Was Scholz jetzt tun müsste, um unser Geld vor EU, EZB und Banken zu retten

Es geht um 3.000 Mrd. Euro, eine epochale Wirtschaftskrise in den Ländern der dann ehemaligen EU, Kapitalverkehrskontrollen mit ruinösen Folgen für die industriellen Lieferketten - die Prophezeiung Lord Dahrendorfs von 1998: Der Euro wird Europa nicht einen, sondern spalten.

© Henning Schacht-Pool/Getty Images
Bei der Auszählung der Mitgliederabstimmung

Nun ist sie also da, die KleGroKaZ, die Kleinste Große Koalition aller Zeiten. Ihre den deutschen und europäischen Interessen zuwiderlaufenden Ziele, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurden, habe ich an dieser Stelle schon einer verbalen Kritik unterzogen. Die Fragen der Geldpolitik und der Eurorettung kamen dabei etwas zu kurz. Das liegt auch daran, dass sich der Koalitionsvertrag kaum damit auseinandersetzt, außer in dem fehlgeleiteten Ausdruck des Glaubens an mehr Zentralisierung, mehr Transferunion und mehr Vergemeinschaftung von Risiken, wie er im Ruf nach einem europäischen Währungsfonds zum Ausdruck kommt.

Das ist Ausdruck einer Neigung des EU-Mandarinats, erkannte Fehlentwicklungen nicht etwa zu korrigieren, sondern in Endsiegmentalität die Auffassung zu vertreten, dass man nur nicht genug von der alten Medizin geschluckt habe und dass eine Steigerung der Dosis es schon richten wird. Oder wie man es in der EZB ausdrücken würde: Die Feuerkraft steigern.

Dass die GroKo nun doch zustande gekommen ist, macht es wahrscheinlich, ja fast unvermeidlich, dass es der neue Finanzminister Scholz sein wird, der sich mit den Folgen der Rettungspolitik, den von ihr aufgestauten gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten und der daraus resultierenden Krise wird auseinandersetzen müssen. Er steht daher jetzt vor der Wahl, dem eine Strategie entgegenzusetzen, oder das zu kopieren, was die Kanzlerin als Betriebszustand ihrer Politik definiert hat, nämlich auf Sicht zu fahren, abzuwarten, dass es knallt und dann den Versuch zu unternehmen, es ein weiteres Mal zu übertünchen.

Schlechtes GroKo-Omen
Banken-Crash in zwei Jahren: "Es war noch nie so billig, verantwortungslos zu sein."
Damit der neue Herr über die Abteilung Eurorettung ein erstes Gespür dafür bekommen kann, wo seine Prioritäten liegen sollten, erlaube ich mir an dieser Stelle im Schnelldurchlauf die Größenordnung des Problems komprimiert zu skizzieren: wir haben durch die Nullzinssubvention das Niveau der Pleiten in Europa von 1,5 – 2% auf knapp 0,5% reduziert und so in den letzten 10 Jahren in Summe 10% aller Unternehmen vor ihrer Pleite bewahrt. Diese Unternehmen sind nicht effizient, unproduktiv und verdienen ihre Kapitalkosten nicht. Sie und ihre Arbeitnehmer stehen für mindestens 10% des Kreditvolumens aller Banken. Das dürfte mindestens 1.000 – 1.500 Mrd. Euro betragen. Sie sind Zombieunternehmen, deren Pleite absehbar nachgeholt wird.

Der Auslöser für diese Pleitenwelle kann entweder eine Zinswende sein oder eine Kreditrationierung durch eine Erosion des Eigenkapitals der Banken. Erstere kommt nicht, weil die EZB weiß, was sie damit auslösen würde, letztere ist unvermeidbar, weil der Nullzins die Ertragsbasis und das Geschäftsmodell der Banken ruiniert hat. Ab 2020 wird das schmerzhaft und eine Kreditkontraktion wird einsetzen.

Sobald das passiert, hat Herr Scholz ein Problem, vor allem dann, wenn er auf Sicht gefahren ist und abgewartet hat. Will er das unter Kontrolle bekommen, braucht er also eine Strategie. Und um das vorwegzunehmen: Die ökonomische Analphabeten-Ideen von Eurobonds, Europäischem Währungsfonds und dergleichen wird ihn (und uns) nicht retten.

Er braucht stattdessen einen Masterplan zur vorbeugenden Bankenstabilisierung als Voraussetzung für eine Rückkehr zu einer marktgerechten Zinspolitik und eine kontrollierte Deflation der geldpolitischen Blase. Hier sind die Komponenten:

  1. Eine massive vorbeugende Stärkung des Eigenkapitals der europäischen Banken um 1.000 bis 1.200 Milliarden Euro. Dann sind die Banken in der Lage den Schock der Insolvenzwelle zu überleben. Wartet die Politik damit, bis die Krise eintritt, braucht sie aller Erfahrung nach ein Mehrfaches der Mittel. Die wird sie dann im Zweifel bei diesen Größenordnungen nicht haben.
  2. Durchführung eines Stresstests, um festzustellen, in welche Banken dieses Geld vor allem geleitet werden soll. Das macht auch deutlich, wie sich der Aufwand nach Ländern verteilt. Die einzelnen Länder sollten dann ein Privatisierungsprogramm auflegen, um die Last selbst schultern zu können. Aber Vorsicht: Lassen sie den Stresstest nicht die EBA und den SSM machen. Die haben jetzt vier Mal in Reihe bewiesen, dass sie das nicht können. Dort geht es nicht um Transparenz, sondern um Politik.
  3. Die Banken müssen ihre Kosten um 30 – 50% senken, um nachhaltig überlebensfähig zu werden. Das können sie im aktuellen arbeitsrechtlichen Umfeld nicht tun, weil die dann für Abfindungen notwendigen Restrukturierungsrückstellungen ihr Eigenkapital in katastrophaler Weise erodieren würden. Es braucht ein Bankenrestrukturierungsgesetz, das diese Restrukturierungskosten um mindestens 80 – 90% senkt. Das ist schmerzhaft, vor allem für die Banken, aber nicht so schmerzhaft wie kollabierende Banken.
  4. Das Bankensystem muss konsolidieren, um Skaleneffekte bei den Kosten zu realisieren. Ziel muss es sein, Einheiten zu schaffen, die groß genug sind, zu überleben, und klein genug, um das too-big-to-fail Problem zu vermeiden. Das betrifft in Deutschland vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, deren Vorständen das Problem längst klar ist.
  5. Massive Senkung der Regulierungskosten. Seit 2007 haben wir die Banken mit einer riesigen Flut an unsinnigen, kostspieligen und wenig effizienten Vorschriften überzogen. Sie haben ihr Ziel, das System transparenter und stabiler zu machen, mehr oder weniger komplett verfehlt. Dafür haben sie die Kostenbasis um 10 – 15% gesteigert und es durch bürokratische Vorschriften verhindert, dass Banken ihre Prozesse effizient und schnell an neue Bedingungen, Technologien und Herausforderungen anpassen konnten. 90% dieser Vorschriften sind ein reines Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Bürokratie der EU, die sich hier eine riesige neue Spielwiese geschaffen hat. Das kann man einsparen, indem man die Banken vor die Wahl stellt: Regulierung light und dafür keinerlei staatliche Garantien mehr. Dann werden die Märkte die Transparenz erzeugen, die die Regulierungen verfehlt haben.
  6. Anwendung dieser Restrukturierungsprinzipien auf die Lebensversicherungsindustrie, die ein ähnliches angestautes Großproblem hat wie die Banken. Nur dass darüber niemand redet.
  7. Deflation der Asset- und Kreditblase durch stufenweisen Ausstieg aus der marktfremden Zinspolitik, Abschaffung der Nullzinsen, schrittweise Anhebung der Zinsen und kontrollierte langsame Herbeiführung der notwendigen gesamtwirtschaftlichen Anpassungen.
  8. Reform der Governance der Eurozone: Stimmrecht und Haftung im Einklang, Abschaffung oder vollwertige Besicherung von Target-2-Salden, Herstellung einer echten Unabhängigkeit des Zentralbankrates durch Auswahl nach Qualifikation statt nach Nationalität.

Und bevor ich es vergesse: Der Preis des Nichts-Tuns und des auf Sicht Fahrens, den Deutschland und Europa entrichten werden, wenn die Politik der Auffassung ist, dass sie lieber abwarten möchte, der lässt sich grob beziffern. Für Deutschland heißt das: Unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euro, wenn Insolvenzen die Banken zu Fall bringen, Entwertung der Anleihen der südlichen Euroländer in den Portfolien deutscher Anleger in Höhe von ca. 1.800 Mrd. Euro, Verlust der Target-2 Salden von zurzeit etwa 1.000 Mrd. Euro, im Krisenfall aber sicher sehr viel mehr und Verlust der Garantien im ESM. Summa Summarum etwa 3.000 Mrd. Euro, verbunden mit einer epochalen Wirtschaftskrise in den Ländern der dann ehemaligen EU, Kapitalverkehrskontrollen in ganz Europa mit ruinösen Folgen für die industriellen Lieferketten und die Erfüllung der Prophezeiung Lord Dahrendorfs von 1998: Der Euro wird Europa nicht einen, sondern spalten. Ich freue mich schon darauf, wie die Kanzlerin sich hinstellt und den Leute sagt „wir schaffen das!“

Willkommen im neuen Job, Herr Scholz! Sie schaffen das! Sie müssen sich nur entscheiden!

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Kommentare ( 81 )

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Friedrich - Wilhelm
6 Jahre her

3000 milliarden euro als krisenbetrag der eu ist viel zu niedrig angesetzt. in der tat geht es auch noch um die sicherung der bankenlandschaft mit eine potential von 8-10 billionen euro. und das ist ein betrag, der auf dauer von niemandem geschultert werde n kann. es kommen ja noch die target 2 salden dazu. die beinhalten, daß der gesamte produktivgewinn der deutschen wirtschaft in ihnen enthalten sind. für künftige investitionen und andere investive leistungen stehen demgemäß also 0 euro aus den target 2 salden zur verfügung! die hoffnung trügt, daß die ezb einmal irgendwann mit ihrer null zins politik aufhören… Mehr

Alexis de Tocqueville
6 Jahre her

Lieber Herr Krall, liebe Mitleser Diese Maßnahmen sind durchaus klug. Aber selbst wenn Herr Scholz (und die ganze EU) diesen 8. Punkte Plan genau so umsetzen – und wir alle wissen, dass das nicht passieren wird – , ist der gr0ße Krach nur verschoben. Der Euro kann auch damit nicht dauerhaft existieren. Entweder man formt einen föderalen Staat analog zu den USA oder man lässt den Nationalstaaten ihre Währungen. Beides zusammen wird nicht klappen. Lord Dahrendorf wird recht behalten. Worüber reden wir also hier? Über Maßnahmen, die kurzfristig nicht kommen werden und die, wenn sie kämen, langfristig nichts bewirken. Der… Mehr

Dreiklang
6 Jahre her

Wir werden sehen, wie intelligent Herr Scholz ist. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Wenn Scholz die richtigen Fragen stellt, bekommt er auch die richtigen Antworten. Bei den Euro-Vertragsverhandlungen seinerzeit durften, auf allerhöchste Weisung des Kanzlers, bestimmte Fragen nicht gestellt werden. Und als Beamte im Finanzministerium wie auch Bundesbank-Angehörige sich ungefragt äußerten, hieß es: „Klappe halten, da negative Meinungen unerwünscht“. Die Konstruktion der Target-Salden ohne jedes Settlement, die ELA-Konstruktion ohne Kapitalverkehrskontrollen u.a.m. war nur denkbar und möglich, weil jeder bankenübliche Sachverstand der Politik untergeordnet wurde. Scholz braucht nur zu sagen, dass ihm der Target-Saldo nicht gefällt und dass die EZB… Mehr

Roland Müller
6 Jahre her

Alles mögliche wäre schön, aber nichts davon wird geschehen. Take it easy altes Haus, mach dir nichts draus und schlaf dich erst mal richtig aus.

Bernhard K. Kopp
6 Jahre her

Es darf als wahrscheinlich gelten, dass Herr Scholz vom ‚Eurosystem‘, wie überhaupt von der internationalen Finanzwirtschaft, nicht viel mehr als ‚Bahnhof‘ versteht. Er hat aber den grossen Vorteil, wenn er ihn nutzen will, sich relativ kurzfristig von den besten Fachleuten beraten lassen zu können. Er könnte sogar Herrn Sinn zu einem mehrstündigen Privatissimum einladen. In den nächsten Wochen und Monaten wissen wir mehr.

Ewald K
6 Jahre her

Darf er überhaupt, wenn er wollte?

Dirk Wolff-Simon
6 Jahre her

So plausibel der Befund des Autors ist, so ernüchternd ist die Tatsache, dass in der deutschen Politik – offensichtlich mit Ausnahme der AfD – keine der Parteien den Mut aufbringt, hier eine Konfliktlinie zu ziehen. Die Historie des Euro und der Rettungsprogramme sprechen hier für sich. Schäuble hat es hierbei sehr gut verstanden, den Wählern zu Haus das Gefühl zu geben, dass rigoros die Interessen des deutschen Sparers und Steuerzahlers vertreten werden und bereits am nächsten Tag weitere Unterstützungsmaßnahmen unterstützt – das war Wählertäuschung auf höchsten machiavellistischem Niveau. Die Groko-Partner sind sich darin einig, diesen Weg weiter zu gehen, da… Mehr

von Kullmann
6 Jahre her
Antworten an  Dirk Wolff-Simon

Die neue Partei „LKR-die Eurokritiker“ stehen zu aller erst für einen schnellen Austritt aus dem EURO. Es besteht sogar ein diskutiertes Scenario der möglichen direkten Folgen. Das hat keine andere Partei, mit Fachleuten wie die Professoren Starbatty, Lucke und Henkel, zu bieten.

Alf
6 Jahre her

Herr Scholz stellt sich in die Tradition seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble: „Wir haben uns alle gemeinsam die schwarze Null vorgenommen“. Nur bei summa summarum 3.000 Mrd. Euro Risiko kann es keine schwarze Null in der Bilanz geben.
Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung würde gelten:
Bei der Bewertung ist ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln.
In der Politik scheint es diese Regel nicht zu geben, bleiben tote Pferde in der Bilanz außer Ansatz. Huldigen wir doch weiter der schwarzen Null.

NordChatte
6 Jahre her

Hat der Herr Scholz überhaupt einen Auftrag und von wem, „unser Geld vor EU, EZB und Banken zu retten“? Im Koalitionsvertrag steht an mehreren Stellen, dass der EURO und EUROPA gestärkt werden sollen / müssen. Deutschland ist das einzige Land in der EU, das diese Stärkung auch bezahlen kann. Herr Macron meldet stündlich bei der Kanzlerin neue Wünsche an, um mit deutschem Geld Frankreich zu retten.

Thomas Bischoff
6 Jahre her

Gut, dass es Menschen gibt, die ahnen (wissen?), was auf uns zukommt. Die Ökonomen, die bereits seit dem Maastrichter Vertrag vor 27 (!) Jahren warnen und die von den Medien als spleenige Professoren verspottet wurden/werden

Schlecht, dass unsere Politiker sich keinen Deut um die wirtschafts- und geldpolitische Realität scheren.

Und fatal, dass der Großteil der Deutschen keine Ahnung vom Kommenden hat – was wiederum ein Versäumnis von Bildung, Politik und Medien ist.

Ergo bleibt uns in absehbarer Zeit nichts Anderes übrig, als die Scherben zusammen zu kehren. Wieder einmal…