenverhältnis genießen, sprich dort, wo sie nicht herrschen. Was man Markt nennen könnte. Kann man dafür zb Öl, Gas, Gold, Autos, Waffen oder Smartphones kaufen, ist alles… Mehr

Klaus Uhltzscht
27 Tage her

Bei dem digitalen Bezahlsystem Paypal hat man schon mal gesehen, was da machbar ist. Ruckzuck, war das Konto des Journalisten Boris Reitschuster gesperrt.
Die Indianer in ihrer naturverbundenen, bildlichen Sprache würden sagen: Frau Lagarde ist eine Schlange und spricht mit gespaltener Zunge.

Silverager
27 Tage her

Eine Kriminelle ist Chefin der EZB (wegen schwerer Korruption verurteilt, aber leider nicht bestraft)
Daher ist das, was sie da sagt, ebenfalls kriminell.
Aber man kann offenbar Kriminellen in höchsten Ämtern keinen Einhalt gebieten.

Innere Unruhe
27 Tage her

Und wenn man ins Ausland will, dann hat man ja nichts… Es hat niemand eine Absicht,… sie wissen es schon…

Reinhold
27 Tage her

Nicht nur das Bankensystem ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, sondern auch das maßgebliche Personal, wie diese Frau.

Phil
27 Tage her

Unser bestehendes Bankensystem ist vor allem anderen am Ende seiner Laufzeit angelangt. Jeder Versuch der Zentralbanken auf elektronisches Geld zu wechseln, stinkt förmlich nach Diktatur und Planwirtschaft in seiner reinsten und totalitärsten Form. Das dies so rasch geschehen muss, lässt einem ahnen wie schlecht es um unser Finanzsystem bestellt ist. Der Feuchte Traum aller Bankster, Keynesianer und Politdarsteller, die Totalüberwachung jedes einzelnen Bürgers und wofür er sein Geld auszugeben hat und ausgeben darf, sowie die totale Kontrolle des Konsums im Rahmen einer politisch Agenda, da schwillt allen Machtzwergen der Pillermann. Bargeld ist, selbst dann wenn ihm im Rahmen des heutigen… Mehr

Gina
27 Tage her
Antworten an  Phil

Leider kann ich mich weder mit Freunden oder Bekannten nicht über solche Dinge unterhalten. Schade, dass Sie nicht mein Nachbar sind. Bei solchen Themen wird nach dem dritten Satz das Thema gewechselt und geblubbert. Aber ich dafür sehr liebe Menschen als Freunde.

BK
27 Tage her

Echtzeitüberweisungen erledigt jede Kreditkarte, sodass der digitale Euro keinen Mehrwert bietet. Wenn es dann mal wieder um die Souveränität des Euro gehen soll, dann eher aus dem Grund, dass man die Euroländer noch enger aneinander binden und womögliche Austrittsbemühungen unterbinden will. Schuldnerstaaten sollen nicht absaufen, denn in Frankreich brennt es im Maschinenraum. Das Land ist ein Schwergewicht in der Eurozone und mit 110 % des BIP verschuldet. Verträge interessieren in der EU niemanden. Was dort vereinbart wurde, ist das Papier nicht wert. Da ist man besser beraten, sein Geld in Dollar oder Pfund anzulegen.

Manfred_Hbg
26 Tage her
Antworten an  BK

Zitat: „Echtzeitüberweisungen erledigt jede Kreditkarte, sodass der digitale Euro keinen Mehrwert bietet.“ > Genau das, habe auch ich beim lesen des Artikels an entsprechender Stelle gedacht (im sog. Online-Kto. der Banken oder Sparkassen läuft es unter Eil- oder Sofortüberweisung). SO wie man uns auch schon bei der Einführung des Euro’s weiß machen und für blöde verkaufen wollte welch -ach soo tollen Vorteile- der Euro doch für uns hätte (außer daran, dass wir dann im Urlaub ja nicht mehr umrechnen und nicht mehr umtauschen müßten, kann ich mich an keinen weiteren gesagten Vorteil erinnern), GENAU SO wird auch jetzt wieder versucht… Mehr

thomas der unglaeubige
27 Tage her

Ja, all das wird kommen! Es wird kommen müssen! Weil das EU System finanztechnisch nicht mehr husten kann. Und deshalb diese Eile! Aber diese Zustandsbeschreibung im Artikel die gibt es schon lange. Wichtiger wären hier Artikel bei Tichy, wie kann ich dem entgehen? Was soll ich tun? Was soll ich einfach mit meinem Geld machen? Soll ich es in der Eurozone lassen? Soll ich Schnaps kaufen zum tauschen? Soll ich Gold kaufen?. Keiner wird helfen! Diese Fragen muss man sich selber stellen! In der Eurozone aufgrund der Wirtschaftsstruktur und der Verschuldung Liegt kein Segen mehr. Nicht anders ist es in… Mehr

Ornhorst
26 Tage her

Es gibt eine Lösung, die allerdings auch eine Danaergabe ist: der Islam. Der Islam pflegt ein sehr soziales und rücksichtsvolles Geldsystem.

Johny
27 Tage her

Auch wenn der Euro in digitaler Form die Krücken wechselt oder wie ein Chamäleon die Farbe, so bleibt doch seine Unzulänglichkeit als FIAT- Währung bestehen. Ob der Bürger diese programmierbare Währung als Gegenwert für seine Arbeitsleistung auf Dauer überhaupt akzeptiert, ist ungewiss. Es wird sich zeigen, wenn die ersten Maßnahmen der EZB seine souveräne Verfügbarkeit über sein Geld beschränkt.

Klaus Uhltzscht
27 Tage her

Die Einführung staatlichen Digitalgeldes paßt zeitlich nicht zusammen mit dem geplanten Russlandfeldzug. Gerade wir Deutschen wissen, dass man im Krieg und noch Jahre nach der Niederlage Bargeld braucht, um auf dem Schwarzmarkt einkaufen zu können.

Holger Wegner
27 Tage her
Antworten an  Klaus Uhltzscht

Das Ausweichen-Können auf einen Schwarzmarkt wollen sie ja eben genau nicht. Und geplant wird selbstsicher mit russischen Reparationen und eingezogenen Vermögen

Last edited 27 Tage her by Holger Wegner