In Frankreich werden fast 18.000 Menschen an Ostern in die katholische Kirche aufgenommen. Eine Steigerung um 30% zum Vorjahr, die Erwachsenentaufen betreffend sogar um 45%. Handelt es sich um einen kurzlebigen Trend oder um eine nachhaltige Entwicklung?

Als am Aschermittwoch zum Beginn der Fastenzeit die Gottesdienste in Frankreich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen geradezu überrannt wurden, berichteten nur wenige christliche Medien darüber, und das nicht ohne Verwunderung: Ob Provinz oder Großstadt, vielerorts waren die Kirchen überfüllt, Priester gaben zu Protokoll, derartiges noch nie erlebt zu haben. Die Frage, die sich damals stellte: Handelt es sich um einen kurzlebigen Hype, oder zeichnet sich eine nachhaltige Entwicklung ab?
Die Zahlen, die die französische Kirche nun zu Ostern vorlegt, deuten auf letzteres hin: Über 18.000 Menschen werden am diesjährigen Osterfest in die katholische Kirche aufgenommen. Eine Steigerung um 30% zum Vorjahr. Darunter fallen 10,384 Erwachsenentaufen, hinzu kommen über 7,400 Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren, die sich ebenfalls taufen lassen.
— Johannes Hartl (@DrJohannesHartl) April 19, 2025
Aus Sicht der großen christlichen Konfessionen in Deutschland sind das beeindruckende Zahlen. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 traten in Deutschland lediglich 1.839 Menschen in die katholische Kirche ein, immerhin 4.743 machten ihren Austritt rückgängig.
In einem derart stark säkularisierten Land wie Frankreich, wo die Laicité, die strenge Trennung von Staat und Kirche, zur Staatsdoktrin gehört, ist diese Hinwendung zum institutionellen Glauben ein bemerkenswertes Phänomen. Wie ist das zu erklären?
Im Raum stehen verschiedene Theorien. Einigermaßen einsichtig ist die Vermutung, dass junge Menschen auf der Suche nach Sinn verstärkt auf die Angebote der Kirche zurückgreifen, dass sie in einer fragmentierten und individualistischen Gesellschaft, insbesondere nach den traumatisierenden Jahren der Covid-Pandemie, nach Stabilität, Bindung und Gemeinschaft suchen. Auch die Präsenz des Islam und die oft selbstverständlich Raum einfordernde Glaubenspraxis vieler Muslime könnte eine Rolle spielen: Wer als Christ gewöhnt ist, Selbstzensur zu betreiben, und den eigenen Glauben so wenig wie möglich öffentlich zu zeigen, oder wer verinnerlicht hat, dass Glaube und Religion keine Priorität haben, ist immer stärker mit religiösen Menschen konfrontiert, die ihre Überzeugungen offen und öffentlich vertreten, und die dem Glauben hohe Priorität einräumen. Zugleich ist denkbar, dass damit auch der Versuch kultureller Selbstbehauptung und Rückgewinnung der eigenen kulturellen Wurzeln verbunden sein könnte.
Die hohen Taufzahlen aus Frankreich stehen nicht allein: Ein ähnliches Phänomen zeigt sich in England. Hier sind es die Zahlen der Gottesdienstbesucher, die kontinuierlich steigen – um 50% innerhalb der letzten sechs Jahre in England und Wales. Besonders sticht hier hervor, dass die Rate vor allem unter jungen Männern stieg: Von 4% auf 21%.
Doch angesichts des mangelnden Interesses der säkularen Öffentlichkeit an innerkirchlichen Vorgängen wird weiterhin vor allem innerhalb christlicher Medien darüber spekuliert, was die Menschen zur Kirche zurückführt. Die katholische Zeitung La Croix hat in einer nichtrepräsentativen Umfrage nach Gründen für den Wunsch, getauft zur werden, gefragt. Die Ergebnisse regen dazu an, den Sachverhalt umfänglich zu untersuchen: 51% der Befragten geben an, dass eine spirituelle Erfahrung ein Motiv sei – die Befragten konnten drei Antworten auswählen, als wichtigsten Grund erwähnten 30% die spirituelle Erfahrung, für 12% stand sie an zweiter, für 9% an dritter Stelle. Sinnsuche ist mit insgesamt 35% vertreten, 18% nennen die persönliche Begegnung mit Priestern oder Gläubigen. Dazwischen rangiert mit 21% der Wunsch, „die christlichen Wurzeln Frankreichs zu entdecken“.
Das ist spannend: Die Rückgewinnung der eigenen Kultur spielt zwar durchaus eine Rolle, die geistliche Ebene der Bekehrung nimmt jedoch eine weit prominentere Position ein.
Falls diese Umfrage den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, würde dies darauf hindeuten, dass sich hier eine nachhaltige Wende abzeichnen könnte. Denn eine rein auf kulturelle Selbstvergewisserung zielende, äußerliche und politisierende Hinwendung zum Christentum käme lediglich einer Instrumentalisierung des Glaubens gleich und wäre kaum tragfähig. Aus echter Überzeugung hingegen kann entsprechender Lebenswandel erwachsen, der seinerseits konstruktiv in die Gesellschaft hineinwirkt.
Ob eine solche Entwicklung auch in Deutschland ansteht, ist indes fraglich. Hier ist nicht nur konfessionelle Spaltung ein Hemmschuh. Neben der teils offen feindseligen säkularen Presse sind es innerkirchliche Kreise selbst, die nicht selten aggressiv gegen den Glauben, die Glaubenslehre und die Kirche agitieren; hier sind es nicht selten Priester, die Spiritualität infantilisieren, Bischöfe, die den Glauben banalisieren, und politisierte Laien, die jegliche authentische geistliche Erfahrung als latente Gefahr betrachten. Zudem blockiert ein durch Kirchensteuer und Staatsleistungen aufgeblähter Apparat von Berufschristen die Entfaltung eines lebendigen Christentums.
Nicht einmal ein Drittel der Christen in Deutschland feiert Ostern als religiöses Fest – so berichtet der WDR in einem unbeholfenen Artikel, der auch gleich mit Fehlinformationen über das Osterfest aufwartet, obwohl es sich um leicht auffindbares Faktenwissen handelt.
Auch künstliche Aufregung um in „Sitzhasen“ umbenannte Schokoladenosterhasen kann also nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland von einer Rückkehr zu den eigenen religiösen, und damit gezwungenermaßen auch von der Rückkehr zur eigenen kulturellen Identität weit entfernt ist. Wird Frankreich einen anderen Weg einschlagen?
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Gerade in Frankreich wurden in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils in den 1970er Jahre viele sog. „Neue Geistliche Gemeinschaften“, katholische wie überkonfessionelle, gegründet, um die wahre Intention des Konzils zu fördern und sie über das herkömmliche, immer kraftloser und ausstrahlungsärmer werdende Gemeindeleben hinaus sichtbar zu machen. Zu nennen wären hier bekannte Gemeinschaften wie Communauté de l’Emmanuel, Communauté des Béatitudes, Communauté Saint Jean, Communauté du Chemin Neuf, die alle auch Ableger in Deutschland, Schweiz oder Österreich haben. Geistliche Zentren wie Taizé oder Paray-le-Monial sind über alle Grenzen bekannt und sehr beliebt, selbst bei Nicht-Christen. Ganz anders wie hierzulande erlebt Frankreich… Mehr
Sehr geehrter Herr(?) „Je me souviens“, vielen Dank für Ihren Beitrag, der uns östlich des Rheins einen optimistischen Eindruck aus den Ländern unseres, auf die Vernichtungskriege Ludwig XIV. zurückgehenden „Erbfeind“ gibt, der uns fern der deutschsprachigen Ländern kulturhistorisch näher steht, als sonstwer.
Hochachtungsvoll
Keine Ahnung, was die Franzosen in die Kirche treibt.
In Deutschland wäre das zumindest für mich keine Option, denn das heutige „Programm“ dieser links-grün versifften NGO’s gefällt mir überhaupt nicht.
In Deutschland besteht noch das „Reichskonkordat“ zwischen den Staat und dem Vatikan und Verträge mit der evangelischen Kirche. Den Kirchen fließt eine gesicherte finanzielle Unterstützung durch die Kirchensteuer zu.
Auch hier gilt, „Wessen Brot ich esse, dessen Hand ich nicht beiße“ Die Kirchen gehen den Wokismus mit, um die gesetzliche Zuwendung nicht zu gefährden. Sie biedern sich dem Staat und er jeweiligen Politik an.
Leider vergessen sie dabei, ihren eigentlichen seelsorgerischen Auftrag. Gläubige (?) treten aus.
Also ich kenne mich mit den Kirchen in Frankreich nicht aus. Aber eines weiß ich die katholische und evangelische Kirche in Deutschland sind ja wohl eher Teil des Problems nicht der Lösung. Eine Trendwende hin zu diesen beiden Kirche würde mir eher die letzte Hoffnung nehmen als geben.
Institutionen sind nach meiner Meinung immer ein teil des Problems, egal welche.
Das in einer 2000 Jahre währenden und weltumspannenden Organisation mit zig Millionen Mitgliedern nicht nur Gutes geschieht und es auch Verbrecher darin gibt sollte sich von selbst verstehen.
Aber die Kirche hat es geschafft den Glauben über 2000 Jahre zu bewahren und zu verbreiten. Ganz abgesehen von all den kulturellen Errungenschaften.
In Ländern wie Frankreich, Polen, den Niederlanden, England und den USA wird keine Kirchensteuer erhoben. Die dortigen Kirchen finanzieren sich vorwiegend aus Spenden oder finanziellen Hilfen aus dem Ausland (z. B. aus Deutschland).
Nur die Rückbesinnung auf das Christentum kann die westlichen Gesellschaften retten.
Rückbesinnung auf das Neue Testament, ohne die Amtskirchen.
Ein bisschen Altes Testament kann bisweilen nicht schaden, und ohne Kirche geht es nicht, ob es einem gefällt oder nicht.
Dann will ich lieber nicht gerettet werden. 1.500 Jahre himmlischer Stalin reicht.
Falsche Antwort. Wenn Sie getauft und Christ sind, sollten Sie besser Stolz darauf sein. Denn es ist diese, Ihre Einstellung, die aus vielen Ihrer Kommentare zum Christentum spricht, und damit stellvertretend für so viele ist, die uns dahin gebracht haben wo wir heute stehen.
Korrekte Antwort. Das ist wie mit dem Fußball. Wir wurden 2014 trotz Jogi Löw Weltmeister. Ohne diese Biblischen Märchen aus 1.000 & einer Nacht wären wir heute bereits viel weiter.
Es scheint so, daß die Kirche dort noch Kirche ist und nicht wie hier, stramme Grünrote Genossen und Pädoversteher.
Ostern hat seinen Ursprung in der Kreuzigung eines „Gecancelten“
NIEMALS zu vergessen – damals begann die offizielle „Cancel Culture“
Soviel zur Kultur einer der Religionen
Jesus starb ja gar nicht an Ostern. Der Termin wurde willkürlich, wie immer auf ein heidnisches Fruchtbarkeits-Fest gelegt.
Jesus starb am 7. April im Jahre 30 gegen 15 Uhr. Es gibt keine Person in der Antike deren Todesdatum so exakt bestimmt werden kann.
Dir Kirche schreibt 3. April 33. Die Existenz von Ihrem gescheiterten Propheten & Aufrührer ist ja noch nicht einmal gesichtert.
So ein Schwachsinn.
Das Christentum hat überhaupt erst lange danach, so richtig angefangen.
Sie verwechseln Ihr eigenes Erwachsenwerden mit Wimpernschlägen der Geschichte.
Die Frage wäre (ich kenne mich da überhaupt nicht aus), ob die Katholische Kirche in Frankreich weniger partei-politisch ausgerichtet ist.
Leider erwähnt der Artikel nicht, ob die katholische Kirche in Frankreich gegenüber dem RN ähnlich feindselig eingestellt ist wie die deutsche katholische Kirche gegenüber der AFD.
Die Kirche in Frankreich ist mWn traditionell völlig vom Staat entkoppelt – Frankreich war schon immer sehr säkular. In Deutschland hingegen hat die Kirche sich bereits unter Hitler durch die Kirchensteuer in eine staatliche Abhängigkeit begeben. Man sieht das seither immer und überall: im Zweifelsfall werden die Deutschen Kirchen-Oberen daher immer nach der Pfeife der Regierung tanzen.
Leider. Und mit deswegen bin ich schon lange aus dem „Verein“ ausgetreten. Es spart auch nettes Geld, welche diese Kirche dann schon von mit nicht mehr bekommt.