Deutsche Staatsanleihen als Alternativsicherheit zu US-Anleihen: Eine riskante Wette

Die kommende deutsche Bundesregierung plant Hunderte von Milliarden Euro neuer Schulden. Damit reiht sich Deutschland in die Gruppe der hochverschuldeten Staaten der Eurozone ein. Offiziell sollen die Mittel in Rüstungsfähigkeit und Infrastrukturaufbau fließen. Doch welche Strategie verfolgt die Regierung tatsächlich? Von Thomas Kolbe

picture alliance / Daniel Kalker - Collage: TE

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD ist bereit, dem deutschen Steuerzahler in den kommenden vier Jahren neue Schulden von etwa 750 Milliarden Euro aufzubürden. Zu dem avisierten Investitionspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro gesellen sich Jahr für Jahr mindestens weitere 60 Milliarden neuer Schulden aus dem laufenden Staatsbetrieb hinzu. Das ist ein hoher Preis für eine Politik, die an die Merkeljahre anknüpft: Ökonomischen Reformen zur Förderung der Privatwirtschaft sind weit und breit nicht in Sicht. Stattdessen setzt die Regierung auf eine stärkere Zentralisierung und trifft mit dieser Haltung auf breite politische Unterstützung in einem Parlament der Linksparteien und Etatisten.

Revolution auf dem Anleihenmarkt

Die fiskalische Wende Deutschlands bedeutet für den Anleihenmarkt eine kleine Revolution. Massive Anleihenemissionen schieben bereits heute die Zinsen nach oben. Die Ankündigung des Schuldenprogramms ließ die Zinsen der zehnjährigen Staatsanleihen um 40 Basispunkte nach oben schnellen. Die Rückkehr der Bond Vigilanten kündigt sich an – jener Investoren, die kritisch auf die Kreditwürdigkeit hochverschuldeter Kreditnehmer blicken. Bislang galten deutsche Staatsanleihen als Inbegriff von Stabilität. Doch mit einer Staatsverschuldung, die von 63 % auf über 90 % des BIP steigen wird – sofern keine tiefere Rezession eintritt – dürfte sich das Bild dramatisch ändern und der Schuldendienst steigen.

Ein neues Reserve-Asset?

Es war der Nachrichtendienst Bloomberg, der den Verdacht bestätigte: Die Deutschen waren bislang aufgrund ihrer eher konservativen Schuldenpolitik kein Kandidat für die Rolle eines Reserve-Assets – also eines Anbieters eines Produkts, das Banken und Investoren als Sicherheit zum Eintausch von Liquidität und Kredit nutzen können. Das Marktvolumen deutscher Anleihen war einfach zu gering. In Europa war dies ausgerechnet Italien vorbehalten, das mit 140 % Staatsverschuldung am BIP einen ziemlich großen Anleihenmarkt bietet. Nun aber, so Bloomberg, könnten deutsche Staatsanleihen eine Alternative zum global dominanten System der US-Staatsanleihen werden. Die Idee klingt verlockend: Ein liquider Markt mit Euro-denominierten Papieren, der Investoren eine Absicherung bietet, während die USA ihren eigenen fiskalischen und geldpolitischen Weg gehen.

Skepsis der Investoren

Doch werden internationale Investoren tatsächlich deutsche Staatsanleihen als Kreditsicherheit akzeptieren? Das bleibt doch sehr zu bezweifeln, angesichts der wirtschaftlichen und fiskalischen Probleme der Eurozone. Die Dringlichkeit ist hoch, seit die amerikanische Notenbank Federal Reserve ihre Zinsen im Rekordtempo anhob und bis heute nicht bereit ist, den raschen Lockerungskurs ihrer europäischen, japanischen und chinesischen Gegenspieler mitzutragen. Investoren werden sich genau überlegen, ob sie angesichts der Ukraine-Krise, der Energieprobleme in Europa und der Zurückhaltung der EU, marktwirtschaftliche Reformen umzusetzen, diese neuen Sicherheiten aus Europa akzeptieren werden.

Europa im globalen Wettbewerb

Die steigende Verschuldung Deutschlands ist kein isolierter Vorgang. Sie reiht sich ein in eine lange Geschichte europäischer Schuldenpolitik, die auf staatliche Eingriffe statt auf Reformen setzt. Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten Zölle liefern der EU eine willkommene Ausrede, politische Macht weiter zu zentralisieren und in die Märkte einzugreifen. Die überdimensionierte Brüsseler Subventionsmaschine wird weiter hochtourig laufen, um der blutleeren EU-Ökonomie Beine zu machen. Aber Staatsinterventionen scheitern in aller Regel spektakulär, wie das Paradebeispiel des Lufttaxi-Startups Volocopter zeigt, das trotz 150 Millionen Euro Subventionen vom Bund und Bayern im Dezember 2024 Insolvenz anmeldete.

Weder der Markt noch Investoren folgen den ideologischen Ideen der Brüsseler Technokraten. Sämtliche geplanten Maßnahmen, Infrastrukturinvestitionen und das Stopfen der aufreißenden Löcher in den Sozialkassen (denn darum geht es in erster Linie) werden nicht hinreichen, Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Europa verliert weiterhin Direktinvestitionen an die USA – allein 2023 wanderten netto rund 20 Milliarden Euro an Investitionskapital von Europa nach Nordamerika ab. Dort entstehen die Jobs der Zukunft im privaten Sektor in den Bereichen von KI, Robotik oder der wiederbelebten Industrie, während man in Europa auf staatliche Subventionen vertraut und glaubt, der Staat könne Kapital effizient steuern.

Zahlen und Realität

Ein Blick auf die Zahlen untermauert die Skepsis. Während die USA trotz hoher Verschuldung (über 120 % des BIP) von ihrer Rolle als Weltreservewährung und einer dynamischen Wirtschaft profitieren, kämpft die Eurozone mit Stagnation. Deutschland mag mit seinen neuen Schulden einen größeren Anleihenmarkt schaffen, doch fehlt es an Vertrauen. Für Investoren, die Sicherheit und Liquidität suchen, bleibt der Dollar attraktiver – nicht zuletzt wegen der geopolitischen Unsicherheiten in Europa.

Der drohende Schuldenberg

Und so wird es kommen: Die deutschen Staatsanleihen werden den europäischen Schuldenberg höher auftürmen. Ohne tiefgreifende Sozialreformen und eine Rückkehr zu marktorientierter Politik drohen der EU erhebliche sozioökonomische Spannungen, da die Mittelschicht bereits heute fiskalisch über Gebühr zur Kasse gebeten wird. Die Dynamik ist nicht zu unterschätzen, die einsetzt, wenn Bürger merken, dass ihr Geld schneller an Kaufkraft verliert, als die EU externe Gründe und Schuldige dafür identifizieren kann. Die Bundesregierung hofft derweil, mit ihrem Schuldensprung eine gewichtigere Rolle im globalen Finanzsystem zu spielen. Doch die Realität ist ernüchternd: Ohne grundlegende Reformen wird Deutschland – und damit die Eurozone – ökonomisch weiter an Boden verlieren. Deutsche Staatsanleihen als Alternative zu US-Anleihen? Eine mutige These, die in der Praxis an Europas Schwächen scheitern dürfte.


Thomas Kolbe, studierter Volkswirt, arbeitet seit über 25 Jahren als freiberuflicher Autor sowie als Medienmacher für Kunden aus verschiedenen Branchen und Wirtschaftsverbänden. Als freier Publizist widmet er sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte.


Quelle für den Kapitalabfluss: Statista, „Direktinvestitionen (FDI) zwischen den USA und der EU“, veröffentlicht am 22. März 2024. Basierend auf FDI-Daten: 143,3 Milliarden USD Abfluss aus der EU in die USA, 121,1 Milliarden USD Zufluss aus den USA in die EU, netto ca. 20 Milliarden Euro (Wechselkurs 2023: 1 USD = 0,925 EUR).

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 8 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

8 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Aegnor
10 Tage her

Niemand der noch klar bei Verstand ist, wird deutsche Staatsanleihen als Sicherheit ggü US-Anleihen vorziehen. Dass man früher gerne mal italienische Anleihen mit ins Portfolio genommen war, weil man wusste die EZB wird Italien nicht fallen lassen – da sei Draghi vor – und am Ende zahlen die Deutschen eh alles. Für deutsche Schulden, sorry Sondervermögen, gibt es aber niemanden der einspringt und das weiß auch jeder Marktteilnehmer.

Haba Orwell
10 Tage her

> Doch mit einer Staatsverschuldung, die von 63 % auf über 90 % des BIP steigen wird – sofern keine tiefere Rezession eintritt – dürfte sich das Bild dramatisch ändern und der Schuldendienst steigen. Die United States of Trump erreichten bereits über 120% des BIP. Es heißt, die Zollkriege werden in den USA Inflation anheizen – müssten dort nicht Zinsen steigen, um die Inflation einzudämmen? Ich bin gespannt, wie der Trumpissimus die höher bezinsten Schulden bedienen will – wo die USA schon jetzt praktisch bankrott sind. In vielen unabhängigen Medien höre und lese ich, wie dramatisch die Ami-Lage wurde (woraus… Mehr

Last edited 10 Tage her by Haba Orwell
Aegnor
10 Tage her
Antworten an  Haba Orwell

Trump macht ja mittlerweile auch was. DOGE hat ja genau das Ziel die ewig steigenden Ausgaben zu senken. Wenn das gelungen ist, kann man sich um die bestehenden Schulden kümmern. Vorher ergibt das überhaupt keinen Sinn. Das ist vergleichbar mit dem Unsinn Immigranten integrieren zu wollen ohne die Massenimmigration zu stoppen oder ein leckgeschlagenes Boot auszuschöpfen ohne das Leck zu stopfen.

Benedictuszweifel
10 Tage her

Wir müssen jetzt wirklich diese Albernheiten lassen!!! Der ganze Laden bricht gerade komplett zusammen. Deutsche Staatsanleihen? Klasse! Rendite: wie hoch? 5%, oder 7? Inflation wird bei 1000% liegen, bzw. e-Funktion: Geldentwertung. Habt Ihr es immer noch nicht kapiert? Hier ist Schicht im Schacht. Fertig, aus, kaputt. Die 80 bzw. 85% Nicht-AFD-Wähler haben uns das eingebrockt. Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. AUS! Der Letzte macht das Licht aus. PUNKT.
Ich empfehle Edgar Allen Poe: „The System of Dr. Tarr and Professor Fether“

giesemann
10 Tage her

Sehr klug und vorausschauend: Die wissen genau, dass das nicht die Eingeborenen zurückzahlen, sondern der Zuzug. Denn: „Wir werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns.“ – samt Schulden. Der Verständige hat dann längstens das Weite gesucht und gefunden.

littlepaullittle
10 Tage her

„….wenn Bürger merken, dass ihr Geld schneller an Kaufkraft verliert, als die EU externe Gründe und Schuldige dafür identifizieren kann.“
Herrlicher Satz.
Leider haben, lt. Umfragen, ca. 75% der Buerger es noch nicht gemerkt.
Ob sie es jemals merken ?

MaxVanMoritz
10 Tage her

Endphase … nicht mehr und nicht weniger! Alle Währungen weisen diesen Fehler auf und korrumpieren deshalb die Wirtschaft.

Schwabenwilli
10 Tage her

Deutsche Staats Anleihen hatten wir im Großen schon mal, von 33 bis 39 flutscht das, danach musste ab 5:45 Uhr zurückgeschossen werden.
Jetzt wird mir auch klar warum die Formulierung „Kriegstüchtig“ seit geraumer Zeit ständig zu hören und sehen ist.
Sieht nicht gut aus, die Sache.

Last edited 10 Tage her by Schwabenwilli