Roald Dahl: Gendergerechte Umerziehung für den Oompa Loompa

Woke Tugendpriester zerstören die grotesken Kinderbücher von Roald Dahl: Der dicke Junge aus der Schokoladenfabrik ist nicht mehr fett und die bösartige Schuldirektorin Knüppelkuh hat kein pferdegleiches Gesicht mehr. Die Anarchie weicht dem Konformismus.

IMAGO / Allstar
Eine Filmszene aus "Willy Wonka & The Chocolate Factory" (USA 1971) nach dem Roman von Roald Dahl

Roald Dahl gilt im angelsächsischen Raum als einer der führenden Kinderbuchautoren. Er hat mehr als 200 Millionen Bücher verkauft und prägte mit Bestsellern wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Matilda“ und „Hexen hexen“ die britische und amerikanische Popkultur. Sowohl in seinen letzten Lebensjahren wie auch posthum hatte Dahl eine Debatte um seine Person entfacht, die sein Andenken trübten; so gab die Royal Mint keine Gedenkmünze zu seinem 100. Geburtstag aus, weil es sich um einen Autor handele, der mit Antisemitismus „assoziiert“ sei.

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Doch nichts davon spielt in der gegenwärtigen Debatte eine Rolle. Vielmehr handelt es sich um einen brutalen Eingriff in ein Künstlerwerk, gegen den etwa die Streichung des „Negerkönigs“ zugunsten des „Südseekönigs“ bei Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf harmlos erscheint. Ganze Sätze sind einem Versuch des Verlagshauses Puffin zum Opfer gefallen, Dahls farbenfrohe, wenn auch für Triggerwarnungsfetischisten verstörende Sprache in die Form des 21. Jahrhunderts zu bringen. Das ist noch freundlich ausgedrückt. Ein Romancier würde einen solchen Eingriff mit Fug und Recht als „Verkrüppelung“ anklagen.

Puffin hatte „sensitivity readers“ angeheuert, um anstößige Passagen zu sichten und diese umzuschreiben. Die Aufgabe eines solchen Prüfers: Er soll verhindern, dass sich andere Personen verletzt fühlen. Mitglieder „marginalisierter Gruppen“ werden dabei bevorzugt als „sensitivity reader“ eingesetzt, um Mikroaggressionen aufzuspüren. Der Autor hat schließlich eine gesellschaftliche Aufgabe. Und der benevolente Hirtenhund der Wokeness muss den Schreiberling mit Gewalt zurechtschreiben, wenn dieser nach freundlicher Mahnung nicht spurt – oder bereits unter der Erde liegt und sich nicht wehren kann.

Dabei spielen nicht nur die üblichen Themen wie Rassismus und Sexismus eine Rolle. Bereits Witze über Fettleibigkeit sind problematisch – obwohl man angesichts der wachsenden Zahl von übergewichtigen Personen in westlichen Ländern kaum von einer marginalisierten Gruppe sprechen kann. Doch das ist zweitrangig. Dahls skurrile, übergewichtige Gestalten dürfen nicht mehr als solche benannt werden. Das Wort „fat“ ist sogar gänzlich verschwunden. Augustus Gloop aus der „Schokoladenfabrik“, der Prototyp des verfressenen Jungen, darf nun nur noch als „enormous“ betitelt werden. Das ist nicht die einzige Änderung in der Fabrik. Denn das orange Pygmäenvolk der Oompa Loompas, die im Englischen früher „small men“ hießen, sind nun geschlechterneutrale „people“.

Dahl, dessen Markenzeichen die Groteske ist, erleidet auch an anderen Stellen eine Verharmlosung und Abstumpfung. Das „großartig-pferdegleiche Gesicht“ von Miss Trunchbell (deutsch: Fräulein Knüppelkuh) aus Matilda ist nur noch ein „Gesicht“. Matilda liest auch nunmehr Jane Austen statt Rudyard Kipling, um den Autor der „Bürde des Weißen Mannes“ nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken (und gleichzeitig einen merkwürdigen Beitrag zur Wiederentdeckung konservativer Rollenmodelle Vorschub zu leisten).

Laut Daily Telegraph sind auch solch groben Worte wie „crazy“ und „mad“ verschwunden; offenbar, um Menschen mit geistiger Verwirrung nicht zu beleidigen. Der Mantel des Riesen darf nicht mehr schwarz sein und die Gesichter der Protagonisten nicht mehr weiß anlaufen – auch darin könnten Mikroaggressionen stecken.

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Doch es sind nicht nur solche Details und damit einzelne, störende Worte. Ein Beispiel bietet Hexen hexen. Im Original schrieb Dahl: „Ich möchte nicht schlecht über Frauen sprechen. Die meisten Frauen sind reizend. Aber Tatsache bleibt, dass alle Hexen Frauen sind. Es gibt keine männliche Hexe.“ In der neuen Fassung steht nunmehr: „Eine Hexe ist immer eine Frau. Es gibt keine männliche Hexe.“ Wobei es an dieser Stelle nur noch eine Frage der Zeit ist, wann auch diese beiden transgenderunsensiblen Sätze verschwinden.

Der Vorgang macht zugleich deutlich, dass nicht nur das Zeitalter angeblicher Unsensibilität vorbei ist. Den Kinderbüchern wohnt eine fast montypythonesque Anarchie inne. Fräulein Knüppelkuh ist olympische Hammerwerferin und wirbelt die Kinder an den Zöpfen durchs Zimmer. Die Betonung des formidablen Pferdegesichtes ist demnach keine bloße Überstrapazierung, sondern eine physiognomische Warnung vor dem Wesen. Die Lebendigkeit, die solchen Beschreibungen innewohnt, geht verloren. Zuletzt ist die vermeintlich bunte und diverse Welt, in der die Tugendwächter leben, so schrecklich grau wie der von Dahl gezeichnete Alltag mancher Kinder, bevor sie aus diesem endlich ausbrechen können, um Abenteuer zu bestehen. Doch was will man auch von Zensoren erwarten, die den draufgängerischen Kipling gegen die brave Austen eintauschen?

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Kommentare ( 23 )

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23 Comments
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Rob Roy
1 Jahr her

Am liebsten würden diese Menschen verhasste Bücher doch wie anno 1933 verbrennen. Das ist natürlich nicht CO2-frei. Und sie von „sensitive readers“ umschreiben zu lassen, schafft ein paar Stellen für die alle, die Gender Studies oder so studiert haben.

Phil
1 Jahr her

Von Ayn Rand einfach auf den Punkt gebracht: Wenn irgendeine Zivilisation überleben soll, müssen die Menschen die Moral des Altruismus ablehnen. Sie spricht hier nicht davon das der Altruismus an sich abzulehnen sei, sondern die Moral welche diesen pervertiert. An einem Altruismus, welcher aus einer persönlichen und individuellen Einstellung resultiert und aus Anteilnahme und Empathie erwächst, ist, sofern man diesen auf eigene Kosten betreibt, nichts auszusetzen. Diese Form des Altruismus ist auch Teil der christlich abendländischen Kultur und man sollte jene hoch ansehen, welche sich diese Form der Menschlichkeit in solchen Zeiten in ihrem Herzen bewahren. Die Moral macht es… Mehr

Reini
1 Jahr her

Wenn die Klugen schweigen, führen die Dummen das Wort.

T. Pratchett
1 Jahr her

Na dann viel Vergnügen beim Zensieren von Roald Dahl‘s Erwachsenenbüchern, wie „Onkel Oswald und der Sudankäfer“!! Da bleibt nix mehr vom genialen englischen Humor übrig! Und weiter geht’s dann mit dem Autor Tom Sharp (z.B. „Mohrenwäsche“)! Wenn die Menschen ihren Sinn für Humor verlieren, wird‘s gefährlich! Aber wahrscheinlich haben wir durch die gewollte Gehirnwäsche unserer Mainstreammedien den Zenit hier eh schon überschritten!! Wenn‘s nicht so traurig wäre müsste man schallend lachen!

Klaus Uhltzscht
1 Jahr her

Kann ich bestätigen.
Bei Thalia(Punkt)de die DVD „Ghost Dog“ gekauft und festgestellt, daß eine Schlüsselszene, wo der Mafioso die Polizistin erschießt („sie wollen gleich sein – ich habe sie gleich gemacht“) lächerlich zensiert und verstümmelt ist.
Wahrscheinlich sollen wir alle lächerlich zensiert und verstümmelt werden.

Jens Frisch
1 Jahr her

„Political correctness is fascism pretending to be manners.“ – George Carlin

„Politische Korrektheit ist Faschismus, der vorgibt Manieren zu sein.“

Last edited 1 Jahr her by Jens Frisch
bfwied
1 Jahr her

Oh Gott, was für eine Idiotie. Die Dummheit ist fleischgeworden und aus den Löcher gekrochen, um uns zu überrennen, was ihr gelingen wird, weil man aus Untertänigkeit und Rücksicht klein beigibt. Wenn nur eine Handvoll Idioten der Wokeness die Unileitung veranlassen kann, Vorträge zu kündigen und Seminare nicht stattfinden zu lassen, dann ist das die grandiose Feigheit der Normalen gegen die Dumpfbackigkeit anzugehen. Die Wissenschaft wird selektiert und geschreddert, Literatur wird primitivisiert, und Filme werden zu flachen einfallslosen Erziehungsfilmchen. Und warum? Weil der Normalbürger es sich gefallen lässt und die Intellektuellen u. Künstler, wenn sie es denn überhaupt sind, zuhauf… Mehr

Gerro Medicus
1 Jahr her

Wie es weitergeht ist klar! Demnächst wird Intelligenz verboten, damit sich die Idioten nicht beleidigt fühlen. Da gibt es übrigens eine interessante Querverbindung. Wer sind doch gleich die, die sich dauerbeleidigt fühlen und deswegen gerne auch mal zum Messer greifen? Sollte da ein Zusammenhang bestehen? Werden diese Leute hereingebeten, um das Cancel Culture zu unterstützen?

Querdenker73
1 Jahr her

Was soll’s? Die Nazi’s haben unliebsame Bücher verbrannt. Heute werden sie umgeschrieben und damit dem woken- und Gender-Blödsinn untergeordnet. Anderenfalls werden diese nicht mehr verlegt! Also: Kein Deut besser als die Nazis! Und alle machen (wieder!) mit. Da wird an alles gedacht! Sogar in Volksmusiksendungen im BR saß neulich eine Gender – Befürworter*in am „Stammtisch“(!!) Sie gab ihr dämliches Statement ab – Auftrag erfüllt! Jetzt haben wir sogar dem überalterten Volksmusik-Publikum mal gezeigt, was Sache ist! Und das Bemerkenswerte ist: Der Redebeitrag wird auch noch mit Beifall der Anwesenden belohnt!! Wahrscheinlich haben die ihre Beifallklatscher gleich mit geliefert? Oder es… Mehr

nomenestomen
1 Jahr her
Antworten an  Querdenker73

Ist so. Bekannte von mir haben früher mal im Rahmen einer dieser ÖRR-Schlagersendungen gearbeitet. Da ist alles falsch, alles gestellt – Applaus eingeschlossen. Dieser wird vorgegeben und quasi choreographiert. Den Rest erledigen grenzdebile Klatschhasen, die dem Herdentrieb folgen.

fatherted
1 Jahr her
Antworten an  nomenestomen

Das ist in jeder Aufzeichnungs-Sendung so. Falls es nicht passt wird wiederholt. Habe ich beim HR bei einer Quizshow erlebt und bei Kai Pflaumes „Liebes-Show“ im Privaten (ich glaube es war SAT1)….immerhin danach gab es kostenfrei „Pfläumchen“ für das er damals Werbung machte….da konnte man sich den Frust über soviel Lügerei wegsaufen.

Deutscher
1 Jahr her

Revolutionen dieser Art waren noch nie Revolutionen der Intelligenz gegen die Idiotie: Es war immer umgekehrt.