US-Wahl: Das Sieg-Rezept von Donald Trump

Hillary Clinton beherrschte die Medien. Donald Trump sprach darüber, was die Menschen bewegt, was ihnen wichtig ist. Die Wählerverachtung hat Clinton geschadet, und die Wähler Trump zugetrieben.

© Aaron P. Bernstein/Getty Images
People watch voting results at Democratic presidential nominee former Secretary of State Hillary Clinton's election night event at the Jacob K. Javits Convention Center November 8, 2016 in New York City.

Liebe Umfrage-Experten, Journalisten und Medienbosse, liebe Besserpolitiker und Moralapostel, kurz, darf ich das im Ergebnis sagen? Liebe Versager!

Nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich Sie »Versager« nenne. Ich meine es nicht persönlich. Sie haben bei der US-Wahl 2016 vollständig versagt – es ist also sachlich richtig.

Viele »kleine« Schreiber wie ich haben versucht, Sie darauf hinzuweisen, immer wieder: Wahlen werden an der Basis gewonnen, nicht in Redaktionen gemacht. Sie waren machttrunken und titelbesoffen und schon lange nicht mehr für externe Perspektiven ansprechbar.

Jetzt, mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA stehen Sie vor den Trümmern Ihrer Arbeit bis hierhin.

Ich könnte Sie auslachen und mich der Schadenfreude hingeben. Doch wozu?
Ich habe ein anderes Anliegen. Lassen Sie uns gemeinsam aus dem Sieg des Donald Trump lernen.

Donald Trump hat gegen – seien wir ehrlich – den praktisch gesamten medial-politischen Komplex der USA und manchen Kiebitz in Übersee gekämpft. Dieser Komplex hat selbst nicht sauber gestritten, oh nein. (Da Sie nun bald etwas Zeit haben werden, können Sie dann ja endlich mal aufhören, zu tun, als gäbe es WikiLeaks nicht.)

Donald Trump ist unglaublich weit gekommen, viel weiter, als viele dachten. Selbst wenn er so knapp verloren hätte – es war ein Erfolg. Mit einer einzigen Waffe. Donald Trumps stärkste Waffe sind seine Sprüche. Der Fachausdruck dafür sind »Talking Points«. Hillary Clinton gab ein Vielfaches an Geld aus, sie hatte »ground game« und eine sie recht skrupellos stützende Partei. Trump aber hatte nichts als Talking Points.

Liebe Journalisten, Sie haben viel von vergangenen Verfehlungen und angeblicher Erfahrung und politischen Programmen der Kandidaten gesprochen. Es ist Zeit, dass Sie einsehen, wie egal dies alles dem realen Wähler ist. Es interessiert zu wenige Menschen »da draußen«. (Und Sie selbst langweiligen sich doch auch schon, oder nicht?)

2015 habe ich ein Buch namens »Talking Points oder Die Sprache der Macht« vorgelegt. Der Deutschlandfunk sagte darüber, man würde nach der Lektüre die »öffentlichen Auftritte von Politikern […] mit anderen Augen sehen«. 2016 dann habe ich Vorträge zu Donald Trumps Sprache gehalten. Der Saal war immer voll. Wir haben Reden analysiert und danach jedes Mal das »Phänomen Trump« etwas besser verstanden. Es geht nicht um Meinungsforschungsinstitute, die haben sich ja auch getäuscht. Ein Talking Point ist ein politischer Satz, der dem Zuhörer das Gefühl gibt, diesem Menschen folgen zu wollen. Trumps Reden waren voller Unwahrheiten, Vulgaritäten und Wort-Trümmer. Sie, die Journalisten, haben nur diese Sprach-Brüche gesehen. Wir haben die Dichte der Talking Points gesehen.

Ich ging auch davon aus, dass Hillary Clinton knapp gewinnen würde. (Alle Talking Points nützen nichts, wenn der andere die Medien im Griff hat.) Trump hat gewonnen. Die Kraft seiner Talking Points war stärker als alles, was sich ihm in den Weg stellte.

Bitte schauen Sie sich an, wie Talking Points funktionieren. Die Grundmechanismen von Talking Points sind einfach: »Zeige, dass du stärkst, was dem Hörer wichtig ist, und dass der Gegner eben dieses schwächt.« Die Ausführung ist dann komplexer, klar.

Sie, liebe Edeldenker, produzierten »Anti-Talking-Points«. Sie verspotten, was »den Menschen« wichtig ist. Ich bestreite nicht, dass Sie gute Absichten haben. Und über die Absichten von Leuten wie Trump werde ich keine Spekulationen abgeben. Das Problem ist, dass all Ihre Absicht von Ihrer völligen (sprachlichen) Empathiefreiheit zunichte gemacht wird.

Trump sagt, dass er eine Mauer bauen wird. Sie sitzen in Ihren Büros und Kaffeehäusern und kalkulieren, ob das geht, und moralisieren, ob man das machen darf. Die Menschen aber hören, dass da einer ist, der sie beschützen wird. Seinen Stamm zu beschützen ist die erste Aufgabe eines Häuptlings. »Ich werde dich beschützen« ist ein hervorragender Talking Point.

Trump sagt, dass Frauen sich ihm gern hingeben. Sie sind empört wie Claudia Roth vor dem überfahrenen Eichhörnchen. Wissen Sie nicht, dass Häuptlinge seit jeher gewisse Sonderrechte hatten? Schauen Sie doch Ihre eigenen Helden an, ob Kennedy, Clinton oder Brecht – ganz zu schweigen von deutschen Leitwölfen!

Trump sagt, dass alles, was er macht, groß und »yuuge« ist. Sie belächeln es, schwätzen von seinen Händen – und erwarten, dass die Menschen jemanden wählen, der mit »stronger together« um die stützende Schulter zu betteln scheint.
Talking Points sind nicht »gut« und sie sind nicht »böse«. Talking Points sind, wie die menschliche Seele funktioniert. Das nachzuvollziehen könnte man »Empathie« nennen, und sei sie gelernt.

Ja, ich habe in der Vergangenheit gesagt, dass kleine Medien wie wir hier die großen, etablierten wie Sie ersetzen werden – und dazu stehe ich gern. Ja, wir hatten Recht und Sie hatten Unrecht. Doch lassen wir das für den Moment beiseite.

Ich bitte Sie um zwei Dinge: Sehen Sie ein, dass es einen Graben zwischen Ihren Prioritäten und den Prioritäten »der Menschen da draußen« gibt. Hören Sie auf, wie pubertierende Teenager alles zu verachten, was Sie nicht verstehen. Analysieren Sie, wieso die Sprache des Donald Trump wirkt. Ich verrate Ihnen etwas, was Ihnen im Moment weh tun wird: Sie werden von Donald Trump lernen. Und: Indem Sie Donald Trump verstehen, werden Sie »die Menschen da draußen« (besser) verstehen. Das wird Sie verändern, und nicht zum Schlechteren. So hat die Wahl des Donald Trump dann bereits etwas Gutes bewirkt.

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