Wenn der Bundeskanzler Verlage zur Selbstzensur auffordert

Der Bundeskanzler und Jurist Olaf Scholz verlangt, dass in den Texten von Astrid Lindgren, von Hergé's Tim und Struppi oder von Michael Ende deutlich gemacht wird, „was so heute nicht mehr in Ordnung ist.“ Darf künftig also nur noch erscheinen, was Olaf Scholz, Ferda Ataman, Sven Lehmann oder Alfonso Pantisano „in Ordnung finden“?

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Spricht ein Jurist über Literatur, ist das eine private Meinungsäußerung, spricht der Bundeskanzler zur Literatur, wird es schnell zur amtlichen Äußerung, auch wenn heuchlerisch so getan werden mag, als sei das lediglich eine private Meinung, die der Herr Bundeskanzler da gegenüber der Süddeutschen Zeitung in seinen Ferien zu Protokoll gegeben hat. Doch wenn der Bundeskanzler so eindeutig, so normativ, so dezidiert über Literatur spricht, dann ist es alles andere als privat, dann ist es ein Programm, ein Zensurprogramm, das es in sich hat, weil dahinter ein totalitäres Erziehungsprogramm steht.

Bereits 2002 forderte er als Generalsekretär der SPD: „Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern.“ Doch wer die totale Verfügungsgewalt über unsere Kinder verlangt, der begreift die Erziehung der Kinder als Schlachtfeld, deren Ziel nicht der mündige Bürger ist, der kennt die Aufklärung nur als Feindbild. Man muss Olaf Scholz dankbar sein, dass er damals die ganze Brutalität sozialdemokratischer und auch grüner Familien- und Erziehungspolitik in ein so deutliches Bild packte, denn was unter Lufthoheit in einem Krieg zu verstehen ist, weiß jeder, welch Verletzlichkeit der Begriff der Kinderbetten assoziiert, auch. Über den Kinderbetten kreisen die Jäger und Bomber woker Ideologie. Die WELT kommentierte die Entgleisung des Generalsekretärs der SPD damals mit den Worten: „Und im Rückspiegel verblasst das auf der Ehe basierende Lebensideal der Mutter-Vater-Kind-Beziehung.“ Dass es dann doch nicht verblasste, ist dem erschütternden Umstand zu verdanken, dass genau das auf der Ehe basierende Lebensideal der Mutter-Vater-Kind-Beziehung zum Feindbild der Merkel-Regierung, mehr noch zum Feindbild der Ampel erhoben wurde. Denn heterosexuelle Väter und Mütter dürfen sich mit dem Segen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner, und der SPD-Senatorin Kizziltepe inzwischen als „Hetero-Sau“ beschimpfen lassen. Wer dagegen aufbegehrt, darf, wenn es Wegner, Pantisano, Lehmann und all den anderen gelungen sein wird, den Artikel 3 des Grundgesetzes zu ändern, dann mit Besuch von Haldenwangs Leuten rechnen.

Olaf Scholz' Lufthoheit über Kinderbetten
Mit der Ampel drohen tiefgreifende Experimente auf Kosten aller Familien
Wie er die Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern gedenkt, teilte nun nicht mehr der Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, sondern der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, der Süddeutschen im Juli 2023, also einundzwanzig Jahre später, mit Blick auf Werke der Kinderliteratur von Weltliteraturrang wie „Pippi Langstrumpf“, die Comic-Reihe „Tim und Struppi“ oder eben auch über Michael Endes „Jim Knopf“ mit: „Wenn es sich um pädagogisches Material für Kinder handelt, sollte es klar unseren heutigen Vorstellungen entsprechen.“ „Unsere Vorstellungen“ mögen für Parteiprogramme gelten, auf die Literatur angewandt sind es Zensurvorstellungen. Literatur hat keinen Vorstellungen zu entsprechen. Auch sind Romane und Erzählungen, auch Comics kein „pädagogisches Material“, sondern eigenständige Kunstwerke. Sie sind kein Parteilehrjahr und auch keine „Arschwischs mit Motto“, wie der Aufklärer Lichtenberg einst politisches Gefälligkeitsschrifttum und Gesinnungskitsch mit der gebotenen Verachtung nannte. Texte, die in konkreter Zeit entstanden sind und ihre Zeit überragen, dürfen in ihrem Textbestand nicht von irgendeiner parteiamtlichen Stelle oder einer NGO niemals und schon gar nicht alle paar Jahre auf ihre Ideologiekorrektheit überprüft werden. Nicht der Text hat den Leser angepasst zu werden, sondern der Leser hat sich mit dem Text auseinanderzusetzen. Wer in Romanen und Erzählungen „pädagogisches Material“ sieht, hat nicht begriffen, was Literatur ist – und erst recht nicht, was Freiheit ist, wer Literatur als „pädagogisches Material“ sieht, setzt an die Stelle literarischer Standards die ideologischen Vorstellungen einer Regierung.

Der Jäger über den Kinderbetten, Olaf Scholz, möchte also darüber bestimmen, was Kinder zu lesen haben und was nicht. Also weg mit „Pippi Langstrumpf“, mit Comics wie „Tim und Struppi“ oder mit Michael Endes „Jim Knopf“, stattdessen Bücher mit so instruktiven Inhalt wie: „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als Themen frühkindlicher Inklusionspädagogik“, wobei in diesem Fall Inklusionspädagogik nur ein anderes Wort für Indoktrinationspädagogik darstellt. Lieber Drag Queens mit ihren Phantasien in die Kitas, wie jüngst in München, statt Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“? Lieber Frühsexualisierung als unbeschwerte Kindheit. Lieber Geschichten, in denen die kleine Susanna sich schon einmal daran gewöhnen kann, was der Autor ihrer Geschichte, ein gewisser Robert Habeck, später einmal als Wirtschaftsminister für sie und andere verursachen wird, nämlich wie schön ein Stromausfall sein kann, statt Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“

Der Bundeskanzler und Jurist Olaf Scholz verlangt, dass in den Texten von Astrid Lindgren, von Hergé’s Tim und Struppi oder von Michael Ende deutlich gemacht wird, „was so heute nicht mehr in Ordnung ist.“ Darf künftig also nur noch erscheinen, was Olaf Scholz, Ferda Ataman, Sven Lehmann oder Alfonso Pantisano „in Ordnung finden“?

Meint Scholz, der sicher Lenins Aufsatz „Parteiorganisation und Parteiliteratur“ aus dem Jahr 1905 kennt, schließlich hat sich Scholz in seiner Juso-Zeit „selbstverständlich durch die Gesamtheit der marxistischen Literatur gewühlt“: „Die literarische Tätigkeit muss zu einem Teil der allgemeinen proletarischen Sache, zu einem ‚Rädchen und Schräubchen‘ des einen einheitlichen, großen sozialdemokratischen Mechanismus werden, der von dem ganzen politisch bewussten Vortrupp der ganzen Arbeiterklasse in Bewegung gesetzt wird. Die literarische Betätigung muss ein Bestandteil der organisierten, planmäßigen, vereinigten sozialdemokratischen Parteiarbeit werden“? Das bedeutet: „Die Zeitungen müssen Organe der verschiedenen Parteiorganisationen werden. Die Literaten müssen unbedingt Parteiorganisationen angehören. Verlage und Lager, Läden und Leseräume, Bibliotheken und Buchvertriebe – alles dies muss der Partei unterstehen und ihr rechenschaftspflichtig sein. Diese ganze Arbeit muss vom organisierten sozialistischen Proletariat verfolgt und kontrolliert werden […]“?

Vielleicht setzt Scholz ja einen Bundesbeauftragten für die Reinigung der Kinderliteratur ein, so eine Art Hauptabteilung Verlage. Er könnte aber auch diese neue Abteilung bei Haldenwangs Regierungsschutz oder bei einer der eintausendundeins vom Staat finanzierten Antidiskriminierungsdiskriminierungs-NGOs oder gleich bei der Amadeo Antonio Stiftung ansiedeln.

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Aber all das muss der Bundeskanzler nicht, weil die woke Bundesrepublik hierin viel weiter ist als die bald als vergleichsweise liberal geltende DDR. Die Zensur muss nicht mehr von Funktionären geleistet werden, das übernehmen Verlage und Kulturschaffende gern selbst, zumal ein gewisses Engagement in dieser Hinsicht zielsicher zu Preisen und Stipendien führt. So zerstört der woke Literaturbetrieb die Literatur, gefördert wird nur noch, was politisch gefällt. Literarische Kriterien spielen keine Rolle mehr, weder für Scholz, noch für die Kulturschaffenden, noch für die Jurys von Kunstpreisen und –stipendien, die sich in woker oder linksliberaler oder linker Hand befinden, die politische Gesinnung, die sexuellen Vorlieben und die sexuellen Orientierungen sind allein ausschlaggebend, Hauptsache nicht weiß, Hauptsache nicht heterosexuell. Auf diese Weise wurde der Deutsche Buchpreis 2022 zum Deutschen Spermienpreis, als ein Buch, das nicht die geringsten Anforderungen an Literatur erfüllt – sondern eher einem etwas zu langgeratenen Beipackzettel für die Verwendung von Sperma ähnelt –, von der Jury, bei der man sich nach dieser Entscheidung fragt, ob die Juroren jemals etwas mit Literatur zu tun hatten, mit dem ehemals renommierte Deutsche Buchpreis bedacht.

Wie nachhaltig jedoch der damalige Juso- und junge SPD-Funktionär Scholz von der SED und der DDR geprägt wurde, dekuvriert seine Empfehlung, dass man Säuberungen an alten Kinderbüchern vornehmen muss und man auf jeden Fall „Probleme sichtbar“ zu machen und „in Vor- und Nachworten und mit Hinweisen im Text“ zu arbeiten hat. Welches Kind soll noch Freude an der Literatur entwickeln, wenn es kommentierte Texte liest, Texte, deren Erzähllauf stets von „Hinweisen“ unterbrochen wird? Welches Kind soll noch Freude an der Literatur entwickeln, wenn es nicht von der Erzählung mitgerissen werden kann in das Land der Phantasie und Erfindung, weil jeder Aufbruch durch Belehrungen verhindert wird? So werden Texte zu pädagogischem Material, sie haben dadurch nur leider ihren literarischen Wert verloren. Doch woher sollte ein SPD-Funktionär wissen, worin das Literarische von Literatur besteht? Was Texte sind, was Literatur ist? In der woken Gesinnungsanstalt, in die Scholzens Ampel Deutschland verwandelt, wird die Subversivität von Literatur zum Feind, letztlich die Literatur, die gar nichts anderes sein kann als subversiv, als eine Zumutung.

Mit der Aufforderung Probleme in Vor- und Nachworten sichtbar zu machen, erweist sich Scholz als gelehriger Schüler des letzten Kulturchefs der DDR, Kurt Hager. In der DDR tobte ein Kampf um Texte, nicht nur der Gegenwartsliteratur, sondern auch des literarischen und philosophischen Erbes. Friedrich Nietzsche und Ernst Jünger bspw. erschienen nie in der DDR, Franz Kafka und Karl May erst nach langen Kämpfen. Wurde ein Text gegen die Zensur durchgesetzt, wurde zur Bedingung gemacht, dass ein Literaturwissenschaftler ein einordnendes Vor- oder Nachwort zu schreiben hatte. Dies musste im Geist des Marxismus-Leninismus, den auch Olaf Scholz von jugendauf tief in sich aufgenommen hatte, verfasst sein. Diese Vor- und Nachworte spiegelten also nicht unbedingt die Meinung des Literaturwissenschaftlers wieder, sondern dienten als Mittel zum Zweck – und der Zweck bestand in der Veröffentlichung, der Zugänglich- und Öffentlichmachung des Textes. Nach der Wende wurden auch diese Nachworte den ostdeutschen Germanisten zum Vorwurf gemacht, ohne auch nur die geringste Notiz davon zu nehmen, welche Funktion sie zu erfüllen hatten.

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Von der DDR-Germanistik blieb nichts übrig, sie wurde deshalb abgewickelt, weil Platz auch für mediokres Personal aus dem Westen geschaffen werden musste – für Professuren, die man im Osten freiräumte. Eine Folge davon ist, dass man heute eigentlich nicht mehr von einer Germanistik sprechen kann, das Fach ist vollständig ideologisiert, sogar so sehr ideologisiert, wie es das im Osten niemals war.

Das hat letale Auswirkungen auf die Literaturkritik, weil Literaturkritiker nicht mehr ihr Handwerk verstehen. Es geht nur noch um Gefühl, Haltung und Gesinnung. Symptomatisch steht dafür das Statement einer Literaturkritikerin im Deutschlandfunk Kultur: „’Buddenbrooks’ war beim Wiederlesen ein viel schlichterer Roman, als ich ihn in Erinnerung hatte. Natürlich gibt es großartige Passagen darin. Aber es ist kein Buch, das es verdient hat, immer noch an der Spitze des deutschen Literaturkanons zu stehen. Es repräsentiert vielmehr eine sehr eingeschränkte männlich-bürgerliche Sichtweise auf die Gesellschaft.“ Während Jean Raspails Roman „Das Heerlager der Heiligen“ 2007 noch von Lorenz Jäger in der FAZ hymnisch besprochen wurde, druckte der Tagesspiegel 2015 zur Heiligsprechung der Masseneinwanderung eine „Lesewarnung“, die nicht ein einziges ästhetisches Kriterium anführte. Freilich, die Rezension von Jäger würde heute in der mit der Taz wetteifernden FAZ auch kaum mehr erscheinen. Der Tagesspiegel-Rezensent Gregor Dotzauer versah sogar den erneuten Abdruck seiner Rezension von Tellkamps „Eisvogel“ aus dem Jahr 2005 im Jahr 2018 mit einem „Warnhinweis“. #

Was hat sich geändert? Der Roman wohl nicht? Ist es nicht Aufgabe von Literaturkritik, sich auf den Text zu konzentrieren? Ebenfalls im Tagesspiegel denunzierte Katrin Hillgruber den Schriftsteller Tellkamp, indem sie behauptete, dass der Erzähler „eins zu eins in die Figur des Wiggo Ritter geschlüpft“ wäre. Die Verwechslung von Autoren- und Figurensprache stellte übrigens eine Konstituente stalinistischer Literaturkritik dar. So wundert es nicht, wenn 150- bis 250-Seiten-Romane en masse produziert werden, von den Angehörigen der 666 Geschlechter fabriziert, die ergriffen um das eigene Seelchen herumtanzen und es, sobald sie es in ihrem Vorgärtchen liebevoll eingepflanzt haben, beständig mit einem Sud übergießen, der seine Herkunft aus der intellektuellen Bedeutungslosigkeit nicht zu verhehlen vermag. Diese von der Schönheit ihrer eigenen Seele ergriffenen Autoren teilen in ihrem Krähwinkel, das sie mit der Welt verwechseln, das biedermeierliche Leben der Lektoren, Rezensenten, Redakteure und Preisrichter.

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Die Art von Büchern hat es indes schon immer gegeben, nur veredelt sie inzwischen der emanzipatorische Anspruch. Eine zweite Gruppe von Romanen, die der Kulturbetrieb hervorbringt, erinnert an das Gedicht „Die Wahrheit“ des Dichters Pablo Neruda: „Gräuel und Entsetzen! Ich las Romane,/ unendlich rechtschaffene,/ und so viele Verse über/ den Ersten Mai,/ dass ich jetzt nur noch über den 2. dieses Monats schreibe.“ Darunter fallen figurenfreie Texte, die vom Genre her auf dem weiten Feld ideologischer Konstrukte wachsen. Statt mit literarischen Figuren bevölkern diese Autoren ihre Romane mit Gliederpuppen ihrer Weltanschauung. Da die Wirklichkeit den Stoff für die eigene Ideologie verweigert, müssen selbst Zitate historischer Persönlichkeiten erfunden werden. Gesinnung ersetzt Literatur, statt Schriftsteller sind Kulturschaffende am Werke. Zensur nicht direkt vom Staat, sondern von Kulturschaffenden und Aktivisten besorgt wirkt flächendeckend.

Der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube verhöhnt Ludwig Börne, indem er den Börne-Preis in ausgesuchter Servilität Robert Habeck zuspricht. Schriftsteller, die nicht bereit sind, den Anspruch der Literatur aufzugeben, werden von den großen Publikumsverlagen immer seltener gedruckt, von der Presse boykottiert oder diffamiert, von Literatur- oder Lese-Festivals ausgeladen oder gar nicht erst eingeladen. Der Literaturbetrieb hat mit seinen totalitären und effizienten Mechanismen Autoren domestiziert und die Literatur damit verödet.

Eine der Heldinnen der Antidiskriminierungsdiskriminierung, Christiane Kassama, die zum Zeitpunkt des Interviews mit der ZEIT eine Kita in Scholzens Hamburg leitet, gibt zu Protokoll: „Jim Knopf wird leider noch oft gelesen. Jim Knopf reproduziert viele Klischees, zum angeblich typischen Wesen und Äußeren von Schwarzen. Jim Knopf ist so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, schwarzes Kind vorstellen. Auch Pippi Langstrumpf liegt als Buch fast in jeder Kita.“ Also weg mit Pippi Langstrumpf, weg mit Jim Knopf! Dass Kassama nichts von Literatur versteht, ist offensichtlich, aber das spielt in einem Land keine Rolle mehr, in dem nur noch als Literatur gilt, was den woken Prüfstempel trägt. Denn das Literatur nicht Typen, sondern Figuren erzählt, ist ihr fremd.

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Damit Jim Knopf und Pippi Langstrumpf den Kindern nicht mehr vorgelesen wird, hatte Kassama in ihrer Kita verfügt: „Im Februar habe ich gesagt: Der Black History Month steht an, wie können wir den umsetzen? Eine Kollegin schlug vor, vorübergehend nur Kinderbücher mit schwarzen Hauptfiguren in der Bibliothek zu belassen. Das hat gut funktioniert, gut im Sinne von: Es hat niemand gemerkt. Kein Kind hat ein Buch vermisst.“ So werden Kinder dumm gehalten, denn was ihnen nicht vermittelt wird, das kennen sie auch nicht. Bücher müssen nicht mehr verbannt werden, es reicht, wenn sie einfach nicht mehr da oder entsprechend verändert worden sind. Über diese Details können sich Scholz und Kassama ja noch austauschen. Kassama zeigt sich jedenfalls stolz darauf, dass ihre Propaganda, ihr Critical-Whiteness-Training oder ein Antirassismustraining, an dem ihre Kita-Erziehernenn verpflichtet sind teilzunehmen, folgende Wirkung erzielte: „“Boah, wir müssen sofort unsere Bilderbücher überprüfen.“ Das ist meistens der erste Satz. Die Kolleginnen und Kollegen merken plötzlich, was sie jeden Tag vorlesen. Vorher haben sie gedacht: Ach, damit bin ich selbst groß geworden, so schlimm kann das nicht sein. Und dann wachen sie auf. Viele Bilderbücher transportieren unbewusst Klischees und damit Rassismus. Kinder, die von Rassismus betroffen sind, identifizieren sich damit und weiße Kinder wachsen mit dieser Einstellung unbewusst auf.“ Das ist der Angriff von Leuten, die weder etwas von Kultur verstehen, noch vor der Kultur eine Achtung empfinden, das ist der Angriff auf unsere Kultur. Das ist Dekonstruktivismus auf Groschenromanniveau.

Wenn die Grünen, die nie etwas anderes als Kulturkampf betrieben haben, nun aufheulen und den Konservativen und wirklichen Liberalen vorwerfen, den Kulturkampf zu eröffnen, dann tun die Konservativen und wirklichen Liberalen in Wahrheit nichts anderes, als unsere große und tolerante Kultur gegen den neuen Totalitarismus zu verteidigen.

Es ist die Arroganz der Macht zu glauben, dass Literatur, und Kinderliteratur zumal, nur „pädagogisches Material“ ist. Scholz behauptet in dem Interview gern zu lesen. Das mag stimmen. Doch, was er an Lektüre anführt, beeindruckt nicht allzu sehr und erweist sich auf dem zweiten Blick auch als bloßstellend, denn er habe in den Achtzigern viel gelesen, „von Christa Wolf, Elfriede Jelinek, Mario Vargas Llosa, Isabel Allende, Gabriel García Márquez, Tom Wolfe, Bruce Chatwin, Paul Bowles und, von ihm angeregt, vieles aus Nordafrika“. Und, war es das? Das ist eben nur das, was man in den achtziger Jahren gelesen haben musste, um irgendwie dazuzugehören. Doch wesentliches fehlt. Und sonst so? Heute? Tellkamp? Fehlanzeige. Wenn man heute etwas als SPD-Kanzler liest, muss es schon ein People of Color Autor sein, ein Mohamed Mbougar Sarrs, der in der woken Gesellschaft hipp ist, weil er, große Überraschung, sich mit dem Rassismus beschäftigt. Jedenfalls sind sich Scholz und Macron einig, dass das ein ganz „tolles Buch“ sei – und irgendeine deutsche Jury wird das sicher auch so sehen. Es würde doch sehr verwundern, wenn das Buch nicht im Herbst irgendeinen der woken Preise, die früher Buchpreise waren, erhalten würde.

Gönnen wir dem Kanzler diese Lektüre, denn hier muss er beim Lesen keinen Hinweis mitformulieren oder um eine einordnendes Vor- oder Nachwort bitten.

Man muss jetzt die gedruckten Kinderbücher aus den Antiquariaten kaufen, wenn man die authentischen Texte für sich und seine Kinder haben möchte. Der Angriff auf den Textbestand unserer Literatur läuft mit dem Segen des Kanzlers.

TE setzte schon seit einiger Zeit im Heft die Reihe „Klassiker – neu gelesen dagegen“.

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Kommentare ( 104 )

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F. Hoffmann
8 Monate her

Man kann Bücher lesen und lesen. Also Buchstaben lesen. (Bei Tim und Struppi sogar Bilder gucken.) Und, wenn man die Bücher nicht selbst geschrieben hat, sollte man seine Drecksgriffel weglassen. Kritisieren kann man sie selbstverständlich. Okay, Scholz ist es von den Cum-Ex und Wirecard Unterlagen her gewohnt, zu zensieren. Spannender und pädagogisch wertvoller wäre es sicher da mal alle Original-Unterlagen zu lesen. Oder was er bei den Kommies vor dem Mauerfall so im stillen Kämmerchen von sich gegeben hat.

Kassandra
8 Monate her

Ob „unser Kanzler“ auch über ein Medienimperium über Kontakte zu Disney verfügt? Denn die haben ja schon munter gefälscht, wie David Boos jüngst bei TE zum Ausdruck brachte: https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/disney-schneewittchen-und-die-sieben-zwerge/
Dass Deutschland aus deutschem Steuergeld Filme in den USA subventioniert ist ja lange bekannt. Ob diesen auch – wer kann das schon wissen?
Oder zieht Bidens USA etwa am selben Strang wie diese „Regierung“?

Judith Panther
8 Monate her

Was immer sich der Polit-Automat an obligatorischen Werken reingepfiffen haben mag – inzwischen muß er nur noch die Botschaft des Bösen vom Blatt ablesen, wie Merkel es ihm 16 Jahre lang vorgemacht hat und Steinmeier der Merkel bis heute nachmacht.

mediainfo
8 Monate her

„Der Bundeskanzler und Jurist Olaf Scholz verlangt, …. „ Scholz tut so, als seien die angedachten „Veränderungen“ von bestehender Literatur, das, was „nicht in Ordnung“ sei, ein gesellschaftlicher Konsens, der im breiten Einverständnis nur noch umgesetzt werden muss. Damit versucht er zu täuschen. Denn das ist natürlich keineswegs so, gegen diese Zensur-Vorgaben gibt es tatsächlich erheblichen Widerstand, und eine große Bevölkerungsgruppe, die dazu weder befragt wurde noch sich geäußert hat. Wer seine ideologischen Botschaften und Sprachverbote verbreiten will, soll sich eigene Bücher schreiben, in denen das umgesetzt wird. Dann weiss jeder vorab Bescheid. Bestehende Literatur zu zensieren und mit „Hinweisen“… Mehr

Cagliostro
8 Monate her

Das Berliner Kasperle-Theater wird in der Tat immer grotesker. Man muss sich ernsthaft die Frage stellen, wann diese Selbstzensur auch anfängt, sich an Literaten, Poeten und Dichter wie Goethe, Nietzsche, Schopenhauer, Lessing, Kant usw. zu vergreifen, nur weil deren Werke heute „so nicht mehr in Ordnung“ sind. Diese Rotstift-Aggressoren sind radikal in ihrer Ideologie. Wie im Hamlet gerät die Zeit regelrecht aus den Fugen. Da möchte man sich am liebsten wie Michel aus Lönneberga im Schuppen verbarrikadieren und Holzfiguren schnitzen. Aber selbst das wäre nach heutigen Maßstäben wohl so nicht mehr ganz „woke“….

Ohanse
8 Monate her
Antworten an  Cagliostro

Die Selbstzensur ist eigentlich das Ergebnis der Aufforderung der Regierung an Dritte, bestimmte Sachen nicht zu äußern. Das ist tatsächlich Zensur. Olaf Scholz hat sich mit seiner Äußerung verfassungswidrig verhalten. Die CDU könnte ihm nun einmal seine Grenzen aufzeigen und das vom BVerfG feststellen lassen. Aber Merz und Linnemann schnarchen hinter ihrem Brandmäuerchen.

Klaus Uhltzscht
8 Monate her

Widerlich. Einfach widerlich. Herr Scholz, wer hat Ihnen eigentlich beigebracht, so herzlos zu sein? Frau Merkel? Lange dachte ich, die tiefsten Abgründe menschlichen Denkens sind in dem Drogen-Roman „Naked Lunch“ von William Burroughs, 1959 aufgeschrieben. Es gab dort einen Mann, der öffnete in der Bahnhofstoilette kleinen Kindern die Köpfe und entnahm ihnen ihre Erinnerungen. Aber nur die guten. Herr Scholz, wir wissen, daß Sie gefährlich sind. Sie und Ihr Gruselkabinett. Julian Reichelt warnt uns eindringlich: Sie sagen es nicht nur, Sie meinen es auch genau so. Und Sie tun es auch genau so. Sie vergeben Gelder „gegen Rechts“ an Institutionen… Mehr

Delarue
8 Monate her

Kann jemand Kanzler sein,der die „Lufthoheit über den Kinderbetten erobern“ will? Das klingt nach Marxismus.Und Schaffung des „Neuen Menschen“. Pfui Teufel!

Alte weise Frau
8 Monate her

Soeben hat dieser Mensch ein paar schmalzige Worte zum Tod Martin Walsers von sich gegeben. Ich bin mir sicher, dass man ihm sagen musste, wer das ist.

ketzerlehrling
8 Monate her

Er und diese Hampeltruppe bilden sich ein, sie stärken sich und ihre Ideologie. Sie zeigen damit lediglich ihre Schwäche auf.

hoho
8 Monate her
Antworten an  ketzerlehrling

Es wäre schön. Das ist aber nicht wirklich so. Die meiste Leute sind enweder zufrieden oder nur mit den äußerem Erscheinen nicht zufrieden. Allgemein finden sie die Richtung gut. Die Maßnahmen sollten aber nur für die Bösen gelten. Der treue Bürger bei Definition wird durch diese Maßnahmen an nichts gehindert. So lange auch Wurst und Bier da sind wird sich die Mehrheit nicht bewegen. Bis jetzt haben sie viel Erfolg damit gehabt und es deutet nichts darauf, dass es sich etwas ändert. Die Reden von führenden Politikern geben den Ton und wenn das nicht hilft, werden Polizei und Gerichte liefern.Die… Mehr

Warte nicht auf bessre zeiten
8 Monate her

Wie sang Biermann doch so schön: „Keiner tut gern tun, was er tun darf
Was verboten ist, das macht uns grade scharf!“