Neue Blüten aus UK: Radikalisierung durch Autoren wie Orwell, Huxley oder Hobbes?

In Großbritannien wurden Werke von Hobbes, Locke, Tolkien, Huxley und natürlich „1984“ von Orwell auf eine Gefahren-Liste gesetzt: Deren Lektüre könnte zur Radikalisierung führen. Es ist kein Zufall, dass die Woken als ihren Feind die Aufklärung, Literatur und Kunst ausgemacht haben – denn Aufklärung, Literatur und Kunst befähigen zum Selberdenken.

IMAGO / IPON
Protestler mit Buch George Orwell 1984 auf der Demonstration zur Solidaritaet von Netzpoltik Org unter dem Motto Fuer Grundrechte und Pressefreiheit, 01.08.2015

Wenn die Woken, also diejenigen, die am liebsten jeden bestrafen möchten, der die simple biologische Wahrheit ausspricht, dass es nur zwei Geschlechter gibt, die an Werke der Kunst und an wissenschaftliche Texte nur noch ihren ideologischen Maßstab anlegen, ihre Herrschaft ausbauen, dann wird in nicht allzu ferner Zukunft der Besitz von Büchern als Verbrechen gelten. Die EU würde eine Richtlinie, die im grünen Deutschland noch verschärft werden würde, erlassen, dass Bücher fortan nur noch online gelesen werden dürfen, damit gewährleistet wird, dass der Text der Bücher ständig verändert werden kann, damit Bevölkerungsgruppen im Text nicht „unsichtbar“ bleiben oder der Leser nicht radikalisiert werden könnte.

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Schließlich werden in der schönen woken, grünen Welt Texte beständig den regelmäßig erlassenen Proskriptionslisten für Wörter angepasst. Keinesfalls darf ein Text beim Leser dazu führen, dass er die falschen Fragen stellt. Am besten er kommt gar nicht erst auf die Idee, Fragen zu stellen, sondern glaubt fest an die klimaneutrale Gesellschaft, besucht – sofern er weiß ist – einmal im Monat ein Antirassismus-Training, das er selbstverständlich gern aus eigener Tasche bezahlt. Der Besitz gedruckter Bücher erlaubte womöglich den gefährlichen Vergleich zwischen dem Text der Erstausgabe und der online zur Verfügung gestellten verbesserten woken Variante.

Der Anteil an Fiktion in dieser Schilderung ist leider so verschwindend gering, dass es jeden mit Sorge erfüllen sollte. Um nur einige Beispiele zu nennen – und da die Zerstörung der Kultur inzwischen aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien nach Europa und eben auch nach Deutschland überschwappt –, lohnt es den Blick über den Kanal nach Großbritannien zu richten.

Der Guardian berichtet darüber, dass der Verleger der Kinderbücher von Roald Dahl alles aus den Texten von Dahl entfernen lässt, was in der woken Zuchtanstalt als anstößig gelten könnte. Beschreibungen physischer Erscheinungen wie „fett“ oder „hässlich“ werden, wie Guardian und Daily Telegraph berichten, aussortiert. So ist Mr. Augustus Gloop in „Charlie und die Schokoladenfabrik“ nicht mehr „fat“, sondern „enorm“ und in The Twits ist Mrs Twit nicht mehr „hässlich und tierisch“, sondern „bestialisch“. So schreibt der Guardian: „Hunderte von Änderungen wurden am Originaltext vorgenommen – und einige Passagen, die nicht von Dahl stammen, wurden hinzugefügt …“ In The Witches endet ein Absatz, in dem erklärt wird, dass Hexen unter ihren Perücken kahl sind, mit der neuen Zeile: „Es gibt viele andere Gründe, warum Frauen Perücken tragen könnten, und daran ist sicherlich nichts auszusetzen.“

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Der Verlag arbeitet mit einer Organisation zusammen, die sich Inclusive Minds nennt und über sich sagt: „Inclusive Minds wurde im Januar 2013 gegründet und ist ein Kollektiv für Menschen, die sich leidenschaftlich für Inklusion, Vielfalt, Gleichberechtigung und Barrierefreiheit in der Kinderliteratur einsetzen, dafür, das Gesicht von Kinderbüchern zu verändern.“ Was die Mitbegründerin von Inclusive Minds, Alexandra Strick, dazu berechtigt, in fremden Texten herumzufuhrwerken, bleibt allerdings ihr Geheimnis, denn ihr Lebenslauf ist äußerst luftig und großzügig gestaltet.

Aber in Großbritannien wird Zensur nicht nur von NGOs betrieben, wie Douglas Murray gerade im Spectator schrieb, sondern auch von staatlichen Organisationen. So erregte der „ausgezeichnet umfassende Bericht von William Shawcross“ in Großbritannien großes Aufsehen und brachte woke und linke Medien zum Schäumen. Shawcross hat das Prevent-Programm der britischen Regierung, das Menschen helfen soll, nicht in den Extremismus abzugleiten, analysiert und festgestellt, dass es sich im Grunde auf seine forcierte Vorstellung von Rechtsextremismus fokussiert.

Dieses Regierungsprogramm wird unter anderem von der linken Aktivistengruppe „Hope not Hate“ beraten, die vielleicht verglichen werden könnte mit der in Deutschland üppig vom deutschen Steuerzahler mitfinanzierten Amadeu Antonio Stiftung. Murray spottete bitter, dass Gruppen wie „Hope not Hate“ die Definition von Rechtsextremismus auch auf die Ansichten von Menschen, die für den Brexit waren, ausweiten, und kommt zu dem Fazit, dass sie „versuchten, letztendlich Meinungen zu stigmatisieren, die in vielen Fällen (zum Beispiel zum Brexit und zur Einwanderung) von einer Mehrheit der britischen Bevölkerung geteilt wurden“.

Nun tauchten in der britischen Presse am letzten Wochenende Berichte über eine Analyse der „Research Information and Communications Unit“ (RICU) von Prevent aus dem Jahr 2019 auf. RICU durchforschte Social-Media-Accounts, wenn die Nutzer Informationen oder Meinungen von Kommentatoren lasen, die Pro-Brexit oder Mitte-Rechts-Positionen vertraten. Murray spottete über RICUs Vorgehen: „Jeder, der diese Kolumne liest, ist also genauso gefährdet, ‚radikalisiert‘ zu werden, wie ein junger Muslim, der mit einer Tonbandaufnahme von Ayman al-Zawahiri oder Osama bin Laden abhängt …“

Doch damit nicht genug, Murray fand Listen von Büchern, deren Lektüre oder Besitz nach Ansicht von RICU auf die Gefahr der Radikalisierung hindeutet. Auf den Listen der RICU standen laut Douglas Murray Bücher über die Vergewaltigungsopfer von Rotherham, ein Buch von Murray, aber auch Werke wie der „Leviathan“ von Thomas Hobbes, John Lockes „Two Treatises of Government“ und Edmund Burkes „Reflections on the Revolution in France“, Werke von Thomas Carlyle, Adam Smith, CS Lewis, JRR Tolkien, Aldous Huxley, Joseph Conrad und natürlich „1984“ von George Orwell. All diese Bücher könnten, fasst Murray zusammen, laut Ansicht von RICU zur Radikalisierung führen. Das ist natürlich richtig, denn alle diese Bücher machen aus einem Bürger keinen Untertan, im Gegenteil, sie fordern, um mit Immanuel Kant zu sprechen, ihn auf, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und selbst zu denken.

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In der Schweiz lehnt ein Lehrer ab, im Deutschunterricht das Stück „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt zu behandeln, wenn nicht der Diogenes Verlag ein Wort in zwei Regieanweisungen entfernt, das „insgesamt zehn Schülerinnen“ beanstandet haben. Der Lehrer, der sofort mediale Aufmerksamkeit bekam, twitterte: „Das Buch gilt an diversen Bildungsinstitutionen in der Schweiz und in Deutschland als Pflichtlektüre. Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht eine rassistische Darstellung lesen müssen, die sie in ihrer Identität abwertet.“ Durchaus diktaturgeeignet, der Mann. Beanstandet wurde das Wort Neger, das Dürrenmatt zweimal verwendete, um den Unterschied der beiden Pfleger deutlich zu machen.

In Brandenburg hat man von vornherein vermieden, in dieserart Probleme zu geraten, denn da liest man im Literaturunterricht Jahrhundertwerke wie „Auerhaus“ von Bov Bjerg und „Weggesperrt“ von Grit Poppe statt Dürrenmatts „Physiker“ oder Goethes „Faust“.

Es ist kein Zufall, dass die Woken als ihren Feind die Aufklärung, die Literatur und die Kunst ausgemacht haben, denn Aufklärung, Literatur und Kunst befähigen zur Freiheit. Der Angriff auf die Aufklärung, die Literatur und die Kunst wird in Deutschland auch dadurch geführt, dass Preise und Arbeitsstipendien an alles geht, was nichts mit Aufklärung, Literatur und Kunst zu tun hat, wie auch die Verleihung des Börne-Preises an Robert Habeck belegt.


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Kommentare ( 60 )

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Boris G
1 Jahr her

Es wartet viel Arbeit auf die woken Zensoren. Wenn ich Liste der Literaturnobelpreisträger Revue passieren lasse, sind es bedenklich viele alte weiße Männer, die Werke eines V.S. Naipaul gehörten sofort in den Giftschrank.

Exilant99
1 Jahr her

Bücher die Faschismus als Thema haben werden umgeschrieben oder gar verboten. Wenn das mal nicht nach Faschismus riecht.

Waldorf
1 Jahr her

Ich glaube mittlerweile, dass wir Marx unrecht tun, wenn wir diese „Woken“ Kukturmarxisten nennen, es sind schnöde Faschisten. Deren Pseudoideologie hat nichts mit Marx zu tun, sie ist eine ökonomische und volkswirtschaftliche Wüste. Die Woken und ihr angeblicher Antirassismus sind im Endeffekt selbst Anhänger einer höchst vulgären Rassenlehre, die in ihrer Vulgarität nur Hitlers Rassenlehre von Ariertum nahe kommt, nur auf den Kopf gestellt, ein zutiefst rassistisches Anti-Ariertum. Dass sich manche Anhänger der aus den USA zu uns rübergeschwappten Indentitätstheorie auf Makuse berufen und immer wieder von strukturellen Rassismus reden, der durch „die Gesellschaft“ aka der von „weißen“ strukturierten Gesellschaften,… Mehr

tamquam
1 Jahr her
Antworten an  Waldorf

Es macht wenig Sinn wenn inflationär und gegenseitig alles als ‚Faschismus‘ bezeichnet wird („Du Nazi – nein, du selber Nazi …“)
Die Woken passen viel besser in die Gruppierungen sektenartigen (nicht-)Denkens.

Waldorf
1 Jahr her
Antworten an  tamquam

Solange sie keine Macht erzielt haben, vielleicht. Solange es einfach nur Verwirrung oder dummes Gerede ist und bleibt, kann man es relativ leicht überhören. Aber sobald diese Verwirrten Macht erringen, wird es gefährlich. Bücher von zb Marx, Lenin oder Hitler waren leicht zu ignorieren, deren Politik allerdings nicht. Die war für viele nicht nur ärgerlich, sondern tödlich. Und so ist es auch bei unseren „Guten“, ihre Handlungen bzw Unterlassungen sind potenziell tödlich, sei es beim Migrationschaos, irrationaler Energiepolitk oder großen Medikamentenexperimenten an der ganzen Bevölkerung. Dann ist es nicht mehr nur Sektendenke, sondern hart an Faschismus, Dikatatur oder sonstigem Totalitarismus.… Mehr

Konservativer2
1 Jahr her

„1984“ war anno ’83 unsere Lektüre im Englisch-Unterricht. Das Buch beschreibt Leben und Leiden in einer Diktatur, die alles daran setzt, die Darstellung und Deutung von politischen Entwicklungen und Ereignissen unter Kontrolle zu haben.

Wer diesem Buch zuschreibt, einer Radikalisierung Vorschub zu leisten, arbeitet selbst im Ministerium für Wahrheit.

Spicebar
1 Jahr her

Wenn ich diese „Vielfalt-Poster“ auf manchen Bussen des ÖNV betrachte, muss ich zwangsläufig an woke und weak denken. Da werden multinationale Menschentypen vorgestellt, die offenbar keinerlei kernige Ausstrahlung mehr haben dürfen. Nichts, was sie als Individuen mit eigenen Gedanken und Gefühlen kennzeichnen könnte. Sie wirken einfach nur übertolerant gezeichnet, dazu armselig und passen als „Klappe halten und funktionieren Typus“ in das Framing jener Think-Tanks, welche die Gesellschaft gerne im Größenwahn nach ihrem Gleichmacher-Gusto formen möchten. Die nächste Stufe werden vermutlich selbstfahrende humanoide woke Roboter sein, sofern nicht irgendeine Krise dem Spuk wieder in die Speichen fährt. Wenn das so weitergeht,… Mehr

JuergenR
1 Jahr her

Der Witz am Ende erschließt sich den Woken nicht, denn diese haben keine Ahnung, was ein Palindrom ist. Wer in der Schule eben nur noch Propaganda vorgesetzt bekommt, verwechselt diese mit Bildung.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Bestürzend dass von der FAZ-Redaktion derartige Kommentarbeiträge inzwischen „von der Kette gelassen werden“. Inhalte sind wohl gewissermaßen Geschmackssache, aber in der Form hatte man sich bislang an zivilisatorische Mindeststandarts gehalten, um z.B. Haß-triefenden Gewaltphantasien keinen breiteren Einfluss gewinnen zu lassen.
Schlechtestenfalls schnappen etwas trübe Leuchten so etwas auf und plappern es überall nach. Das zitierte Rumgeholze ist in seiner Wirkung unverantwortlich.

Manfred007
1 Jahr her

Digitale Bücher kann man prüfen indem man eine hash Algorithmus drüber laufen lässt. Ein Leerzeichen oder Buchstabe in einem 1000 Seiten Buch und man bekommt eine komplett neue Prüfsumme.
https://www.youtube.com/watch?v=VmVFe5gr_5A

thinkSelf
1 Jahr her

denn Aufklärung, Literatur und Kunst befähigen zum Selberdenken.“
Da müssen sich die Woken eigentlich keine Sorgen machen. Die große Mehrheit bei Herdentieren ist konstruktionsbedingt nicht denkfähig. Und „Freiheit und Eigenverantwortung“ sind für die auch keine Verheißung, sondern die schlimmste aller Bedrohungen.

Georgina
1 Jahr her
Antworten an  thinkSelf

Das ist logisch falsch. Die Woken lernen ja selber und man sieht ja, wohin das führt. Ins Nirvana (engl.), ins Nichts. Da wollen die auch hin: Das nennt sich Esoterik, Pantheismus (Giordano Bruno!!). Wenn Sie immer noch glauben, „Selberdenken“ führt in die Gottlosigkeit, dann können Sie nicht richtig denken. Denn, die Wissenschaft bestätigt die Aufklärung nicht. Ich habe noch nie einen klugen aufgeklärten Menschen angetroffen. Die meisten haben es verlernt kluge Fragen zu stellen oder sind zu naiv um die logische Konsequenz von Annahmen zu begreifen. Oder sind über den aktuellsten wissenschaftlichen Stand nicht im Bilde, nicht informiert. Oder man… Mehr

Edwin
1 Jahr her
Antworten an  thinkSelf

Und bei einem Analphabetentum von nahezu 20% kann ohnehin keiner mehr ein Buch lesen, geschweige denn seinen Inhalt verstehen.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

1984 von George Orwell verbieten ist nicht blöd, aber die Woken haben „Animal Farm“ vergessen. Alle Menschen sind gleich, Klimakleber sind gleicher. Oder so ähnlich, muss nachlesen…?