Wenn „Wissenschaftler:innen“ den Antisemitismus salonfähig machen

Mehr als eintausend Universitätsangehörige solidarisieren sich mit einem antisemistischem Protestcamp. Dafür erhalten sie Kritik. Der Historikerverband verteidigt die Aktion. Nun ist Peter Hoeres – begleitet von einigen Kollegen und jüdischen Nachwuchswissenschaftlern – aus dem Verband ausgetreten.

IMAGO / imagebroker

Antisemitische und propalästinensische Aktionen kommen in Deutschland nicht zur Ruhe. Am 18. Mai zogen 6.200 „Demonstranten“, begleitet von 500 Polizisten, durch Berlin, um ihren Hass auf Israel loszulassen.

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang liegt hier wohl wieder mal daneben. Er vermutet, dass sich der offene muslimische Antisemitismus wieder beruhigt, wenn auch der Konflikt in Gaza abflaut. Rechtsextremer Antisemitismus dagegen bleibe eine deutsche Konstante. Womit Haldenwang wieder auf sein Lieblingsthema einschwenken konnte.

Wer nun glaubt, es gehe in Deutschland nur um Israel-Hass auf der Straße, der täuscht sich. Aus den „Elite“-Universitäten der USA schwappt dieser Hass auch auf Deutschlands Hochschulen herüber. Leitfigur in den USA ist unter anderem die Genderismus-Ikone und „Philosophie“-Professorin Judith Butler.

Am 7. Mai 2024 hatte die Berliner Polizei mit 200 Polizisten ein pro-palästinensisches Protestcamp auf dem Gelände der Freien Universität (FU) beendet. Es waren antisemitische Parolen gerufen worden. Die Palästina-Aktivisten hatten den Theaterhof an der sogenannten Rostlaube der FU im Stadtteil Dahlem besetzt. Nach rbb-Informationen beteiligten sich rund 150 Personen an der Aktion, es wurden einige Zelte aufgestellt.

Solidarisierung vieler Professoren mit antisemitischem Protestcamp

Gegen die Räumung protestierten – sich mit den „Aktivisten“ solidarisierend – mehr als eintausend Universitätsangehörige, darunter rund 600 aus Berlin, 33 aus Frankfurt, 31 aus Hamburg, 20 aus Göttingen, 18 aus München.

Öffentlich erklärten die Initiatoren: „Als Lehrende der Berliner Hochschulen verpflichtet uns unser Selbstverständnis dazu, unsere Studierenden auf Augenhöhe zu begleiten, aber auch zu schützen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern … Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grundlegende demokratische Rechte, die auch und gerade an Universitäten zu schützen sind. Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkreten Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten.“

Diese Solidarisierung wurde von Bild am 8. Mai 2024 aufgegriffen. Bild attestierte den Initiatoren des Solidaritätsaufrufs, sich hinter Judenhasser“ zu stellen. Heftige Kritik an der Dozenten-Aktion kam auch von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) und dem Berliner „Regierenden“ Wegner (CDU).

Diese Kritik wiederum rief die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und den Historikerverband auf den Plan. Wörtlich verbreitete der Historikerverband am 14. Mai als Statement: „Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) stellt sich entschieden gegen die persönliche Diffamierung und pauschale Verurteilung von Wissenschaftler:innen nach der Räumung des Protestcamps an der FU-Berlin. Wir verwahren uns dagegen, dass die politischen Auseinandersetzungen über den angemessenen Umgang mit Protest gegen den Krieg im Gazastreifen dazu genutzt werden, das Ansehen der Geschichtswissenschaften zu beschädigen.“

Kurz zuvor, ebenfalls am 14. Mai, hatte die Hochschulrektorenkonferenz verbreitet und dabei gar presserechtliche Schritte empfohlen: „In der Presse und den sozialen Medien werden in diesem Zusammenhang einzelne Wissenschaftler:innen und Hochschulleitungen an den Pranger gestellt. Dieses Vorgehen ist inakzeptabel. Es macht eine gesellschaftliche Auseinandersetzung und ggf. flankierende presserechtliche Maßnahmen notwendig.“

Peter Hoeres kritisiert den Historikerverband

Jetzt ist Peter Hoeres, dem renommierten Würzburger Professor für neuere Geschichte, zum zweiten Mal der Kragen geplatzt. Auf Twitter postete er mit Blick auf die Stellungnahmen der HRK und vor allem des Historikerverbandes, in dem er bis zuletzt (noch) Mitglied war: „Es ist erstaunlich, wie viele Kolleginnen und Kollegen mir schreiben, dass sie bereits aus dem #Historikerverband @VHDtweets ausgetreten sind und daher jetzt nicht mehr mit austreten können.“

„Das ist mal wieder gewohnt einseitig: kein Wort über die Angriffe auf jüdische und israelische Studenten auch an deutschen Unis und die antisemitischen Untertöne antiisraelischer Stellungnahmen und Protestcamps. Dafür entgegen der Regeln der deutschen Rechtschreibung gegendert

„Einige Kollegen und ich werden nach dieser vollkommen einseitigen Erklärung aus dem #Historikerverband @VHDtweets austreten. Wer sich anschließen will, möge sich bitte bei mir melden.“

„Wir müssen einen neuen #Historikerverband gründen. So geht es nicht weiter!“

— Peter Hoeres (@PHoeres) May 17, 2024

Hoeres war dem Historikerverband schon einmal heftig in die Parade gefahren und hatte dessen Politisierung beim Historikertag 2018 öffentlich kritisiert. Der Verband hatte damals mit großer Mehrheit Merkels Grenzöffnung von 2015 als „Pflicht zur Hilfeleistung in humanitären Krisensituationen“ gutgeheißen. Unter anderem war vom Verband in unwissenschaftlicher Pauschalisierung behauptet worden, Migration habe „die beteiligten Gesellschaften insgesamt bereichert“. Im gleichen Aufwasch wurde „gegen Rechts“ zu Felde gezogen. Begründet wurde eine Resolution des Historikertages mit der Gefahr, die unserer Demokratie „von rechts“ drohe.

In der Folge griffen Hoeres und sein Potsdamer Kollege Dominik Geppert zur Feder und positionierten sich in der FAZ vom 10. Dezember 2018 „Gegen Gruppendruck und Bekenntniszwang“ durch den Historikerverband. Beide kritisierten „die intellektuelle Sackgasse, in die man gerät, wenn man Fachkompetenz für politische Zwecke funktionalisieren möchte“.

Und weiter: „Politisch töricht war die Aktion, weil sie nach unserer Auffassung genau die Tendenzen befördert, die zu bekämpfen sie vorgibt. Pegida und AfD leben davon, dass in Deutschland das Justemilieu die Diskursgrenzen immer enger ziehen und vieles, was gesellschaftlich umstritten ist, aus dem Kreis des legitimerweise Diskutierbaren ausgeschlossen sehen möchte.“

Michael Wolffsohn schrieb damals in einem Brief an den Historikerverband, die Organisation verhalte sich, als besitze sie ein allgemeinpolitisches Mandat. Mit einer „letztlich so antidemokratischen Haltung (im Namen der Demokratie)“ könne und wolle er sich bei aller Wertschätzung der AfD-Ablehnung nicht anfreunden, schrieb Wolffsohn in einem in der FAZ abgedruckten Brief.

Austrittsschreiben

Nun ist Hoeres – begleitet von offenbar einigen Kollegen und jüdischen Nachwuchswissenschaftlern – aus dem noch etwa 3.000 Mitglieder starken Historikerverband (VHD) ausgetreten. Das Austrittschreiben liegt TE vor. Dort schreibt Hoeres am 21. Mai unter anderem:

„Wir haben uns daran gewöhnt, dass der VHD immer wieder mit Resolutionen und politischen Meinungsbekundungen an die Öffentlichkeit tritt, von denen viele Mitglieder sich nicht repräsentiert sehen … Unsere Solidarität gilt jüdischen Universitätsangehörigen, die sich seit dem Überfall der Hamas auf Israel Belästigungen, Bedrohungen und zum Teil physischer Gewalt ausgesetzt sehen. Von einem Verband, der ohne seine Mitglieder zu konsultieren, einseitig in diesem an das historische Selbstverständnis der Bundesrepublik rührenden Streit Partei bezieht, fühlen wir uns nicht länger vertreten. Wir folgen nun vielen Kolleginnen und Kollegen vor uns, die den VHD bereits verlassen haben und treten mit sofortiger Wirkung aus dem Verband aus.“

Bereits zuvor waren renommierte Historiker wie Egon Flaig und Jörg Baberowski ausgetreten. Einer von Hoeres ins Spiel gebrachten Gründung eines neuen Verbandes kann man nur viel Erfolg wünschen. Denn eine NGOs wie den real existierenden Historikerverband braucht außer den Palästinensern und ihren Sympathisanten niemand.

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